Uni Kiel: Aktion gegen Wirtschaftstreffen

mit Feuer spielen 30.11.2009 01:41 Themen: Bildung
Im Rahmen der von Universität und Deutscher Bank organisierten Veranstaltung „WiSo trifft Wirtschaft - Vom Studium zur Karriere“ bauten diesen Samstag, den 28.11.2009, mehrere Firmen im Foyer des kieler Audimax einen sog. “Marktplatz der Ideen” auf, um nach eigener Aussage über “Karrieremöglichkeiten und Projekte innerhalb [von] Unternehmen” zu informieren.
Ebenfalls sollte im Anschluss daran eine Podiumsdiskussion mit Vortrag im Haupthörsaal des Audimax stattfinden, an der u.a. Prof. Dr. Walter (Chefvolkswirt der Deutschen Bank Gruppe), sowie Prof. Dr. Langhammer (Vizepräsident am Institut für Weltwirtschaft), Klaus-Hinrich Vater (Präsident der IHK zu Kiel) und Dr. Zieschang (Staatssekretärin für Wirtschaft) teilnahmen. Einige StudentInnen und AktivistInnen nahmen dies zum Anlass um die zunehmende Ökonomisierung des Bildungssystems sowie die Kommerzialisierung der kieler Universität zu thematisieren und ihren Protest gegen die Einflussnahme der Wirtschaft auf Studium und Lehre zu äußern.
Denn während Deutsche Bank und co. im zentralen Audimax ihre Werbetrommel rühren durften sah und sieht die Lage auf der gegenüberliegenden Straßenseite für die BesetzerInnen der Alten Mensa wesentlich nüchterner aus:
Ihnen wird seid Samstag 00.00 Uhr durch das Uni-Präsidium mit Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und sogar mit Exmatrikultation gedroht, eine Räumung durch die Staatsgewalt scheint unmittelbar bevor zu stehen.

So gab es also allen Anlass diese Image- und Anwerbeveranstaltung nicht kommentar- und wiederspruchslos stehen zulassen.

Bereits gegen 12:30 Uhr betraten einzelne AktivistInnen das Foyer des Audimax um dort Flugblätter vorwiegend unter die Mitarbeiter der Unternehmen und ihrer Propagandastände zu bringen - StudentInnen die nicht der WiSo-Fachschaft angehörten waren an diesem Samstag nur sehr vereinzelt anzutreffen. Ebenfalls wurden einige übergroße Pappbücher sowie Pappuhren mit den Zeitkategorien 12, 24, 36, 48 und eine Pappladung Dynamit an die Infostände der Unternehmen gebracht, um u.a. den ungeheuren Zeit- und Leistungsdruck der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge zu symbolisieren. Sie wurden einige Tage zuvor von der kieler Muthesius-Kunst-Hochschule aus Solidarität mit den BesetzerInnen der Alten Mensa durch eine Delegation übergeben.

Nachdem dann anschließend um 13:30 die erwähnte Podiumsdiskussion stattfinden sollte, betraten schließlich eine halbe Stunde nach dessen Beginn 10 StudentInnen und AktivistInnen die Bühne.

Gebückt und mit weißen, ausdruckslosen Masken bestückt, sorgten sie nicht nur bei den zuhörenden Gästen, sondern ebenso bei dem sich noch im Vortrag befindenden Prof. Dr. Walter für Verwirrung, der seine Rede über “Finanzmarktkrise und Rezession” zunächst stutzend unterbrach.
Um das Logo der deutschen Bank, welches ebenfalls auf der Bühne des Hörsaals positioniert war, sammelten sich dann die Protestierenden und hielten Sprechblasen und Schilder in die Höhe auf denen u.a. Sprüche wie “Yeah Humankapital!”, “Scheiß auf Bildung – Let's make money!” oder auch “Ich bin ein Ressource für den Arbeitsmarkt”, zu lesen waren.
Auf der anderen Seite wurden unter der Powerpoint-Präsentation der Deustchen Bank passende Transparante entrollt, u.a. mit der Aufschrift “Wäre unsere Uni eine Bank, hättet Ihr sie längst gerettet”.

Nach einigen Minuten in dieser Position zog die Gruppe genauso leise wieder ab wie sie gekommen war – die volle Aufmerksamkeit stand ihr allerdings permanent zu, auch wenn Prof. Dr. Walter offensichtlich alles daran tat die Protestierenden zu ignorieren und seinen Vortrag fortzuführen. Inhaltliche Flugblätter dazu wurden im Hörsaal und überall im Audimax hinterlassen.

Alles in allem also eine gelungene Aktion die besonders in der aktuellen Situation mehr als notwendig erscheint.

Denn bezeichnender Weise und beispielhaft für die Lage der Universitäten bundesweit, werden Unternehmen mit organisatorischem Aufwand und Werbeoffensiven seitens der Uni mit offenen Armen begrüßt und jede Möglichkeit zur Anbiederung genutzt, während selbstverwaltete studentische Räume behindert und wegrationalisiert werden.

Während Unternehmen und Konzerne somit immer mehr Einfluss im universitären System bekommen und eben gerade durch solche Veranstaltungen wie dem sog. “Markt der Ideen” ihre spezifischen Interessen an die Universität tragen können, werden der studentischen Selbstbestimmung und ihr Versuch die Bildungsmisere kritisch zu analysieren und zu beenden, permanent Steine in den Weg gelegt und ihre Besetzung in Kiel möglicherweise schon diese Woche praktisch aus dem Weg geräumt werden.

Den Widerstand gegen diese Situation gilt es auch in Kiel von nun an nicht nur im Rahmen der Besetzung, sondern auch darüber hinaus in den universitären Alltag zu tragen.

Bildung ist keine Ware!


Weitere Infos rund um die Besetzung der Alten Mensa an der Uni-Kiel:


 http://kielbrennt.blogspot.com/

Bericht zur aktuellen Situation:  http://de.indymedia.org/2009/11/267341.shtml

twitter:  http://twitter.com/Kielbrennt
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Ergänzungen

exmatrikulation, hausfriedensbruch, etc.

prof. dr. fouquet 30.11.2009 - 02:07
...kann hier nachgelesen werden: http://4.bp.blogspot.com/_sKk_Jzl7msw/SxAAO9wiRRI/AAAAAAAAACI/we_axUxthQU/s1600/verf%C3%BCgung20091127.jpg

GES

auch dabei 30.11.2009 - 16:15
...im übrigen war im Foyer auch ein Stand der WiSo-Fachschaft zum sog. GLOBAL ECONOMIC SYMPOSIUM (GES), welches jährlich in Plön stattfindet/stattfand. Im Artikel erwähnter "Prof. Dr. Langhammer" gehört außerdem als Vizepräsident des IFW zu den entscheidenden Ausrichtern des GES und seiner ideologischen Positionierung.
Auch hier zeigt sich also deutlich wer ThinkTank spielen darf und welchen Einflüssen die Universität unterliegt.

Mehr Infos zum GES und Gegenaktionen dieses Jahr:

 http://ges-ploen.blogspot.com/search/label/Presse