Rote Flora: Bezirk & Investor planen Angriff

das radikale umfeld 13.11.2009 16:22 Themen: Freiräume Kultur Repression Soziale Kämpfe
Im Abendblatt von heute befindet sich ein Artikel in dem Kretschmer ankündigt das Projekt beenden zu wollen. Die bisherigen Nutzer_innen stünden im Gegensatz zu einer Nutzung als Stadtteilzentrum für "alle Bürger". Mit dem Bezirk scheint er sich in dieser Frage einig zu sein. Das Gespräch mit dem Bezirk kann als erster konkreter Schritt einer bevorstehenden Räumung bis 2011 gedeutet werden. Dabei zeigt sich ein weiteres mal eine vergleichsweise clevere PR-Strategie des Investors.
Die Nutzung als Stadtteilzentrum wurde eigentlich als Schutz des Projektes vor kommerziellen Investorenarchitekturen festgelegt. Kretschmer deutet diesen kommerziellen "Hemmschuh", der in Wahrheit gegen ihn gerichtet ist, nun zum Räumungsgrund um. Nichts anderes bedeutet definieren zu wollen, was für wen im Stadteilzentrum Rote Flora stattfinden solle und was nicht. Das Angebot, dies bei ausreichend devotem Verhalten ggf. auch mit den Nutzer_innnen stattfinden zu lassen, ist nichts anderes als ein Angriff auf das Projekt.

Man mag von der Roten Flora halten was man will. Angebote wie Sportgruppen, Proberäume, Voküs und Veranstaltungsräume gehören zur Angebotspalette eines Stadtteilzentrums. Rechtlich steht außer Frage das die Flora diesem Profil entspricht. Die gesamte, aufgeblasene Argumentation dient lediglich einer zugegebenermaßen recht professionell betriebenen Kampange, die seit Monaten versucht die Flora zu delegitimieren und zu einem historisch überlebten Projekt zu erklären.

Mindestens alle zwei Wochen erscheint mittlererweile ein Artikel in dem der Investor sich als "Besitzer der Roten Flora" zu Wort meldet und so tut als hätte er irgendetwas zur politischen Diskussion in der Stadt oder der Entwicklung der Roten Flora beizutragen. Meist werden in diesem Zusammenhang dann krude Thesen aufgeboten. Angefangen von antisemitischen Wirtschaftstheorien, über sein Bauchgefühl zur Flora und seine innovativen Gedanken zur Gesellschaft. Er versucht sich als Linker und "Investor mit Herz" darzustellen, dem nicht, wie so mancher Heuschrecke am Profit liege. "Zins und Zinseszins" seien die Geisel der Menschheit und er erwarte das die Flora Ideen entwickle gegen Finanzkrisen und Raubtierkapitalismus.

"Ich betrachte die Gesellschaft als eine Art Gesamtkörper - der Geldkreislauf vergleichbar mit dem Blutkreislauf. Den Zinseszins könnte man einem Krebsgeschwür gleichsetzen. Er unterliegt keinen natürlichen Wachstumsgesetzen, wirkt ungesund. Viele gesellschaftliche Missstände hängen davon entscheidend ab. Der Zinseszins stört die Gesellschaft, was irgendwann zum Kollaps führt."
 http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article1185747/Besitzer-der-Roten-Flora-warnt-Randalierer.html

Dass Kretschmer nicht an der Abschaffung des Kapitalismus gelegen ist, liegt auf der Hand. Er will stattdessen einen sozial verträglichen Kapitalismus mit Sinn für die schönen Künste, Mozart und Händel, der in seinen Bilderwelten nahtlos an Gottfried Feder, einen Wirtschaftstheoretiker der NS-Propaganda anknüpft. Dieser forderte unter der Parole "Brechung der Zinsknechtschaft" die Verstaatlichung der Banken und die Abschaffung des Zinses. Das "schaffende Kapital" dient in dieser Logik Volk und Vaterland, während das "raffende Kapital", welches vor allem mit dem Judentum assoziiert wurde, rein egoistische Ziele verfolge. Wenn die Rote Flora ein Ort werden soll, wo sich nach Kretschmers Kraftortutopien solche Thesen zu einer linken Praxis weiterentwickeln, dann wäre dies in der Tat ein völliger Bruch mit der bisherigen Geschichte des Projektes.

