Dessau/23.12.:Transparenz+Aufklärung jetzt!!!

eine Jugendgruppe aus Dessau 22.12.2009 18:54
+++Dessauer Jugendgruppe fordert Transparenz nach Polizeieinsatz in Dessauer Tele-Cafe++++++Kundgebung gegen diskriminierenden Polizeieinsatz geplant+++

Was ist nun wahr? – Aufklärung und Transparenz nach dem Polizeieinsatz im Dessauer Tele-Cafè



Teile der Dessauer Innenstadt wurden am Mittwoch dem 16. Dezember 2009 abgesperrt, um gegen den Drogenhandel in der Stadt vorzugehen. Sechs Verhaftungen am Tag zuvor, strafrechtliche Ermittlungen und Ordnungswidrigkeitsverfahren gaben laut Polizei und Staatsanwaltschaft den ausschlaggebenden Punkt. Gegen diesen Polizeieinsatz gab es vielfachen Protest, da unter anderem das Cafe durchsucht wurde, in dem Mouctar Bah angestellt ist. Am Sonntag erst wurde Mouctar Bah die Carl-von-Ossietzky-Medaille verliehen. Weil er sich für die Aufklärung des Todes seines Freundes Oury Jalloh eingesetzt hatte, der im Januar 2005 unter noch immer ungeklärten Umständen in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben kam. Einen Tag nach der Durchsuchung stand der Revisionstermin dieses langwierigen Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof an. Während Polizei und Staatsanwaltschaft betonen, dass sich zu keinem Zeitpunkt die Durchsuchungen und Ermittlungen gegen Mouctar Bah, das Tele-Cafe oder anderen Angestellte gerichtet hatte, scheint für uns klar zu sein: Wer für Engagement und Kritik an der Polizei ausgezeichnet wird – hat mit polizeilicher Repression zu rechnen.

Nachdem sich eine verdächtige Person während des Polizeieinsatzes bis in das Tele-Cafe in der Friedrich-Naumann-Straße flüchtete, verschaffte sich die Einsatzkräfte Zutritt zu der Lokalität. Infolgedessen wurden Drogen bei dem Flüchtendem sichergestellt. Ohne weitere Begründungen wurden daraufhin alle Anwesenden im aggressiven Befehlston angewiesen sich auf den Boden zu legen. Dann begann die Polizei alle vor Ort zu durchsuchen, wobei sich jeder einzelne bis auf die Unterhose entkleiden musste. Im weiteren wurden auch die Räumlichkeiten durch die Polizei durchsucht, was diese im Nachhinein bestritt. Gründe für die Maßnahmen wurden den Betroffenen nicht mitgeteilt, auch wurde ihnen kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorgelegt. Schriftliches Protokoll der Durchsuchungen – ebenfalls Fehlanzeige. Und wie selbstverständlich sprachen Polizeibeamte ihren Gegenüber mit „Du“ an. Im umgekehrten Fall verbittet sich ganz sicher jeder/jede Polizeibeamte/in einen solch respektlosen Umgangston. Den gegenüber anzuschreien mit: „Ihr sollt die Fresse halten!“, wie von Polizeibeamten geschehen, überschreitet hierbei wohl jede Grenze des gesitteten Umgangs.

„Wir fühlen uns diskriminiert, schikaniert und beleidigt.“(Mouctar Bah, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh)

Stellen Sie sich vor, liebe MitbürgerInnen, in einem x-beliebigen Ladengeschäft, in dem Sie sich gerade aufhalten, käme eine Person hinein, die von Polizeikräften verfolgt würde. Die Person könnte mutmaßlich ein Straftäter sein, was den Polizeieinsatz rechtfertigen könnte. Doch plötzlich werden Sie und alle unbescholtenen Gäste und Angestellten des Ladens angeschrien, angewiesen sich auf den Boden zu legen, sich durchsuchen zu lassen und sich hierfür bis auf die Unterwäsche zu entkleiden. Eine Begründung dafür erhalten Sie als Betroffene nicht. Bei der nicht richterlichen veranlassten Durchsuchung des Ladens findet die Polizei selbst mit Drogenspürhund keine weiteren Anhaltspunkte für Straftaten – so wie es auch am 16. Dezember 2009 im Tele-Cafe von Mouctar Bah der Fall war. Wie wäre Ihnen daraufhin zumute?

Aber keine Angst – Ihnen, die Sie mutmaßlich zur deutschen Mehrheitsbevölkerung zählen, wird derartiges vermutlich nicht passieren. Solche Erfahrungen müssen meist nur Menschen machen, die nicht zur deutschen Mehrheitsbevölkerung gehören – Menschen, die gemeinhin als Ausländer oder Fremde in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Ob diese einen deutschen Pass haben oder nicht, steht dabei oft nicht zur Debatte – und würde wohl auch keinen Unterschied machen. Denn hier gilt scheinbar: Deutsch ist wer Deutsch aussieht.

Für Mouctar Bah und andere UnterstützerInnen des Tele-Cafès in der Friedrich-Naumann-Straße, sind solche Erfahrungen nichts Neues. Bereits als im Juli 2009 angekündigt worden ist, dass der Angestellte des Ladens von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille für sein Engagement zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh ausgezeichnet werden soll, gab es bereits unmittelbar danach eine Durchsuchung des Ladens. Die dabei erhobenen Vorwürfe gegen Bah bestätigten sich auch damals nicht. Die Gewerbelizenz zum Betrieb des Tele-Cafès ist Mouctar Bah bereits im Jahr 2007 durch das Ordnungsamt Dessau-Roßlau entzogen worden. Nachdem der Fall Oury Jalloh nun endlich, mehr als zwei Jahre nach dessen Tod vor dem Landgericht verhandelt werden sollte, galt sein Freund Mouctar Bah für die Stadt Dessau-Roßlau als ungeeignet ein Ladengeschäft zu leiten, indem auch die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ansässig ist. Seitdem ist die Deutsch-Afrikanische Initiative Betreiber der Lokalität. Seit längerem werden auch selbst Bemühungen verfolgt Drogenkriminalität im eigenen Umfeld zurückzudrängen, was auch der Polizei bekannt ist.

Um den undurchsichtigen Begründungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft nach den Motiven der Durchsuchung des Tele-Cafès vergangen Mittwoch, entgegenzutreten treffen wir uns am 23. Dezember 2009, 15.00 Uhr und fordern laut Transparenz im Zuge von Polizeieinsätzen!

Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe unter Generalverdacht zu nehmen und sie zu potentiellen Straftätern zu erklären muss sowohl in der Gesellschaft als auch bei der Polizei vehement entgegengewirkt werden.

Während VertreterInnen der Landesregierung und politische Akteure im Land Integration von Zugewanderten als Schwerpunktthema hochhalten, ist dieses Engagement für viele Menschen praktisch nicht wirklich erkennbar. Integration ist aber kein Thema für Sonntagsreden, sondern ein Handlungsauftrag für Jede und Jeden.

23. Dezember 2009, 15.00 Uhr Kundgebung unter dem Motto „Was ist nun wahr? – Aufklärung und Transparenz nach dem Polizeieinsatz im Dessauer Telecafe“ am Springbrunnen (OdF-Denkmal) im Dessauer Stadtpark



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