KPH: Massenfestnahmen bei Klimagroßdemo

FTP 13.12.2009 00:26 Themen: Repression Weltweit Ökologie
Massenfestnahmen überschatten Moblisierungserfolg der Kopenhagener Klimaproteste.
Laut verschiedener Medienberichten nahmen heute bis zu 100 000 Menschen aus aller Welt an der Großdemonstration anlässlich des seit einer Woche laufenden UN-Klimagipfels COP15 in Kopenhagen teil. Dieser große Mobilisierungserfolg, der die Erwartungen der VeranstalterInnen weit übertraf, wurde überschattet durch Massenfestnahmen von über 900 AktivistInnen, die zuvor vor allem im antikapitalistischen Block gelaufen waren.

Auf etwa halber Strecke der Demonroute, die von der Kopenhagener Innenstadt zum Tagungsort des Gipfels verlief, griff die Polizei die Demonstration an und spaltete einige hundert Menschen von ihr ab, die in Folge dessen teilweise mehrere Stunden trotz niedriger Temperaturen unter Zwang auf dem Boden sitzend eingekesselt wurden und nach und nach abtransportiert wurden.
Die heftigen Repressionsmaßnahmen begründete die Polizei damit, dass von den später Festgenommenen Straftaten zu erwarten gewesen seien, was durch das vor dem Gipfel massiv verschärfte Versammlungsrecht gedeckt ist und eine 12 stündige Freiheitsberaubung rechtlich absichert. Die von vielen erwarteten größeren militanten Aktionen waren größtenteils ausgeblieben, es gingen jedoch einige Schaufenster u.a. von einer Bank zu Bruch und es soll außerdem zu dem einen oder anderen Angriffe auf die Polizei gekommen sein.

Zur Stunde findet vor dem Klima-Gefängnis im Stadtteil Valby eine Solikundgebung für die dort eingeknasteten Gefangenen statt. Insgesamt scheint es so, als habe es die dänische Polizei geschafft, durch einen der heftigsten Einsätze ihrer Geschichte dem unversöhnlich systemkritischen Teil der Kopenhagener Klimademo erfolgreich jede Möglichkeit verbaut, sich auf der Großdemo öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen. Es bleibt abzuwarten, ob dies auch auf den zahlreichen weiteren Aktionen, die noch für die nächsten Tage angekündigt sind, so bleiben wird.


WEITERE UND AKTUELLE INFOS:

Englischsprachiger Live-Ticker:
 http://indymedia.dk/action_timelines/5

Linkes Nachrichtenportal:
 http://www.modkraft.dk

Indymedia Dänemark:
 http://www.indymedia.dk
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Ergänzungen

Polizei widerlegt sich ja selbst

... 13.12.2009 - 01:08
Wenn das alles die militanten Strassenkämpfe gewesen wären, hätten sie sich sicherlich nicht festnehmen lassen und mal so einfach von ein paar Bullen dazu zwingen lassen, bei Minusgraden stundenlang in dieser Pose zu verharren. Man merkt, daß die Regierung in Dk von Parteien gebildet wird, die in ihrer politischen Ausrichtung mit ProNRW vergleichbar ist (siehe die Ereignisse der letzten Jahre, die teils noch Berlusconis Aktionen in den Schatten stellen).

Augenzeugenbericht & Einschätzung

in Kopenhagen 13.12.2009 - 02:08
Selbstkritisch muss angemerkt werden, dass dass es entgegen der vorheriger Ankündigung keine Treffpunkt von NTAC gab, weshalb die beabsichtigte Demonstration durch die Innenstadt, statt zum Konferenzzentrum ausblieb. Durch die Polizei faktisch gezwungen musste sich der kleine 'schwarze Block' der sich am Eingang zur Fußgängerzone versammelt hatte, doch dem Demoende in Richtung Christiania anschließen.

