Streik bei Wohlthatscher Buchhandlung

buchhändler 05.01.2010 15:18 Themen: Soziale Kämpfe
Die Beschäftigten der Wohlthatschen Buchhandlungen in Berlin/Brandenburg kämpfen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und lassen sich auch von direkten Repressionen der Geschäftsleitung nicht einschüchtern.
David gegen Goliath.
Seit nunmehr über zwei Monaten befinden sich die Beschäftigten der Wohlthatschen Buchhandlungen in Berlin und Brandenburg im Streik. Sie weigern sich das neue Geschäftsmodell des Unternehmens mitzutragen. Seit November 2009 erhielt ein Viertel aller Mitarbeiter eine Kündigung. Die verbliebenen Mitarbeiter sollen die Arbeit der anderen übernehmen. Konkret heißt das von früh bis spät und häufig allein in einer der Filialen zu stehen. In kurzen Pausen oder bei Toilettengängen sollen laut Geschäftsleitung der Wohlthatschen Buchhandlung vertrauenswürdige Kunden die Kasse und Bücher beaufsichtigen. Für Fehlbeträge haften die Mitarbeiter.

Um die unhaltbaren Arbeitsbedingungen wenigstens ein wenig zu verbessern, fordern die Beschäftigten einen Mantel- und Entgelttarifvertrag. Der Arbeitgeber verzögert die Verhandlungen und hält die Mitarbeiter hin. Um ihren Forderungen nach menschenwürdiger Arbeit Nachdruck zu verleihen, wurden im Dezember immer wieder Filialen der Wohlthatschen Buchhandlung bestreikt. Die Beschäftigten gleichzeitig mit "arbeitsrechtlichen Konsequenzen" bei nicht beim Arbeitgeber persönlich angemeldeter Streikteilnahme unter Druck gesetzt. Erst ein Richterspruch konnte die Geschäftsleitung von der Illegalität ihres Tuns überzeugen. Die Geschäftsleitung ist nun stets persönlich vor Ort. Es wird fotografiert und abgefilmt, Namen werden notiert, Hausverbote ausgesprochen. Mit scharfer Zunge und direktem körperlichem Einsatz geht der Geschäftsführer gegen seine eigenen Mitarbeiter vor.

Die Beschäftigten wehren sich dagegen, dass auf ihrem Rücken und denen der Kunden noch mehr Umsatz für das Unternehmen erwirtschaftet werden soll. Sie fordern FAIRE ARBEIT und FAIREN LOHN.
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Ergänzungen

Das ist grandios,

abc 05.01.2010 - 22:01
die Kunden gucken mal schnell nach der Kasse. Ohne die Mitarbeiterhaftung wäre das ja was für ne Comedy-Sendung. Hab die Streikposten vor Weihnachten am Alex gesehen. Hat mich gefreut, sollte ein Anblick sein, der einem öfter gegönnt wird. Besonders schön, dass es ja offenbar auch mal gelingt, dass die Gewerkschaft in einer Firma mit meist prekären Beschäftigten oder Studies usw. ein bisschen Action zu machen.

Ich für meinen Teil bestelle meine Bücher meistens bei der Buchhandlung an der Ecke. Mit dem Link da unten geht das schneller als bei Amazon, kostet keine Versandgebühren und stärkt meist doch sympathische kleine Läden.

Gerade die Wohlthatsche sollte es Abbekommen

Antisuggestion 08.01.2010 - 12:10
Verblödungsbücher, Chauvinismus, Rassismus und Sexismus gehören zum Alltag wenn Mensch die Buchhandlung betritt.

Die Wohlthatsche fördert Aberglauben, Esoterik und Scharlatanerie - hier als Bsp. der "Blutgruppenglaube" - sie steht damit aber nur in einer Reihe mit dem Weltbildverlag, dem Bertelsmann "Club" und anderen wahllosen Schundliteraturvertrieben.

Solidarischer Beitrag zum Streik bei der Wohltatschen Buchhandlung.

Doch zuerst: Politischen Erfolg allen Angestellten die sich im Arbeitskampf befinden. Arbeitskampf ist immer auch sozialer Kampf und Klassenkampf.

Die Wohltatsche Buchhandlung in Berlin Fhain an der Frankfurter Alle ist mir vor allem stets durch ihre große Auswahl an esoterischer, populär- und pseudowissenschaftlicher Literatur aufgefallen.

