Campinski 2006/2009 Freispruch in Bad Doberan

Prozessbeobachter_innen 14.12.2009 15:35 Themen: G8 G8 Heiligendamm Globalisierung Repression Soziale Kämpfe
AmtsRichter Röhl: "ein Foto ist immer schöner als eine Zeugenaussage!"
G8 Campinski-Prozess gegen Fritz S. und Hauke B.- 07.12.2009 Bad Doberan - und wie einer der Hauptbelastungszeugen der Polizeibeamte KriminalOberKommissar (KOK) Köppelin persönlich das Foto vor Gericht einreichte, das bestätigte, dass er gelogen hat.

Zwei Berichte und eine Erklärung. Erstveröffentlichung für indymedia.
Der Polizist, einer der Hauptbelastungszeugen im Prozess gegen Fritz S. und Hauke B. über­raschte am zweiten Prozess-Tag kurz vor seiner Entlassung, als er seine immer wieder be­hauptete Lüge, die Angeklagten „ganz sicher“ und „ohne Zweifel“ zu erkennen, selbst ent­tarnte. Er habe selbst im INTERNET recherchiert und legte als Ergebnis dem Gericht ein Foto vor.
Es war ein Foto das, wie er wörtlich sagte: "genau die Situation zeigt, die er beschrieben hat". Der Richter musste sich eine Brille ausleihen, um sicher zu sein, was sein Augen sahen: Der Mensch, den der Polizist ganz sicher als Fritz S. erkannt hatte, war offensichtlich jemand an­deres.
Was eigentlich auch egal war. Weil die Vorwürfe, für die die zwei angeklagt wurden – Nöti­gung der Polizei -, auch von dem Zeugen selber, nicht nur relativiert, sondern der Lächerlich­keit preisgegeben wurden:
"Ja sie hätte er als Rädelsführer ausgemacht, weil sie mehrmals miteinander geredet ha­ben!!!!!"
Auf die Frage des Richters, ob er denke, wenn die beiden Angeklagten die mit den Handschu­hen aufgefordert hätten, sein Auto nicht anzugreifen, ob die den Angeklagten gefolgt wären, meinte er: "nein".
Zwei Tage Prozess, zwei Rechtanwälte, die aus Berlin und Hamburg zusammen mit mehreren interessierten, solidarischen Menschen anreisten und eine unglaubliche skurrile Gerichts-Ver­handlung.
Schon beim ersten Prozess-Tag war der Richter dem Polizeizeugen immer wieder behilflich, sich zu erinnern, indem er ihm die Worte in den Mund legte: "Sie wurden doch bedroht und hatten Angst vor den vielen Menschen mit den schwarzen Handschuhen", und der Zeuge musste nur "ja" sagen. Das wurde dann als Aussage protokolliert.
Der Richter beeindruckte auch mit seinen subjektiven Äußerungen: Als der Polizeizeuge sagte "ich weiß nicht mehr genau, ob ein Kindersitz oder ein Kind hinten im Auto gewesen war..." (ein Auto wurde durch die Menschenansammlung auf der Straße am Weiterfahren gehindert), er konnte nicht genau einsehen, da die vielen Menschen um sein Auto als Sichtblende wirk­ten, half ihm der Richter beim Erinnern, wie schlimm so etwas sein kann: "was? Nicht auszu­denken, wenn meine Tochter in dem Auto gewesen wäre! Das ist dann nicht mehr nur Nöti­gung". Der Polizeizeuge sagte dann bei einer erneuten Befragung, er wisse nicht mehr genau, ob das Kind im Kindersitz oder daneben gesessen habe.
Der Richter beleidigte den RA Beuth, den er während der Befragung immer wieder unter­brach und eigene Fragen stellte mit den Worten: "Sie haben kein Konzept! Wenn sie endlich wissen, was sie fragen wollen, dann helfe ich ihnen bei der Formulierung. Kommen Sie doch morgen in meine Vorlesung, da rede ich genau über solche Techniken".
