H: Anti-Kriegskonzert vor Kirche war Erfolg

Krachmusikant_innen 08.12.2009 21:38 Themen: Militarismus
Vor und währen des Adventskonzertes der 1. Panzerdivision in der Neustädter Kirche, haben 80 Musikanten und Musikantinnen für eine Stunde ein Konzert der besonderen Art geliefert. Topfdeckel, Kochtöpfe, Tröten Blechwannen und Trommeln machten eine Musi, die keinen Gedanken an ein paar besinnliche Stunden, bevor Soldat und Soldatin in den Krieg ziehen, zuließen.
Der Sprecher des antimilitaristischen Arbeitskreises erklärte: „Wir spielen vielleicht ein bisschen schräg, aber dafür führen wir keinen Krieg.“
Das antimilitaristische Konzert, das hunderte Meter weit zu hören war, dürfte den Panzerfreund_innen und scheinheiligen Kriegsprediger_innen zumindest die erste Hälfte ihres Adventskonzertes vermiest haben. Besonders erfreut zeigte sich der Antimilitaristische Aktionskreis, über die Teilnahme von Anwohner_innen und Mitgliedern der Neustädter Kirchengemeinde.
Während der Wehrbeauftragte der Bundesregierung Reinhold Robbe fordert, an einem Sonntag im Jahr in jeder Kirche die Soldaten im Kriegseinsatz zu segnen, nimmt - auch innerhalb der Kirche - der Widerstand gegen den Schulterschluss mit dem Militär zu.
In diesem Sinne begrüßt der AMAK, dass sich dieses Jahr einige AntimilitaristInnen
dazu entschlossen schon im Vorfeld zu intervenieren und den Versuch zu unternehmen die Hof- und Stadtkirche zu besetzen.
Auf Unverständnis stößt dagegen das Verhalten des Kirchenvorstands und der Landesbischhöfin Margot Käßmann, die die Kirche nach kurzer Zeit räumen ließen und Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatteten.
„Es ist eine Unverschämtheit einerseits FriedensdemonstrantInnen aus der Kirche räumen zu lassen und andererseits unter Polizeischutz ein Konzert mit der Kriegerdivision durchzuführen.“
Wir fordern den Kirchenvorstand auf die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch zurückzunehmen.

Indymedia zur Besetzung:
 http://de.indymedia.org/2009/12/268139.shtml

HAZ zur Besetzung
 http://antimilitarismus.blogsport.de/images/hazneustdter.pdf

Neuepresse zur Besetzung:
 http://antimilitarismus.blogsport.de/images/npneustdterkirche.pdf
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Ergänzungen

Musterung und Bundeswehr

SaZ 08.12.2009 - 22:31
Du kannst die Wehrpflicht totalverweigern. Das heißt, Du beantwortest zum Beispiel den Musterungsbescheid nicht, lässt Dich gegebenenfalls von der Bundeswehr abholen und verweigerst vor Ort alle Befehle. Das ist konsequent, aber stressig, da ein Straftatbestand und sollte nicht von Dir allein gestemmt werden, sondern mit Unterstützung von Freund_innen undLeuten, die sich gut damit auskennen.
Für diejenigen unter euch, die sich nicht für die Totalverweigerung entscheiden, sondern auf Ausmusterung oder ein möglichst lockeres Zivi-Jahr setzen, ein wichtiger Merksatz vorneweg: Gemächlichkeit siegt! Letztendlich musst Du einen Kriegsdienstverweigerungsantrag nur stellen und Deinen Zivildienst nur dann absolvieren, wenn Du tatsächlich einberufen wirst. (Im „Kriegsfall“ gelten andere Regeln und Bestimmungen.) Zur Zeit werden nur rund die Hälfte der tauglich Gemusterten wirklich auch eingezogen. Also: Warte erstmal ab, ob sie dich auch wirklich wollen. Du musst dich ja nicht vordrängeln und laut „hier!“ rufen. Vielleicht interessieren sie sich gar nicht für Dich? Abwarten und Tee trinken.

