1. Prozesstag gegen Antimilitaristin in Husum

egal 01.12.2009 19:18 Themen: Militarismus Repression
Im Prozess wegen Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe gegen eine Antimilitaristin in Husum kam es heute am ersten Prozesstag vor dem Amtsgericht nicht zu einem Urteil. Im Februar 2008 wurde ein Transportzug der Bundeswehr auf dem Weg zu einem Übungsmanöver der NATO-Response-Force für mehrere Stunden gestoppt. Eine Aktivistin, die sich damals um ihren Protest zu verdeutlichen, an die Schienen angekettet hatte, stand wegen dieser Aktion heute in Husum vor Gericht. Nach fünfstündiger Verhandlung und vielen Begleitaktionen wurde der Prozess als Folge eines Befangenheitsantrages vertagt.
„Kindergeburtstag“
Eine Kletteraktion am Eingang des Amtsgerichtes und Transparente in den Bäumen vor dem Gericht und in der Innenstadt empfingen das Publikum. Ein „Mars TV“ Straßentheaterteam versuchte bei Passant_innen vor dem Gericht herauszufinden, warum es auf der Erde überhaupt noch Armeen gibt. Im Gebäude tauchten justiz- und militärkritische Aufkleber auf und der Gerichtssaal wurde umfassend mit Luftballons und Konfetti verschönert.

Vorfeldaktionen
Bereits in den Vortagen gab es viele Aktionen. Am Militärdepot Ohrstedt, wo der Militärtransport startete, fand am Montag, 23.11. eine Kundgebung gegen Auslandseinsätze statt. Am Samstag fand eine antimilitaristische Fahrradtour statt, die an den Militärstützpunkten in der Stadt über die Machenschaften der Husumer Militärs im Ausland informierte. In den Nächten engagierten sich auch Unbekannte: An vielen markanten Stellen in der Innenstadt hingen Banner, die die Bundeswehr kritisierten und auf den Prozess hinwiesen. Besonders schön war der Sonntag. Den ganzen Tag über klebten Poster in Sprechblasenform auf Schaufenstern von Geschäften der Innenstadt, die in einer Weise montiert waren, dass der comic-artige Eindruck entstand, die Schaufensterpuppen würden sich gegen die Bundeswehr aussprechen und zum Prozess mobilisieren.

Der Prozess
Der Prozess begann mit der Vernehmung von zwei Polizeizeugen. Einer konnte nichts weiter zur Sache beitragen, als dass er Fotos für die Akte sortiert hätte, ein weiterer Zeuge wiederholte fast wörtlich seinen schriftlichen Bericht und konnte sich darüber hinaus an fast nichts erinnern.

Nach einem sexistischen Spruch des Protokollanten in einer Pause stellte die Angeklagte einen Befangenheitsantrag gegen diesen. Der Richter entschied zwar nicht über den Antrag, tauschte den Protokollanten aber daraufhin in der nächsten Pause gegen eine Protokollantin aus.

Von Seiten des Richters und der Staatsanwaltschaft wurde immer wieder versucht, die politische Relevanz dieses Verfahrens kleinzureden. Die Verteidiger Magsam und Lemke widersprachen. RA Magsam führte aus, warum die Aktion den Schutz des Versammlungsrechtes hätte genießen müssen und RA Lemke wies auf eine interne Dienstmail der Verfolgungsbehörden hin, in der diese Aktion über einen Sonderverteiler „Innere Sicherheit“ per Mail an sämtliche Landes- und Bundesverfassungsschutzämter sowie an sämtliche Landeskriminalämter sowie an den MAD und das BKA u.a. in Meckenheim (Abteilung Terrorismus) gesendet worden sei.

Insgesamt hatte der Richter Mühe, eine klare Linie zu finden und wirkte immer wieder unschlüssig. Er verzichte fast vollkommen auf Ermahnungen des Publikums und nahm Konfetti, Luftballons und Kommentare aus dem Publikum meist stillschweigend hin- ob aus Berechnung oder aus Überforderung bleibt dabei offen.

