Prozess nach Polizeiprügel: 18.1. Frankfurt

K.O.B.R.A.___antirepressionsplattform_______ 09.01.2010 19:05 Themen: Repression

Es ist über ein Jahr her, da fand in Frankfurt der Jugendumweltkongress statt, kurz JUKss. Es ein Treffen der vielen Aktionen, was Polizei und Justiz auf den Plan rief.

Aktionen im Flughafen (damals lief noch die Besetzung auf der inzwischen gerodeten und verwüsteten Baustelle). Hochhäuser reizten für Kletteraktionen, Escada und die Börse erlebten Aktionen. Als die Polizei mit Gewahrsamnahmen reagierte, wurde ihr Headquarter zum Schauplatz von Aktionen. Hier zeigte sich die Polizei dann schon reichlich genervt. Es kam zu drei weiteren Verhaftungen und rüder Gewaltanwendung durch die Uniformierten. Und wie es dann immer so ist, schrieben die TäterInnen Anzeigen. Staatsanwaltschaft und Richter spielen mit - und es hagelt Strafbefehle. Doch die Betroffenen legen Widerspruch ein (bzw. versuchen das zumindest ... nicht so einfach in den Urteilsfabriken). Und so kommt es zu Prozessen. Der erste endete - nach vielen Rechtsbeugungen im Prozess - mit einem Schuldspruch. Eine Revision wurde durch Sperrberufung seitens der Staatsanwaltschaft verhindert - eine Rechtsbeugung mehr heilt die vorherigen ... nun kommt es zum nächsten Prozess: Am Montag, den 18.1. um 10 Uhr steht ein Aktivist vor Gericht, der die Polizei derbe beschimpfte, als sie ihn verprügelte. Das ist natürlich nicht erlaubt - mensch soll sich gefälligst klaglos zusammentreten und -schlagen lassen.

Der bisherige Ablauf

Am 2.1.2009 kommt es zu einer Demonstration vor dem Polizeipräsidium, weil dort einige AktivistInnen inhaftiert wurden. Die Polizei zieht einen derjenigen, die Redebeiträge halten, unter einem Vorwand (Personalien feststellen - dabei waren die schon bekannt zu dem Zeitpunkt) aus der Demo, schleift ihn in den Innenhof und verprügelt ihn. Der Verprügelte beschimpft daraufhin die Prügler. Das Ganze ist auf einem Polizeivideo gut dokumentiert - bis hin zu einem Prügler in Uniform, der auf dem längst am Boden Liegenden hockt und ihm Faustschlag auf Faustschlag versetzt mit dem Worten "Hälst Du jetzt die Klappe!" Sowas gucken sich StaatsanwältInnen und Richter aber wohl nie an - es reicht ihnen, was die Polizei selbst sagt. Ermittelt wird zunächst wegen Widerstand und Beleidigung, wie die erste Vorladung zeigt. Doch offenbar ahnen die Ermittler, dass ihre Handlungen nicht rechtmäßig waren. So lassen sie den Punkt "Widerstand" fallen, denn hier ist das rechtmäßige Handeln der Polizei Voraussetzung. Für das andere Delikt aber reichen die Aussagen und es gibt gleich einen Strafbefehl (am 7.4.2009). Der Betroffene legt Widerspruch ein, holt sich die Akten, sichert den Video mit den Prügelpolizisten und reicht am 5.4.2009 seinerseits Anzeige wegen Körperverletzung im Amt ein. Gerichte und Staatsanwaltschaft beginnen die typische Reihe von schmutzigen Tricks und Vertuschung. Sie "verlieren" den Einspruch gegen den Strafbefehl und stellen dann das Verfahren gegen die Prügelpolizei ein mit der Begründung, dass ja das Opfer rechtskräftig verurteilt wurde und daher klar sei, dass die Polizei richtig gehandelt hätte (wo ist da eigentlich der Zusammenhang?). Der Betroffene legt Beschwerde ein, so dass eine Ebene höher das Ganze nochmal wiederholt wird.
Parallel bemüht sich der Betroffene, gegen das "Übersehen" seines Widerspruchs vorzugehen. Doch seine erste Nachfrage am 30.5.2009 und der Antrag auf Wiedereinsetzung am 20.6.2009 werden weder bearbeitet noch beantwortet - wohl (oder weil?) er einen präzisen Nachweis hat, dass sein Widerspruch eingegangen ist. Erst als er einen Anwalt bat, nochmal Akteneinsicht zu nehmen (um selbst nach dem Widerspruch zu schauen), fand das Gericht "plötzlich" den Widerspruch - und lud zur Hauptverhandlung. Schöne Ausreden für denen Vorgang musste sich die Staatsanwaltschaft wieder ausdenken, weil der Betroffene auch zu dieser Rechtsverdrehung eine entsprechende Anzeige stellte (Einstellung vom 26.6.2009). Es war also recht aufwändig, überhaupt durchzusetzen, als Angeklagter ein Gerichtsverfahren zu bekommen. Auch das ist nicht ungewöhnlich ... immer häufiger versuchen Gerichte, Angeklagte ganz ohne Verfahren oder ohne eigene Handlungsmöglichkeiten fließbandmäßig abzuurteilen. Das klappte hier nicht, so dass das Gericht schließlich zur Hauptverhandlung laden musste. Und inzwischen sogar auch an anderen Punkten einknickte: Anders als im September bekommt der Angeklagte diesmal nämlich eigenständig Akteneinsicht. Woraus zu lernen ist: RichterInnen versuchen jede Rechtsbeugung, um schnell aburteilen zu können. Wenn genug Gegenwind kommt, halten sie sich wenigstens ans Gesetz (was nicht toll ist, aber noch besser als die Willkür der willigen VollstreckerInnen in Robe).