1.Die Musterung
Irgendwann um Deinen 17. Geburtstag, wirst du Post von der Bundeswehr bekommen. Sie wollen wissen, was Du machst und wahrscheinlich, ob Du schon morgen für sie Zeit hast? Nein, hast Du nicht. Solange es geht, schickst Du ihnen Belege dafür, dass Du Dich noch in deiner ersten Ausbildungsphase (Abitur oder Lehre) befindest. Auch danach gibt es noch Gründe, die Du geltend machen kannst. Irgendwann kommst Du aber an der Musterung nicht mehr vorbei.
Wenn es soweit ist, wirst Du gefragt werden, ob Du einen Kriegsdienstverweigerungsantrag stellen möchtest. DIESE FRAGE VERNEINST DU!
Lass Dich von denen nicht bequatschen, sondern bleib‘ dabei. Denn: Diesen Antrag kannst Du jederzeit bis zum Zeitpunkt der Einberufung stellen. Wenn Du einen solchen Antrag gestellt hast, führt aber kein Weg mehr am Zivildienst vorbei. Sobald Du denen klar machst, dass Du nicht zum Bund willst, aber Zivildienst leisten würdest, wirst Du in der Regel sogar als „gut tauglich“ gemustert werden, damit Du wenigstens das Zivi-Jahr machen musst.
Auf das Eingangsprozedere folgen eine Menge allgemeine Untersuchungen und köperliche Tests. Wenn Du nicht zum Bund willst, solltest Du Dir bei diesen Tests einfach nicht allzu viel Mühe geben. Nutz‘ die Zeit, um mal so richtig schön faul zu sein. Lass Dir alles zweimal sagen, überanstreng‘ Dich bloß nicht bei den Liegestützen und gib auf gar keinen Fall an, dass Du im Falle einer Einberufung auch Auslandseinsätze machen würdest.
Mach‘ Dir dabei klar: Du willst nicht „tauglich“ gemustert werden. Überleg‘ Dir, dass die Gründe, die Du gegen deine Tauglichkeit anführen wirst, auch glaubwürdig sein müssen. Also: Wenn Du Dich ganz normal mit Tante Doktor unterhalten kannst, beim Hörtest aber gar nichts hörst, stimmt was nicht. Mit eingeschränktem Hör -und Sehvermögen bist Du auf jeden Fall schon mal nicht auf der besten Tauglichkeitsstufe (T1).
Wir raten eher davon ab, sturzbetrunken zur Musterung zu gehen. Das Gleiche gilt, wenn andere Drogentests sehr positiv ausfallen. Im Zweifelsfall wirst Du als „zur Zeit untauglich“ (T4) eingestuft und musst nach einer Rückstellung nochmal hin. Höchst unangenehm. Ebenso, wenn Du nächtelang nicht schläfst und mit einer Kanne Kaffee im Bauch gemustert wirst. Klar schränkt das Deine körperlichen Fähigkeiten ein (in diesem Fall ja in Deinem Sinne), aber Herzrasen und andere Gebrechen werden jungen, gesunden Menschen eigentlich nicht ohne Nachprüfung attestiert und im Zweifelsfall entlarvst Du Dich als Simulant. Ähnlich ist es, wenn Du auf Deine psychische Instabilität setzt. Wenn Du glaubhaft machen kannst, dass Du Aggressionsprobleme hast oder zum Beispiel regelmäßig Drogen konsumierst, bist du in Augen der Bundeswehr nicht gerade ein perfekter Soldat. Aber auch das kann zu einer Rückstellung der Musterung führen, wenn‘s blöd läuft. Und wenn‘s richtig blöd läuft, wirst Du wegen Verstoß gegen das BtmG angezeigt oder Deine (vermeintlichen) Psychosen auf Deine eigenen Kosten therapiert, damit Du auf Deine Wehrpflicht nicht „verzichten“ musst. Überleg‘ Dir einfach, was Dich gleichzeitig glaubwürdig und vollkommen ungeeignet für den Dienst an der Waffe erscheinen lässt. Informiere Dich also vorher.
Weitere eher zweifelhafte Methoden, von denen wir gehört haben (von denen wir aber eher abraten):

-Eine Stuhl- statt einer Urinprobe abgeben.
-Mit Edding „Deutschland verrecke!“ auf die Brust schreiben. Spätestens nach dem „bitte mal freimachen!“ wollen sie Dich loswerden.
-Sich wahnsinnig trottelig anstellen und alles umschmeißen. Nach Afghanistan kommst Du so wahrscheinlich eher nicht.
-Bei der Urinprobe den Finger anritzen und einen Tropfen Blut mit reingeben
-Vorher Heiraten.

