1000 Leute gegen Naziattacken in Berlin

Antifa_N 20.12.2009 20:58 Themen: Antifa
Am heutigen Sonntag Nachmittag versammelten sich (auch nach Polizeiangaben!) 1000 Menschen auf dem Hermannplatz in Berlin-Neukölln um nach mehreren Sachbeschädigungen durch Nazis an den vergangenen Wochenende ein kraftvolles Zeichen im Kiez dagegen zu setzen und Anwohner aufzuklären. Aufgrund der Tatsache, dass die Demonstration erst seit Dienstagabend beworben wurde und somit weniger als eine Woche blieb um zu mobilisieren ist die Veranstaltung mehr als ein voller Erfolg.
Gegen 17.30 Uhr setzten sich die Teilnehmer_innen entschlossen unter Sprechchören wie „Nazischwein wir kriegen dich, Übergriffe rächen sich!“, „Alerta Antifascista“ und „Neukölln wir sind da, Autonome Antifa“ auf dem Kottbusser Damm in Bewegung. Mehrfach wurde neben den lauten Sprechchören auch durch Böller auf die Demonstration aufmerksam gemacht.

In der Sanderstraße angekommen wurde ein kurzer Zwischenstopp vor der Hausnummer 25 gemacht und ein Redebeitrag über den dort wohnhaften Neonazi Marian Hacke verlesen, seines Zeichens ehemaliger NPD-Kandidat für Neukölln und regelmäßiger Teilnehmer bei Berliner Naziaufmärschen. Bereits in der Nacht zu Mittwoch statteten Unbekannte seiner Wohnung im Hinterhaus einen Besuch ab und sorgten durch die Kombination von Steinen mit seinen Scheiben für eine angemessene Temperatur in den Räumen.

Weiter zog die Demo am Maybachufer über die Liberda- und Pflügerstraße vor die Projekräume in der Friedelstraße, eines der betroffenen Projekte, wo ein weiterer Redebeitrag verlesen wurde. Von dort aus ging es weiter über die Weserstraße zur Kreuzung Pannierstraße/Sonnenallee an der sich die Kneipe Tristeza befindet und ein letzter Zwischenstopp eingelegt wurde. Von dort zog die Demonstration zurück zum Hermannplatz und beendete die Veranstaltung um 18.30 Uhr.

Deutlich unterschätzt hatte die Berliner Polizei die Mobilisierungskraft und Teilnahmebereitschaft an diesem Tag. Lediglich mit zwei Wannen und einigen Verkehrsbullen war die Staatsgewalt vertreten. Zu keinem Zeitpunkt war sie in der Lage, Vermummung oder Böller zu ahnden oder gar etwas am Veranstaltungsverlauf zu ändern. Diesen Umstand zur Kenntnis nehmend, wurde Verstärkung angefordert, die jedoch erst eintraf, als die Demo planmäßig ihren Endpunkt erreichte.

Pressesammlung zu den Vorfällen in Neukölln siehe  http://neukoelln.antifa.net/index.php/pressearchiv
Ausführlicher Bericht zu den Attacken, der auch eine politische Einordnung vornimmt:  http://de.indymedia.org/2009/12/269011.shtml

Zweiter Bericht mit Radio-Feature:  http://de.indymedia.org/2009/12/269306.shtml
Chronik der Angriffe:  http://neukoelln.antifa.net/index.php/chronik

Hintergrundinfos über die Neuköllner Neonaziszene:
 http://www.antifa-recherche-neukoelln.de.vu/
 http://fightback.gulli.to/
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Ergänzungen