Als sich schließlich einige hundert Militante formiert hatten und einige kleine Scharmützel mit einigen Polizisten und Steinwürfen auf Schaufenster gestartet wurden, kam es auch schon zum oben beschriebenen Polizeiangriff. Ohne wirkliche Gegenwehr wurden einige Hundert AktivistInnen, darunter auch viele die offensichtlich nicht teil des 'schwarzen Blocks' waren eingekesselt. Das es anschließend zu keinerlei nennenswerten Solidarisierung oder gar Befreihungsversuch durch die noch verbliebenen Militanten kam (zu Beginn schien dies durchaus möglich, da die Polizei mit nur knapp 100 Beamten den überfallartigen Angriff ausführte), war für mich völlig unverständlich.

Von einer autonomen Mobilisierung oder gar Aktionsfähigkeit war hier heute in Kopenhagen jedenfalls nichts zu sehen. Vielleicht auch besser so: nachdem eine eigenständige Demonstration durch die Innenstadt an Desorganisierung und mangeldem Interesse gescheitert war, gab es durchaus Befürchtungen, dass der dezidiert gewaltfrei Chrakter der sehr bunten und kreativen Großdemonstration, durch ein militanten agieren aus der Demonstration heraus gefährdet werden könnte.


@... Der Grund warum die Festgenommenen in dieser Pose verharren, liegt daran dass sie mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt wurden.

Fotos

from Kopenhagen 13.12.2009 - 02:14
hier einige Fotos von der heutigen Großdemonstration:

 http://www.flickr.com/photos/jakobhuber/

oder als Slidshow:

 http://www.flickr.com/photos/jakobhuber/show/

infos und videos

ttt 13.12.2009 - 02:14

demonstranten mehr als harmlos

ttt 13.12.2009 - 02:20
laut erlebnissberichten, waren es vor allem hares und system change block leute die gekesselt worden sind, also überwiegend eindeutig (!) harmlose leute

das video zeigt sehr deutlich, wie lange die kesselung ging, am anfang ist es am dämmern, am ende finstere nacht. das vorgehen ist so eindeutig zu hart, das copenhagen juristisch und straßenkampftechnisch eine schwere zeit bevorsteht
 http://indymedia.dk/videos/1579


luftaufnahme
 http://twitpic.com/t7dts

Polizeisprecher macht sich lächerlich

ttt 13.12.2009 - 02:28
Das wars dann wohl. Wer Englisch kann sollte sich das Interview anhören, danach ist klar was loswar. Zwischen den Zeilen sagt der gute Herr ganz deutlich, dass nichts passiert ist und sie grundlos die Leute verhaftet haben.

 http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/8410284.stm

Der Einsatzleiter und alle anderen Verantwortlichen dürften nach den Straßenkämpfen der nächsten Tage ihre Jobs loswerden. Das gibt vermutlich viele Verletzte auf beiden Seiten, Genua lässt grüßen. Gut gemacht Copenhagen, ganz klar 1000:0 für die COPs.

Übersetzung Erlebnisbericht

ttt 13.12.2009 - 02:55
Erstmal noch eine BBC Videozusammenfassung, bei der u.a. am Ende ein guter Überblick über den Kessel aus einer Helicam gegebn wird:
 http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/8409843.stm

Ich biete hier noch für alle Menschen die Probleme mit Englisch haben oder lieber in deusch lesen eine Übersetzung (mit minimal gekürzter Einleitung) des, wie ich finde sehr aussagekräftigen Erlebnisberichts von:  http://indymedia.dk/articles/1575

<<<<<<<<<<
Ich war teil eines Libertarian Socialist Blocks im "System Change, Not Climate Change" Teil. Wir haben unsere Demo [...] lange im Vorraus bei der Polizei angekündigt. [...] Als wir den Christmas Møllers Plads erreichten, liefen verschiedene Gruppen um uns [...] Trotzkisten vor uns, Greenpace und Hare Krishna neben uns und einige Blackblock ähnlichen hinter uns.

