[Greifswald] Antisemit. Namenspatron bleibt

Bobby Bauzaun 16.01.2010 13:33 Themen: Antifa Antirassismus Bildung
In der letzten Woche fand parallel zu den StuPa- und Senatswahlen an der Uni in Greifswald die Urabstimmung darüber statt, ob die Universität weiter den Nationalisten und Antisemiten Ernst Moritz-Arndt als Namenspatron behalten soll.
Ernst Moritz Arndt?
Kein geringer als Hermann Göring verlieh 1933, im Jahr der Machtergreifung der NSDAP, der Universtiät Greifswald den Namen “Ernst Moritz Arndt”. Dieser war ein aus dem damaligen Schwedisch-Pommern stammender Schriftsteller und späterer Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung.
Seine Texte strotzen nur so von völkischem Nationalismus, Hass auf die Franzosen und die Juden.
So schrieb er bspw. 1814:

“Mann sollte die Einfuhr der Juden aus der Fremde in Deutschland schlechterdings verbieten und hindern. [...] Die Juden als Juden passen nicht in diese Welt und in diese Staaten hinein, und darum will ich nicht, daß sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden.
Ich will es aber auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche.”

Zum völkischer Nationalismus, ebenfalls 1814:

“Die Deutschen sind nicht durch fremde Völker verbastardet, sie sind keine Mischlinge geworden, sie sind mehr als viele andere Völker in ihrer angeborenen Reinheit geblieben und haben sich aus dieser Reinheit ihrer Art und Natur nach den stetigen Gesetzen der Zeit langsam und still entwickeln können; die glücklichen Deutschen sind ein ursprüngliches Volk…;
Jedes Volk wird nur dadurch das Beste und Edelste werden und das Beste und Edelste hervorbringen können, daß es immer das Kräftigste und Schönste seines Stammes ausliest und mit eineinander zeugen läßt… Diese Theorie, die in der Regel gewiß Stich hält, sollte von den Gesetzgebern mehr ins Auge gefaßt werden. Sie haben mehr auf reines und gleiches Blut gesehen als wir.”

Franzosenhass:

“Ich will den Hass gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für immer. Dann werden Deutschlands Grenzen auch ohne künstliche Wehren sicher sein, denn das Volk wird immer einen Vereinigungspunkt haben, sobald die unruhigen und räuberischen Nachbarn überlaufen wollen.
Dieser Haß glühe als die Religion des deutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in allen Herzen und erhalte uns immer in unsrer Treue, Redlichkeit und Tapferkeit.(…)”

Weitere Zitate spare ich mir, wer mehr wissen möchte, der ist mit uni-ohne-arndt.de gut beraten, wo sich gründlich mit Arndt auseinandergesetzt wird.



Wegen eben diesen (und vielen anderen!) Zitaten verehrten die Nazis Ernst Moritz Arndt. Schon kurz nach der Machtergreifung beantragte der örtliche Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten-Leiter die Benennung der Greifswalder Universität nach Arndt. Das preußische Staatsministerium erteilte die Bewilligung im Mai 1933, da Arndt stets für "die Freiheit, die Ehre und die Macht des Deutschen Vaterlandes an erster Front gekämpft habe."

In der DDR behielt die Universität den Namen, da Arndt dort als Vordenker im Kampf gegen den Feudalismus und die Leibeigenschaft gesehen wurde. Seine antisemitische Einstellung spielte dort keine große Rolle und wurde auch nicht weiter diskutiert.

Nach der Annexion der DDR an die BRD behielt die Uni auch weiter den Namen, erst in den letzten Jahren ging die Kontroverse los. Die Gruppe 'Uni-ohne-Arndt' bildete sich und informierte monatelang über den Rassismus und Antisemitismus, den Arndt stets propagiert hatte. So gab es seit mehreren Jahren in dem Studierendenmagazin 'moritz' den 'Arndt des Monats', in dem jeweils ein Zitat Arndts aufgeführt wurde, dass einen kurzen, aber erschreckenden Einblick in die Gedankenwelt des Mannes geben sollte. Es gab etliche Diskussionsveranstaltungen & Vorlesungen zu der Thematik. Bei einer Veranstaltung unter freiem himmel, auf der Arndt zitiert wurde, riefen verunsicherte Greifswalder BürgerInnen sogar die Polizie, weil sie dachten, dass es sich um eine Nazi-Kundgebung handeln würde.

Das ganze gipfelte schließlich in einer studentischen Vollversammlung im Juni 2009, bei der 1200 Studierende sich per Handzeichen für die Ablegung des Namens einsetzten. Diese Abstimmung wurde von den rechten/konservativen Studierenden im Asta und StuPa jedoch nicht anerkannt. Also kam es zu der Urabstimmung, bei der in geheimer Wahl darüber abgestimmt wurde, ob die "Ernst Moritz-Arndt-Universität künftig nur noch Uni Greifswald" heißen soll.

Urabstimmung:
Die Beteiligung an der Wahl war Rekordverdächtig, ganze 22% machten ihr Kreuzchen. Bei den letzten StuPa-Wahlen waren es grade mal etwa 10%.
Und umso erschreckender ist es, dass sich die Mehrheit der WählerInnen sich für die Beibehaltung des Namens ausprachen, in Zahlen ausgedrückt:

2832 abgegebene Stimmen, (von 12200 Studierenden)
davon 1217 Ja, 1398 Nein, 189 Enthaltung, 28 ungültig.
Das bedeutet: 43 % Ja, 49,4 % Nein, 6,7 % Enthaltung und 1 % ungültig.

Ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die sich monatelang für Umbenennung engagierten. Besonders bitter, da die Arndt-Befürworter sich eigentlich erst im Oktober/November zu formieren begannen und ihre eigene Website 'pro-emau' online stellten.

Aber die Greifswalder Studierendenschaft hat gewählt und zeigt damit auch, wes Geistes Kind sie sind. Der deutsche Natioanlismus, Antisemitismus und Rassismus den Arndt propagierte, scheint für die Mehrheit der Studierenden kein Problem zu sein, ebenso nicht die Tatsache, dass es eben Hermann Göring war, der der Uni diesen Namen verlieh.
Man kann davon ausgehen, das jene knapp 1400 StudentInnen wussten, für wen und was sie da votierten. Das die allermeisten der Wahlberechtigten sich für die Thematik garnicht interessierten ist leider auch kein neues Phänomen, zeigt aber auch, dass es denen zumindest egal war, wer Arndt war und für was er stand.

Dass bei der parallel verlaufenden StuPa-Wahl ein ehemaliger Republikaner, der für die Abschaffung des Gleichstellungsreferates und gegen Bio und Fair-Trade essen in der Mensa eintritt und gegen "jeglischen (sic!) Extremismus an der Uni (NPD, Rote Hilfe...)" ist, scheint da nur konsequent.

Die Umbennung entscheiden kann eh nur der Senat, die Urabstimmung wäre nicht bindend gewesen. Jedoch hätte eine Mehrheit für die Umbenennung eine erheblichen Druck auf den deisen auüben können. Die Mehrheit des stark konservativ geprägten Senats haben jedoch schon signailisiert, für die Beibehaltung des Namens zu votieren.


weitere Informationen:

www.uni-ohne-arndt.de
 http://www.zeit.de/studium/hochschule/2010-01/greifswald-initiative-gescheitert
www.pro-emau.de (RCDS-Seite)
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Ergänzungen

Vorschlag: Kampagne abändern

oldmcdonald 16.01.2010 - 21:06
Nicht ganz die Hälfte der Abstimmenden sind dagegen, dass ihre Universität den Namen eines Rassisten und Antisemiten trägt. In absoluten Zahlen hält jeder zehnte (genau: 9,89%) Wahlberechtigte eine Namensänderung für notwendig - ich frage mich, an welcher Universität sich auch nur annähernd so viele Leute gegen den Namenspatron Ihrer Einrichtung aussprechen.
Klar ist das armseelig, dass nicht mindestens 90% der Leute gegen so eine fürchterliche Namensvergabe stimmen, aber hey: So ist das Scheuklappen-Pack eben. Es ist aber auch idiotisch, so eine Wahl nach Mehrheitsverhältnissen zu beurteilen. In welcher Welt lebt der Senat, wenn er denkt, eine knappe Mehrheit mache die Namensvergabe demokratisch vertretbar?

Solidarische Grüße!
oldmcdonald

Senat muss Ändern

Bollo 17.01.2010 - 17:44
Wenn es der Senat entscheiden muss, muss jetzt eben das Bündnis mit ProfInnen gesucht werden. Und eine Senatsmehrheit für die Namensänderung gefunden werden. Es ist bestimmt enttäuschend, eine solch knappe, unverdiente, unverständliche und alles Gerede von StudentInnen als einer zukünftigen, geistig über den "Bollos" von der Baustelle oder an der Supermarktkasse stehenden "Elite" entlarvende Niederlage einstecken zu müssen. Aber das Ergebnis kann so nicht stehenbleiben. Jetzt müssen die ProfInnen ran. Und wenn das auch schiefgeht, wissen wir eben bescheid über das politische Klima an der Uni und in der Stadt.

Demokratie ist nicht Mehrheitsherrschaft

AG Wissen und Besserwissen 18.01.2010 - 19:36
Eine solche Mehrheitsentscheidung ist mitnichten ein Sieg der Demokratie. Demokratie ist nicht einfach die Herrschaft der Mehrheit. Vielmehr muss eine Entscheidung, so sie denn demokratisch heissen will, auch den Ansprüchen einer Demokratie genügen. Und deren allererste ist die prinzipielle Gleichheit. Eine Entscheidung, die Antisemitismus und/oder Rassismus praktiziert, fördert oder billigt, kann somit nicht demokratisch sein. Die Wahl eines Nazis in ein Parlament oder öffentliches Amt ist deshalb z.B. nicht demokratisch, sondern eine offensive Absage an Demokratie. Wer hingegen mit oder ohne Mandat, leise oder lautstark, polizeilichen Anordnungen gegenüber folgsam oder eben nicht folgsam Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit einfordert, ist DemokratIn.

Die "Deutsche Studentenschaft" wurde 1945 von der aliierten Militärregierung verboten. Sie war zeit ihrer Existenz exterem rechts und seit 1930 nazistisch. In Preußen wurde ihr daher Mitte der 20er Jahre die ministerielle Anerkennung entzogen und 1933 erst wieder eingeführt. Als Belohnung für die Bücherverbrennungen. Noch fragen, Nazi? Oh bitte, nichts zu danken.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Tja Studenten halt. — vor denen muss

Ist die Demokratie — Pelle

uiiii — locki

Erstaunlich — Markus

Offensichtlich — Lehrer