Denk‘ dran, dass Behörden untereinander gerne mal Akten austauschen. Wenn Du also nicht zum Bund willst, aber eine Karriere als hoher Staatsbeamter anstrebst, sind Alkoholismus- und Drogengeschichten in Deinen Musterungsakten nicht gerade förderlich. Diese Akten kannst Du übrigens nach einer bestimmten Zeit einsehen und dann löschen lassen.

2.Nach der Musterung
Leg die Beine hoch und entspann‘ Dich. Du hast es dir verdient. Mach deinen Kriegsdienstverweigerungsantrag fertig. Er besteht aus einem Anschreiben mit Deinen persönlichen Daten, Datum, Unterschrift und folgendem Satz: „Hiermit verweigere ich den Kriegsdienst mit der Waffe unter Berufung auf Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes.“

Zum Antragsschreiben kommen ein Lebenslauf und eine Gewissensbegründung. Die sollte schon authentisch sein und von Dir kommen, deswegen liefern wir hier keinen Vordruck. Du musst halt sagen, wieso Du aus ethischen Gründen den Dienst an der Waffe verweigerst, das heißt, wieso Du niemals eine Waffe auf Andere richten könntest. Gute Argumente: Die christlich- ethische Sozialisierung, die Du in dieser Gesellschaft erfahren hast (ob Du nun getauft bist oder nicht). Du kannst den Dienst an der Waffe nicht mit deinem Gewissen vereinbaren. Und im Ernstfall würdest Du Deine Kameraden gefährden, weil Du ja Deine Waffe nicht einsetzen kannst. Auch hierzu gibt es viele schlaue Überlegungen im Internet.
Wenn Du nicht unbedingt Zivildienst machen willst, sondern ein Jahr gewinnen möchtest, schick‘ den Antrag noch nicht ab! Wenn du Glück hast, gehörst du zu jener Hälfte der tauglich Gemusterten, die trotzdem nicht eingezogen werden. Also abwarten. Sobald du den Einberufungsbescheid bekommst, solltest Du den Antrag aber abschicken. Wenn Du Dich nicht total doof angestellt hast, sollte er angenommen werden, dann kannst Du Dich nach einer geeigneten Zivistelle umsehen.
Der Einberufungsbescheid wird als Einschreiben zugestellt, das heißt, er ist drei Tage nach Versand gültig. Also: Montag hat ihn die Bundeswehr Dir geschickt, Dienstag ist er da. Er gilt aber erst ab Donnerstag 24.00 Uhr als zugestellt. Wenn Du also bis Donnerstag Deinen Kriegsdienstverweigerungsantrag zugestellt hast, hast Du ihn offiziell vor der Einberufung gestellt und bist fein raus – der Einberufungsbescheid wird aufgehoben.
Wenn Du ihn danach zustellst, auch nicht weiter schlimm, das Verfahren verzögert sich nur.
Verweigern kannst Du den Dienst an der Waffe sogar noch während des Wehrdienstes- aber soweit soll‘s ja gar nicht kommen.

Alle Angaben ohne Gewehr – informiere Dich gründlich und nach Möglichkeit bei einer Beratungsstelle, wie Du um die Bundeswehr rumkommst.

Wir wünschen Dir viel Glück!
Bundeswehr und alle Zwangsdienste abschaffen!
Schwerter zu Pflugscharen und Soldaten zu Küchenhelfern!