Kurz nach verlassen des Platzes rannten plötzlich Menschen von hinten durch uns durch, wir waren verwirrt und sind stehengeblieben. Bald haben Polizeifahrzeuge die Straße vor uns von Seitenstraßen aus abgeschnitten, das selbe hinter uns. Die durchrennenden Menschen waren weitestgehend entkommen, wir sind verwirrt zurückgeblieben. Die Pilzei hat uns eingeschlossen und wir wussten nicht was wir tun sollten. Ich erklärte einem Polizisten, das wir ein angemeldeter Block sind und zeigte ihm die Erlaubnis die ich als Copy dabeihatte. Er sagt "Setzen Sie sich hin!" in einem harschen Tonfall. Wir setzte uns hin und ich rief das "dispatch phone" [? EA ? ] an.

Wir waren sicher das sie ihren Fehler erkennen würden und uns gehen lassen würden, da sie ja auch Greenpace und Hare Krishnas gefangen hatten. Aber stattdessen fingen sie an uns die Hände zu fesseln und uns in Reihen auf den kalten Boden zu setzen. Dort saßen wir für 3,5h, und froren uns wirklich die Ärsche ab, von dem Schmerzen der zu engen Kabelbinder ganz zu schweigen. Leute pinkelten sich in die Hosen, einige fielen in Ohnmacht. Wir waren einige hundert. Sogar die Krishna Leute wurden mit ihren dünnen Roben auf den Boden gesetzt. Als die Zeit verging und nichts passierte, begannen die menschen immer zu rufen "Das ist Folter!" und "So sieht Demokratie aus!"

Nachdem wir endlos auf dem gefrorenen Asphalt saßen, wurden wir mit dem Buss nach Valby gefahren, wo die Gefangengenlager aufgebaut worden waren. Immer noch die Arme hinter dem Rücken verbunden - 4,5h voller Schmerzen... Es tut so weh. Als wir angekommen waren, saßen wir weiter im Bus. Es warteten viele Busse

Irgendwann kamen zwei Polizisten in meinen Bus und fragten als sie bei mir waren:"Haben sie einen Auswei?" Ich bestätigte dies und sie baten mich nach draußen zu kommen. ich zeigte ihnen den Ausweis und sie fragten was passiert war. Ich erzählte es und sie sagten "Oh nun, ein unglückliches Versehen. Es tut uns leid. Manchmal werdn die falschen Leute gefangen. Sie können gehen" Sie ließen mich gehen. Diese Polizisten waren sehr höfflich - ich schätze Sie waren von einer anderen Einheit und solche Brutalität nicht gewohnt.

Ich ging zur Bushaltestelle wo ABC mit essen, Tee und Kaffe wartete. Ich verweilte eine Zeit und versuchte zu verstehen was passiert war und wie sie unschuldige Menschen so etwas ertragen lassen können... Die Polizei kam und verjagte die ABC Leute von der Bushaltestele weg. Sie gingen weiter zur S-Bahnstation. Später kam die Polizei und verjagte sie auch von dort.

Ich hatte eine Kopie der Demonstrationserlaubnis. Aber die Leute die mich vom Bus entlassen haben wussten das vermutlich nicht als sie mich ausgesucht haben. Es ist Stunden her, seidem ich sie einem anderen Officer gezeigt habe, der kein Interesse gezeigt hatte.

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Guantanamo

? 13.12.2009 - 03:16
sehe ich das richtig das die ein paar hundert Leute mit Kabelbindern die Arme hinter den Rücken gefesselt wie die Hühner auf den eiskalten Boden gesetzt haben und dort haben ein paar Stunden sitzen lassen???

Eine Demoreportage aus dem Black Block

linksradikale aus Dänemark 13.12.2009 - 03:16
12.Dezember: Polizeistaat in Aktion
Eine Reportage von AktivistInnen des linksradikalen, autonomen Blocks/Black Block

(Wegen Zeitgründen in Englisch, sorry)

December 12 2009. This was the big day. All eyes were on Copenhagen as about 100.000 demonstrators from all over the world came together at the Parliament, Christiansborg. It was a big, colorfull demontsration with 41 different blocs that marched towards the Bella Centre, to give their climate political demands to the politicians at the COP15. “Climate Justice Now!” was the slogan that united all the demonstrators today.
But not all demonstrators belive that appealing to the politicians will make a change.