Redebeitrag Sanderstraße

Dein Name 20.12.2009 - 21:03
Wir möchten an dieser Stelle ganz kurz ein paar Worte zur Situation der Neonazi-Szene in Neukölln verlieren:
Dass es im Süden des Bezirks ein Jahre altes Neonaziproblem gibt, ist mittlerweile einigermaßen im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Dass es aber durchaus auch hier in Nord-Neukölln Neonazis - und zwar auch organisierte - gibt, überrascht doch immer wieder viele Leute.
In Süd-Neukölln - besonders in Rudow und Buckow - sind es vor allem junge, am Konzept der sogenannten Autonomen Nationalisten orientierte Neonazis, die durch ihre Sprühereien auffallen. Oder eben auch durch Bandanschläge auf Wohnhäuser von Familien mit Migrationshintergrund. So geschehen im letztes Jahr in Rudow. Sie sind weitestgehend vernetzt mit brandenburger und berlinweiten rechten Strukturen - sie verstehen sich sowohl mit der NPD, als auch mit militanten Kameradschaften gut.
Im Nord-Neuköllner Kiez können Neonazis insgesamt natürlich weniger offen auftreten, als beispielsweise in Süd-Neukölln. Dennoch hat es auch schon in der Vergangenheit einige Aktivitäten hier im Kiez gegeben. Diese waren: kleinere Aufkleber-, Plakatier- und Sprühaktionen, aber auch: NPD-Infostände anS-Bahnhöfen, bis hin zu: spontanen Bedrohungen und Gewalttaten.
So wurde im diesjährigen Wahlkampf ein Passant, der seinen Unmut über die Neonazi-Propaganda an einem NPD-Infostand am S-Bahnhof Neukölln äußerte, von einem der Neonazis angegriffen und verletzt. Alljährlich gibt es im November auf dem Columbiadamm-Friedhof ein geschichtsrevisionistisches Heldengedenken für alle deutschen Soldaten – immer mit starker Beteiligung der extremen Rechten.
Aber auch Einzelne, z.T. etwas skurril wirkende Exemplare der rechten Szene wirken hier direkt im Kiez. Sie sind eingebunden in Strukturen wie die NPD oder Kameradschaften. Und berufen sich auf ein rassistisches Klima, dass durchaus in Teilen der Nord-Neuköllner Unterschicht vorzufinden ist – bei denjenigen, die sich als „echte Deutsche“ begreifen.
An Vertretern der NPD zu nennen ist da wohl als schillerndstes Beispiel Jan Sturm: er ist ein langhaariger Motorradfreak, der für die Neuköllner NPD in der Bezirksverordnetenversammlung sitzt und besonders durch rassistische Hetze auffällt. Aber auch der NPDler Oliver Mätzig, der hier gerne im Kiez beim Gassi-gehen linke Aufkleber abkratzt und NPD-Kleber verklebt, sei nicht unerwähnt. Und nicht zuletzt wohnt genau hier in der Straße Marian Hacke, früher NPD, jetzt lieber auf Aufmärschen der Kameradschaften mit Kamera unterwegs.
Dies sind nur ein paar Beispiele. Wer sich mehr für die rechten Umtriebe im Nord-Neuköllner Kiez interessiert, muss sich nur mal auf der Website der Neuköllner Antifa durchklicken. Dort wird man schnell fündig, was Ansatzpunkte konkreter antifaschistischer Politik hier im Kiez betrifft.
Haltet die Augen offen – Schützt unsere Strukturen! Der Kampf gegen Nazis geht alle an!
Nazis raus aus unseren Kiezen!

Erfreulich

Marvin 20.12.2009 - 21:19
Insgesamt sehr erfreulich, dass trotz der Kälte und relativ kurzen Mobilisierungszeit von einer Woche doch knapp 1000 Leute den Arsch hochbekommen haben.

Die Bullen waren lediglich mit einigen Angehörigen der zweiten Abteilung der Technische Einsatzeinheit (TEE) unterwegs gewesen und zog es - wohl aufgrund der Masse - lieber vor, den Verkehr zu regeln.

Insgesamt eine kurze aber nette Demonstration.

Hier habe ich weitere Bilder gefunden:

 http://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157623037802574/

Team Green beinah unsichtbar

* aka * 20.12.2009 - 22:29
Die Herren von "Team Green" waren lediglich durch Blaulicht an der Spitze und am Ende der Demo erkennbar. Die circa 2-3 Dutzend Bereitschaftpolizisten liefen durchgehend in Gruppen neben der Demo her. Kameras gab es offenbar auch nicht. Die Demo lief zügig und geschlossen. Lediglich zum Ende auf der Sonnenallee gab es größere Lücken.

Erfreulich war, dass es wieder keinen Lauti gab, der mit Musik die selbstständige, kämpferisch akustische Äußerungen zügelte. Die Parolen wurden deshalb in der gesamten Demo skandiert und bis zum Ende eine geräuschvolle Atmosphäre aufrecht erhalten.

noch ein paar Fotos...

teilnehmer 20.12.2009 - 23:19
...zur allgemeinen Verwendung.

