„Nicht schön aber Eigentum“

´-` 10.11.2009 15:55 Themen: Antifa
Ursprünglich sollte das Verfahren am Berliner Amtsgericht der Staatsanwaltschaft dazu dienen endlich eine Leitentscheidung im Umgang mit Outing-Plakaten zu haben. Eine Entscheidung konnte in dieser Sache aber nicht verhängt werden, da der Sachverhalt nach Kunsturheberrechtsgesetz bereits verjährt war. Stattdessen verhängte das Gericht heute Geldstrafen wegen Wildplakatierens. Demnach ist es auch strafbar an bereits verunstaltete Häuserwände zu kleben. Entscheidend sei nicht der entstandene Schaden durch immer weitere Plakatschichten („Schönheit“), sondern dass vom Eigentum anderer, „die Leute ihre Finger lassen“. Für diese regressive Auslegung des §303 Abs. 2 StGB (Sachbeschädigung) hat die vorsitzende Richterin immerhin vier Verhandlungstage gebraucht und insgesamt zehn Zeugen hören müssen.
Die Angeklagten wurden beschuldigt am Abend des 4. April 2008 ein Plakat „Achtung! Neonazis im Kiez“ an der Friedrichshainer Straßenecke Rigaerstr/Proskauerstr. angebracht zu haben. Entdeckt wurden sie durch LKA-Beamte (Codenummer 99100260 + 99100276), die am Ende ihrer „Donnerstagsabend-Streife“ gegen 21.30 Uhr mehrere dieser Plakate entdeckt hatten und aufgrund des Inhalts (Abbildung und Namensnennung von zehn Neonazis) in Alarmbereitschaft waren. Das V.i.s.d.P. (IG „Hol dir den Kiez zurück. Kein Fußbreit den Faschisten“, Straße Pariser Kommune 181, 10247 Berlin) kam ihnen verdächtig vor und sie gingen von einer Straftat § 22 (KUG/KunstUrhG – „Recht aufs eigene Bild“) aus. Die abgebildeten Neonazis waren ihnen bekannt und so ging das LKA davon aus, dass die Bilder ohne deren Einwilligung an Häuserwänden veröffentlicht wurden.
Eine Stunde lang folgten sie zwischen Ostkreuz und Bersarinplatz der „relativen Trocknung der Kleberfeuchtung“ und fuhren die „szenetypischen Objekte und Straßenzüge“ ab. In der „Gefahrenzone“ Rigaerstraße trafen sie dann die Plakatierer. Nachdem die Beamten nunmehr einen Fahndungserfolg zu verzeichnen hatten, riefen sie zivile und uniformierte Unterstützungskräfte des Polizeiabschnitt 57/58 (Friedrichshain) herbei und nahmen die Verdächtigen eine Ecke weiter an der Zellestraße fest. Die Bereitschaftspolizei sicherte das Gebiet gegen eintreffende Schaulustige.
Ermittelt und angeklagt wurde zunächst wegen Kunsturhebergesetz, wonach ohne Einwilligung der abgebildeten Personen, diese nicht in der Öffentlichkeit dargestellt werden dürfen. Um ermittlungstechnisch überhaupt tätig werden zu können mussten die Neonazis Strafantrag stellen. David Gudra aus Lichtenberg ließ sich vom LKA dazu breitschlagen. Die Anklage musste aber jetzt wegen Verjährung fallengelassen werden. Schade eigentlich, da eine gerichtliche Klärung, ob es sich bei den abgebildeten Neonazis um „Personen der relativen Zeitgeschichte“ (Leute die aufgrund ihrer Handlungen „vorrübergehend in das Auge der Öffentlichkeit geraten“) handelt, spannend gewesen wäre. Die am ersten Verhandlungstag vorgebrachten Beweisanträge der Verteidigung ließen darauf hoffen hier endlich mal eindeutige Aussagen zu bekommen.
Es blieb dann nur noch die offenbar in Tateinheit begangene Sachbeschädigung (das Kleben eines Plakats an ein Haus Rigaer/Proskauerstr.). Um die erhebliche Veränderung/ Verunstaltung einer Sache und damit die Strafbarkeit des Plakatierens eines A3-Plakats feststellen zu können brauchte es all die Polizeizeugen, die etwas zur Beschaffenheit des Hauses Rigaer/ Proskauerstr. aussagen sollten. Keiner der Zeugen der Anklage konnte dazu sachdienliches beitragen, da sie alle erst zur Festnahme rund 200 Meter weiter dazugestoßen sind. Auch das LKA konnte sich nicht genau an das Haus erinnern. Eins ist aber unstrittig – sauber war das Haus wohl die letzten 20 Jahre nicht. Hierzu lag kein Strafantrag des Hauseigentümers nicht vor, was nicht zwingend notwendig ist, wenn es ein „besonderes öffentliches Interesse gibt, da der Rechtsfrieden erheblich gestört wird“. Das wurde wegen diesen Plakaten von der Staatsanwaltschaft offensichtlich bejaht (TAGs Antifa, Nazis, Rigaerstr. is doch klar).
Nach jedem weiteren Prozesstag wurde vom Gericht die Einstellung gegen Geldstrafe angeboten und von den Angeklagten regelmäßig abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft 81 wollte verhindern, dass die beiden freigesprochen werden und führte immer weitere Belastungszeugen ein, die möglicherweise etwas zu den Verunreinigungen an dem Haus sagen könnten. Tatsächlich hatte man den Eindruck, dass hier Leuten wegen nichts Ärger gemacht wird – eben nur aus Verfolgungsinteresse. Mit jedem weiteren Zeugen stiegen auch die Verfahrenskosten und damit die Chancen auf einen ordentlichen Freispruch auf Staatskasse. Die Stoßrichtung war also schon vor den Plädoyers klar.
In der Urteilsbegründung hatte es die Richterin sichtlich schwer diese Verunstaltung („erheblich und dauerhaft“) glaubhaft zu machen und daraus das zu ahnende kriminelle Verhalten der Angeklagten mittels Geldstrafe zu rügen. Der heutige Richterspruch von 15 Tagessätzen zu jeweils 15 Euro für jeden der beiden Angeklagten, liegt zwar weit unter den 40 von der Staatsanwaltschaft geforderten, legt den Angeklagten aber die Kosten dieses absurden Verfahrens auf. Hier nicht in Berufung zu gehen, wäre, unabhängig von der offensichtlichen Falschauslegung des §303 (2), schon aus finanziellen Gründen geboten.
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Ergänzungen

