Faschistischer Terror in Moskau

Tomasz Konicz 25.11.2009 10:29 Themen: Antifa Weltweit
Ein kurzer Hintergrundbericht zu dem Mord an Iwan Chutorskoi und den Wandel faschistischer Gewalt in Russalnd. (Dies ist eine ergänzte Version eines Textes, der bei der jW erschien).
Mehrere Hundert Freunde und Kampfgefährten nahmen am vergangenen Sonntag in Moskau Abschied von dem am 16. November ermordeten Antifaschisten Iwan Chutorskoi. Die Täter lauerten Chutorskoi vor seinem Hauseingang auf, wo sie ihn mit zwei Schüssen in den Nacken regelrecht hinrichteten. Der bekannte moskauer Antifaschist tauchte immer wieder auf Todeslisten militanter russischer Naziorganisationen auf, da er eine Schlüsselposition bei dem Aufbau des antifaschistischen Selbstschutzes in der Region Moskau einnahm. Chutorskoi, der den Spitznamen „Knochenbrecher“ (Kostolom) trug, war ein erfahrener Kampfsportler, unter dessen Ägide antifaschistische Selbstverteidigungskurse organisiert und Verteidigungsstrukturen bei Sport- und Musikveranstaltungen der Antifa aufgebaut wurden. Iwan war Mitbegründer der Moskauer Sektion der Red and Anarchist Skinheads (R.A.S.H.).
Faschisten verübten schon mehrere Mordanschläge auf Chutorskoi, der „Wochen in Krankenhäusern verbringen musste, oft zwischen Leben und Tod schwebend. Aber er blieb immer seinen Überzeugungen und idealen treu,“ wie Freunde in einem Abschiedsbrief festhielten. Am 17. November griffen in einer ersten Reaktion mehrere hundert Antifaschisten die Büros der kremlnahen Jugendorganisation Rossija Molodaja (Junges Russland) an, die mit der faschistischen Gruppe Russki Obras (Die russische Art) kooperieren soll. Antifaschisten Beschuldigen diese Rechtsextreme Organisation, bereits in etliche Mordanschläge auf politische Gegner verwickelt zu sein.
Allein in den letzten drei Jahren vielen sechs Antifaschisten in der Region Moskau dem Terror der Nazis zu Opfer. So wurde etwa der 19-jährige Alexandr Rjuchin im April 2006 von Faschisten erstochen. Im März 2008 erlag Alexej Krylow nach einer Messerattacke seinen Verletzungen. Nur wenig später, im Oktober 2008, starb mit Fedor Filatow ein weiterer führender Aktivist antifaschistischer Skinheads in Moskau, der ebenfalls in seinem Hauseingang ermordet wurde. Am 28. Juni töteten Nazis während eines Überfalls den Antifaschisten Ilja Dshaparidse. Vor kurzem wurde auch der stadtbekannte Neonazi Nikita Tikhonov, der dem Umfeld der faschistischen Slawjanskij Sojus (SS - Slawische Union) zugerechnet wird, des Mordes an dem Menschenrechtler und Anwalt Stanislaw Markelow überführt. Markelow vertrat immer wieder erfolgreich die Opfer faschistischer Gewalt vor Gericht.
Laut der russischen Nichtregierungsorganisation SOVA, die sich der Beobachtung faschistischer Umtriebe verschrieben hat, vollführt die faschistische Gewalt in Russlands seit dem Frühjahr 2009 einen zunehmenden Wandel von rassistisch motivierten Morden zum politischen Terror erfuhr: „Die rassistische Gewalt hat nicht dieselben Ausmaße wie in 2007 oder Anfang 2008 angenommen, aber sie bleibt auf sehr hohen Niveau. Gewalttätige Akte durch Rechtsextreme gleichen immer mehr terroristischen Attacken, bei denen manchmal Sprengstoff benutzt wird.“ Seit Beginn dieses Jahres sind in Russland 50 Menschen von Faschisten ermordet und 280 verletzt worden. Im Vorjahreszeitraum vielen den russischen Nazis hingegen 99 Menschen zum Opfer, 399 erlitten Verletzungen. Überdies konstatiert SOVA, dass die extreme Rechte Russlands sich inzwischen auch organisatorisch in einer Stagnationsphase befindet: „Die Aktionen, die sie in Moskau organisieren, können nicht mehr Menschen mobilisieren als 2008.“ Diesen organisatorischen Stillstand versuchen die Nazis offensichtlich mit intensivierten Terror zu überwinden.
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Ergänzungen