Kretschmer mag die in der Flora praktizierte Abwendung vom "Volk" als "Fremdkörper" empfinden (Der Begriff wurde während des Nationalsozialismus in Abgrenzung zum "gesunden Volkskörper" geprägt der geschützt werden müsse - Ein Terminus der in seiner eliminatorischen Konsequenz direkt in der Shoa mündete).
In Wirklichkeit demonstriert es eine notwendig kritische und antifaschistische Haltung, angesichts solcher wiederkehrenden Ressentiments und Stereotypen. Was ein Stadtteilzentrum ist definieren die Menschen die es nutzen. Die Frage allerdings was eine Stadt ist die ihre Bewohner_innen als Fremdkörper betrachtet geht alle an.

Diese Auseinandersetzung spielt sich dabei an vielen Orten ab. Obdachlose, Migrant_innen, Angehörige der Drogenszene oder Gruppen von Jugendlichen gehören zu jenen mit denen wir uns solidarisieren. Das "Recht auf Stadt" beschreibt für uns im Kern nicht den Kampf um die Rechte von uns selbst oder von vergleichsweise privilegierten Kreativen oder Künstler_innen, sondern einen gemeinsamen Kampf mit allen die ökonomisch Benachteiligt sind und repressiv aus dem öffentlichen Raum gedrängt werden. Was im Schanzenviertel diskutiert und problematisiert wird, ist nicht die Rote Flora sondern etwas ganz anderes: Die Steigerung der Mieten, die Verschlechterung der Lebensqualität, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Jene "Bürger" für die Kretschmer vorgibt sich einzusetzen und die er gegen die Flora auf die Barrikaden bringen will, sind schon lange damit beschäftigt gegen die ausufernde Gastronomie in der Susannenstraße aktiv zu werden oder dem Bezirk contra zu geben. wenn Kretschmer darauf hofft, dass hier irgendjemad auf ihn gewartet hätte, dann hat er sich gründlich verrechnet.

Schon seit dem Verkauf wird von Seiten der Flora betont, es gebe keine Veranlassung für Gespräche oder gar Verhandlungen mit Kretschmer. Das Projekt sieht sich weiterhin in einem Konflikt mit der Stadt um die Frage wie wird der städtische Raum verwertet. Es geht darum "der Ökonomisieriung und Privatisierung des öffentlichen Raumes eine Begriff von Gesellschaft entgegen zu stellen". Welcher Investor gerade mehr oder weniger große Luftschlößer in Szene setzt ist vergleichsweise nebensächlich. Der Status Quo der Flora ist nach wie vor der eines besetzten Zentrums, dass sich explizit gegen Standortpolitik und für solidarisches Zusammenleben einsetzt.

In den nächsten Monaten wird es notwendig sein die Auseinandersetzung auf ihren Kern, die Auseinandersetzung mit der Stadt, zurückzuführen. Erster Anlass und Hebel ist der aktuelle Angriff des Bezirkes auf das Projekt. Dieser hat über Bezirksamtsleiter Warmke-Rose erklärt mit dem Investor an einer neuen Nutzung des Gebäudes arbeiten zu wollen. An genau diesem Punkt besteht auch eine Schnittstelle zu anderen aktuellen Kämpfen. Sei es das Bernahard-Nocht-Quartier, das Gängeviertel oder Ikea, Stadtentwicklung wird über private Investoren abgewickelt und die politisch Verantwortlichen verstecken sich in neoliberaler Postmoderne, hinter Eigentumsverhältnissen und notwendigen Standortfragen. Wir hingegen stellen die Frage nach den gesellschaftlichen Realitäten, die eine solche Abschaffung des politischen und sozialen erst möglich machen. Weshalb die Autos brennen, die Polizeiwachen angegriffen werden und wieso im Schanzenviertel die Scheiben einfliegen. Denn auch dies ist unter den gegebenen Voraussetzungen ein wachsender Teil der Stadt.

