Bildungsstreik nimmt Fahrt auf

Wladek Flakin 13.11.2009 10:08 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Die Zahl der besetzten Unis in der Bundesrepublik wächst Tag für Tag. Seit Mittwoch abend ist der größte Hörsaal der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität von rund 400 StudentInnen besetzt. Außerdem wurden am Mittwoch Räume an der Uni Hamburg sowie an der Freien (FU) und der Humboldt-Universität (HU) in Berlin besetzt. Am Donnerstag nachmittag gaben StudentInnen der Technischen Universität der Hauptstadt die Besetzung ihres Audimax bekannt. Damit gab es solche Aktionen bereits an 24 deutschen Hochschulen. Dazu kommen die seit Wochen anhaltenden Blockaden an den meisten Hochschulen Österreichs. Mit der Universität Basel wurde am Mittwoch auch die erste in der Schweiz besetzt.
Die StudentInnen wollen ihrer Forderung nach besseren Lernbedingungen und nach mehr Geld für Bildung Ausdruck verleihen sowie gegen Studiengebühren protestieren. Die Gewerkschaften GEW und ver.di haben sich mit den StudentInnen solidarisch erklärt.

Unterdessen nimmt auch die Zahl der Räumungen durch die Polizei zu. So mußten die BesetzerInnen in Tübingen am frühen Donnerstag morgen nach Aufforderung der Polizei den Hörsaal 25 "freiwillig" räumen. Die Unileitung hatte den BesetzerInnen für diesen Fall Straffreiheit versprochen. An der Uni Münster dagegen, deren Audimax vergangenen Freitag geräumt worden war, hat die Rektorin Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen rund 50 Studierende gestellt.

An der HU blockierten am Mittwoch abend unmittelbar nach der Besetzung des Audimax zahlreiche Polizeibeamte die Eingänge des Hörsaals, zogen jedoch am Donnerstag gegen zwei Uhr morgens wieder ab. An der FU konnte das Besetzungsplenum mit der Unileitung aushandeln, daß die Aktion zumindest bis zum kommenden Mittwoch geduldet wird.

Bildungsministerin Annette Schavan reagierte auf die Aktionen mit einer Aufforderung an die LandesbildungsministerInnen zu schnellen Korrekturen an der Studienreform. Anscheinend fiel ihr nicht auf, dass die meisten BesetzerInnen eben keine "Korrekturen", sondern die Abschaffung des seit zehn Jahren laufenden "Bologna-Prozesses" fordern, die in ihren Augen völlig gescheitert ist. Die spürbarsten Auswirkungen dieses Prozesses, der angeblich zur Vereinheitlichung der europäischen Hochschulen dienen sollte, sind gestiegener Leistungsdruck und eine "Verschulung" der Studienordnungen.

Der Alltag der Besetzungen kann ziemlich anstrengend sein: "Es ist nicht leicht, hier in einem Schlafsack zu pennen, wenn Leute bis 2 Uhr singen und die Reiniger ab 5 Uhr die Staubsauger anmachen", beschrieb Christian Fischer seine ersten 24 Stunden an der FU. Doch die müden AktivistInnen malen Transparente, entfernen Werbung aus den Fluren und bilden Arbeitsgruppen zu allen möglichen Themen – und das, während die meisten von ihnen noch Lehrveranstaltungen besuchen. Es geht sowohl darum, mehr Studierende anzusprechen – denn es sind letztendlich nur kleine Minderheiten an jeder Uni – wie auch, andere gesellschaftliche Schichten zu erreichen.

"Ich war positiv überrascht, dass die Securitys so nett zu uns waren", meinte Mia Hennig, ebenfalls von der FU. "Ihre Arbeitszeiten sind schrecklich, und dafür bekommen sie keinen richtigen Lohn." Im Sinne der Zusammenführung von StudentInnen- und ArbeiterInnenkämpfen unterstützt die "AG Arbeitskämpfe" der FU eine Kampagne von ver.di, um bessere Bedingungen für die Beschäftigten des Berlin Studentenwerks durchzusetzen.

Es gibt aber auch zunehmende Verknüpfungen zu den SchülerInnen: z.B. am Donnerstag morgen besuchte eine Delegation der FU-BesetzerInnen eine Vollversammlung an einem Gymnasium in Blankenfelde südlich von Berlin, die zur Vorbereitung des Bildungsstreiks organisiert wurde. Vor rund 800 SchülerInnen erzählten sie über die Besetzung und riefen dazu auf: "Wir brauchen eine gemeinsame Bewegung von Studierenden, SchülerInnen und auch LehrerInnen und Beschäftigten gegen die Bildungsmisere!"

