Rostock: Landesweite Demo zum Bildungsprotest

Spohia 11.12.2009 15:42 Themen: Bildung
Am Donnerstag den 10. Dezember fand im Rahmen der anhaltenden Bildungsproteste in Rostock eine landesweite Demo mit zeitweilig 1500 Teilnehmenden statt. Bericht und Kommentar zum gestrigen Tag.
Am Bahnhof startete die Demonstration nachdem eine Vertreterin der Schüler und ein Student aus Greifswald Redebeiträge gehalten hatten. Die Schülerin wies auf die Lage der Schülerinnen und Schüler hin und kritisierte die fehlende Zusammenarbeit von Studierenden und Schülerinnen und Schülern in der Vergangenheit. So seien die Schulstreikveranstaltungen kaum von Studierenden besucht worden und im Gegenzug haben auch die aktuellen Proteste an den Schulen nicht sehr viel Resonanz erzeugt. Dies müsse in Zukunft, so die Vertreterin der Schulstreikorganisation, verbessert werden.
Nachdem die Demonstration durch die Rosa Luxemburg Straße gezogen war, fand am Steintor eine erste Zwischenkundgebung statt, auf der weitere Redebeiträge und Solidaritätsnoten der Gewerkschaften verlesen wurden. Die Demo zog dann über Neuen Markt und Lange Straße zum Schröderplatz, wo eine zweite Zwischenkundgebung stattfand. Auf dieser wurde in zwei kritischen und kämpferischen Redebeiträgen eine Analyse der Ausschlussmechanismen im deutschen Bildungssystem vorgenommen und die tiefer liegenden Ursachen der vielfältig wahrgenommenen Missstände an den Unis benannt. Nicht zuletzt in diesen Beiträgen zeigte sich, dass der Protest in Rostock vielfältiger und intelligenter ist, als es die nachgereichten Konsenspapiere des vom Protest überrumpelten Stura erkennen lassen.

Auf dem Campus Ulmenstraße kam es im Anschluss zu einer vom Asta verantworteten Abschlusskundgebung. Hier waren neben drei Bierwägen und einem Grillstand eine Bühne aufgebaut. Nachdem viele Studierende wegen der Kälte auf der langen Demo den Campus verließen begann es langsam zu regnen. Nachdem einige Zeit vergangen war und man sich bei den Organisatorinnen und Organisatoren der Asta Veranstaltung noch immer keine Gedanken über einen Umzug in den warmen, freien Audimax gemacht hatte, begannen die professionellen Interessenvertreter der Studierenden aus Rostock und Greifswald ihre Abschlusskundgebung in der sie einmal mehr das Hohelied der konstruktiven Kritik und der erfolgreichen Gremienarbeit anstimmten.

Während die Demo hauptsächlich von den Menschen getragen wurde, die den Protest angestoßen haben, regierte nun die Fernsehgarten-Biederkeit der gewählten Studierendenvertreter. Auf der Demo wurden intelligente und kritische Beiträge gehalten. Auf dem Campus rechnete man vor wieviele Stühle (für ohnehin überfüllte Hörsääle) extra man durch eine pragmatische Zusammenarbeit mit den Unileitungen erkämpfen könne. Es war zum Kotzen.

Zwei Anmerkungen zum Schluss

I.

Immer wieder hörte man in den letzten Wochen in Rostock die Forderung in den Protest keine (Partei-)Politik bzw. keine Ideologie hereinzutragen. Die Forderungen sollen bitte schön von einem neutralen Standpunkt aus nur die Interessen aller Studierenden vertreten. Nur ist ja genau das Gegenstand der Diskussionen im Plenum, was denn nun diese Interessen seien. Was das zugrundeliegende Problem der Misere ist, ist halt umstritten. Die Auseinandersetzung über diese umstrittenen Auffassungen ist Politik. Was also in der absolut dümmlichen Forderung nach Ideologiefreiheit gefordert wird, ist Politik zu machen ohne dabei politische Inhalte zu vertreten. Das lässt sich nicht einmal widerspruchsfrei denken und geht in der Praxis nicht auf.

Ein Beispiel: Wenn der Stura von Rostock ein Konsenspapier erarbeitet, dass genau mit dem Regierungserklärungen zur Bildungspolitik aus dem Koalitionsvertrag übereinstimmt, dann ist das eine politische Aussage, die sich da im Stura durchgesetzt hat. Dieses Papier ist genauso politisch wie die Forderung Bildung solle keine Ware sein. Der Unterschied besteht darin, dass die einen die bestehenden Verhältnisse nicht verändern wollen und dass die anderen sie für so verkehrt halten, dass sie abgeschafft werden sollen. Noch einmal: Politisches Handeln bedeutet, in einer Öffentlichkeit über Dinge zu sprechen, die diese Öffentlichkeit betreffen. Mit Kästner bleibt da in Bezug auf den Stura zu den protestierenden Studentinnen und Studenten nur zu sagen: Nie dürft ihr soweit sinken, den Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.


