FFM: Weiter was los an der Uni (2.Teil)

Presse AK 17.12.2009 00:03 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe
Die Uni Frankfurt ist kommt immer noch nicht zur Ruhe. Die Rückkehr zum Normalbetrieb bleibt ein frommer Wunsch des Präsidiums. Der Protest geht weiter, auch heute:

Am heutigen Mittwoch tagte der Senat der Uni Frankfurt – und bekam spontanen Besuch von einer Gruppe aus rund 100 Studierenden. Diese forderten in einer Erklärung den Senat zu einer Stellungnahme auf. Die Studierenden kritisierten das Verhalten des Präsidiums, die Öffentlichkeitsarbeit der Abteilung „Marketing und Kommunikation“ und die Entdemokratisierung der Hochschulen. Die Aufforderung zum Dialog seitens des Präsidiums wurde als „reine Marketingstrategie“ zurückgewiesen. Der Präsident verweigerte auf der Sitzung die Zurücknahme der Anzeigen und ein Bekenntnis gegen Zwangsexmatrikulationen.
Dem entgegen verabschiedete der Senat nach langer Diskussion über die Rekonstruktion der Ereignisse eine Resolution, in der die Unileitung aufgefordert wird, die Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch zurückzunehmen.
In einer gemeinsam verfassten Erklärung (siehe unten) forderten die Studierenden den Senat auf, zum neuen HHG, zur öffentlichen Lüge des Präsidiums, zur Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch, zur einseitigen Öffentlichkeitsarbeit der Universität und zur tagelangen Polizeipräsenz auf den Campi Stellung zu beziehen. In der Erklärung heißt es u.a.: „Die Darstellung auf der Uni-Homepage durch die Redaktion, die bezeichnenderweise „Marketing und Kommunikation“ heißt, ist stark einseitig. Zeitungsartikel, die sich differenziert mit der Situation auseinandersetzen oder sogar kritisch die Handlungen des Präsidiums hinterfragen, werden unterschlagen. Es scheint fast jedes Mittel Recht, um rechte Politik diskursiv durchzusetzen.“ Ein gutes Beispiel gebe die Rubrik „Die Universität in den Medien“ auf der Homepage der Universität. Hier seien sogar ein Großteil der Artikel aus der Frankfurter Rundschau bisher nicht aufgelistet.
Die Pressesprecherin des Protest-Plenums, Magda Nussbaum, erklärte hierzu: „Mit einem rationalen Diskurs hat die Meinungsmache des Marketingbeauftragten Kaltenborn rein gar nichts zu tun“.

Zum vom Präsidium vehement geforderten Dialog erklärte das Protest-Plenum in einem Flugblatt: „Wir betrachten es als Unverschämtheit, dass das Präsidium sich als Ansprechpartner für den vernünftigen Dialog präsentiert, während es autoritär durchregiert und faktisch die Entdemokratisierung der Universität betreibt und gutheißt. Dazu passt die zweischneidige Öffentlichkeitsarbeit der Abteilung Kaltenborn, die zum Dialog aufruft und gleichzeitig einseitige Informationen und Lügen verbreitet, die nicht den rationalen Dialog, sondern den Machtanspruch des Präsidiums unterstützen.“

Das Präsidium hatte u.a. mittels der Dekan_innen versucht, Einfluss auf die studentischen Vertretungen (z.B. Fachschaften) zu nehmen, indem es sie angehalten hatte, sich von den "Sachschäden" zu distanzieren. Die Fachschaften wurden aufgefordert, zu diesem Zweck "sich in geeigneter Weise öffentlich zu äußern" (Zitat aus Brief eines Dekans an Fachschaft). Einzelnen Fachschaften wurden zudem vom Dekanat vorformulierte Stellungnahmen angeboten.
Dieses Vorgehen wird von den Studierendenvertreter_innen als massiver Eingriff in die politische Meinungs- und Willensbildung der Angehörigen der Universität verurteilt und zurückgewiesen. In der hierzu verabschiedeten Resolution der Fachschaftenkonferenz vom 9.Dezember heißt es u.a.:
„Dagegen weisen wir die Versuche des Präsidiums vehement zurück, Einfluß zu nehmen auf die politische Meinungs- und Willensbildung der Angehörigen der Universität, insbesondere auf jene der demokratisch gewählten Vertretungen in den Gremien der Selbstverwaltung.“ Und weiter: "Die inhaltlichen Aspekte sind wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Wir rufen alle Studierenden und jegliche Interessierte weiterhin auf, sich kritisch, konstruktiv und kreativ und insofern vielfältig in der gewählten Form in den Prozess um eine bessere Universität in einem gerechteren Bildungssystem einzubringen."


Es sei „ein schlechter Witz“, so Nussbaum, dass der Präsident diejenigen, die er wegen Hausfriedensbruch angezeigt habe, zum Dialog einbestellt. „Das entspricht der Dialogaufforderung eines Staatsanwalts an den Angeklagten. Ein asymmetrischer Dialog, unterstützt durch Anzeigen, ist kein Dialog, sondern eine Farce. Müller-Esterls Diskussionsinteresse ist rein instrumenteller Art. Der Dialog, den das Präsidium fordert, ist ein Feigenblatt.“ Die Studierenden betonten außerdem, dass Gespräche mit dem Präsidenten kein Ersatz für Veränderung und demokratische Strukturen seien. „Der Präsident hat schließlich nicht über die Legitimität unserer Forderungen zu entscheiden“, so Nussbaum weiter. „Die Zeiten, in denen man den König bittet, etwas zu verändern, sind eigentlich längst vorbei“.