An Hallo

no nazi 20.12.2009 - 23:34
Die Tristeza ist ein kollektiv organisierter Café- und Kneipenbetrieb.

Unerfreulich war, ...

Kontroverso 21.12.2009 - 00:08
...das es keinen Lauti gab. Die Redebeiträge habe ich ungefähr 10m Luftlinie von der mobilen Anlage nicht mehr verstanden. Wie sollen anwohnerInnen dann etwas verstehen? Ich habe ja nix dagegen, wenn es keinen Lauti gibt, aber dann kann man sich die Redebeiträge auch sparen.

kein Lauti war doof...

oldschool 21.12.2009 - 00:38
Schade fand ich, dass es wir es in so einer Situation in so einem internationalen Kiez wie Neukülln nicht hinkriegen, kurzredebeiträge in türkisch und Englisch zu halten (warum sind wa hier), ich denke nämlich, das nicht alle Anwohners die kleine Glassbruch und Sprühwelle der Nazis mitbekommen haben.

Ein Lauti muss auch nicht Stimmungstötend sein, wenn er sich während der Demo auf solche Durchsagen beschränkt und ansonsten konsequent keine Musik spielt, während die Demo läuft, sondern nur anfangs und Ende. (ging ja früher auch)

aber die Hauptsache ist für micht: trotz kurzer Mobilisierungsphase, ca. 6 aneinandervorbeiorganisierten Demos am Samstag und gefühlten -30°C waren auf jeden Fall über 800 Leute auf der Strasse, das ist erstmal sehr gut. Ich hätte vorher mit maximum 250 gerechnet, man kennt ja sein Berlin.

Die Demo vielleicht zwei Stunden früher noch im Hellen zu machen, wäre vielleicht auch nicht so blöd gewesen. Zumal die Route wirklich überwiegend durch sehr dunkle Seitenstrassen zog, wo die Transpis fast nicht lesbar waren.

Marian Hacke mit Foto

"Initiative Recherche" 21.12.2009 - 00:48
 http://de-de.facebook.com/marianhacke

marianhacke.de
Sanderstrasse 25

reicht ein megaphon

oder auch 2 21.12.2009 - 02:57
es reicht ein megaphon oder max 2 um sich laut und deutlich bei den zwischenstopps/kundgebungen zu machen und das kommunizieren, was einem auf dem herzen liegt, finde diese phase gerade gut in berlin, wo mensch absichtlich auf den lauti verzichtet, irgendwann wird ja vielleicht jemand anfangen deswegen neue sprüche/slogans zu dichten/sich auszudenken, damit man ein wenig aktueller wird...
und internationalistischer geht es auch, besonders wenn man in so einem viertel wie neukölln unterwegs ist und man auch die dortige bevölkerung ansprechen möchte, nicht alle haben einen deutschen pass wie viele teilnehmer, haben aber trotzdem das bedürfniss sich zu äußern...
also weniger deutsch/ethno/berlinzentrisch, faschismus geht uns alle an...
und überall wehren sich die leute und landen in den knast, um dagegen anzukämpfen, sich solidarisch zu zeigen ist immer zum vorteil für die lokale szene, so...jalla!!!
ps: eine sache sind die uniformierten und das andere sind ziviratten, denn von denen gabs wie üblich genug...

In piazzale loreto ist immer noch platz...
kein vergeben kein vergessen!

alle aus den knästen raus!!!!

Bilder auf Youtube

HDDobson 21.12.2009 - 10:26
Nazis keine Chance!

noch ein paar Bilder von der Demo ;)

 http://www.youtube.com/watch?v=FXcmXEKw2bA

greez

Neuköllner Protest gegen Naziattacken

taz 22.12.2009 - 12:57
22.12.2009

Neuköllner Protest gegen Naziattacken
DEMO GEGEN RECHTS Anschläge auf zahlreiche linke Einrichtungen mobilisieren rund 1.000 Demonstranten

Der Ärger über rechte Gewalt fiel deutlich aus: Statt der erwarteten 300 Teilnehmer trafen sich am Sonntagabend mehr als dreimal so viele Menschen in Neukölln, um friedlich gegen rechtsradikale Umtriebe in ihren Kiezen zu demonstrieren. In den Wochen zuvor hatten Unbekannte in Neukölln und Kreuzberg mehrere Einrichtungen der linken Szene mit rechten Parolen beschmiert und Fenster eingeworfen (taz berichtete).