So liegen häufig Bücher über den Lieblingssektenkopp Dalai Lama, Engel, Geistwesen, Sphären, etc., zu Ramschpreisen herum. (Alles natürlich nicht brav auf Ökopapier gedruckt...)

Die Krönung war jetzt aber ein Buch über Blutgruppen. Warum? Das ist doch nichts besonderes fragt Ihr...?
Nun, in diesem Fall ging es nicht bloß um Untersuchungen sondern um sog. (alte/neue) "Naturheilkunde".
Da das Buch nur exemplarisch ist, will ich hier erst gar keine Schleichwerbung (Indizes) dafür aufkommen lassen und es garnicht nennen.

In diesem Buch, wie auch in zahllosen anderen dubiosen Werken, wird jedenfalls erklärt es gebe neue, bzw. wiederentdeckte Heilmethoden,
die schonendere Heilverfahren oder die bessere Medizin wären.

Solche Phantastereien sind jedoch nichts neues.
Die Theorie der Blut-Unterschiede, wie die der sog. Rassemerkmale, geht zurück auf die rassistischen Theorien des Endes der 19ten und
Anfangs des 20ten Jahrhunderts, auf was auch sonst. Sie wurden bis in die 1950-60er Jahre gelehrt und in vermeintlich wissenschaftliche
Bücher geschrieben. Prä- bis Postfaschistische Lehren also. Zu finden sind sie, als ekelhafte Beweise, noch in vielen Fachbibliotheken
deutscher Unis.
Begründet werden sollte mit der Blutgruppentheorie, als es noch keine Gentechnik gab, die Unterscheidung, bzw. willkürliche Unterteilung
in/zwischen Rassen bei/m Menschen. Das diese kompletter Unsinn und Hinfällig ist ist (hoffentlich auch weiterhin) altbekannt.
Besonders hoch ist die Zahl der Studien vornehmlich in der deutschen Literatur aus der Zeit der deutschen Kolonien.
So gibt es zahlreiche Studiendokumentationen in denen zu beschreiben versucht wird es könne unterschiedliche Merkmale geben und diese
würden in verschiedenen oder nahe beieinander liegenden Regionen, bei angeblich unterschiedlichen sog. Volksgruppen mehr oder weniger
stark auftreten. Dazu wurden ganze Bildbände und dicke Textwälzer erstellt die nur so von halbgaren Statistiken trotzen.
Statistiken und ihre Methoden wurden später insbesondere in der sich als seriös gebenden Literatur angeführt.
Jedoch ist (musste) in den meisten, noch halbwegs wissenschaftlich zu nennenden Büchern, immer ein riesiger Korrekturanhang eingefügt
werden, die sich als Nachkapitel, z.T. über die Hälfte der Bücher umfassend, an den eigentlichen Text anschließen.
In diesen Anhängen oder Nachworten musste jeweils ausgeführt werden, warum es auch anders sein könne, d.h. warum es nicht so ist.
Schließlich war und ist die Angst vor Gegenbeweisen in der Wissenschaft berechtigterweise gewaltig, denn darum geht es bei erwiesener
Wissenschaft ja, und nur das Zählt was sich über Jahrzehnte bewiesen hat. Dem ist hier natürlich nicht so.

Besonders Verbreitet waren diese Forschungen mit in der Geographie und "Völkerkunde" und anderen kolonialzeitlichen Nebenfächern
aufgenommen. U.a. wurden damit die Begründungen für verschiedene volkskundliche Institute ("wissenschaftlich") untermauert.

Der Knackpunkt ist hier im besonderen die scheinbar zu beschreibende innere und äußere Merkmalsübereinstimmung die auch von dem Buch bei
der Wohlthatschen (und nicht nur da), als der Faktor zur Unterscheidung und damit der möglich Weg zur "Heilung", gepriesen wird.
Mit diesem faktoriellen Irrglauben werden angebliche Rückschlüsse auf die Lebensumstände der Menschen geschlossen, bzw. konstruiert.
Das Hauptaugenmerk, zur einfachen Leitung der Menschen die es nicht besser wissen können (anders ausgedrückt als Leichtgläubig),
liegt dazu häufig, wie auch in diesem Beispiel, auf der leicht zu beschreibenden und zu beeinflussenden Ernährung.
Bücher über "Essstörungen", usw., lagen gleich daneben.

