Berliner Oberschule besetzt

Interessierte Schüler_innen 17.11.2009 23:41 Themen: Bildung
Schüler_innen der Albert-Einstein-Oberschule besetzen ihre Aula.
In den letzten Wochen haben in ganz Europa Studierende ihre Hörsääle besetzt, um für ein Umdenken in der Hochschulpolitik einzutreten.
Wir Schülerinnen und Schüler der Albert-Einstein-Oberschule wollten uns das zum Vorbild nehmen und haben den größten und prestigeträchtigsten Teil der Schule zu unserem Freiraum erklärt: die Aula. Wie an den meisten Berliner Schulen gibt es in der Albert-Einstein-Oberschule bauliche Mängel: unsere Toiletten sind eine Zumutung, die Heizungen sind veraltet und fielen im vergangenen Frühjahr zusammen mit dem Unterricht eine Woche lang aus; die um Raummangel zu überbrücken in den siebziger Jahren gebauten Pavillons stehen immer noch und werden nach wie vor genutzt - aus dem Boden wachsen inzwischen Bäume und trotzdem werden wir dort unterrichtet. Ebenso der Raummangel ist dafür verantwortlich, dass unserer Aufenthaltsraum zum Kursraum umfunktioniert wurde. Unsere Cafeteria ist seit Jahren "in Planung", wirklich gesundes Essen in der Schule ist aber noch nicht in Sicht - es gibt viele kleine Mängel in unserer Schule, die uns das Lernen schwer machen.

Wir haben in den vergangenen Jahren viele "Bildungstreiks" erlebt und Schülerinnen und Schüler auf die Straße gehen sehen und trotzdem mussten wir weiter mit diesen Zuständen leben. Ähnlich wie die Studierenden war das Ziel unserer Besetzung weniger das Lahmlegen des Schulbetriebs oder die Unterbrechung des Lehren und Lernens, vielmehr geht es uns um das eindeutige Signal, dass endlich etwas passieren muss, um uns die wichtigste Aufgabe der Schule schmackhafter zu machen: das Lernen. Wir haben beschlossen, unsere eigene Aula zu nutzen, um unsere Bedürfnisse nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen. Es geht uns darum, für existierende Probleme verträgliche Lösungen zu finden. Wir alle stehen unter einem großen Leistungsdruck, ob wir im 13. Jahrgang kurz vor dem Abitur stehen, oder in der 10. Klasse unseren mittleren Schulabschluss machen, ob wir im Jahrgang der Abiturumstellung mit doppelt soviel Abiturienten auf den "Markt" kommen, wie gewöhnlich, oder uns schon in der 7. Klasse mit langen Schulzeiten plagen. Gerade deswegen ist es unser Anliegen, all jene, die Klausuren und Arbeiten schreiben müssen, trotz Besetzung Klausuren und Arbeiten schreiben zu lassen. Es ist unser Anliegen, den Unterricht nicht zu blockieren, sondern die Schüler/innen zu unterstützen. Hier geht es darum zu helfen: wir versuchen Nachhilfeangebote für alle verpassten und eventuell nachzuholenden Inhalte zu organisieren, uns jedoch auch gemeinsam Gedanken über eine mögliche schulische Zukunft zu machen. Wir nutzen den Freiraum "Aula", um das, was in der Gesellschaft Demokratie genannt wird, am eigenen Leib zu erfahren. Wir wollen partizipieren und unsere Schule selber gestalten.

Heute befanden sich circa 300 Schülerinnen und Schüler in der Aula, um diese Dinge zu diskutieren und sich ernsthaft mit ihrer jetzigen und kommenden Situation auseinander zu setzen. Im großen Plenum und in kleinen Arbeitsgruppen wurde viel über unsere Schule, wie wir sie wahrnehmen, gesprochen. Wir haben uns aus der Schülerschaft heraus intensiv mit bestehenden Problemen auseinandergesetzt und uns bemüht Kernforderungen zu formulieren:

- Lehrerinnen und Lehrer:
_ es werden mehr Lehrer_innen benötigt, um kleinere Klassen zu gewährleisten
_eine Möglichkeit der Schüler, Feedback über die individuelle Lehrfähigkeit zu geben

- Mittelverteilung
_ wir fordern eine Mitbestimmung bei der Vergabe von finanziellen Mitteln (Bsp.: Toiletten sind extrem verschmutzt und baufällig, Schüler_innen wünschen sich seit Jahren die Sanierung, während viel Geld für den Informatikbereich ausgegeben wurde)

- Abitur
_ Schülerinnen und Schulen müssen die Auswahl haben, ob sie ihr Abitur in 12 oder 13 Jahren machen

- Mitbestimmung
_ Demokratisierung der Strukturen auf allen Ebenen (Bsp.: Wahl des Schulleiters, der Referendare/zukünftige Lehrer_innen, etc.)