Als beim zweiten Prozesstag ein Befangenheits-Antrag gegen den Richter von RA Tommy Herzog vorlag, - den die zuständige Richterin bisher nicht bearbeitet hatte -, konnte die Ver­handlung erst eine Stunde später anfangen. Aber dann begann die Mittagspause. Wir waren also alle zwei Stunden zu früh gekommen.
Weil dann, als der Richter den Saal betrat, nicht alle hoch sprangen, schrie er in den Saal :"Sie stehen alle auf, wenn ich reinkomme. Ich gehe jetzt noch mal raus und wenn sie nicht aufste­hen wenn ich wieder reinkomme, dann gibt es Ordnungsgelder." Er rannte raus und kam nicht wieder. Erst nach 6 Minuten, wo fast alle inklusive der Staatsanwältin stehend warteten, kam er wieder rein - und natürlich hatte die Richterin den Befangenheits-Antrag abgelehnt.
Die Befragung des Polizeizeugen zeigte, dass es eine Rache-Anklage war. Er schien absolut überfordert mit seinen beruflichen Aufgaben. Beleidigt, weil Menschen, die er im Auftrag seiner Vorgesetzen beobachtete, kontrollierte und deren Autokennzeichnen er notiert hatte, sich bei im beschwert hatten und ihn zurückgewiesen hatten, ihn aufgefordert hatten, sich zu entschuldigen und zu verschwinden. Das konnte er auf sich nicht sitzen lassen.
Das ganze Publikum saß im Saal mit dem Wissen, dass alles was er beschrieb gelogen war. Alle im Saal wussten, dass die Angeklagten gar nicht an dem besagten Ort gewesen waren. Alle wussten dass es keine Menschen um sein Auto gegeben hatte, in dicker Winterkleidung mit schwarzen Handschuhen (nur eine Person in Sommer-Kleidung die offensichtlich gerade mit Handschuhen vom Bauen kam). Der Polizeizeuge log was das Zeug hielt und alle rech­neten damit, dass noch mehre Prozesstage notwendig sein würden, um alle die Lügen zu wi­derlegen.
Dass er selber den Beweis für seine Lügen mitbrachte, war eine sehr erfreuliche, erheiternde, prozessverkürzende Überraschung, mit dem Resultat, dass die Staatsanwältin und der Richter sich gezwungen sahen, kurz und knapp für Freispruch zu plädieren. Der zweite Polizeizeuge wurde erst gar nicht mehr vorgeladen
Was aber den RA Herzog nicht hinderte, zur endgültige Sicherheit für den Freispruch und weil, wie er dem sich beschwerenden Richter erklärte "ich hab schon Pferde kotzen sehen", einen letzten BeweisAntrag mit Benennung von Zeugen einzubringen: Er beantragte BKA- und VS-Beamte vorzuladen. Als Zeugen, dass sein Mandant Hauke B. den fraglichen Zeit­raum von ihnen beschattet wurde und sie bestätigen können, dass er zur fraglichen Zeit mit seiner Freundin in Frankreich auf einem Campingplatz war. Ra. Andreas Beuth wies auch noch darauf hin, dass er auch noch drei ähnlich lautende Beweisanträge, für den Beweis, dass sein Mandat gar nicht vor Ort gewesen war, in der Tasche habe.
Der Richter baute dem so offensichtlich und penetrant lügenden Polizeizeugen noch eine letzte Brücke indem er sagte:" Sie haben Herrn Dr.Fritz S. verwechselt ! Das kann immer pas­sieren, das war eine Verwechselung!" "Ja! ja! Ich sehe so viele Leute in meinem Beruf" sagte der – immer noch sehr gelassen -von sich selber.
So endete dieser Prozess mit Freispruch und viel Heiterkeit auf Seiten der Prozessbeobach­ter_innen.
Es bleibt die Frage der Gerechtigkeit: Lügen vor Gericht heißt bei Polizeizeugen bei dem Richter: „Verwechselung“. Hätten die zu Unrecht Angeklagten oder deren Zeug_innen ähn­lich gelogen, wie viele Jahre hätte der selbe Richter ihnen gegeben?