Die Solidarität zwischen Studierenden, SchülerInnen, ReinigerInnen, Beschäftigten der Studentenwerke und Lohnabhängigen im Allgemein nimmt eben auch zu. Das soll alles am kommenden Dienstag, dem 17. November, mit Demonstrationen in Dutzenden Städten gipfeln.

Bericht und Bilder von Wladek Flakin, von der unabhängigen Jugendorganisation REVOLUTION ( http://www.revolution.de.com)

Eine kürzere Version des Artikels erschien in der jungen Welt vom 13. November ( http://www.jungewelt.de/2009/11-13/030.php)

Bilder vom 1. Tag der FU-Besetzung:
 http://www.flickr.com/photos/onesolutionrevolution/sets/72157622790113582/

Bilder vom 2. Tag der FU-Besetzung:
 http://www.flickr.com/photos/onesolutionrevolution/sets/72157622790129064/
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Ergänzungen

besetzung an der HU

unsere hu 13.11.2009 - 10:31
gestern abend nach dem plenum gabs kino, danach ein spontan-konzert, ein riesen-wandertranspi aus österreich hat die HU erreicht und wurde gestern abend aufgehangen, ca. 100 Leute haben wieder im Audimx übernachtet

es gibt jetzt verschieden AGs die ihre Arbeit aufgenommen haben

außerdem ist eine Infostruktur mit Info-Point entstanden

 http://twitter.com/unserehu
 http://twitter.com/#search?q=audimax%20hu

 http://unserehu.blogspot.com/

Infopoint
Tel.-Nr.: 0160-219 25 90

PROGRAMM:
um 14 und um 20 Uhr Plenum im Audimax der HU

Um 16 Uhr Diskussion mit Prof. Dr. Elmar Altvater: Unis im Kapitalismus.

Berlin ist nicht nur TU, HU, FU

Besetzer_in der ASH 13.11.2009 - 10:54
Berlin ist größer als es scheint.

Bereits gestern wurde ebenfalls das Audimax der Alice- Salomon- Hochschule in Berlin- Hellersdorf besetzt. Hier sprachen sich nach einer Vollversammlung ca. 150 Studierende für eine Beteiligung am Bildungsstreik aus. Vielleicht haben wir keine 30.000 Student_innen, möchten aber genauso wie die "großen" Unis unsere Solidarität mit allen Besetzer_innen zum Ausdruck bringen. Annerkennung verdienen also auch die "kleinen" Hochschulen, die trotz niedriger Studierendenzahlen (ca. 2000) einen Protest auf die Beine stellen. Solidarität mit ALLEN Hochschulen, Schulen...

Solidarity is a weapon!
Wir Bleiben Alle!!!

17N: Die Zeit der Forderungen ist vorbei!

Antifa 13.11.2009 - 16:47
17. November: Die Zeit der Forderungen ist vorbei!


Ein Gespenst geht um in Europa. Und überall wo es auftaucht, macht sich Panik breit. In den französischen Banlieues, in den griechischen Großstädten und auf den Straßen Neuköllns wurde es schon gesichtet. Ein Heer von Sozialarbeiter_innen, Lehrer_innen, Soziolog_innen, Aufstandsbekämpfungsbullen, Stadtentwickler_innen, Talkshowmoderator_innen, Schmieren-Journalist_innen, Wirtschaftsvertreter_innen und Politiker_innen zerbricht sich den Kopf darüber, wie es gezähmt werden kann. Ihrer Meinung nach ist dort, wo es auftaucht, der gesellschaftliche und soziale "Friede" in Gefahr. Mal heißt das Gespenst "Jugendgewalt", mal "Integrationsdefizit", doch gemeint ist immer die Angst vor einer ständig wachsenden Schicht perspektivloser und wütender Jugendlicher.

