Zur Repression nach den Anti-Nato-Protesten

Breakout! 31.12.2009 00:34 Themen: Militarismus Repression
Im Folgenden wollen wir einen stichpunktartigen Überblick zu den Ereignissen während des NATO-Gipfels in Strasbourg im April 2009 geben. Oft wird vergessen, dass die Repressionen für die Betroffenen noch lange nach dem eigentlichen Protesten spürbar sind. Immer noch stehen Prozesse aus und Menschen sitzen im Knast. Dies sollte kein Thema sein, an dem sich einzelne Gruppen speziell abarbeiten, vielmehr sollte Solidarität aus den politischen Aktivitäten aller hervorgehen und allgegenwärtig sein.Auch die aktuellen Beispiele in Kopenhagen zeigen, dass die Unterdrückung von Protest mit staatlichen Mitteln jeden Menschen treffen kann. Die einzelnen europäischen Polizeibehörden arbeiten immer besser zusammen und tauschen „Strategien zur Aufstandsbekämpfung“ aus und nennen es „Managing Crowds“. Demzufolge ist es offensichtlich, dass Antirepressionsarbeit besser vernetzt werden muss und nicht den Charakter eines Events haben kann. Ein Denken in Schwarz-Weiß-Schemata, bezüglich unterschiedlicher Protestformen und darauf folgende Repression, erübrigt sich bei mehr als tausend Festnahmen. Die Null-Toleranz-Einstellung der EU-Polizeien und Behörden ist deutlich geworden, lasst uns ihr entschlossen entgegentreten.Feature | Augenzeugenbericht
Übersicht:
  • 1700 gemeldete Polizeiübergriffe
  • 464 bestätigte Ingewahrsamnahmen
  • 16 Verfahren davon 3 Schnellverfahren und 3 Berufungsverfahren
  • 11 Inhaftierungen davon 3 noch inhaftiert

Im Einzelnen:

Daniel:

06. April 2009 Schnellverfahren in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Tragen einer Waffe der Kategorie 6 (Handbeil)
Urteil: 3 Monate Haft auf Bewährung und 3 Jahre Einreiseverbot nach Frankreich (es wurde kein Widerspruch eingelegt)

Jan:

April 2009 Schnellverfahren in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Anteilnahme an einer bewaffneten Zusammenrottung und tragen einer Waffe der Kategorie 6 (Eisenstange). Eine Waffe der Kategorie 6 kann alles, von einer Schere bis zu einer Pistole, sein.
Urteil: 6 Monate Haft ohne Bewährung und zum sofortigen Vollzug ausgesetzt und 3 Jahre Einreiseverbot nach Frankreich (Widerspruch wurde eingelegt)

29. Juli 2009 Berufungsverhandlung in Colmar
Urteil der zweiten Instanz (Berufung): Freispruch

05. August 2009 Staatsanwaltschaft geht in Revision
Das Urteil vom 29.Juli 2009 wird nun vor dem Revisionsgericht (Cour de Cassasion) in Paris angefochten (höchste Instanz in Frankreich). Jan braucht/darf nicht anwesend sein, es geht nur um das Vergleichen von Paragraphen die den Prozess betreffen können und das Überprüfen der richterlichen Entscheidung auf der Grundlage des geltenden Rechts.

Es gibt 3 Möglichkeiten:
  • 1.) Eine Bestätigung des Freispruchs
  • 2.) Eine Bestätigung des Urteils der ersten Instanz vom 06.April 2009, dann wäre noch ein Monat Haft offen
  • 3.) Das gesamte Verfahren wird vor einem anderen Gericht von vorn aufgerollt
Links:
Philipp:

06. April 2009 Schnellverfahren in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Schwere Gewalttat (Steinwurf auf Polizisten, "erschwert" durch "Waffe" (Stein) und dadurch, dass die Polizeibeamten als solche erkennbar waren. Es gab jedoch keinen Schaden oder Geschädigten.

Urteil: 6 Monate Haft ohne Bewährung zum sofortigen Vollzug ausgesetzt (Widerspruch wurde eingelegt)

05. August 2009 Berufungsverhandlung in Colmar
Urteil: Philipp wurde am 05.August vorläufig freigelassen und nach Deutschland abgeschoben. Gegen die Abschiebung wurde geklagt. Die Klage war erfolgreich. Nach dem zweiten Prozesstag am 19.Oktober 2009 wurde Phillips Strafe von 6 Monaten Haft auf zwei Monate Bewährung herunter gesetzt. Es gab keinen Freispruch und dadurch hat Phillip auch keinen Anspruch auf Haftentschädigung, obwohl er, nach dem neuen Urteil, nicht hätte in Haft genommen werden können.
Erst nach mehreren Anfragen der Anwältin, an das Gericht in Colmar, erhielt Philipp nach gut 4 Monaten eine Urteilsbegründung. Philipp ist gegen das Urteil in Revision gegangen.