Selbstverständlich darf damit nicht in medizinische Abrede gestellt werden, daß es Blutgruppen gibt und daß es Unterscheidungen bei
der Transfusionsmedizin gibt. Es muß sich aber nach wie vor vehement dagegen verwehrt werden, daß die Unterschiede Menschen sog.
unterschiedlicher (regionaler) Herkunft, o.ä. betreffen. Das ist purer Rassismus.

Die Blutgruppe ist nicht (der) entscheidend(/e Faktor) wie ein Mensch lebt oder zu leben hat.
Und mit der Bluterkrankheit hat das auch wenig zu tun, diese kann nämlich alle betreffen. ( http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4mophilie)

Glücklicherweise konnten diesen Theorien in den 1960-70er Jahren beigekommen werden. Mit der Gentechnik und den Diskussionen um ihre
Verwendung, d.h. ihre Anwendungsmöglichkeiten schleichen sich aber wieder alte/neue Scheinwissenschaften in den Diskurs mit ein.
Gerade z.B. in der sog. modernen Hirnforschung finden auch an solche Studien angelehnte Programme einzug und werden weiter transportiert.
Das soll jetzt nicht allen ForscherInnen zugeschrieben werden. Kritische WissenschaftlerInnen die sich selbst im Diskurs sehen und nicht
bloß Herrschaftswissen reproduzieren sind davon natürlich ausgenommen.
Rechte WissenschaftlerInnen nehmen diese aber dafür besonders gerne in ihre Studien und Texte mit auf. Und davon gibt es viel zu viele.
Leider sind es aber vor allem die nicht weit genug hinterfragenden ("Nachwuchs"-)WissenschaftlerInnen die die Theoreme weiterspinnen
(sollen), und wovon es ebenfalls zu viele (naive) auch tuen.

Es sollte also auch darum gehen nicht nur bloße Forderungen an die "Arbeitswelt" zu stellen, sondern die politischen Dimensionen einer
Buchhandlung en gros zu hinterfragen und konkrete, offenkundige, Probleme zu beschreiben.
Leider müssen Menschen derzeitig immer irgendwo und viel zu oft, zu lange, zu hart, an beschissenen Sachen, arbeiten. Aber ist das nicht
auch eben einer der großen Teile des Hauptdilemmas Kapitalismus und seiner Destruktion?

Bestellungen beim netten Buchladen um die Ecke, Büchertauschen, Umsonstläden, freirumliegenlassen oder das Einklaufen in Antiquariaten,
kann nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Es damit als gegessen ansehen sollte aber tunlichst vermieden werden.

Unterstützen wir die sozialkämpferischen MitarbeiterInnen und Angestellten sozial und bei ihren Aktionen, sofern uns das möglich ist.

Und nicht vergessen, auch eigene direkte Aktionen können Spaß machen und was bringen:
"Prangert" z.B. rechte Bücher an, sprecht es an der Theke an, immer mit der "höchst"möglichen (sich am wichtigsten
nehmenden) Person (Geschäftsführung, BesitzerIn, etc.,) reden, schreibt der Buchhandlung, oder bringt sie von draußen in den Laden oder
aus dem Regal (ALLE!) zur Theke und sagt den VerkäuferInnen, daß das rechter Mist ist und sowas nicht verkauft werden sollte. Dann habt
ihr nix verbotenes getan und die haben (leider) die ziemlich nervige Arbeit das alles wieder einzuräumen. Das führt meistens dazu, daß der
Schund wenigstens für den Rest des Tages hinter dem Tresen liegen bleibt. Das sollte mensch sich natürlich auch nicht zur "Lebensaufgabe"
machen ;).


(Mehr kritisches dazu siehe z.B.: Alternative Diagnose- und Therapieverfahren. Eine kritische Bestandsaufnahme. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2008, ISBN 978-3-86569-043-2.
# Die Psycho-Szene. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2000, ISBN 3-932710-25-8 (Erw. und völlig überarb. Neuaufl.).
# Psycho. Therapien zwischen Seriosität und Scharlatanerie. Pattloch Verlag, Augsburg 1997, ISBN 3-629-00816-X.)

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