Widerstand gegen Residenzpflicht

(maximal 45 Zeichen) 31.12.2009 07:28 Themen: Antirassismus Freiräume Netactivism Repression
Die Residenzpflicht, also das Verbot für Flüchtlinge im Asylverfahren, ihren Meldelandkreis zu verlassen, sollte mit einer Petition im Bundestag zu Fall gebracht werden. Der Antrag wurde mit haarsträubender Begründung abgebügelt. Jetzt gibt es aber einen neuen Anlauf, dieses Gesetz zu Fall zu bringen, das das Leben -zigtausender Menschen in Deutschland erheblich einschränkt. Und Ihr könnt mithelfen!
Eigentlich ist die Lage glasklar: Artikel 13 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stellt fest, dass jeder Mensch das Recht hat, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen. Doch in Deutschland gibt es eine Ausnahme: Die Bewegungsfreiheit von AsylbewerberInnen und Menschen mit Duldung endet schon an der nächsten Landkreisgrenze.

Laut der im Asylverfahrensgesetz geregelten sogenannten "Residenzpflicht" ist das Verlassen des Kreises nur aus "wichtigem Grund" mit einer Sondergenehmigung des Landratsamtes erlaubt. Diese Genehmigungen wurden früher teilweise halbwegs großzügig vergeben, mittlerweile jedoch stark eingeschränkt. Es sind Fälle bekannt, in denen Eltern nicht einmal ihr Kind besuchen durften, das im Krankenhaus einer Nachbarstadt lag. Reisen zu politischen Veranstaltungen sind natürlich ebenfalls nicht "wichtig", teilweise gibt es (wie diesen Juni bei den "Lagerschlusstagen" in München, siehe  http://de.indymedia.org/2009/06/252844.shtml) sogar von oben angeordnete Reisesperren.

In jedem Fall sind die Betroffenen von der Willkür der Behörden abhängig, da nirgends konkret definiert ist, was als "wichtiger Grund" anzusehen ist. In manchen Bundesländern verlangen die Landratsämter auch Gebühren von 10 Euro, was bei dem monatlichen Taschengeld von 40 Euro, das die Flüchtlinge zur Verfügung haben, ganz schön happig ist. Nehmen sich die solcherart Diskriminierten ihr Menschenrecht einfach selbst, ist natürlich das Risiko groß, erwischt zu werden, denn rassistische Kontrollen z. B. auf Bahnhöfen zielen oft genau auf sie. Der erste Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit, für die gewöhnlich 40 Euro Geldstrafe verhängt werden (aber selbst das ist nach oben offen). Weitere Verstöße gelten bei Menschen in laufenden Asylverfahren als Straftat, ab dem dritten Mal ist sogar eine Gefängnisstrafe möglich. So wurde der Kameruner Felix Otto allein wegen des Delikts der Bewegungsfreiheit im vergangenen Frühling zu acht Monaten Gefängnis verurteilt und schließlich abgeschoben (siehe  http://de.indymedia.org/2009/08/259064.shtml).

Deswegen war auch die Residenzpflicht ein Thema, als antirassistische Gruppen dieses Jahr fünf Petitionen "gegen Ausgrenzung" beim Bundestag einreichten (siehe  http://www.gegen-ausgrenzung.de/index.php#Petition). Tatsächlich wurde jedoch nur eine einzige dieser Petitionen zur Mitzeichnung im Internet freigeschaltet! Die Petition gegen die Residenzpflicht wurde mit einer absolut lächerlichen Begründung abgebügelt: Das Gesetz und seine negativen Auswirkungen seien vom Gesetzgeber ja so beabsichtigt gewesen, und die Klagen dagegen seien von allen Gerichten bis hinauf nach Straßburg abgewiesen worden. Dabei ist es ja gerade Aufgabe des Petitionsausschusses, Einwände der BürgerInnen gegen Gesetze zur Kenntnis zu nehmen, die rein formaljuristisch in Ordnung sind (sonst würden das ja die Gerichte tun), und dem Bundestag entsprechende Änderungen vorzuschlagen.

Weil viele Menschen diese Sache nicht auf sich beruhen lassen wollten, gibt es nun eine neue Kampagne: Der Petitionsausschuss soll dazu aufgefordert werden, die Sache nochmals auf die Tagesordnung zu setzen und die Petition zuzulassen. Wenn sie zur öffentlichen Mitzeichnung zugelassen wird, findet Ihr sie im Internet unter  https://epetitionen.bundestag.de/. Aber das ist Zukunftsmusik, jetzt muss erst mal die Wiederaufnahme-Petition genügend Unterstützung finden. Im Folgenden der Text:

Deutscher Bundestag
Petitionsauschuss
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Asylrecht / Residenzpflicht – Pet 1-16-06-265 / Prot. Nr. 16/86

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Entrüstung nehmen wir Kenntnis davon, dass Sie die Petition gegen die Residenzpflicht für Flüchtlinge nicht einmal zur öffentlichen Mitzeichnung im Internet zugelassen haben, mit dem Argument, das Gesetz sei nun einmal so. Als ob es nicht die Aufgabe des Bundestages wäre, sich mit der Änderung von schlechten Gesetzen zu befassen! Die Residenzpflicht, also das Verbot, den Meldelandkreis ohne behördliche Ausnahmegenehmigung zu verlassen, stellt für viele Betroffene eine enorme Einschränkung dar und liefert sie der Willkür der Behörden aus, die über die Ausnahmegenehmigungen zu entscheiden haben. Viele setzen sich dann notgedrungen über das Verbot hinweg, was zu Prozessen, Geld- und Gefängnisstrafen führt. Dabei nehmen sie nur wie wir alle selbstverständlich ihr Recht aus Artikel 13 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Anspruch, sich innerhalb des Landes frei zu bewegen. Wir bitten Sie daher, Ihre Entscheidung zu überdenken.

Hochachtungsvoll,

(Name, Adresse, Unterschrift)

Die Ablehnung des Petitionsausschusses und eine Liste zum Ausdrucken, Kopieren und Sammeln findet Ihr unter diesem Artikel als PDF-Dateien. Auf dass der Parlamentsbriefkasten voll sei, wenn die nach der Weihnachtspause zurückkommen.
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Ergänzungen

Im Mai 2009 wurden 5 ePetitionen eingereicht

hgggf 31.12.2009 - 17:48
Im Mai 2009 wurden 5 ePetitionen eingereicht:

-> Bargeld für Asylsuchende und Geduldete
-> Wohnungen für Asylsuchende und Geduldete
-> Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete abschaffen
-> Bleiberecht für Asylsuchende und Geduldete
-> Arbeitserlaubnis für Asylsuchende und Geduldete

Nur die erste ePetition wurde vom Petitionsausschuss online gestellt und erreichte 2300 Mitzeichner.

Die Texte der Petitionen können hier nachgelesen werden:
 http://www.gegen-ausgrenzung.de/epetitionen.php

2. Anlauf gegen Residenzpflicht

residenzfrei 16.03.2010 - 06:57
Im 2. Anlauf hat's geklappt: Die Petition gegen die Residenzpflicht ist vom Bundestag im Internet zur Mitzeichnung freigeschaltet worden. Unter  https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=10249 kann sie bis zum 27. April unterschrieben werden.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@ eva — 883

Petitionen — pete