einige Prozessbeoachter_innen



Campinski 2006/2009: Prozess wegen Nötigung der Polizei endete mit Freisprüchen

Bad Doberan 8.12.09. Am zweiten Verhandlungstag vor dem Amtgericht Bad Doberan gegen die beiden Angeklagten Fritz S. und Hauke B. wurde zunächst über einen Ablehnungsantrag der Ver­teidigung gegen den Amtsrichter Röhl entschieden. Richter Röhl hatte am 1. Verhandlungstag durch eine sehr hochnäsige und voreingenommene Verhandlungsführung die Rechte der Verteidi­gung bei der Befragung der polizeilichen Belastungszeugen stark beeinträchtigt, was zu einem für das Amtsgericht Bad Doberan seltenen Befangenheitsantrag gegen den Richter führte. Nicht ganz unerwartet wies eine andere Richterin den Antrag ab, und so ging es in die Fortsetzung der Befra­gung des Polizeizeugen Kriminaloberkommissar (KOK) Köppelin, der mit einem Kollegen vor der Einfahrt zum Campinski am 6.8.06 von der Einsatzzentrale der später so berühmt berüchtigten Kavala, den Befehl bekommen hatte, alle Kfz-Kennzeichen aufzuschreiben. Dagegen waren damals ca. 50 Besucher_innen des Campinski vorgegangen und hatten die beiden Zivilpolizisten höflich aber entschieden aufgefordert, zu verschwinden.
Der Zeuge Köppelin schilderte noch mal die Situation und sagte, ein Mann habe sich mit „Meier“ vorgestellt und ihn aufgefordert, sich für das unrechtmäßige Aufschreiben der Kennzeichen zu ent­schuldigen. Köppelin beschrieb aufgrund der Befragung durch die Verteidigung den vermeintlichen „Wortführer“ der Campinskigruppe Fritz S. als etwa „55-jährigen sportlichen Mann“. Ein auffälli­ges Merkmal in seinem Gesicht sei zudem ein Goldzahn. Das führte zu großer Heiterkeit im Ge­richtsaal und zur Inaugenscheinnahme des Gebisses des Angeklagten Fritz S. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft konnten lediglich feststellen, dass Herr S. ein regelmäßiges Gebiss besitzt, aber ein Goldzahn lies sich partout nicht finden. Nach dieser Pleite ob der Beobachtungsfähigkeit des Belastungszeugen Köppelin zog dieser seinen entscheidenden Joker: Er behauptete, den Zeugen Fritz S. auf einem Internetfoto wieder zu erkennen. Die Verteidigung war einen Augenblick kons­terniert, denn von einem solchen Foto war bisher nichts bekannt. Daraufhin zog Köppelin ein Foto heraus und übergab dieses dem Gericht. Köppelin erklärte dabei, dass das Foto vor dem Campinksi genau in der Situation aufgenommen worden sei, als Fritz S. ihn und seine Kollegen aufgefordert habe, sich zurückzuziehen.
Mit großem Interesse schauten sich Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung das Foto an und erkannten alle übereinstimmend, dass die besagte Person nicht übereinstimmt mit der im Gerichts­saal anwesenden Person Fritz S.
Als dieser Sachverhalt dem Belastungszeugen vorgehalten wurde, entgegnete er kleinlaut, er sei sich jetzt auch nicht mehr so sicher, dass Fritz S. der besagte „Meier“ sei, mit dem sein Kollege damals diskutiert habe.
Nach einer kurzen Unterbrechung beantragte der Richter Freispruch für Fritz S. und für den Ange­klagten Hauke B. ebenfalls Freispruch, da ihm ein Nötigungsdelikt nicht eindeutig nachgewiesen werden könne.
Die Verteidigung von Hauke B. schob noch einen Antrag nach, für den Fall, dass das Gericht Hauke B. nicht freispreche, indem das BKA und der Verfassungsschutz vorgeladen werden sollten. Diese beiden Behörden hätten Hauke B. weit vor dem Campinski im Rahmen eines 129 a-Verfah­ren umfassend u.a. mit Videokameras vor seiner Haustür und Telefon – und Emailüberwachung ob­serviert und könnten eindeutig beweisen, dass Hauke B. zum Tatzeitpunkt sich auf einem Urlaub in Frankreich mit seiner Freundin befunden habe.
Dem Richter fiel die Kinnlade runter, die Staatsanwältin grinste verlegen und übrig blieb ein Frei­spruch für beiden Angeklagten.
Übrig bleibt jedoch ein fader Nachgeschmack, denn die eigentliche Sauerei war weniger die völlig falsche Personenwiedererkennung durch die beiden Polizisten, sondern der auch im rechtsstaatli­chen Sinne völlig fragwürdige Einsatz zur Kontrolle und Überwachung von 500 TeilnehmerInnen des Campinski durch die Kavala. Darüber legte das Gericht den Mantel des Schweigens, wer hier eigentlich wen genötigt hat.