“No nation-no border-fight law and order”

The left radical, now disolved network Never Trust A Cop, had called for an anticapitalistic bloc. We met at Højbro Plads, which is a square close to the parliament, and walked together as a black block with the big demonstration. We were about 1000 and the slogans were strong: “No nation-no border-fight law and order” , “Our climate not your business” , “One solution –REVOLUTION!” etc. The frontbanner of the black block, which was Swedish said: “Intät människa er illegalt” which means people can’t be illegal! When the block passed Børsen - the finance capital centre of currency speculations and other crimes against humanity 18 windows were broken and people were shouting: “A-Anti-Anticapitalista!”

The demonstration went over the bridge “Knippelsbro” and as we arrived at Christianshavns Torv, a square in the western part of town, a few windows from one of the biggest banks in Denmark, “Danske Bank”, were broken. That arouse some hilarity and slogans, there were no police. We continued to Amager, another part of town.



Without any warning or reason



At the square “Christian Møllers Plads” the big suprise came. Suddenly, without any warning or reason, our block was attacked by a lot of roaring police. Behind them were police vans and cars filled with police dogs. None of us had expected this and it all went very fast. The police was shouting, pushing everybody around and most of the black block and some other demonstrators were pressed into a side street, which end also was blocked by the police.

“This is what democracy looks like!”

913 activists were arrested during the demonstration, handcuffed and put on the freezing ground. ( Futher 55 activists were arrested near the freetown area called Christiania). “This is what democracy looks like!” shouted the arrested demonstrators. The activists were not told why they were arrested. Later on, the police’ spokesperson Per Larsen said, that it was because of preventive causes... The police have also announced, that more reasons are to come along with the “investigation”! Many activists had to sit on the ground for 3-4 hours, some even got cramps from sitting there in such cold temperatures for so long time. Now they are being transported to the “climate-prison” in Valby, which is a hall with cages that looks like a mix of an animal farm and Guantanamo.


200 in solidarity with the arrested comrades

Around 7 pm, a text message were circling around saying: “Come and protest against the meaningless arrests of peacefull demonstrators! We will gather at Toftegårds Plads at 9 pm and go to the prison! Freedom for all political prisoners!”
Around 21.45 200 demonstrators had gathered at Toftegårds Plads demanding the release of all the imprisoned activists. There was a smaller confrontation and one activist was arrested.
A German comrade, who was the first to be released this evening told that inside the prison, the arrested had been forced to sit on the ground, while roaring policemen screamed, that they were not allowed to move. When she was released she had not yet got an explanation for her arrest.

Falsche Bild :-)

linksradikale, Kopenhagen 13.12.2009 - 04:14
Späte Stunde,das Bild verwechselt...

traurig

... 13.12.2009 - 06:38
Am Anfang der Demo hat man davon NICHTS mitbekommen. Erst Abends im Bus wurde davon erzählt. Wird wirklich etwas passieren?Werden gegen das Polizeivorgehen Maßnahmen ergriffen?! Was da passiert ist, verstößt gegen Menschenrechte.

taz

presse 13.12.2009 - 09:33
KOPENHAGEN taz | Die genaue Zahl kennt niemand, doch am Ende einigten sich Polizei und Organisatoren auf "eine Größenordnung von 100.000": Soviele Menschen protestierten am Samstag in Kopenhagen gegen die schleppenden Verhandlungen um Maßnahmen zur Abwendung einer Klimakatastrophe. Der Tag begann friedlich und so verliefen weitestgehend auch alle Aktionen. Dennoch nahm die dänische Polizei am Ende mehr als 900 Demonstranten fest – "ganz überwiegend vorbeugend", wie ein Sprecher am Abend sagte.

Dabei hatten die Protestler im Gegensatz zum Freitag am Morgen noch freies Geleit – sie können ohne Kontrollen von ihren Unterkünften in die Innenstadt gelangen. Alle Einfallstraßen in die City hingegen werden von Polizeitrupps bewacht. Verdächtig erscheinende Demonstranten werden durchsucht, Platzverweise aber nicht ausgesprochen.
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Gegen zehn Uhr treffen am Hauptbahnhof die ersten Demonstranten ein. Ein Sammelsurium von NGOs ist vertreten: "Friends of the Earth", BUND, Oxfam, die Grünen, Kohlekraftgegner und viele andere läuten mit einer symbolischen Flutwelle blau gekleideter Menschen den Aktionstag ein. Die Sonne strahlt.