Die Organisatoren zeigten sich sehr zufrieden mit der Resonanz auf den vergleichsweise spontan initiierten Protestmarsch. "Wir hatten nur fünf Tage Zeit. Dass wir trotzdem 1.000 Leute mobilisieren konnten, macht deutlich, dass Neukölln aufgewacht ist", sagte einer der Demoorganisatoren und unterstrich: "Bislang hat man sich in Neukölln ja immer noch recht sicher vor den Rechten gefühlt." Neben der Antifa hatten sich vor allem Mitarbeiter der von der Anschlagserie betroffenen Einrichtungen um die Vorbereitungen auf den Protestmarsch gekümmert.

Vom Hermannplatz ausgehend verlief die Demo einmal quer durch Nordneukölln. Trotz Temperaturen im zweistelligen Minusbereich wurden mehrere Stopps gemacht, um den Teilnehmern über Lautsprecher Hintergründiges zu vermitteln. So erinnerte ein Redner beispielsweise an verschiedene rechtsradikale Gewalttaten, die sich in den vergangenen Jahren in Neukölln ereignet hatten. Im selben Atemzug wurden mutmaßlich rechtsradikale Neuköllner an den Pranger gestellt. Ein Sprecher nannte mehrere Personen namentlich und die Straßen, in denen diese wohnen würden. Begleitet von Sprechchören wie "Für die Freiheit, für das Leben. Nazis von der Straße fegen" marschierte der Protestzug danach weiter.

Viele Anwohner beobachteten die Demonstration aus ihren Wohnungen heraus und ließen sich, soweit zu erkennen war, auch von krachenden Böllern, die Demonstranten immer mal wieder zündeten, nicht weiter erschrecken.

Die Polizei hatte die Mobilisierung der linken Szene diesmal offenbar unterschätzt. Die anfängliche Besetzung fiel mit rund 40 Beamten vergleichsweiße gering aus, reichte jedoch, um den Protestzug abzusichern. Eine Verstärkung traf erst ein, als sich die Demo eineinhalb Stunden nach Beginn bereits wieder auflöste. BERND SKISCHALLY

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Hallo

weiß nicht 20.12.2009 - 21:31
Waren echt nur sowenig Bullen vor Ort?
Warum wurde die Kneipe nicht Kaput gemacht?

Keine zwischen Fälle?

gegen Gewalt im Kiez

Neuköllner 20.12.2009 - 22:59
Ich habe mich heute der Demo angeschlossen, nicht nur um gegen Neonazis sondern auch gegen die im Text dargestellten Zerstörungen zu demonstrieren. Dabei hatte ich angenommen, dass dies auch auch die Motive der anderen Teilnehmer waren. Allerdings scheint zumindest der Autor des obigen Textes das Scheiben-Einschmeißen bei Privatpersonen unter bestimmten Umständen gutzuheißen.
Eine solche Doppelmoral finde ich der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln und schreckt sicherlich auch viele Demoteilnehmer (mich zum Beispiel) ab. Darüber hinaus stacheln solche Aktionen die Nazis doch nur zu weiteren Aktionen an und stehen somit dem Sinn der Demo kontraproduktiv gegenüber.
Eine etwas friedlichere Einstellung/Berichterstattung würde daher nicht nur der Glaubwürdigkeit dienen, sondern helfen, auch beim nächsten Mal wieder große spontane Unterstützung nicht nur durch eingefleischte Antifas auf die Straße zu bringen.

Kameras waren vorhanden

mein Name 21.12.2009 - 13:26
Natürlich waren Kameras vorhanden! Redevorträge konnte man leider nur in unmittelbarer Nähe hören. Hängt mehr Flyer für Mitmenschen mit wenig Deutschkenntnissen auf! Sind leider viel zu wenig von ihnen auf Demos vertreten! Trotzdem war es eine gute,aber leider zu kurze Demo!

lauti

jo 21.12.2009 - 18:40
Ein Lauti is schon ne feine Sache, allerdings nich für beknackte Techno-cover-songs von Punkrockklassikern oder was es da schon alles zu ertragen gab. Ein vernünftiges Lied kann mehr aussagen als alle Redebeiträge und Sprechchöre zusammen...