Stragi di Stato - 40 Jahre Staatsmassaker

* per non dimenticare * 12.12.2009 12:59 Themen: Antifa Repression Weltweit
Am 12. Dezember 1959 explodierte vor der Geschäftsstelle der Landwirtschaftsbank an der Piazza Fontana in Mailand eine Bombe. 16 Menschen starben sofort. Mehr als einhundert wurden verletzt. Am selben Tag detonierten zwei weitere Bomben in Rom. Dort wurden siebzehn Menschen verletzt. Die Bomben des 12. Dezember sind der Höhepunkt einer Anschlagsserie, die am 25. April, am Tag der "Befreiung vom Faschismus", begann und eine Kampagne gegen die außerparlamentarische Linke begleitete.
Die Bombe an der Piazza Fontana in Mailand detoniert um 16:37 Uhr in der Geschäftsstelle der Banca Nazionale dell‘Agricoltura. 14 Menschen sterben sofort, zwei im Krankenhaus. Eine zweite Bombe wird in der italienischen Handelsbank an der Piazza della Scala gefunden. Sie explodiert glücklicherweise nicht. Sonst wäre ein weltweit bekanntes Symbol der italienischen Kultur betroffen gewesen und es hätte sehr viel mehr Opfer gegeben. Ein internationales Echo wäre sehr viel stärker ausgefallen.

Nur circa 20 Minuten später explodiert in Rom eine weitere Bombe in einem unterirdischen Verbindungsgang der Banca Nazionale di Lavoro, der Nationalen Arbeitsbank. Vierzehn Angestellte des Instituts werden verletzt. Wieder ungefähr eine halbe Stunde später detonieren zwei Sprengsätze von geringerer Kraft innerhalb von zehn Minuten am „Altar des Vaterlandes“ an der Piazza Venezia. Dort werden ein Carabiniere und drei Passant_innen verletzt.

Die Medien übertreffen sich in Spekulationen. Die Sicherheitsorgane, allen voran die Staatspolizei in Person von Luigi Calabresi und das Innenministerium, vertreten durch den Leiter der Abteilung für Spezielle Angelegenheiten, dem Mitglied der berühmt berüchtigten Loge „Propaganda Due“ (P2), Umberto d’Amato, bemühen sich die Anschläge anarchistischen Kreisen in die Schuhe zu schieben. Wie schon in den Monaten zuvor werden im Verlauf der Ermittlungen Dutzende bekannte Anarchist_innen, Kommunist_innen und Gewerkschafter_innen in ganz Italien, vor allem aber aus Mailand, festgenommen.

Unter ihnen ist Giuseppe „Pino“ Pinelli, das Gründungsmitglied der im Zuge der Massenverhaftungen 1968/69 neugegründeten anarchistischen Gefangenhilfsorganisation „Croce nero“ (Schwarzes Kreuz). Er wird in der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 1969 während eines Verhörs ermordet, das der Chef der Mailänder Staatspolizei Luigi Calabresi führt. Er wird von fünf Carabinieri aus dem Fenster gestoßen! Calabresi schaut zu!

Das Massaker an der Piazza Fontana wurde von Naziterroristen der Gruppe Ordine Nuovo um Delfi Zorzi, Paolo Morin und Martino Siciliano aus Mestre durchgeführt. Strippenzieher im Ministerium war der ermittelnde Beamte Umberto D’Amato, der spätestens seit Herbst 1968 Anschläge, Übergriffe und Plakatieraktionen inszenierte um einen Linksruck in Italien zu verhindern. Ein weiterer Akteur war der Faschist Valerio Borghese, der knapp ein Jahr nach dem Massaker in Mailand zusammen mit hohen Staatsbeamten und Offizieren putscht.

Die Bombe an der Piazza Fontana war der erste Höhepunkt der "strategia della tensione" – der Strategie der Spannung in Italien. Erst in den 90iger Jahren wurde enthüllt, was in der linken Gegenkultur relativ schnell klar war. Nämlich, daß hinter den zahlreichen Anschlägen und Attentaten faschistische Untergrundgruppen, Nazijugendorganisationen, ministeriale Staatsbeamte, Polizist_innen, Politiker_innen und Geheimdienste steckten. Keiner der Verantwortlichen wurde bis heute ernsthaft behelligt. Ganz im Gegenteil, der Mörder von Pinelli soll selig gesprochen werden. Sein Märtyrerverfahren läuft seit 2007.