Eine Schicht junger Menschen, die in einem maroden Schulsystem ihre Strafstunden absitzen muss, obwohl ihnen jede Hoffnung, durch Bildung die soziale Leiter heraufzuklettern, längst genommen worden ist. Nicht einmal mehr die Vertreter_innen des Schulsystems glauben noch daran, dass die Schule ihnen helfen wird, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Er steht für die meisten von vornherein fest: unten. Das einzige, was die Schule ihnen noch beibringt, ist, ihre Träume zu begraben und ihre Bedürfnisse herunterzuschrauben. Vom Zugang zu den Fleischtöpfen der kapitalistischen Reichtumsproduktion weitgehend ausgeschlossen halten sie sich durch einer Mischung aus Hartz-IV und Kleinkriminalität über Wasser. Oder sie rackern sich zu Hungerlöhnen für ein kleines Stückchen vom Reichtumskuchen den Arsch ab. Aber kaum jemand glaubt noch an das liberale Märchen, nach dem der kapitalistische Arbeitsmarkt für alle, die sich nur genug anstrengen, Wohlstand und Glück bereithält. Vom kapitalistischen Produktionsprozess als "überflüssig" wieder ausgekotzt, vegetiert Mensch in sogenannten "Problemkiezen" vor sich hin, wird von Bullen verprügelt und von Sozialpädagog_innen für sein angebliches Scheitern selbst verantwortlich gemacht. Das macht natürlich sauer. Und zwar richtig sauer.

Damit die Sicherungen nicht durchknallen, wird diese immer größer werdende Masse für den kapitalistischen Markt "unprofitabler" Jugendlicher von einer regelrechten Armee aus Lehrer_innen, Sozialarbeiter_innen, Quartiersmanager_innen, Polizist_innen, Richter_innen, Staatsanwält_innen und Gefängnisswärter_innen dizipliniert und ruhig gehalten. Scheinheilige Integrationsangebote und Sozialprogramme auf der einen, brutale Polizeigewalt, Knast und staatliche Repression auf der anderen Seite sollen einen dazu bringen, die eigene Situation als naturgegeben hinzunehmen und die Fresse zu halten. Doch europaweit häufen sich die Anzeichen dafür, dass dieses System aus "Zuckerbrot & Peitsche" nicht mehr so Recht funktionieren will. Im Herbst 2005 explodierte die Wut der Jugendlichen in den französischen Banlieues, im Winter 2008 erschütterte eine militante Jugendrevolte Griechenland. Und auch anderswo brodelt es. Immer öfter wird deshalb gleich zur "Peitsche" gegriffen. Statt "erzieherische" Maßnahmen für die Jugend zu fordern, ist in Medien und Politik immer häufiger von erweiterten Polizeibefugnissen und dem Wegsperren des "asozialen Gesindels" die Rede. Und auf Worte folgen leider Taten: Für immer mehr proletarische Jugendliche enden die bürgerlichen Glücksversprechen direkt in Jugendknästen, Heimen oder Psychatrien.

Im Zuge der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise werden sich die Lebensbedinungen junger Menschen noch weiter verschlechtern. Immer mehr Jugendlichen wird die Perspektivlosigkeit der eigenen Existenz innerhalb kapitalistischer Marktgesetze deutlich. Doch ein Ausweg aus dem Irrsinn eines Wirtschaftssystems, das nicht für die Bedürfnisse der Menschen sondern für den Profit privater Eigentümer_innen produziert, scheint undenkbar. Das einzige, was den Gewerkschaften und der gesellschaftlichen Linken angesichts der aktuellen Krise einfällt, ist, soziale Reformen, Konjunkturpakete und eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte zu fordern. Eine Gesellschaft jenseits von Märkten, Waren, Preis und Mehrwert steht dort leider nicht zur Debatte. Adressat aller Forderungen und Begehrlichkeiten ist der kapitalistische Staat. Die Jugendlichen aus den Vororten von Paris und den "gefährlichen Bezirken" in Athen sind da schon einen Schritt weiter. Sie haben die Sinnlosigkeit des Appellierens an den Staat verstanden. Während der Revolten verzichteten sie auf Formen politischer Repräsentation, stellten keine "konstruktiven" Forderungen sondern artikulierten ihren Unmut über ihre Lebenssituation indem sie sich ein paar "Freudenfeuer" genehmigten. Die Botschaft war eindeutig: "Es geht uns beschissen, wir haben die Schnauze voll!" Die Kraft der Aufstände lag darin, den Schwindel repräsentativer Politikformen begriffen zu haben und sie nicht nachzuahmen. An kein mythisches Kräfteverhältnis appelliert, sondern auf der Straße ein reelles geschaffen zu haben, es selbst zu sein. In den Angriffen auf Polizeistationen, Schulen, Öffentlichen Nahverkehr und Privatautos gaben sie ihrer Wut Ausdruck. Zwar fehlte ihnen eine revolutionäre politische Perspektive, jedoch haben sie begriffen, dass sie sich auf niemand anders verlassen können, als auf ihre eigene Stärke und die ihrer Klasse. Und die Revolten in Frankreich und Griechenland waren nur die Vorboten kommender Aufstände.