Richter Henrici und der Justizclan in einem ähnlichen Verfahren

Es ging um um die gleiche Demonstration. Das Geschehen ist im gleichen Video anzugucken - und auch dort ist nur zu sehen, wie die Polizei gewalttätig ist. Eine Person wird festgenommen und beim Abführen brutal auf ein Polizeiauto geworfen. Alles gut zu sehen im Film einschließlich dessen, dass die verhaftete Person keinerlei Widerstand leistet. Macht nichts: Die Polizei stellte trotzdem eine Anzeige - und zwar wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Das gleiche Spiel wie oben plus unglaublicher Einschränkungen der Rechte der Angeklagten in den beiden Hauptverhandlungstagen (Bericht vom 1. Tag ++ noch einer). Für den zweiten Verhandlungtag, den 3. September 2009, fertigte ein Zuschauer ein Protokoll der Rechtsbeugungen durch Amtsrichter Henrici. Glasklar - es folgte die sofortige Einstellung des Rechtsbeugungsverfahrens gegen Richter Henrici am 5.11.2009, gegen die der Zuschauer dann nochmals die ebenso aussichtslose Beschwerde einreichte (am 16.11.2009). Der damalige Zuschauer ist der Angeklate im Prozess am 18.1.2010. Am 3. September hatte Richter Henrici ihn aus dem Zuschauerraum werfen lassen, obwohl Störungen gar nicht möglich waren. Schließlich fand das Ganze im Terrorismussaal des Landgerichtes statt, wo eine Glasscheibe Prozessbeteiligte und Öffentlichkeit trennte.
Der Polizeivideo wurde im Verfahren sogar angeguckt: Auf dem Laptop des belastenden Polizeizeugen - also eines der Gewalttäter. Für ein Gericht, für das die Verurteilung ohnehin schon feststeht, reicht der Blick in den Privatlaptop eines Belastungszeugen. Beweisanträge der Angeklagten wurden abgelehnt oder gar nicht erst zugelassen. So spricht mensch Recht!

K.O.B.R.A.-Presseinfo am 9.1.2010

Spannendes Strafverfahren am Amtsgericht Frankfurt:
Schützen Staatsanwaltschaften und Gerichte gewalttätige Polizeibeamte?
Darf man Polizisten beschimpfen, die einen unrechtmäßig verprügeln?