So steht es da

Indy Leser 10.11.2009 - 21:48
In den Abendstunden des 04.04.2008 wurden in Berlin – Friedrichshain drei Personen von Zivilfahndern des LKA 642/PMS auf offener Straße festgenommen und kontrolliert.

Während weitere zivile Einheiten eintrafen und scheinbar sämtliche zur Verfügung stehenden Funkwagen des zuständigen Abschnittes zusammengezogen wurden, nahmen Beamte in zivil die Personalien der Personen auf. Anscheinend wurden sie beschuldigt Plakate in der Umgebung und in der Öffentlichkeit geklebt zu haben.

Nach der Personalienüberprüfung, während dessen sich in näherer Umgebung UnterstützerInnen gesammelt hatten, wurden Plakate und ein Eimer, in dem sich der verwendete Kleister befunden haben soll, als Beweismittel beschlagnahmt. Die drei Personen wurden daraufhin wieder entlassen.

Da auf den Plakaten neun Bilder mit den Gesichtern von Neonazis, samt Vor- und Zuname zu sehen waren, ist davon auszugehen, dass ein Tatverdacht wegen „Verstoß gegen das Künstlerurheberrecht“ sowie der „Sachbeschädigung“ und dem „Verstoß gegen das Pressegesetz“ bestand.