Auf einer Bühne wird harte Kritik am bisherigen Verhandlungsverlauf geübt: Die Delegierten würden die Reichen noch reicher machen, aber keine wirksamen Maßnahmen ergreifen. Die meisten Delegierten seien zu alt, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch selbst zu spüren zu bekommen. Auf einer Trage wird eine kranke, verletzte Weltkugel auf der blauen Welle mitgenommen, begleitet von Demonstranten, die als Eisbären und Pinguine verkleidet sind. An die Demoteilnehmer werden schwarz-gelbe Schilder mit den Aufschriften: "There is no Planet B" und "bla bla bla – act now" verteilt.

Gegen Mittag strömen zehntausende Menschen aus allen Richtungen auf den Platz vor dem dänischen Parlamentssitz Schloss Christiansborg. Eine Sambagruppe spielt sich warm. Der WWF hat eine Gruppe winkender Pandabären mit brennenden Kronen postiert. Die Bären, deren Lebensraum durch den Klimawandel stark bedroht ist, kommen bei den Fotografen gut an. Dafür haben die Aktivisten vergessen, in ihr Groß-Transparent Löcher zu schneiden. Nun haben sie größte Mühe, es im starken Wind über den Pandas festzuhalten. Alle Straßen und Brücke um das Parlamentsgebäude sind voller Menschen. Polizisten stehen mit Demonstranten in den langen Schlangen vor den Toiletten der völlig überfüllten Cafés.

"Wie lange wollen die Staatsführer noch zulassen, dass Menschen bei uns durch den Klimawandel sterben?" ruft die Sängerin Angelique Kidjou aus dem westafrikanischen Benin von der Bühne. "Wir sind für ein ehrgeiziges Klimaabkommen, für ganz schnelles Handeln und für Gerechtigkeit gegenüber den Armen auf der Straße," sagte der Sprecher der dänischen Organisatoren, Knud Vilby.

Gegenüber des Platzes hat der "Copenhagen Consensus", ein klimaskeptischer Think-Tank ein riesiges Transparent aufspannen lassen. Darauf steht "Trying to cut CO2 isn't going to work" – Die Treibhausgasemmissionen herunterfahren wird nichts bringen. Hinter der Lobbyorganisation steht der Kopenhagener Politikwissenschaft-Professor Björn Lomborg, der seit Jahren dadurch auffällt, dass er versucht zu beweisen, dass der Zustand der Umwelt sich verbessert und nicht etwa verschlechtert und deshalb fordert, weniger staatliche Gelder für die Klimapolitik zu verwenden. Heute nehmen die versammelten Umweltaktivisten jedoch keinen Anstoß an der offensichtlichen Provokation.

Etwas abseits der unüberschaubaren Menge an Grünen und Jusos, verkleideten Pinguinen, Veganern, die in Kuh- und Schweinekostümen für klimafreundlichen Fleischverzicht werben, Attacler, Menschen, die sich wie tickende Uhren angezogen haben und der "Jugend für den Schuldenerlass" hat sich am Höjbrö-Platz verabredungsgemäß ein kleiner schwarzer Block gebildet. Die Polizei fährt schon mal einen Wagen mit Schäferhunden heran, eine Suppenverkäuferin, deren Stand mittendrin steht, hat hingegen keine Angst vor den Schwarzgekleideten. Sie bleibt stehen.

"Die Welt hat gesprochen", sagt um 14 Uhr die Moderatorin auf der Hauptbühne, nachdem der letzte Redebeitrag des Vertreters einer Süd-NGO vorüber ist. "Jetzt zeigen wir der Welt, dass wir bereit sind für den Wandel". Die Menge soll sich bereit machen, in Richtung des Konferenzgeländes im Süden der Stadt aufzubrechen. Ihr Kollege sagt, es seien 100.000 Menschen gekommen "und ich grüße Euch alle, Ihr seht super aus an diesem sonnigen Tag". Dann stellt er die Reihenfolge vor, in der sich die Blöcke aufmachen werden.

