[Berlin, Kino Babylon] kinosklavin

burn_baby_burn 17.12.2009 23:25
Ich arbeite seit mehreren Jahren im Kino Babylon Mitte und ich bin sauer. Richtig sauer. Der Grund dafür ist ein Tarifvertrag, der mir von ver.di und der Geschäftsleitung aufgezwungen wurde. Ich erzähle euch, wie es dazu kam und was gestern passiert ist.
Gestern war bei uns im Kino Betriebsversammlung. Auf dieser Versammlung ging es um den Tarifvertrag, den ver.di und die beiden Geschäftsführer in den letzten Wochen ausgehandelt haben ohne uns zu fragen. ver.di hatte uns versprochen, dass sie den Flächentarifvertrag für das Babylon übernehmen wollen. Aber das kam ganz anders. Auf die Versammlung hat sich von ver.di Berlin-Brandenburg erst gar niemand getraut. Nur die Kollegen von der FAU waren anwesend. Die haben stattdessen einen unserer beiden Geschäftsführer vorgeschickt, um das Ergebnis zu präsentieren. Von den großen Ankündigungen keine Spur mehr. Es gibt einige Verbesserungen, in den meisten Bereichen ist der Tarifvertrag aber meilenweit unter dem Flächentarif. Ein Scheiß! Und der beste Brüller. ver.di und die Chefs haben hatsächlich ausgedealt, dass der Vertrag überhaupt nur solange gilt, wie der Berliner Senat fleißig Extra-Subventionen für Lohnzuschüsse an das Kino zahlt!

Der Vertrag gilt auch nur für die von uns, die noch für die Neue Babylon arbeiten. Natürlich aber nicht, für die KollegInnen, die von den Chefs in den letzten Monaten in die andere Firma von denen, die K&K abgeschoben wurden. Wo sie die gleiche Arbeit machen, aber offiziell zum anderen Schuppen gehören. Das haben die gemacht, um den Betriebsrat auszuboten und um die Lohnkosten zu drücken, wenn sie doch einen Tarifvertrag abschließen müssen. Da liefen die Aktionen der FAU ja noch auf Hochtouren und die Chefs waren kurz vor Nervenzusammenbruch und Einknicken. Bis dann kurz danach ver.di in die Bresche gesprungen ist und der Boykott verboten wurde.

Jetzt war Grossmann richtig anzusehen, wie glücklich er über den Vertrag ist. Den hat er echt billig bekommen und seine Freunde von der Linkspartei haben gleich noch dafür gesorgt, dass ihn das ganze keinen Pfennig extra kostet, weil es ja der Senat noch oben drauflegt. Das versprochene Weihnachtsgeld gibt es übrigens auch nicht, darüber soll mal schön 2010 verhandelt werden. Wobei man da schon gehört haben will, dass es das nur für ver.di Mitglieder im Betrieb geben soll! Das wird dann ziemlich billig für die Chefs werden, weil ver.di Mitglieder, die im Babylon Mitte arbeiten gibt es ab Jahresende nur noch ganze zwei. Das eine ist eine Kollegin, die Verwaltung macht und mit den Chefs gut kann und dann noch einen anderen Kollegen, der jetzt aber auch ziemlich bedient ist. Das dritte Mitglied von ver.di hat zum Jahresende seine Mitgliedschaft gekündigt, ihr könnt euch denken warum. Die ver.di Mitglieder wurden übrigens vom Landesvorstand ebensowenig wie wir anderen Beschäftigten gefragt, ob wir diesen Mistvertrag tatsächlich haben wollen.

Unterm Strich haben wir jetzt dank ver.di einen beschissenen Tarifvertrag, der weit hinter dem zurückbleibt, was wir uns Jahresanfang mal überlegt haben und was die FAU versucht hat durchzusetzen. Und sogar als das, was ver.di im Oktober in der Presse versprochen hat. Und selbst das haben wir nur bekommen, weil die FAU Betriebsgruppe echt einen losgemacht hat und die Geschäftsführung mit allen Mitteln unter Druck gesetzt hat. Die meisten von uns hätten glaube ich auch gestreikt, wenn es eine Möglichkeit dazu gegeben hätte, ohne gleich rauszufliegen. Die Stimmung war so. Grossmann und Hackel waren kurz davor klein beizugeben, als ihnen jede Menge Besucherinnen und Kooperationspartner unangenehme Fragen gestellt haben oder einfach weggeblieben sind und sie jeden Tag selbst Aufkleber und Plakate abschaben mussten, weil das sonst niemand gemacht hat und die Telefondrähte geglüht haben. Jetzt haben sie sich mit Gerichten, ihren Parteifreunden und ver.di noch mal auf unsere Kosten aus der Affaire gezogen.
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Ergänzungen

FAU DEMO

name 18.12.2009 - 10:10
Morgen, am Samstag den 19.12 wird es um 16 Uhr eine Demonstration vom FAU-Lokal (Strassburger Straße 38) zum Babylon geben! Zahlreiches Erscheinen ist ein MUSS!!!!
Nehmt all eure Freunde mit und unterstützt uns lautstark!