Gegen die Drei wurden mittlerweile Strafverfahren wegen „Sachbeschädigung“ und „Verstoß gegen das Künstlerurheberrecht“ eingeleitet.
Codierte Bullen

Zwei der an dem Abend anwesenden Beamten des LKAs sollen als Zeugen bei dem kommenden Prozess aussagen – jedoch codiert mit den Kennziffern 99100269 und 99100273. Für manch eine_n kommt dies nicht überraschend. Es handelt sich hier um die gleichen Beamten, welche in dem Prozess gegen die Antifaschistin Andrea ebenfalls codiert als Zeugen aufgetreten sind.
Naziaktivitäten in Friedrichshain

Grund für die Plakataktion waren vermutlich vermehrte Übergriffe in den vorhergehenden Wochen von Neonazis auf Personen und linke Kultur- und Wohnprojekte, wie z.B. den Fischladen in der Rigaer Straße am 23.02.08 oder das SamaCafé in der Nacht vom 09.03.auf den 10.03.08.

Die TäterInnen waren stets Neonazis aus dem Umfeld der „Autonomen Nationalisten“, die meistens in Lichtenberg ihren Wohnsitz haben. Scheinbar um die Vorkommnisse zu veröffentlichen und die Anwohner_Innen und das Straßenpublikum auf die Präsenz von organisierten Neonazis in Friedrichshain aufmerksam zu machen, wurden Plakate mit der Überschrift „Achtung: Neonazis im Kiez!“ und den Gesichtern von neun namentlich bekannten Neonazis in der Öffentlichkeit verteilt. Auch schien es darum zu gehen aufzuzeigen, dass der vermeintlich links alternative Bezirk Friedrichshain keinesfalls frei von nazistischen, sexistischen und rassistischen Übergriffen ist und Widerstand gegen Rechts nicht nur jenseits der Ringbahn, sondern auch und gerade auf den Straßen des vertrauten Party-Kiezes notwendig ist.
Staat und Nazis Hand in Hand

Da mitlerweile von einem der „Geschädigten“ Anzeige wegen „Verstoß gegen das Künstlerurheberrecht“ erstattet wurde, ist davon auszugehen, dass entweder Beamte des Berliner LKA oder die Staatsanwaltschaft die Neonazis über den Vorfall informiert und ihnen zu einer Anzeige geraten haben. Dies deutet darauf hin, dass die deutsche Exekutive bzw. Justiz mit Neonazis zusammenarbeitet und neonazistische Übergriffe mit der Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands überspielt werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Justiz und polizeilicher Staatsschutz antifaschistische Aktivist_Innen verfolgen und im selben Zuge Neonazis schützen, in einem Staat, der sich selbst nach Außen hin als „ach so antifaschistisch“ definiert.

Erst im Frühjahr 2007 wurde bekannt, dass Personen angeklagt wurden, weil sie ebenfalls angeblich Plakate mit ähnlichem Inhalt veröffentlicht haben sollten. Damals arbeitete die Staatsanwaltschaft Hand in Hand mit den Neonazis und erwirkte Anzeigen der Neonazis gegen die betroffenen Antifaschist_Innen. Desweiteren übermittelte die Staatsanwaltschaft die Adressen der Antifaschisten_Innen an die Nazis.

Dies zeigt, dass es um so nötiger ist das Vorgehen der Justiz gegen autonom organisierten Widerstand öffentlich zu machen.

Codoiernummer

99100273 10.11.2009 - 22:27
Der Zivi 99100269 ist nicht mehr beim LKA 642 weil er Leute geschlagen hat. Nun muss er bei einer Hunderstschaft Dienst (sieh Foto) tun. Der Zivi 99100273 (sieh Foto) ist immer noch immer bei Demos und linken Veranstaltungen unterwegs.

Vielleicht sollten man auch von denen mal Fotos veröffentlich!

das passt dazu...

joki 11.11.2009 - 00:31
hier noch ein hinweis auf das andere verfahren wegen verstoßes gegen das kunsturhebergesetz, das derzeit in berlin gegen drei weitere antifaschisten geführt wird. hier wird auch der skandal deutlich, zu welchen mitteln die berliner polizei greift, um irgendwie gegen linke vorgehen zu können:
 http://www.antifa.de/cms/content/view/1164/91/
der prozess ist zunächst verschoben worden.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

bla bla — bla

Ich geb ihm recht->Bla — Blackredflag

nazi — scum

Nr.: 99100269 — yo