Fast eine Stunde dauert es, bis mit den Aktivisten der NGO Oxfam der letzte Block den Schlossplatz verlässt. Sie tragen Rettungsringe aus Pappe. "Have a good march and spread some love, Oxfam-People," ruft ihnen der DJ hinterher, der die letzte halbe Stunde mit derart druckvollen Bässen, wie sie sich auch auf den großen Techno-Festivals dieser Welt nicht verstecken müssten, die Menge in Bewegung gehalten hat. Dann beginnen die Aufräumarbeiten. Männer sammeln die in Massen liegen gebliebenen Pappschilder zusammen. Der Protestmarsch überquert die Brücke vom Hafen, vom Wasser aus grüßen Boote. Auf ihren Segeln steht: "Climate change is the symptom, capitalism is the crisis."

Während der ersten 800 Meter des Demonstrationszuges fliegen einige Wurfgeschosse in die Scheiben des Börsengebäudes, des Außenministeriums , später ein einzelner Stein in das Schaufenster einer Filiale der "Danks Bank" im Stadtteil Christianshavn.

300 Meter weiter kommt dann überraschend der Zugriff der Polizei. Gegen 15.10 Uhr durchkreuzt zunächst ein Greiftrupp die Demo. Direkt hinter ihm fahren gepanzerte Mannschaftswagen. In wenigen Minuten ist die Stelle mit kreuz und quer parkenden Polizeibussen blockiert. Auf der Höhe des "libertär-sozialistischen"-Blocks, im "System Change, not Climate Change"-Abschnitt wird etwa das letzte Viertel von den vorausgehenden, NGO-dominierten Demonstranten abgetrennt. Für die Menschen im Demozug kommt der Zugriff völlig überraschend. Einige weichen in Seitenstraßen aus, mehrere hundert werden in Sekundenschnelle eingekesselt. Akkreditierte Journalisten, auch dänische TV-Teams, die die Einkesselung beobachten wolle, werden von der Polizei weggestoßen.

Wenige Minuten nach dem Zugriff leitet die Polizei den Demonstrationszug um. Ordner halten die Leute dazu an, nicht bei den Gefangenen zu bleiben, sondern weiterzugehen, "sonst gibt es hier nur noch mehr Gewalt". Gegen 17 Uhr erreicht der Zug das sechs Kilometer weiter südlich gelegene "Bella Center". Die dänische Umweltministerin und Konferenzpräsidentin, Connie Hedegaard nimmt zusammen mit dem Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, vor dem Tagungszentrum eine Resolution mit den Forderungen der Demonstranten entgegen. "Ihr habt Recht, wir haben genug geredet und müssen jetzt handeln", sagt sie.

Die Eingekesselten müssen derweil bis zu vier Stunden im "Fischgrätenmuster" in langen Reihen bei Minusgraden auf dem Boden sitzen. Ihre Arme sind auf dem Rücken mit Kabelbindern gefesselt, nur zögerlich lässt die Polizei die anwesenden Journalisten wieder zu den Gefangenen vor. Erst nach 18 Uhr beginnt die Polizei, sie mit Bussen zu einer Sammelstelle abzutransportieren. Etwa 150 Menschen, darunter die Sambagruppe "Rhythms of Resistance", harren den ganzen Nachmittag vor dem Kessel aus und fordern mit Sprechchören, die Gefangenen freizulassen. Als eine Flasche auf einen Polizeiwagen fliegt, drängt die Polizei die Menge mit Schäferhunden einige hundert Meter weit ab. Das dänische Fernsehen überträgt bis in den späten Abend Livebilder vom Kessel.

An weiteren Stellen in der Stadt nimmt die Polizei bei Kontrollen Demonstranten fest, die vom Bella Center zurückkehren. Am Abend sagt ein Polizeisprecher zur taz, es seien "bis zu 700 Menschen" festgenommen worden – also 230 Menschen je zerstörter Fensterfront. Diese Zahl könne aber auch "noch weiter steigen", so der Polizeisprecher.