FFM: Weiter was los an der Uni (1.Teil), siehe:  http://de.indymedia.org/2009/12/268955.shtml

mehr info:  http://bildungsstreik-ffm.de


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5 Punkte für den Senat

Vorbemerkung:
Das Präsidium hat sich bisher erfolgreich einer inhaltlichen Auseinandersetzung entzogen.

1. Der Senat möge Stellung beziehen zur öffentlichen Lüge des Präsidenten!
Die Bilder des Künstlers Heck wurden nicht zerstört, bedauerlicherweise bekamen Glas und Rahmen Farbe ab. Es handelt sich bei der Aussage des Präsidenten nicht um einen Irrtum, sondern um eine bewusste Lüge, um die Studierenden als „rechtslastig“ und „vandalistisch“ einzustufen.
Der Vorwurf, Gesprächsangebote des Präsidenten seien abgelehnt worden, ist gelogen. Am Mittwoch der Räumung fand zwischen 16.30 Uhr und ca. 17.20 Uhr, etwa eine Stunde vor Beginn der Räumung, ein Gespräch zwischen AStA und dem Präsidium statt. Eine anstehende Räumung war zu keiner Zeit Gegenstand dieses Gesprächs.
Die Aussage, der Polizeieinsatz wäre „fair und professionell“ abgelaufen, ist eine Verhöhnung der verletzten Studierenden. Müller-Esterl hat sich bis heute nicht erkundigt, ob denn jemand zu Schaden gekommen sei, was ein Desinteresse an der Unversehrtheit der Studierenden nahe legt. Der Präsident verließ nach seiner Verlautbarung im Casino wortlos das Gelände. Der Bericht des Ermittlungsausschusses belegt klar, wie der Polizeieinsatz verlief.

2. Der Senat möge Stellung beziehen zu den Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs gegen Studierende und Lehrende dieser Universität und die anderen Teilnehmer_innen!
Die Art des Umgangs des Präsidenten mit studentischem Protest und zivilem Ungehorsam spricht die Sprache von Kriminalisierung und bezeichnet das Demokratieverständnis von Müler-Esterl. Studierende wie Lehrende der Universität wegen Hausfriedensbruch anzuzeigen, weil diese ein alternatives Seminar abhalten, ist irr- und stumpfsinnig. Leider aber immer noch traurige Wahrheit. Darüber hinaus denkt das Präsidium öffentlich über Strafexmatrikulationen nach. Im Übrigen: die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch stehen weder juristisch noch logisch in einem Zusammenhang zur „Sachbeschädigung“.

3. Der Senat möge Stellung beziehen zur Öffentlichkeitsarbeit des Präsidiums!
Die Darstellung auf der Uni-Homepage durch die Redaktion, die bezeichnenderweise „Marketing und Kommunikation“ heißt, ist stark einseitig. Mittels ideologisch gefärbter Auswahl der Veröffentlichungen bzw. Zeitungsartikel und offensichtlicher Falschdarstellungen wird gezielt Stimmung in eigener Sache betrieben. Zeitungsartikel, die sich differenziert mit der Situation auseinandersetzen oder sogar kritisch die Handlungen des Präsidiums hinterfragen, werden unterschlagen. Gleichzeitig wird unterirdischer Journalismus als „fundiertes Urteil“ gelobt. Es scheint jedes Mittel Recht, um rechte Politik diskursiv durchzusetzen.

4. Der Senat möge Stellung beziehen zur tagelangen Polizeipräsenz auf den Campi der Universität, insbesondere zu Einlasskontrollen durch Polizeibeamte!
Polizeiliche Räumungen von Gebäuden der Universität hat es schon früher gegeben. Dass die Unileitung allerdings im Anschluss an diese über mehrere Tage den regulären Ablauf selbst aktiv stört, teils verhindert, zeigt eine neue Qualität. In der Haltung der Unileitung zeigt sich die Weigerung, die berechtige Kritik und die Gegenentwürfe der Studierenden zum gegenwärtigen Bildungssystem als legitime Intervention zu akzeptieren.
Gerade in der Dauer der Aufrechterhaltung des Ausnahmezustands, die weder thematisiert noch angebracht ist, manifestiert sich die Zuspitzung eines politischen Projekts, gegen das die Studierenden derzeit allerorten demonstrieren.

5. Der Senat möge Stellung beziehen zum neuen HHG, insbesondere zur Stärkung des Hochschulrates!
Es ist Mode geworden, sich – sobald sich studentischer Protest artikuliert – auf angeblich vorhandene demokratische Verfahren zu berufen. Zu einer demokratischen Selbstverwaltung bedürfte es der demokratischen Öffnung „nach unten“, statt der betriebswirtschaftlichen Neuorganisation der Hochschulen. Die externe Steuerung der Hochschulen, in Frankfurt insbesondere durch die Form der Stiftungsuni, ist de facto undemokratisch. Mit der Deutschen Bank und deren (wenn auch ehemaligen) Vorsitzenden lässt sich kein „Dialog“ über vernünftige Wissenschaft führen.
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Ergänzungen

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von Senatssitzung 17.12.2009 - 21:41
gegen die autoritäre Hochschule