Mehr Nützliches im Netz:
www.Zentralstelle-KDV.de
www.wehrpflicht-nein-danke.de
Unter www.kampagne.de kannst Du Dich über die aktuelle Gesetzeslage und Handhabung informieren. Auch über Gründe und Unterstützung für Totalverweigerung findest Du hier Infos und Beratungsstellen.

Nachtrag zum Kriegskonzert und Besetzung

Besetzerin 09.12.2009 - 13:22
Interview mit einem Antimilitaristen auf dem lokalen Onlineradio Flora:

Auf der Homepage von Radio Flora anhören
 http://www.radioflora.de/index.php?article_id=122&clang=0&audiofile=audio%2F%2Fgesellschaft%2FBesetzung_der_Neustaedter_Kirche.mp3

mp3-Download:
 http://www.radioflora.de/audio//gesellschaft/Besetzung_der_Neustaedter_Kirche.mp3

Die Besetzer_innen der Neustädterkirche bitten zudem darum Protestschreiben an den Kirchenvorstand und die Landesbischöfin Käßmann zu senden.
Diese sollten dazu auffordern:
1. die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch zurückzunehmen.
2. auf weitere Konzerte mit der Bundeswehr zu verzichten.

Protestschreiben sollten an folgende Adressen gehn:

Pastorin Martina Trauschke
Rote Reihe 5
30169 Hannover
Mail:  martina.trauschke@t-online.de

Landeskirchenamt
Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann
Rote Reihe 6
30169 Hannover
Fax: 0511/1241266
Mail:  ips.hannover@evlka.de

Kirchengemeinde Neustädter Hof und Stadtkirche
 kg.hof-stadtkirche.hannover@evlka.de

Audio-Beitrag zur Aktion

corax-fan 10.12.2009 - 22:40
Ein interview zum Vorgang ist zu finden unter:

 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=31074

Meldungen aus kirchlichen Kreisen

leser 11.12.2009 - 14:19

Weitere Kirchenmeldungen

leser 11.12.2009 - 15:58
evangelische Landeskirche zur Besetzung
 http://www.evlka.de/content.php?contentTypeID=4&id=11860

evangelische Landeskirche zur Kundgebung
 http://www.evlka.de/content.php?contentTypeID=4&id=11878

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li. 09.12.2009 - 08:52
"Wenn es soweit ist, wirst Du gefragt werden, ob Du einen Kriegsdienstverweigerungsantrag stellen möchtest. DIESE FRAGE VERNEINST DU!
Lass Dich von denen nicht bequatschen, sondern bleib‘ dabei. Denn: Diesen Antrag kannst Du jederzeit bis zum Zeitpunkt der Einberufung stellen"

Erstmal richtig. Aber macht bitte nicht den Fehler den ich damals gemacht habe, und zögert nach Feststellung des Tauglichkeitsgrad die Verweigerung zu lange heraus.(Steht ja auch unten im Text) Ich hatte dann irgendwann meine Einberufung im Briefkasten und durfte n paar schöne Tage in der Kaserne verbringen.Habe dann den ersten Tag in der Kaserne meine Verweigerung abgegeben,(auch das ist möglich, auch wenn man schon länger da ist, Antrag auf Waffenlosen Dienst stellen und verweigern) hätte theoretisch c.a. 2 Monate bei dem scheiß Verein bleiben müssen, bis die Verweigerung anerkannt worden wäre. ...Bin mit Glück,durch Verweigerung der Uniform, und Hilfe von Ärzten da eher raus gekommen.

@SaZ

Gaston 09.12.2009 - 21:32
Moin... sinnvoll wäre auch ne Klage gegen die Einberufung. So wichtig der Zivi ist und so beachtenswert Totalverweigerer sind... um den gesamten Kriegsdienst zu kippen könnte man klagen. Immerhin ist keine Gleichbehandlung mehr zu erkennen - wenn nur noch 50% einen Bescheid bekommen ist dieser dann willkürlich und damit rechtswidrig... aber willkür kommt ja leider wieder in Mode....