Und in der Tat: Zwei Stunden später steigt die offizielle Zahl auf 900 Gefangene, obwohl es am Abend weder Ausschreitungen noch Demonstrationen gab. Die Festgenommenen würden erkennungsdienstlich behandelt und innerhalb von elf Stunden freigelassen, so die Polizei. Ausgenommen seien diejenigen, denen die Beteiligung an einer Straftat nachgewiesen werden könne. Die Festnahmen seien "ganz überwiegend vorbeugend" erfolgt, weil "kriminelle Absichten" vermutet wurden, heißt es gegenüber der Agentur ap. Die Einsatzleitung "bedauere, falls Unschuldige darunter seien". Unter den Festgenommenen sei auch eine Deutsche, die Steine geworfen haben soll. Ein Polizist und ein schwedischer Demonstrant seien leicht verletzt worden.

Vor Samstag hatten dänische Zeitungen, Polizeisprecher und Politiker immer wieder vor drohenden Ausschreitungen gewarnt. Das Parlament hatte eine drastische Verschärfung des Demonstrationsrechts beschlossen.

In den letzten Tagen hatten Deutschland und Dänemark das Schengener Abkommen ausgesetzt und wieder Grenzkontrollen zwischen den beiden Ländern aufgenommen. So sollte verhindert werden, dass Demonstranten, die die Polizei als gewaltbereit einschätzt, nach Kopenhagen gelangen. Allerdings wurde offenbar Niemandem die Einreise verweigert.

Beim NATO-Gipfel im April in Straßburg hatte die Polizei viele einschlägig bekannte Linke am Grenzübertritt gehindert. Verwaltungsgerichte hatten später jedoch festgestellt, dass dies unrechtmäßig war. Am Wochenende wurden allerdings Personen, die in Polizeiregistern eingetragen sind, Formblätter ausgehändigt. Darin sei angekündigt worden, dass Gesetzesübertretungen bei Demonstrationen in Dänemark auch von den deutschen Behörden verfolgt würden, berichten Reisende.

Radiobeitrag zur Massenfestnahme

we 13.12.2009 - 09:41

Videos zur Massenfestnahme

hj 13.12.2009 - 09:58

Erschütternd

melaplex 13.12.2009 - 10:42
Traurig, erschütternd und unglaublich war es mit ansehen zu müssen, wie selbst Leute im schwarzen Streetfighter Outfit, massenhaft, der kleinsten Aufforderung (meist genügten lediglich ein paar Handbewegungen), auch teilweise nur einzelner Polizisten, sofort nachkamen und sich eingeschüchtert durch die Obrigkeit ruckzuck auf die Straße setzten.

Graswuezel.tv Film über die Demo

graswurzel.tv 13.12.2009 - 11:41
Saturday, Dec. 12, more than 50.000 people demonstrated for a fair climate deal in the streets of Copenhagen.
The route of the manifestation led from the city to the Bella Center, where the COP-15 takes place. It was a massive manifestation and the people made clear: "There is no planet B".

Though the demonstration appeared very peaceful, police arrested a few hundred people, calaiming the threw stones and firecrackers. graswurzel.tv talked to an eye-witness.


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video von oben ausm fenster

ttt 13.12.2009 - 13:48
sehr übersichtliches video, aus einem gebäude fenster heraus, kesselung, fesselung, festnahmen:
 http://icop15.org/content/video-police-charge-demo-and-mass-arrests

sonntag wieder das gleiche

ttt 13.12.2009 - 14:18
laut dem TAZ ticker, passiert gerade DAS GLEICHE wie gestern,
wieder einige hundert Menschen eingekesselt, Reporter mit Hunden verjagt usw.
 http://www.taz.de/1/zukunft/klimagipfel09/artikel/1/liveticker-klimakonferenz-kopenhagen/

?