Links:
Matthias:

05. Mai 2009 Verfahren in Strassbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Schwere Gewalt, Steinwurf und das Verletzen eines Polizeibeamten (Handgelenk gebrochen)

Urteil: Ein Schnellverfahren am 06.April 2009 wurde durch den Anwalt abgelehnt. Das Verfahren am 05.Mai 2009 brachte Matthias 6 Monate Haft ohne Bewährung zum sofortigen Vollzug, 3 Jahre Einreiseverbot nach Frankreich und 1.000 Euro Schmerzensgeld als Vorabzahlung für einen Polizeibeamten ein. Der Polizeibeamte hat sich, nach eigenen Angaben, bei der Verhaftung durch eigenes Verschulden das Handgelenk gebrochen hat. Ein zivilrechtlicher Prozess wurde für den 2.November anberaumt. (Widerspruch wurde eingelegt)

19. August 2009 Berufungsverhandlung in Colmar
Urteil: 6 Monate Haft, 5 Jahre Einreiseverbot nach Frankreich und 2.000 Euro Schmerzensgeld als Vorabzahlung. Am 25.August wurde Matthias aus der Haft entlassen und nach Deutschland abgeschoben. Gegen die Abschiebung wurde nicht geklagt, da sie auf der Grundlage des Einreiseverbotes legal ist. 7 Monate nach der vorgeworfenen Tat gibt es noch kein medizinisches Gutachten, daher wurde das zivilrechtliche Verfahren auf den 15.03.2010 verschoben.

Links: Benoit, Adrien, Simon:

05. Mai 2009 Verfahren in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Kauf brennbarer Flüssigkeiten in einem Supermarkt (Auchan) und damit einhergehend die Behauptung Brandsätze bauen gewollt zu haben

Urteil: Das Schnellverfahren am 06.April 2009 wurde durch die Anwälte abgelehnt. Das Verfahren am 05.Mai 2009 wurde wegen Verfahrensfehlern ausgesetzt. Die drei Aktivisten kamen frei.

22.06.2009 erneutes Verfahren gegen Benoit, Adrien und Simon (Tribunal de Grande Instance)
Urteil: Nachdem die Staatsanwaltschaft gegen die Verfahrenseinstellung erfolgreich Einspruch eingelegt hatte, wurden die drei Aktivisten zu jeweils vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Dadurch entfällt ein Anspruch auf Haftentschädigung (siehe Philipp)

Links:Dogus:

12.Mai 2009 Verfahren in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Komplizenschaft bei einer Aggression. Er soll ein Feuerzeug an den hinter ihm auf dem Scooter sitzenden Sozius gereicht haben. Dieser soll damit einen Feuerwerkskörper entzündet haben. Ein Polizeibeamter wird davon am Hosenbein getroffen , welches Feuer fängt und angeblich eine Verletzung am Fuß des Beamten hervorruft. Die Staatsanwaltschaft konstruiert eine erhöhte Gewaltbereitschaft, auf Grund des „Banlieue-Hintergrunds“ von Dogus.
Sein eigener Anwalt argumentiert mit der Dummheit und der eher unpolitischen Einstellung des Angeklagten. Eine exemplarisch rassistische Prozessführung.

Urteil: 3 Jahre Haft, davon 2 auf Bewährung. Es wurde kein Widerspruch eingelegt.

Link: Nicolas:

05.Mai 2009 Verhandlung in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Gewalt gegen Polizeibeamte. Angeblich soll sich der Aktivist gegen seine Festnahme gewährt und gebissen haben.

Urteil: 1 Jahr Haft, davon 6 Monate auf Bewährung ausgesetzt. Es wurde kein Widerspruch eingelegt. Auch Nicolas ist mittlerweile wieder frei.

Benni:

09.Oktober 2009 Verhandlung in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Sprühen eines „Anarchie A`s“ an eine Kasernenmauer
Urteil: 2 Monate Haft auf Bewährung. Es wurde kein Widerspruch eingelegt.