Betriebsrat dankt der FAU

kinogeher 18.12.2009 - 11:03
Wer den "argumentativen Ausführungen" in diversen Indymedia Kommentaren nicht ganz traut, und wem die Überzeugungskraft nicht geschriebener Kommentare auf prekba.blogsport.de nicht einleuchtet, kann sich ja von Verdi den Babylontarifvertrag und den Bundestarifvertrag schicken lassen und vergleichen.
Oder sich beim Betriebsrat informieren:

Pressemitteilung des Babylon-Betriebsrats:

Am 16. 12. 09 hat Ver.di mit den Geschäftsführern des Kinos Babylon Mitte Timothy Grossman und Tobias Hackel einen Haustarifvertrag abgeschlossen, der in vielen Fällen um gut 30% unter der Vergütungstabelle des entsprechenden Verdi-Bundestarifvertrages liegt, oft fällt der Verzicht aber weit deutlicher aus:

Einem erfahrenen Filmvorführer, der nach 23 Uhr 2 Projektionen betreut, stünden Verdi-Bundestarifvertrag ab Juli nächsten Jahres rund 18 Euro zu. Es sei denn er arbeitet im Babylon Mitte. Hier, im einzigen vom Berliner rot-roten Senat mitfinanzierten Kino, ist dieselbe Arbeit laut Verdi-Haustarifvertrag nur die Hälfte, gut 9 Euro wert.
Monatlich verdient ein Filmvorführer mit mehr als 5 Jahren Berufserfahrung laut regulärem Verdi-Bundestarif ab Januar 1900 Euro. Hinzu kommen üppige Zuschläge. Nicht so im Babylon. Hier hat er sich mit 1490 Euro zu begnügen, die Zuschläge wurden hier gestrichen oder deutlich gekürzt.

Wodurch dieser weitgehende Verzicht zu rechtfertigen ist, konnte Verdi-Verhandlungsführer Andreas Köhn nicht erklären, denn den Tarifvertrag ließ Verdi von der Babylon-Geschäftsführung präsentieren. Auch kein anderer Verdi-Vertreter wollte offenbar an der heutigen Betriebsversammlung Verantwortung übernehmen. Bei der letzten Betriebsversammlung vor drei Monaten hatte Andreas Köhn dagegen noch versichert, es sei ihm nicht möglich überhaupt einen Tarifvertrag unter dem Niveau des Flächentarifs abzuschließen. Schon lange vor Köhns überraschender Intervention hatte die Freie ArbeiterInnen Union FAU Berlin mit großen Teilen der Belegschaft einen Tarifvertragsentwurf ausgearbeitet und versucht Verhandlungen herbeizuführen.

„Trotz des unangemessen niedrigen Verdi-Tarifabschlusses gibt es für manche Beschäftigte, die bisher nur 5,50 Euro verdienten, deutliche Lohnsteigerungen. Zu verdanken ist das dem langwierigen Arbeitskampf der FAU Berlin im Babylon, der Verdi und Geschäftsführung letztendlich zu einem Tarifabschluss zwang.“ So der Betriebsratsvorsitzende.

Finanziell gehe es dem Babylon gut, ließ die Geschäftsführung verlauten. Jahr für Jahr steigen demnach die Besucherzahlen und Vermietungen, hinzu komme der einträgliche Getränkeverkauf. Dennoch wird der Tarifvertrag fest an eine Erhöhung des Senats-Zuschusses um 30.000 Euro auf 350.000 Euro pro Jahr gekoppelt. Sinkt der Zuschuss des Senats, verliert der Tarifvertrag jede Gültigkeit.
In langwieriger Kleinarbeit wird der Betriebsrat nun versuchen, mit Betriebsvereinbarungen das Beste für die Belegschaft herauszuholen, wo dies der Dumping-Tarifvertrag Verdis noch erlaubt.

Betriebsrat Babylon

Pressemitteilung der FAU Berlin

FAU Berlin 19.12.2009 - 20:50
Berlin, den 19.12.2009

300 Menschen demonstrierten gegen das Verbot gegen die FAU Berlin, sich als Gewerkschaft zu bezeichnen. Maggy-Thatcher-Award 2009 an Timothy Grossman verliehen

Trotz klirrender Kälte und kurzfristiger Organisation zogen etwa 300 Menschen durch Berlins Mitte, um gegen das faktische Gewerkschaftsverbot der FAU Berlin zu protestieren. Die Demonstration zog zum Kino Babylon Mitte, dessen Geschäftsführung die Einstweilige Verfügung am 11.12.2009 gegen die FAU Berlin erwirkt hatte.

In Redebeiträgen wurde nicht nur der skandalöse Beschluss des Landgerichts thematisiert, der das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aushebelt. Auch wurde die Rolle von ver.di und Linkspartei angesprochen, die in trauter Einheit mit Geschäftsführung den seit Sommer diesen Jahres andauernden Arbeitskampf unterliefen. Auf Initiative der Linkspartei, finanziert durch den Senat, schloss ver.di unlängst einen Tarifvertrag mit dem Kino ab – an der Belegschaft vorbei und unter dem eigenen Flächentarifvertrag.

„Unser monatelanger Kampf im Kino Babylon hat gezeigt, dass selbstorganisierter Widerstand von unten möglich ist und erfolgreich sein kann, aber auch mit allen Mitteln plattgemacht werden soll“, so Hansi Oostinga von der FAU Berlin in einem Redebeitrag. Und weiter: „Eine gute Gewerkschaft ist eine, die dein Chef nicht mag.“

Abschließend wurde Timothy Grossman, Geschäftsführer des Kino Babylon, in Abwesenheit der Maggy-Thatcher-Award 2009 für seine Verdienste um Aufrechterhaltung der gewerkschaftsfeindlichen Tradition verliehen.


FAU Berlin

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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schwacher trost — Posterer

Stellungnahme gewünscht — Inaldinak

Danke FAU! — ...

kommentar — karl

Fakten statt Gedisse — trollfutter für tiba

@tiba — d

@tiba — der typ