Berlusconi, ebenfalls ein Mitglied von P2, kramt regelmäßig die alte „Strategie der Spannung“ heraus. Auch er und sein Netzwerk nutzen Kontakte zur faschistischen Jugend um soziale Bewegungen zu attackieren, Polizeiübergriffe zu ermöglichen und eine zunehmende Repression zu rechtfertigen.

Inszenierte Kampagnen gegen soziale Bewegungen finden auch in Deutschland statt. Berlin ist hierbei nicht selten ein Zentrum einer absurden Festnahmepraxis. Durchsuchungen werden ebenfalls nicht selten fadenscheinig begründet und (noch schlimmer) von Richtern genehmigt. Im Gericht setzt sich die politische Farce fort und kulminiert in politischen Urteilen, die der Ermittlungsapparat diktiert.
Der aktuelle Fall der Inhaftierten Yunus (19) und Rigo (17), die seit sechs Monaten in Einzelhaft sitzen, zeugt von einer fatalen Eskalation jenseits jedes Menschenverstandes. Die unhaltbaren Urteile im mg-Prozeß enthüllen das bundesdeutsche Rechtssystem als politische Simulation einer vermeintlich demokratischen Rechtsstaatlichkeit. Die eingestellten Verfahren gegen Alex und Christoph sollten nicht darüber hinwegtäuschen, daß es jede_n von uns betreffen kann!

Per non dimenticare * Kein Vergessen
Liberi tutti * Freiheit für alle


Stragi di Stato – das Staatsmassaker
Zu Pinellis Tod  http://de.indymedia.org/2007/12/202833.shtml
Nachrichtenvideo vom 12.12.09  http://www.youtube.com/watch?v=I4Wy0SRURrI


Aktuell
 http://www.yunus-rigo-prozess.de
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Ergänzungen

Ähhhh

taschenrechner 12.12.2009 - 13:43
entweder das ganze war 1969 oder aber es ist tatsächlich der 50ste jahrestag!

Verschwörungstheorie bzw. zu weit entfernt

Roland Ionas Bialke 13.12.2009 - 05:28
Es ist wichtig sich solche Geschehnisse (beispielsweise auch das Celler Loch) ins Gedächtnis zurück zu rufen. Aber der Bezug auf die momentanen Geschehnisse in Berlin sind falsch.

Die Brandsätze am 1. Mai 2009 wurden gebaut und geworfen. Hier gibt es sogar Geständnisse. (Rene und Benjamin) Und auch die Autos wurden angezündet. Soweit ich weiss gab es da auch einige (6?) Festnahmen, die aber nur teilweise gross gestreut wurden. Wenn in radikalen Zeitungen von einem "Volxsport" gegen Fahrzeuge der Oberklasse geschrieben wird und daneben noch einige Menschen festgenommen werden, die Autos angezündet haben, dann wird das sicher nicht eine Strategie oder Kampagne eines verschwörischen Regierungskreises sein.

Angst vor Veränderung

Der Artikel zeigt die Angst vor Aktion und somit vor Veränderung einiger "Linken" auf. Gewalt erzeugt Gegengewalt, und eine Aktion erzeugt eine Reaktion der Repressionsorgane. Weil es hier keine Antwort auf die Repression gibt, meinen nun einige, dass auf Aktionen verzichtet werden soll. Aber das ist falsch. Wie wäre es, wenn Wir Strukturen gegen Repression aufbauen bzw. stärken würden?

Dann könnten Wir auch nicht nur versuchen Yunus und Rigo rauszuhauen, dann könnten Wir auch den der gleichen Tat beschuldigten Jugendlichen aus Berlin-Köpenick in Unsere Antirepressionsarbeit einbinden anstatt ihn den Repressionsorganen auszuliefern.

Die Menschen die an diesem Artikel geschrieben haben sind offensichtlich zu weit an den Geschehnissen in Berlin weg. Und das ist es: Viele Menschen schauen nicht nach, gehen nicht vorbei und informieren sich, wenn überhaupt, oberflächlich.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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non vogliamo solo ricordare!

die erinnerung und das jetzt 12.12.2009 - 14:23
viele, die heute anlässlich des 40. jahrestags von piazza fontana abseits der insitutionellen veranstaltungen in italien auf die straße gehen verbindet endlich wieder etwas klarer, dass sie es mit der erinnerung im kopf und dem jetzt vor augen tun werden. non vogliamo solo ricordare - wir wollen uns nicht nur erinnern!