II.

Ebenso häufig ist die nicht minder dumme Behauptung zu hören, Kritik, die keine Alternative ausweise, sei illegitim. Dahinter steht die Haltung, dass man nur kritisieren solle, was auch unmittelbar in Verbesserungen umsetzbar sei. Diese Haltung ist falsch. Zunächst kommt es bei der Kritik nur darauf an, dass sie ihren Gegenstand richtig trifft. Das heißt, dass das was die Kritik als Missstand ausmacht, in einer zutreffenden Art und Weise analysiert wird. Wenn, wie des öfteren gefordert, nur noch kritisiert werden darf, was die Gremien in Zusammenarbeit mit der Unileitung verändern können, dann ist der Gegenstandsbereich der Kritik extrem eingeschränkt worden. Eine solche Forderung ist, auch wenn sie in noch so seriösem Ton vorgetragen wird, ebenfalls kein neutrales Statement, sondern Selbstverteidigungstrategie von Menschen, die kein Interesse daran haben, dass die Bildungsproteste Forderungen stellen, die über das hinausgehen, was die Bildungspolitiker in der KMK eh bereit sind zuzugestehen.

Daher bleibt nichts übrig als den Studierenden in Rostock endlich das Ende der Bescheidenheit zu empfehlen! Nehmt den Vorsitzenden der Fachschaft Geschichte beim Wort, auch wenn er es ganz anders meinte und denkt selbst nach. Erhebt eure Stimme und gebt sie nicht nur zur Sturawahl ab! Auf der Demo wurde richtigerweise gesagt, dass der Protest Zeit und Raum braucht um erfolgreich zu sein. Nehmt ihn euch!
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Ergänzungen

Keineswegs unpolitisch

Kappe 12.12.2009 - 11:23
Zu der Anmerkung des Autors, das die Organisatoren der Demo versucht hätten die demo unpolitisch zu gestalten: Sie ist schlicht falsch! Vielmehr ging es bei dem verbot von Parteibeflaggungen darum, den Protest nicht als Plattform derjenigen Parteien geraten zu ölassen die es falsch gemacht haben, und das sind momentan nun mal alle Parteien! Unsere Forderungen sind sehr wohl politisch! Und so wollen wir sie auch verstanden sehen, ohne das wir einer PArtei bedürfen die sich anmaßt uns vertreten zu wollen und dabei nur Lippenbekentnisse ausspeit!

Ergänzung zu II.

Karl 12.12.2009 - 11:27
Gelungener Beitrag! Kann mir denken, aus welcher Ecke des Bildungsprotestes das kommt. ;)

Aber noch etwas zu den Plenen und deinem Punkt II: Was mir persönlich SEHR auf die Nerven ging, war, dass es die Aufgabe von uns StudentInnen sein soll, Konzepte zu entwickeln, um unsere Probleme zu lösen. D.h. es wird von uns erwartet, dass wir uns mit diesen ganzen bürokratischen uniinternen Abläufen auskennen, dass wir wissen, was im Rahmen des Möglichen liegt, usw usf. Das ist doch mal pervers³, weil schlichtweg nicht möglich.

Kappe

Franz M. 12.12.2009 - 13:19
Den Ansatz "den Protest nicht als Plattform derjenigen Parteien geraten zu lassen, die es falsch gemacht haben" finde ich erst einmal gut.
Aber: Durch das Verbot der Flaggen von Parteien auf der Demonstration wurden diese Widersprüche ja nur versteckt und eben nicht bearbeitet. Die angereisten Jusos mit ihren Fahnen z.B. mussten zwar ihre Fahnen einrollen, waren ja aber trotzdem Teil der Demonstration und mussten sich eben keiner Diskussion der Hochschul- und Bildungspolitik der SPD z.B. an einem Offenen Mikrofon stellen. Stattdessen wirkte die Massnahme des Verbots der Flaggen - ohne weitere Begründung durch einen Redebeitrag - eben wie eine Absage an Politik und zudem auch schlicht undemokratisch, denn von dem Verbot waren ja nicht zuletzt auch solche Parteien betroffen, die nicht regieren und in den Parlamenten vertreten sind (also z.B. DKP, SAV, ???).