Nach der Mittagspause waren auf Bestreben des Richters zwei Polizeibeamte im Saal. Die Frage nach Dienstwaffen hielt der Richter nicht für relevant. Hierauf erklärten beide Verteidiger, dass sie sich in Anwesenheit bewaffneter Polizisten nicht in der Lage sähen, weitere Polizeizeugen kritisch zu vernehmen und dass ein fairer und ergebnisoffener Prozess nicht möglich sei. Der Richter kommentierte dies mit „Bitte- sie können ja gehen“. Daraufhin stellte die Angeklagte einen Befangenheitsantrag gegen den Richter, weil das Fehlen der Anwälte die Verteidigung deutlich erschwert hätte und der Richter ohne Nennung eines Grundes für die Bewaffnung weiterhin nicht gegen die bewaffneten Polizisten im Saal vorging. Der Richter nahm dazu Stellung (mit den Worten „ich bin nicht befangen“) und der Prozess wurde von Amts wegen unterbrochen. Ein neuer Termin wurde noch nicht angesetzt. Es wird aber wohl noch eine Weile dauern, bis die Polizisten und das Gerichtsgebäude wieder frei von Konfetti, Luftballons und Aufklebern sind.

„Staatsanwalt Berns will partout nicht auf eine Einstellung eingehen, aber immerhin der Vorwurf der Nötigung wird wahrscheinlich fallen gelassen. Die vielen Begleitaktionen haben mir Mut gemacht und mich darin gestärkt, weiter zu kämpfen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht“ kommentiert die angeklagte Aktivistin Hanna Poddig den heutigen Prozessverlauf.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Graffiti am Gericht

auch egal 01.12.2009 - 19:29



Bereits in der Nacht vor dem Prozess hatte es laut einem Handwerker ein oder mehrere Farbaktionen gegeben, bei denen u.a. „Höchststrafe für Hanna!“ an das Gericht gemalt worden sei. Davon gäbe es jedoch keine Spuren mehr, da es bereits übermalt worden sei. Ob diese Aktion im Zusammenhang mit der Initiative „  http://www.todesstrafe.blogsport.de “ steht, die von einer Christine W. betrieben wird, und gegen die Aktivisten der antimilitaristischen Gleisblockade in Nordfriesland und den CastorblockiererInnen von Wörth hetzt, ist unklar.

Kein Bund fürs Leben!

SaZ 02.12.2009 - 02:51
In letzter Zeit scheint die Bundeswehr überall zu sein: Egal, welchen Medien wir gerade Aufmerksamkeit schenken, sein es Radio, Zeitung, Internet oder Fernsehen, überall werden wir unangenehm von ihr überrascht.

Der nette Arbeitgeber von nebenan?
Ein Berliner Radiosender bringt regelmäßig einen Werbespot der Bundeswehr, welcher dann auf eine ihrer Internetseiten verweisen soll. In der Jugendzeitung „Spiesser“, welche kostenlos in nahezu jeder Berliner Schule zu finden ist, läuft genau das gleiche Spiel ab. Hier werden immer wieder ganzseitige Anzeigen des „Arbeitgebers Bundeswehr“ veröffentlicht. Und bei der Sendung „TV Total“ etwa war die Big Band der Bundeswehr vier Tage zu Gast.
Es ist klar: Die Bundeswehr wirbt nicht ohne Grund in Medien, die vor allem ein junges Publikum ansprechen wollen. Die Streitkräfte der BRD suchen dringend Nachwuchs. Und wie rekrutiert man am besten Teenager? Indem man als souveräner, jugendfreundlicher Arbeitgeber auftritt. Das versucht die Bundeswehr natürlich auch bei speziellen Veranstaltungen im Jobcenter oder Auftritten mit einem eigenen Werbemobil. Auf den ersten Blick scheint die Bundeswehr für junge Menschen ein attraktives und sinnvolles berufliches Angebot nach der Schule zu sein. Ein Studium beim Bund verspricht viele Vorteile:
„Einen krisensicheren Arbeitsplatz, gute Perspektiven für die Zukunft und die Möglichkeit, nach der Bundeswehrzeit in dem studierten Beruf zu arbeiten“.
Und was haben wir daran zu kritisieren? Nicht nur, dass man sich für 12 Jahre verpflichten muss, wenn man sich für ein Studium bei der Bundeswehr entscheidet, man muss sich auch darüber bewusst werden, für wen man dann arbeitet. Schon die Geschichte dieses Vereins spricht Bände: Nur sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs startete man den Wiederaufbau einer deutschen Armee. In den ersten Jahren waren die meisten Soldaten ehemalige Offiziere der Wehrmacht und den Namen „Bundeswehr“ erhielten die deutschen Streitkräfte vom früheren Wehrmachtsgeneral Hasso von Manteuffel. Die Bundeswehr setzt die Kontinuität deutscher Kriegsführung, kaum gebrochen, fort.