Die öffentliche Debatte über Polizeigewalt steht vor einem notwendigen Wandel. Das Urteil des Bundesgerichtshofes über die einseitig Polizei schützenden regionalen Gerichte im Fall "Oury Jalloh" stellt nur die Spitze eines Eisberges der Vertuschung von Polizeigewalt. Verbunden ist dieser einseitige Schutz vor Strafverfolgung für Angehörige der Polizei meist mit einer Kriminalisierung der Opfer. So hat der BGH im Fall „Oury Jalloh“ zurecht gerügt, dass ohne jegliche Beweisaufnahme einfach angenommen wurde, dass das Opfer der Polizeigewalt den Brand verursacht habe.
Der spektakuläre Fall von Dessau zeigt aber nichts anderes als die übliche Vorgehensweise. Ein Beispiel aus dem hessischen Rotenburg (Fulda) fand immerhin den Weg in die regionalen Medien: Ein Verfahren gegen einen Polizisten wurde eingestellt, obwohl der nachweislich eine Person geschlagen hatte. Das würden sie häufiger so machen, hatten Kollegen des Beamten ausgesagt. Für sie, die ermittelnde Staatsanwaltschaft und das Gericht war das Entschuldigung genug. Das Opfer des polizeilichen Gewaltübergriffs aber hatte noch Glück: Üblich ist nämlich, dass PolizistInnen dann, wenn sie selbst gewalttätig werden oder massiv Gesetze übertreten, ihr Opfer anzeigen - um sich vor etwaigen Scherereien zu schützen, falls sie selbst angezeigt werden. "Die wissen, dass Staatsanwälte und Richter ihnen glauben oder den politischen Auftrag haben, die Ordnungstruppe der Herrschenden zu schützen", bewertet der Polizei- und Justizkritiker Jörg Bergstedt dieses Verhalten. Er hat viele Fälle untersucht, in denen vermeintlich Uniformierte Opfer von Gewalt wurden, tatsächlich aber selbst Gewalt ausgeübt haben: "Die in den letzten Jahren immer wieder benannten steigenden Zahlen von Anzeigen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sind nichts anderes als ein Beleg für eine immer gewalttätigere Polizei". Denn wo ein Uniformierter Gewalt ausübt, fülle er als Selbstschutz die Anzeige gegen sein Opfer aus. Die Statistiken, die dann aufgrund derart gefälschter Anzeigen entstünden, würden absurderweise dann den Scharfmachern der Gesellschaft als Argument für mehr Kontrolle und noch mehr Befugnisse für die Polizei dienen. Ein Teufelskreis, findet Bergstedt. Er muss am 18.1.2010 selbst vor dem Amtsgericht Frankfurt (10 Uhr, Raum E 23 in der Hammelsgasse 1) erscheinen. Vor gut einem Jahr war er auf einer Demonstration gegen Polizeiwillkür in Frankfurt von den Uniformierten entdeckt und ab dem Moment immer wieder gezielt attackiert wurden. Schließlich wurde er festgenommen, in den Innenhof gezerrt und dort - am Boden liegend - verprügelt. Als Reaktion beschimpfte er die Polizei und erhielt prompt eine Anzeige wegen Widerstand und Beleidigung. Das Ermittlungsverfahren gegen die prügelnden Polizisten wurde sofort eingestellt, obwohl ein Polizeivideo das Geschehen genau dokumentiert.
Bergstedts Prognose für das Verfahren in Frankfurt ist eher düster: "Der Richter wird die Beamten schützen wollen. Üblich sind Verfahren, in denen Angeklagten ihre prozessoralen Rechte genommen werden, die Öffentlichkeit möglichst weit eingeschränkt wird und es kaum möglich ist, Anträge zu stellen." Der Prozess diene der Vertuschung von Polizeigewalt und der Aburteilung derer Opfer. Diese immer wieder aufzudecken, hat sich der Angeklagte seit Jahren zu einem Themenschwerpunkt gemacht. Entstanden ist unter anderem sein Buch "Tatort Gutfleischstraße". Die spektakulärsten Fälle hat Bergstedt unter dem Titel "Fiese Tricks von Polizei und Justiz" als Bilderschau zusammengestellt und zieht damit durch die Lande. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden schiebt sei Jahren ein Ermittlungsverfahren gegen etliche Richter, Polizeibeamte einschließlich Staatsschützern und dem hessischen Innenminister vor sich her. Methoden aus dem dritten Reich seien zur Anwendung gekommen, hatte schon das Oberlandesgericht Frankfurt geurteilt (20 W 221/06). Bergstedt dazu: "Die werden dieses Verfahren mit allen Mitteln verhindern wollen, um Polizei und Justiz das Image zu retten". Der mehrfach von gefälschten Tatvorwürfen Betroffene will das nun in Frankfurt anstehende Verfahren nutzen, um die Methoden gerichteter Justiz im Fall von Polizeigewalt zu thematisieren. Der vorgesehene Amtsrichter ist für den Angeklagten kein Unbekannter. Bereits die Vorphase war eine Aneinanderreihung von Pannen und Nichtbeachtung durch das Gericht. Zudem musste Bergstedt im September vom Zuschauerraum mit ansehen, wie derselbe Richter in einem anderen Verfahren einer Angeklagten alle vom Gesetz her vorgesehenen Rechte verweigerte. "Die Staatsanwältin stimmte jeder Rechtsbeugung zu - und meine Strafanzeige wegen Rechtsbeugung wurde sofort niedergeschlagen", lässt Bergstedt keinen Zweifel, auf welche Grundeinstellung von Richter und Staatsanwaltschaft er sich für den 18.1. gefasst macht.

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Ergänzungen

Video

Uwe 10.01.2010 - 15:30
Gibts das Video irgendow zu sehen?

Video?

k.o.b.r.a.__antirepressionsplattform____ 10.01.2010 - 16:02
(Noch) nicht.

Prozess verschoben

k.o.b.r.a.__antirepressionsplattform____ 19.01.2010 - 17:01
Der Prozess ist auf den 10. Mai, 8.30 Uhr verschoben (gleicher Ort). Angeklagter und ZuschauerInnen erfuhren das erst vor Ort.

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Herrgott, nein! — Ares