Einige Prozessbeobachter_innen



G8-Treffen in Heiligendamm, Juni 2007 – die Justiz tritt nach !

Am 24.11.09 wurde in Bad Doberan ein Prozess gegen zwei Genossen aus der globalisie­rungskritischen Bewegung eröffnet. Hier die Prozesserklärung:

Prozesserklärung

In Heiligendamm bei Rostock trafen sich im Juni 2007 die Regierungschefs der wichtigsten Industriestaaten des kapitalistischen Weltsystems. Dort sollten Ver­abredungen über die zu­künftige Weltwirtschaftspolitik und über die Festigung der Vorherrschaft der G 8-Staaten ge­troffen werden. Die allermeisten Vertre­ter_innen der armen Länder waren erst gar nicht ein­geladen und die Regierungs­chefs aus den Schwellenländern durften am Katzentisch Platz nehmen.

Wie ein paar Jahre vorher in Genua mobilisierte ein breites Bündnis der globali­sierungskriti­schen Bewegung gegen diese Showveranstaltung. Bereits 2005 be­gannen in Deutschland ver­schiedenste Gruppen des linken Spektrums mit kon­kreten Vorbereitungen zur Gestaltung von Kritik an dem G8-Treffen. Schließ­lich sollte im Juni 2007 der weltweite Protest gegen die kapitalistische Zurich­tung, Ausbeutung und Unterdrückung unüberhörbar sein.
Zwar konnte der Gipfel im Juni 2007 nicht verhindert werden, aber mit viel Phantasie, Viel­falt in den Aktionsformen und Entschlossenheit gelang es, die Breite des weltweiten Wider­standes gegen die kapitalistische Globalisierung deutlich und öffentlich zu machen.

Zur Vorbereitung der Aktionen gehörte auch das im August 2006 durchgeführte Sommer­camp Campinski bei Rostock. Wie uns bekannt wurde - wie bei solchen Ereignissen mittler­weile ja üblich - filmte die Polizei alle ankommenden Teil­nehmer_innen und notierte die Au­tokennzeichen. Dagegen soll eine Gruppe von etwa 60 Leuten während des Camps vorgegan­gen sein, indem sie die Polizei höflich aber auch entschieden aufforderte, sich vom Zufahrts­weg zum Camp zu entfernen.

Drei Jahre später findet heute hier in Bad Doberan dieser Prozess gegen uns beide statt: wir werden der Nötigung beschuldigt, weil wir laut Aussagen der Polizei damals die Wortführer der Gruppe gewesen sein sollen.

Lasst uns gemeinsam diese Anklage zurückweisen!

Hauke Benner
Fritz Storim
Amtsgericht Bad Doberan, Dienstag, den 24.11.2009

Kontakte:
Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz - Bremen
Tel./Fax 0421 – 34 29 74 e-mail:  MAUS@MAUS-Bremen.de 0163 – 983 54 67  Hauke@Kamalatta.de


Der Prozess wurde fortgeführt am Montag, 07.12., 11.00 Uhr
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Ergänzungen