Interview

d 21.12.2009 - 18:45
„Die Kirche lässt sich von der Bundeswehr benutzen“

Seit Jahren engagieren sich Antimilitaristinnen und Antimilitaristen aus Hannover und Umgebung gegen die in der niedersächsischen Landeshauptstadt ansässige 1. Panzerdivision der Bundeswehr. Über ihren kreativen Protest sprachen wir mit Markus von einer antimilitaristischen Aktionsgruppe aus Hannover.

utopia: Am 6. Dezember wurde versucht, nach einem Gottesdienst eine Kirche in Hannover zu besetzen – was hatte die Kirchenbesetzung mit der 1. Panzerdivision der Bundeswehr zu tun?

Markus: Seit zwei Jahren veranstaltet das Heeresmusikkorps der 1. Panzerdivision in der Neustädter Stadt und Hof Kirche in Hannover ein Adventskonzert. Aus unserer Sicht dient das Konzert dazu, die Akzeptanz von Militär und Krieg in der Zivilgesellschaft zu erhöhen. Es war auch nicht der erste Protest gegen das Adventskonzert der Bundeswehr. Die Konzerte gibt es schon seit zehn Jahren, vor zwei Jahren gab es erstmals Aktionen dagegen. Damals fand das Spektakel noch in der Marktkirche, das ist die größte Kirche Hannovers, als offene Veranstaltung statt. Rund 20 Antimilitaristinnen und Antimilitaristen sind damals in die Kirche gegangen und haben während des Militärspiels Transparente ausgebreitet. In Folge wurden die Armee-KritikerInnen von der Polizei aus der Kirche geräumt. Das harte Vorgehen der Polizei gegen friedliche DemonstrantInnen, während der gleichzeitigen Anwesenheit von Soldaten in Uniform hat zu Proteststürmen aus kirchlichen Friedensgruppen und der Kirchengemeinde geführt. Diese hat sich letztendlich dazu entschlossen, das Militärkonzert nicht mehr in ihrer Kirche durchzuführen – seitdem führt die Bundeswehr das Adventskonzert in der Neustädter Stadt und Hof-Kirche durch. Nun ist das Konzert außerdem eine geschlossene Veranstaltung, die weiträumig von der Polizei abgesperrt ist. Daher wollten wir schon einige Tage vor dem Konzert am 8. Dezember aktiv werden und die Räumlichkeit besetzen.

Schon kurz nach einem Gottesdienst am Abend des 6. Dezember habt ihr auf euer Anliegen aufmerksam gemacht. Wie lief die Aktion genau ab?

Wir wollten den Gottesdienst nicht stören und haben zunächst dessen Schluss abgewartet. Nachdem die Landesbischöfin Margot Käßmann ihren Segen gesprochen hatte, sind wir mit einem Transparent nach vorne gegangen und haben darum gebeten, eine kurze Rede halten zu dürfen. Das wurde uns auch eingeräumt. In der Rede haben wir unsere Aktion dann erklärt und begründet: Die Bundeswehr gibt selber an, dass sie mehr Unterstützung aus der Bevölkerung benötigt. Mit Hilfe des als Benefizkonzert ausgegebenen Adventskonzertes versucht sie ihre Akzeptanz zu steigern. Für uns ist der Zusammenhang zwischen der Akzeptanz der Armee in der Bevölkerung und der Eskalation des Krieges – zum Beispiel in Afghanistan – eindeutig. Außerdem soll den Soldaten der Eindruck vermittelt werden Gott und die Gesellschaft stünden hinter ihnen. Mit Gott im Rücken soll das Morden und auch das Sterben wohl leichter fallen. Die Kirche lässt sich als Medium von der Bundeswehr benutzen. Wir haben den Kirchenvorstand daher aufgefordert, das Konzert abzusagen und angekündigt die Kirche vorher nicht wieder zu verlassen.