Link:„Aktivistin mit Stock“:

18.Mai 2009 Verhandlung in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Tragen einer Waffe der Kategorie 6 (Holzstock). Eine Waffe der Kategorie 6 kann alles, von einer Schere bis zu einer Pistole, sein.

Urteil: Freispruch

Link:Aktivist aus Toulouse:

25. Juni 2009 Verhandlung in Strassbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Tragen einer Waffe der Kategorie 6 (7cm langes Schweizer Taschenmesser im Rucksack)

Urteil: Freispruch

Nikita und Tom:

16. November 2009 Verhandlung in Strasbourg (Tribunal de Grande Instance)
Tatvorwurf: Brandstiftung und Plünderung in der Zollstation an der Europabrücke

Urteil: 4 Jahre Haft, davon 2 auf Bewährung

Link:



Spenden

Ihr habt die Möglichkeit die Gefangenen von Strasbourg und die Antirepressionsarbeit finanziell zu unterstützen, dafür gibt es das unten angegebene Spendenkonto. Wichtig ist das ihr das Stichwort nicht vergesst. Neben Spenden gibt es auch andere Möglichkeiten der Unterstützung, schaut dazu auf diese Internetseite, hier wird nach und nach ein Unterstützungsbereich entstehen.

Spendenkonto:
„Spenden und Aktion“
KontoNr: 928 818 06
BLZ: 513 900 00
Stichwort: Strasbourg


international:
IBAN DE29 5139 0000 0092 8818 06
BIC VBMHDE5F


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Ergänzungen

Ja ein Handbeil!

bla bla 09.01.2010 - 12:46
Ein paar Fakten zum Handbeil von Daniel! (ich war bei der Festname dabei):

-Daniel wurde 2 Tage vor der Demo auf irgendeiner Landstraße kurz vor Straßburg festgenommen.
-Das Handbeil gehörte nicht ihm, sondern einem Pfadfinder, der es zum Aufbau seiner Jurte während seiner 2 Wöchigen Fahrradtour durch Frankreich benötigte.
-Zum Zeitpunkt des Polizeiüberfalls hat die Gruppe gerade versucht ein Fahrrad zu reparieren, bei dem sich das Hinterrad verkeilt hatte.
Hierfür benötigten sie das Beil, welches Daniel (der noch nicht einmal zur Gruppe gehörte) freundlicherweise von dem Pfadfinder holte.
Beim Eintreffen der Polizei hatte Daniel es zufällig gerade in der Hand (es hätte auch jede/r andere sein können) und es war noch in einer Schutzhülle!!! verpackt. Außerdem wie gesagt: Irgendwo auf einer Landstraße 2 Tage vor der Demo!

Ohne dem Rest der Gruppe noch seinen Namen sagen zu können und ohne Infos von der Polizei, wurde Daniel mitgenommen und am Sonntag, nach den schweren Ausschreitungen, hat Sarkozy bereits festgelegt "Diese Chaoten, die unsere Polizisten mit Steinen und Äxten angreifen müssen hart bestraft werden".
Ein Tag später kam es dann zur Verurteilung der Teils noch vor der Demo festgenommenen als Abschreckendes Beispiel und als Zeichen "Der Staat greift durch".
Es handelt sich also eindeutig um eine politisches Urteil. Die Gewaltenteilung war in diesem Fall eindeutig nicht gegeben.

Solidarität mit Daniel und allen anderen, verurteilten, bestraften und vor allem inhaftierten!

Kopenhagen Kond.down

mischströme 09.01.2010 - 21:53
hier sind noch unter 10.000 Unterschriften .. zu der gefangennahme wegen aufruf's zum Sturm des Gipfels von Kopenhagen .. !!
 http://www.petitiononline.com/Tadzio/petition.html
nur zur info .. nochmal das Thema ausgrab..
 http://www.youtube.com/watch?v=ONj9Neg9R2o

..wer ausspricht was alle wollen.. kommt in Dänemark in politische Haft !!

Strafmaß gefährliche KV in Deutschland

Informer 15.01.2010 - 10:41
 http://de.wikipedia.org/wiki/Gef%C3%A4hrliche_K%C3%B6rperverletzung#Gef.C3.A4hrliche_K.C3.B6rperverletzung

"(1) Wer die Körperverletzung [z.B. mit Waffen / Tritten mit beschuhtem Fuß] begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar."

Die Urteile hätten in Deutschland noch härter ausfallen können.

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Titel-name — ZU anständiger???

@Evelyn — Paul Panter