Mensch darf gespannt was passiert, wenn gegen die Rote Flora mobil gemacht wird. Mag sein, dass das Projekt in einem solchen Verlauf an einem bestimmten Punkt physisch verloren geht. Was es für die radikale Linke als Bewegung darin zu gewinnen gibt, wiegt ungleich schwerer. Doch es steht ohnehin nicht so schlecht um die Zukunft der Flora, wie uns Abendblatt, Investor und Bezirk glauben machen wollen. Die Flora ist längst ein politisches Symbol über den Stadtteil und die Stadt hinaus geworden. Sicher werden sich massenhaft Menschen solidarisieren und das Projekt mit unterschiedlichen Aktionen unterstützen. Wenn es der Flora gelingt, sich in dieser Auseinandersetzung inhaltlich von der zwangsläufig leeren Hülle der Symbolhaftigkeit lösen und ein Bewegungsort über das Projekt hinaus zu werden, kann sie zu einem Flächenbrand werden dessen politisches Gewicht neoliberale Stadtentwicklungskonzepte und ökonomische Standortideologien in die Defensive zwingt.

Quellen:

 http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article1268313/Rote-Flora-Der-Eigentuemer-setzt-die-Autonomen-unter-Druck.html

 http://www.abendblatt.de/hamburg/article1268312/Wann-endet-Ihre-Geduld-mit-den-Rot-Floristen-Herr-Kretschmer.html
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Ergänzungen

wie auch immer

egal 14.11.2009 - 01:02
 http://www.mopo.de/2009/20091114/hamburg/panorama/flora_besitzer_stichelt_weiter.html
lasst euch doch nicht von dem kretschmer provozieren.der hört schon auf wenn er merkt das er mit seiner medieninitiative nicht weiterkommt.

Rote Flora

unwichtig 14.11.2009 - 11:04
Also ich komme aus dem Ruhrgebiet und war zu meinen Leidwesen noch nie in der Flora.


Aber auf jedenfall ist hier im Ruhrgebiet die Flora bekannter als die Köpi,selbst
unpolitische Menschen,haben schon mal hier von der Flora gehört.
Und wenn Die tatsächlich geräumt werden soll,sollte sich die Hamburger Polizei&Feuerwehr
auf einige Überstunden einstellen.
Ich denke, da ist ein enormes Potenzial an Mensch, die auf grund der Flora extra nach Hamburg kommen würden.
Also macht ne vernüftige Mobi und es wird da im Norden abgehen:D

kretschmer

ins haus 73 14.11.2009 - 17:47
eine spaltung wird in hamburg doch schon seit monaten versucht. wenns kretschmer nicht passt, dann soll er doch nach drüben gehen, ins haus 73. auf der kundgebung, am mittwoch, der verschiedenen hamburger zusammenschlüsse (u.a. no-bnq, es regenet kaviar, kein ikea in altona, centro etc.) wurde deutlich, das die rote flora sehr wohl unterstützung und solidarität bekommt und das die spaltungsversuche des senats und kretschmers ins leere laufen werden.

samstag 28.11.bambule!

o-o 14.11.2009 - 23:23
7 JAhre Boardstein sind genug!Recht auf Stadt für Alle!

Erklärung der Roten Flora 2009-11-04

:-) 15.11.2009 - 02:42

Die Rote Flora ist seit November 1989 bis heute besetzt. Sie ist ein aktiv gestalteter nicht kommerzieller Raum, Treffpunkt zahlreicher Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen der radikalen Linken und ein wichtiger Ort politischer Gegenöffentlichkeit.