Nationalismus in Russland

* aka * 25.11.2009 - 12:55
Die Gefahr - und / oder neue Dimension - des russischen Nationalismus und seinen xenophoben Tendenzen besteht darin, daß die Grenzen zwischen radikalen Nationalisten und kremlnahen Organisationen zunehmend verschwimmen.

In diesem Jahr haben erstmals staatsloyale Organisationen in Moskau eigene "Russische Märsche" mit mehreren zehntausend Teilnehmer_innen durchgeführt, die den ethnischen Nationalismus durch einen imperialen (eurasischen) ersetzen. Der Feind sind dabei diejenigen, die sich dem Konformismus, dem Vielvölkerstaat und der großartigen Russisch-Sowjetischen Tradition (jenseits ethnischer Zuschreibungen) entziehen.

Hierbei sind xenophobe Kampagnen und Übergriffe allerdings nicht ausgeschlossen. Die im schon Artikel genannte Organisation "Rossija Molodaja" pflegt, neben den Beziehungen zu "Russkij Obraz", engen Kontakt zur (querfronterfahrenen) Eurasischen Jugend. Ihr Vorsitzender, Maxim Mischenko, ist Mitglied der regierenden Partei "Edinja Rossija" (Einiges Russland) und Parlamentsabgeordneter. Er hält nicht nur Kontakt zu den Offiziellen der Bewegung "Russkij Obraz" (siehe Foto  http://copylefter.livejournal.com/108366.html), sondern trifft sich auch mit Demushkin, dem "Führer" der nationalsozialistischen Bewegung "Slavianskij Sojuz". Er muß deshalb als Scharnier zwischen freien und autonomen Nazis, sowie den regierungsloyalen Organisationen außerhalb und innerhalb des Parlaments gesehen werden. Die Attacke auf ein Büro von "Rossija Molodaja" muss in diesem Zusammenhang gesehen werden.

Übrigens hat Demushkin seine Organisation verteidigt und die staatlichen Organe des Mordes an Iwan Chutorskoi bezichtigt (siehe  http://www.nr2.ru/moskow/257542.html). Sie würden durch eine verstärkte Repression radikalnationalistischer Organisationen - wahscheinlich verdreht er die verstärkte Zusammenarbeit seiner Mitglieder und Bündnispartner mit den Sicherheitsorganen zur Repression - dafür sorgen, daß diese in den Untergrund gehen. Der Mordanschlag ist, seiner Ansicht nach, von einer "autonomen Gruppe von Nationalisten oder Naziskins" durchgeführt worden. Mitglieder des "Slavianskij Sojuz" hätten Chutorskoi zwar mehrfach angegriffen, ihn aber nicht versucht zu töten.

Es ist also nicht allein der zunehmende rechte Terror, sondern die Zusammenarbeit von staatsloyalen und radikalen Nationalisten, die gefährlich ist. Allerdings genauso so kritisch ist die "patriotische" Tendenz in der russischen Antifa zu begleiten, was allmählich auch in der eigenen Szene thematisiert wird.

Eurasische Ideologie - @ aka

konicz 25.11.2009 - 17:33
Ich habe mich auch ein einer Interpretation der "eurasischen" Staatsideologie versucht, die deinen Ausführungen sehr nahe kommt, aka;
 http://de.indymedia.org/2009/11/265756.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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???

Kolchow 25.11.2009 - 11:01
warum ist artikel nicht gegendert?

deutsche Nazis rufen zur gewalt im Video auf

soso 25.11.2009 - 15:32
 http://www.youtube.com/watch?v=uMSc4AtXi78

in dem Film rufen deutsche Nazis offen zur gewalt auf!
zustände balt wie in Russland?

@ Kolchow

Schnauze voll 25.11.2009 - 16:11
Weil es verdammt nochmal wichtigeres gibt!