Wir sind auch am Abend und in der Nacht, auch aufgrund positiver Verhandlungen mit unserem Direktor und den Lehrer_innen noch in der Schule und werden hier übernachten. Morgen hätten alle Schüler_innen frei, da unsere Lehrer_innen ihren Studientag stattfinden lassen, haben jedoch beschlossen, hier unser alternatives Programm während der Besetzung weiterzuführen. Wir werden über Lösungsmöglichkeiten aus der Bildungsmisere debattieren, ebenso über grundsätzliche Probleme des Bildungssystems.

Wir hoffen, ein ähnlich gutes Vorbild zu sein, wie es die Studierenden für uns waren. Wir fordern niemanden auf in unsere Schule zu kommen und sie mit uns zu besetzen, sondern hoffen, dass Schülerinnen und Schüler, die sich nach ähnlichen Freiräumen sehnen, den Mut haben sich diesen friedlich und solidarisch zu erkämpfen.

Wir streiten nicht gegen, sondern für unsere Schule!






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Ergänzungen

Besetzung in Bonn geräumt, Köln geht weiter

() 18.11.2009 - 01:01
Die Besetzung des HS I an der Uni Bonn wurde nach Stunden durch einen Polizeieinsatz beendet als die 100 Besetzer/innen einen Abzug ohne Personalienkontrolle durchsetzten. Die Demo war mit ein paar hundert Leuten (hauptsächlich Schüler/innen) schlecht besucht.
 http://www.bildungsstreik.net/bonn/

Währenddessen geht die Besetzung an der Kölner Uni weiter (siehe Radio Köln:  http://www.radiokoeln.de/koeln/rk/413334/news/koeln).
Die Demo in Köln war mit mehren tausend Schüler/innen, Stundent/innen und Auszubildenden sehr gut und kraftvoll.
(Bericht auf WDR:  http://www.wdr.de/themen/wissen/bildung/bildungsstreik_2009/091117b.jhtml)
 http://www.bildungsstreik-koeln.de/

Daumendrücken

Sprachlos 18.11.2009 - 01:40
Endlich einmal ein niveauvoller Artikel mit konkreten Inhalten. Weiter so und euch, euren Lehrern, Eltern... ganz ganz viel Glück! Schön zu hören, dass ihr wesentliche Kräfte zumindest inhaltlich hinter euch habt.
Ich bin anderswo Lehrer "und Papa" mit im Großen und Ganzen ähnlichen Problemen, euer Problem ist ein offenes Geheimnis für den "Bildungsstandort Deutschland". Dass euer Schulei und die anderen Gremien inhaltlich hinter euch stehen, lasst euch davon ermutigen im Nervenkampf mit den Behörden! Anderweitig zu raten fällt schwer, weil Veränderung mit ganz ganz viel kleinen Schritten beginnt. Natürlich kann es damit nicht getan sein, dass Behörden einzelnen widerspenstigen Einrichtungen Zugeständnisse machen - in diesem Sinne ist eure Solidarität mit anderen Schulen etc. ausdrücklich erwünscht. Ansonsten: Ämter und Politiker vielerorts mit konkreten (!!!) Problemen unter Druck zu setzen bringt wahrscheinlich mehr als ein allgemein revolutionäres Wischiwaschi...

soli!

ist ausgefüllt 18.11.2009 - 04:15
super geil!
solidarische grüße einer studierenden an der ASH in hellersdorf!kommt gern mal bei uns im audimax vorbei,dieser wurde am donnerstag besetzt!
weiter so

schule immer noch besetzt

aeo schüler 18.11.2009 - 15:57
die albert einstein oberschule ist immer noch besetzt! wir debattieren und erarbeiten forderungen... die stimmung ist super

bonn wiederbesetzt

streik 19.11.2009 - 13:09
bonn wieder besetzt.

karte mit allen besetzten schulen:
 http://zurpolitik.com/2009/11/10/unsere-unis-eine-karte/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Solidarität — Bamberg brennt