Auch in Berlin kommt es in den letzten Jahren immer häufiger zu Protesten, die schwer von der Zivilgesellschaft und der reformistischen Linken zu vereinnahmen sind. Proteste, die der Gesellschaft nichts weiter sagen wollen als ein lautes "Fickt euch". Am 31. Dezember 2008, wenige Tage nach der Revolte in Griechenland, griffen über 1000 Jugendliche eine Polizeiwache im Prenzlauer Berg mit Steinen und Feuerwerkskörpern an, am 1. Mai 2009 kam es in Berlin-Kreuzberg zu den schwersten Ausschreitungen seit langem und Nacht für Nacht gehen Autos in Brand auf. Auch in den vergangenen Schüler_innen- und Studierendenprotesten war eine neue Wut zu spüren. Während die jeweiligen Bündnisse meist klassische Forderungen nach Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, bessere Lernbedingungen und mehr Geld aufstellten, manifestierte sich auf den Straßen und in den bestreikten Schulen die Lust auf konkrete Akte der Verweigerung. In einigen Städten kam es zu Besetzungen öffentlicher Gebäude, Sachbeschädigungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Lektionen, die uns die französischen und griechischen Jugendlichen erteilt haben, sollten wir für den kommenden Schulstreik beherzigen: Nicht mehr so sehr auf seriöse politische Forderungen zu setzen und sich Medien und Politik als "konstruktiver" Gesprächspartner anzudienen, sondern auf den unvereinnehmbaren, subjektiven und wilden Widerstand. Denn ihr Interesse an unseren Schulstreiks und Forderungen ist geheuchelt. In ihrem System gibt es für uns und unsere Bedürfnisse keinen Platz. Alles was zählt ist unsere Wut.

Wir werden nicht mehr still sein.
Wir werden nicht mehr zuhören.
Pure Hate! Wir sind wütend!

Die Zeit der Forderungen ist vorbei: Schulstreik am 17. November 2009

Unterstützer des Aufrufs: Antifaschistische Jugendaktion Kreuzberg [AJAK], Antifaschistische Initiative Reinickendorf [AIR], Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin [arab], Antifaschistische Linke Berlin [ALB]

Weitere Infos: Berliner SchülerInnen-Initiative "Bildungsblockaden einreißen!" (Aufruf), Bundesweite Bildungsstreik-Website

Flyer und Plakate können im RedStuff (Waldemarstr. 110, U Görlitzer Bahnhof), Schwarze Risse PBerg (Kastanienallee 85, U Eberswalder Str.) und Schwarze Risse Mehringhof (Gneisenaustr. 2a, U Mehringdamm) abgeholt werden.

Feature zum Protest wird ständig ergänzt:

Expropriateur 14.11.2009 - 19:03

Gegen das Führungstreffen Wirtschaft 2009!

... 14.11.2009 - 19:36
Treffen der Ent-Führungskräfte
Fr. 20.11. // 16 Uhr // Innenhof der Humboldt-Universität // Dorotheenstr. 24 // 10099 Berlin //
Bringt Rettungsschirme, Charaktermasken, Pappe, eure Wut und eure FreundInnen mit! //

Zum Thema "Ver-Führung zur Revolte" spricht Antonio Negri (Autor und Aktivist)

Mobilisierungsvideo zum Bildungsstreik

- 16.11.2009 - 14:18

Bildungsstreik in Uelzen (NDS)

Uelzen 16.11.2009 - 19:49
Im niedersächsischen Uelzen wird am Dienstag, den 24.11.09, eine Demonstration im Rahmen des bundesweiten Bildungsstreiks stattfinden. Alle SchülerInnen, StudentInnen und sonstige Interessierte sind dazu aufgerufen sich am Protest sich beteiligen.

Demonstration:
24.11.09 - Dienstag - 11Uhr
Uelzen
Kreuzung Lüneburgerstraße-Gudesstraße (vor dem Alten Rathaus)

Bei Fragen meldet euch bei  bildungsstreik-uelzen@web.de

AG Bildungsstreik Uelzen

Fotos Bildungsstreikdemo 17. Nov. - Berlin

Umbruch 02.12.2009 - 12:23

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