Das Projekt hat sich in den letzten 20 Jahren in verschiedensten Politikfeldern engagiert wie u.a. der Frage von Stadtteilentwicklung und Gentrification, gegen die Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, gegen das Kontroll- und Ausschlussregime neoliberaler Sicherheitspolitik, der Auseinandersetzung um Globalisierung und Diskussion um eigene politische Inhalte und Organisierungen. Daran hat der Verkauf im März 2001 – der damals ohne unser Wissen und Zutun vollzogen wurde – durch die Stadt an Klausmartin Kretschmer nichts geändert.
Der Fortbestand der Roten Flora hängt wie in den letzten 20 Jahren allein von dem Engagement der Nutzer_innen und aller anderen Gruppen bzw. Menschen ab, die sich (kritisch-)solidarisch dem Haus verbunden fühlen.
Wir haben Kretschmer vor knapp 9 Jahren weder darum gebeten, die Flora zu kaufen, noch sind wir an seinen Ansichten zu politischen Inhalten und zur Arbeit der Roten Flora auch nur im geringsten interessiert. Kretschmer fehlt jede politische Legitimität, sich im Zusammenhang mit der Existenz der Roten Flora anzumaßen, über unsere Zukunft zu entscheiden. Kretschmer ist kein Gesprächspartner für uns. Er ist nicht der liberale und uneigennützige „Kulturinvestor“, der er zu sein vorgibt. Er verdient sein Geld mit Immobilien – aber er wird wie jeder andere auch keinen Cent mit der Roten Flora verdienen!
Wir werden jeden Versuch Kretschmers, das Projekt Rote Flora anzugreifen oder gar beenden zu wollen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln politisch und praktisch verhindern.

Kretschmer hat über die möglichen Folgen einer „brennenden Flora“ nach einer Räumung für Hamburg herum phantasiert – wir empfehlen ihm dringend, sich für diesen Fall auch Gedanken über den unversehrten Fortbestand seiner eigenen Projekte zu machen.

Rote Flora bleibt!

es lebe die Kultur !!!

susi sauer 16.11.2009 - 00:56
Dieser Artikel vom Hamburger Abendblatt ist das aller Letzte und zeigt wieder einmal, wie die Massenmedien mit allen Mittel versuchen links Autonomestrukturen zu zerstören.
Er ist unsachgemäß, hoch subjektiv, ja sogar persönlich gehalten.

Es ist widerlich und gleichzeitig auch verdammt traurig, dass die breite Bevölkerung immer wieder solchen Hetze schlucken muss.

Die rote Flora ist ein besetztes Haus, welches aus den Straßen und Wiederstandskämpfen hervor gegangen ist.
Wie kann sich ein Herr Investor, der weil er wirtschaftlich "überlegen" ist oder sich so darstellt, herraus nehmen die Fakten so zu drehen, als würde die Flora erst radikal werden. Hätte er sich doch früher darüber schlau gemacht welch eine "Immobilie" er sich dort aneignet.
Denn eines ist ja wohl klar, es ist mehr als nur ein Haus.
Die Flora schafft Strukturen für politische, wie auch freizeitliche Gestaltung im unkommerziellen bereich. Und es sind nicht nur Linke herzlich eingeladen diese Freiräume zu nutzen, sonder auch Oma Erna von Nebenan kann und sollte gern mal auf ne Vokü vorbei schauen.

Das Statment von Kretschmer ist schmierig und ekelhaft, da er sich der Boulevard Presse anbiedert und anscheinen überhaupt keine Ahnung vom geschichtlichem Kontext dieses Viertels besitzt.
Denn auch die Krawalle gehören schon immer zum Schanzenviertel, so wie die in
Berlin- Kreuzberg und das sollte auch so bebehalten werden.

Außerdem sehe ich die Krawalle auch als weiteres Protestzeichen gegen die dort, im Kiez vorangetriebene Stadtumstrkturierung.
Und wenn es den netten Herren Investoren nicht passt, dann sollte er und seines Gleichen, sich doch einfach nen anderes Viertel oder besser gleich ne andere Stadt zum investieren suchen.

fette Solidarität an die rote Flora,
auf das die Geldgeier unsere subkulturellen Freiräume nie klein bekommen werden.





phantomdebatte

phantom 19.11.2009 - 02:06

habe das auch schon im vorherigen thread gepostet: dieser artikel beleuchtet eine andere seite (bemerkenswert: das cdu-zitat). na, diese gesinnung kann sich natürlich schnell ändern...

 http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article1261758/Phantomdebatte-um-die-Rote-Flora.html

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Titel der Ergänzung — Dein Name

Guter Artikel — Anwohner

@Dein Name — kein "antideutscher" Flora Nutzer

Hamburg und so — Berliner

leider wahr — @ nicht-antideutscher floranutzer

Back in the days of wisdome — Radikal Queer

aus, vorbei. — Charles

@ leider wahr — Dein Name

finger weg — ein nutzer

franz — ferdinand

oh je — mhm

dass — es

Solidarität — Ralph