fdk 13.12.2009 - 16:47
Der Polizeieinsatz war nicht nur völlig überzogen, sondern richtete sich gegen die falschen.
Wenn der Polizeisprecher meint, die festgenommen Leute hätten die Börse, das AUßenministerium und die Bullen angegriffen, dann irrt er sich. Direkt vor dem Hauptlauti des "System Change not climate Change" gab es einen BLackBlock aus ca. 400-500 Leuten, die direkt nach Demoanfang die Bullen mit Böllern und Steinen angriffen und eins, zwei Wannen entglasten, sowie fast komplett die unteren Fenster der Börse und ein paar Scheiben des Ministeriums. Dabei gab es eine Festnahme und den verletzten Bullen. Dabei verhielt sich der Lauti des System Change Blocks scheiße, weil er vor 5 Bullen stehen blieb, die die Demo von dem BlackBlock abspalten wollten. Viele Leute strömten aber durch die minimale Bullenkette und verhinderten dieses. Danach löste sich der vordere Blackblock auf.

Weit hinter dem Hauptlauti des System Change Block gab es einen weiteren Blackblock. Dieser smashte dann eine Bank, und danach wurde der komplette Block festgenommen. Im Zusammenhang mit den Angriffen zuvor stehen diese Leute überhaupt nicht, wie der Polizeisprecher fälschlicherweise behauptet. entweder konnten die Bullen die beiden Blöcke nicht auseinanderhalten, was ziemlich erbärmlich wäre, oder die Festnahmen waren politisches Kälkül. So oder so ist es scheiße gelaufen und war organisatorisch eine ziemliche Katastrophe für die linksradikalen Strukturen. Aber auch die Mobilisierung war schwach. Jetzt gilt es für die entsprechenden Strukturen nach den Gründen zu fragen.

gleich mal zum Arzt

susi sauer 16.12.2009 - 15:12
Diese Taktik ist das widerlichste was ich bis jetzt an Polizeieinsetzen erlebt habe...
zeitweise kein Cop zu sehen und dann bäng... aus dem Hinterhalt, einer Seitenstraße kamen sie, wie die wilden Säue auf uns los gestürmt. Es ging alles sehr fix und die dänischen Bullen gingen mit massiver Härte vor.

Das war eine Massenverhaftungen ohne Grund, alles nur auf Verdacht getrimmt um ihren Einsatz zu rechtvertigen. Damit sich der Kostenaufwand auch gelohnt hat.
Es wurde den Menschen teilweise der Klogang verweigert.
Mensch bekam wärend der Inhaftierungszeit, die sich über 7 Stunden und länger erstreckt, nichts zu Essen oder zu Trinken.
Auch viele Minderjährige, weinende Menschen, waren mit dabei. Leute deren Kreislauf versagte, weil sie 4 Stunden auf dem kalten Beton sitzen mussten. Um auf ihre Deportation zum Auffanglager zu warten.
Ständig liefen die Bullen rum und zählten uns durch, als hätten sie so etwas wie ein Tagessoll zu erfüllen gehabt.
Und anscheinden wurde sich auch erst nach den Festnahmen Gedanken gemacht wie sie uns nun wegtransportieren sollten.
Das war Körperverletzung auf höhster Ebene, ohne Grund und nun wird überlegt eine Sammelklage einzureichen, das müsste dann aber in den nächsten 4 Wochen passieren.

Lasst euch vom Arzt einen Attest austellen auf, Blasen- Nieren- oder Lungenentzündung!!!
hauptsache irgendwas...
Mensch müsste sich dann mit den Leuten vorort kurzschließen oder vielleicht auch dem EA, bzw. legal Team, leider bin ich selbst nicht mehr vor Ort um die Sach in die Hand zu nehemen.
Solidarität hat Mensch an diesem Abend oder besser Nacht wirklich nicht mehr gefunden.

Doch fand ich es auch nicht verkehrt das die Demo ihren Weg weiter ging, was hätten sie auch machen sollen???
Auch die einzelnen Fluchtversuche der Gefangenen waren klasse, doch hat es nicht gereicht, denn Niemand konnte entkommen.


Na dann Solidarität weiterhin nach Kopenhagen, an den Rest und macht euch mal ne Platte wegen dem Köperverletzungsding...






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