Eure Besetzung dauerte aber nicht lange an…

Einige Leute haben nach unserer Rede applaudiert und kamen auch nach vorn und bekundeten ihre Sympathie mit der Aktion – das war nicht der überwiegende Teil der Kirche, aber schon deutlich wahrnehmbar. Da dann die Kirchenorgel angefangen hat zu spielen, konnten wir aber erstmal nicht weiter mit den Leuten in der Kirche diskutieren, sodass dann viele einfach gegangen sind. Am Ende waren nur noch der Kirchenvorstand, die Landesbischöfin und eine Handvoll Leuten aus der Kirchengemeinde da. So hatte der Vorstand es ziemlich einfach, uns unter Beobachtung nur weniger Augenzeugen aus der Kirche zu werfen. Dies wurde nach etwa einer Dreiviertelstunde mit rund 30 PolizistInnen durchgesetzt – wir wurden heraus gezerrt oder getragen und in Polizeigewahrsam genommen.

Der stellvertretende Stadtsuperintendent der Hannoveraner Kirche, Thomas Höflich, wird in einer Pressemitteilung mit den Worten „Wir können uns nicht für einen politischen Konflikt instrumentalisieren lassen. […] Das ist nicht der demokratische Stil, den die Kirche pflegt.“ zitiert. Warum habt ihr die Kirche in den Konflikt mit der Panzerdivision hineingezogen?

Das hat sie selber gemacht. Die Neustädter Stadt und Hof-Kirche wussten von vornherein, was das Problem mit diesem Konzert ist – es gab ja schon vorher in der Marktkirche massive Proteste. Die Gemeinde und auch der Vorstand der Marktkirche waren damals zur Diskussion mit uns bereit: in Folge einer Podiumsdiskussion haben sie sich dann entschlossen, die Militärkonzerte nicht mehr in ihren Räumen durchzuführen. Die Neustädter Kirche hat ihre Räume bewusst als Ausweichort für das Militär zur Verfügung gestellt. Der Kirchenvorstand hat sich also ganz bewusst in den Konflikt hinein begeben. Nun argumentiert er immer, dass die Soldaten keine Menschen zweiter Klasse seien und Soldaten deswegen auch nicht der Zugang zur Kirche verwehrt bleiben darf. Eine ehemalige Stadtsuperintendentin hat kürzlich in der Lokalzeitung gesagt, dass so ein Militäradventskonzert eine Provokation sei und es nicht darum gehe, den einzelnen Soldaten den Zutritt zur Kirche zu verwehren, es aber etwas anderes sei, der Institution Bundeswehr die Kirche für eine geschlossene Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. Dem können wir uns nur anschließen.

Da die Kirchenbesetzung bis zum Soldatengottesdienst nicht geklappt hat, gab es ein antimilitaristisches Konzert in der Nähe der Kirche…

Ja, das waren aber zwei unterschiedliche Sachen: die Kundgebung mit antimilitaristischem Krachkonzert hat am 8. Dezember zeitgleich mit dem Bundeswehrkonzert stattgefunden. Es war aber lange vor der Besetzungsaktion angekündigt und wurde vom Friedensbüro für den antimilitaristischen Aktionskreis Hannover angemeldet. Die versuchte Kirchenbesetzung wurde nicht von diesem Bündnis, sondern von einer kleinen antimilitaristischen Aktionsgruppe durchgeführt. Es war absehbar, dass das Friedenskonzert weit vor der Kirche und von der Polizei umstellt stattfinden würde. Wir wollten die Kirche aber direkt erreichen und den Konflikt in die Gemeinde tragen. Deshalb haben wir die Besetzungsaktion einige Tage zuvor durchgeführt. Trotz der Räumung hat sich die Aktion gelohnt. Wir haben eine große mediale Aufmerksamkeit erzeugt und auch innerhalb der Kirche tut sich was. So haben sich z.B. auch einige Gemeindemitglieder an der Kundgebung beteiligt. Damit das Militärspektakel zukünftig nicht mehr stattfindet, muss der Druck auf den Kirchenvorstand erhöht werden. Dazu bedarf es mehr Protest aus der Gemeinde oder allgemeiner aus kirchlichen Kreisen. Auch über Hannover hinaus gilt, die antimilitaristische Bewegung kann nur ein Katalysator für Protest innerhalb der der Kirchen sein. In den Gemeinden selber muss es mehr Diskussion und Protest geben.

Interview: Michael Schulze von Glaßer