„Befehl und Gehorsam“
Die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber im eigentlichen Sinn. Wenn du bei einem herkömmlichen Job keine Lust auf irgendeine Art von Arbeit hast, dann wirst du schlimmstenfalls gefeuert, beim Bund dagegen kommst du erstmal eine Weile hinter Gitter. Auch wenn es immer wieder so propagiert wird, es ist eben keine normale Lohnarbeit in der Bundeswehr: Es ist noch schlimmer!
Der_die Soldat_in bekommt keinen Lohn für seine/ihre Arbeit, sondern vergleichbar mit Beamt_innen einen Sold. Da er_sie im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, unterliegt er_sie anderen, strengeren Regeln als ein_e „normale_r Arbeitnehmer_in“. Das bedeutet z.B., dass ein_e Soldat_in weder kündigen noch gekündigt werden kann, da kein vertragliches Arbeitsverhältnis besteht.
Jegliche Fehler wie „Befehlsverweigerung“ oder Nichterfüllung der Aufgaben werden strenger geahndet und ziehen schwerwiegendere Konsequenzen nach sich, als bei einem normalen Bürojob. Und auch die hierarchischen Strukturen spielen eine ganz andere Rolle. Zu Beginn befindet man sich am untersten Ende der Befehlskette und es gibt dort garantiert keinen Platz für eigene Ideen, denn natürlich gilt das Prinzip von „Befehl und Gehorsam“.

Und sonst so?
Die Bundeswehr als Institution ist ein Faktor dafür, wie sich Staat und Nation, sprich Herrschaft und ausschließender Kollektivismus, in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung reproduzieren. Sie ist ein wichtiges Machtmittel, die bewaffnete Versicherung auf die Souveränität des deutschen Staates. Indem ein Staat seine Grenzen bestimmt, sie bewaffnet, sichert und mit einer Multimilliarden-Euro-Armee notfalls auch verteidigen kann, definiert er, wer dazugehört und wer nicht. Dieser ausschließende Kollektivismus gehört zur Grundgestalt jeder Nation. Er intensiviert sich durch den Gedanken der Schicksalsgemeinschaft. Schicksalsgemeinschaft deswegen, weil alle Menschen, die im selben Staat leben, sozusagen für die Nationalökonomie an „einem Strang ziehen müssen“.
Nationale Betriebe müssen entsprechend erfolgreich sein (Import, Export, dies, das), damit der Staat sich in der Weltmarktkonkurrenz behaupten kann.
Die Bundeswehr agiert international, einerseits um den Zugang zu Rohstoffen nachhaltig zu schützen und zu sichern, andererseits um politische Ziele zu verwirklichen und damit neue Absatzmärkte zu gewinnen. Die Intervention in Afghanistan zum Beispiel hat zwar auch ansatzweise demokratische Verhältnisse hervorgebracht, aber schlicht aus dem Grund, dass es sich mit diesen als Voraussetzung leichter handeln lässt als mit marodierenden Warlordhorden.
Der Iran dagegen ist auch ohne Menschenrechte und bürgerliche Demokratie ein verlässlicher Handelspartner für die deutsche Wirtschaft, weshalb eine militärische Intervention dort nicht nur gar nicht nötig ist, sondern den wirtschaftlichen Beziehungen sogar schaden würde. Und im Sudan als beliebiges Beispiel für Länder, an denen die BRD keinerlei ökonomische oder politische Interessen hat, gibt es auch keine (militärische) Intervention, um die Situation vor Ort zu stabilisieren oder demokratische Mindeststandards als Grundlage für wirtschaftliche Handelsbeziehungen zu etablieren.
Somit wird die Stellung eines Staates in der Weltmarktkonkurrenz von der Armee gefestigt.
Am Beispiel Bundeswehr lässt sich folglich gut veranschaulichen, wie das politische System, in dem wir leben, funktioniert. Es beruht auf Ausschlussmechanismen und Konkurrenz, auf Zwang und der Freiheit, diesem Zwang nachzugehen.
Das sind mehr als genug Gründe, der Bundeswehr den Mittelfinger zu zeigen, anstatt für sie zu arbeiten!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Naja — Verena