Gera: 71. Jahrestag der Reichspogromnacht

Antifa Aktion Gera 09.11.2009 23:52 Themen: Antifa
"Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen"
Primo Levi

Am heutigen Tag wüteten 1938 in Deutschland die Pogrome gegen Jüdinnen und Juden. Synagogen wurden abgebrannt, Geschäfte geplündert, Menschen ermordet. Mit einem Mahngang erinnerten am heutigen Abend 20 Menschen an die Reichspogromnacht.
Der Weg führte zu den seit dem letzten Jahr verlegten Stolpersteinen, in denen die Namen von Opfern des Nationalsozialismus und des Holocaust eingraviert sind. An diesen wurden Kerzen aufgestellt und für Gedenkminuten innegehalten. Der Abschluss fand am Denkmal der ehemaligen Synagoge statt, die in der Reichspogromnacht zerstört wurde. Bereits in der vergangenen Nacht bauten AntifaschistInnen vor dem Stadtmuseum eine Installation auf. Hinter einer Glasscheibe ist ein Davidstern und das Datum 9.11.1938 zu sehen. Nur wenige Stunden später wurden die Aufschriften heruntergerissen. Die Beschädigungen konnten jedoch repariert werden. "Dieser Vorfall ist erschreckend und gleichzeitig Sinnbild für den Alltag", so Anna Schneider, Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion Gera.

Auf der städtischen Gedenkveranstaltung nahmen am frühen Nachmittag etwa 50 Menschen teil. Nur wenige Minuten nach Beginn wurde der "Mauerfall" 1989 thematisiert. "Dies steht beispielhaft dafür, dass sich der öffentliche Fokus der bundesweiten Gedenkveranstaltungen an diesem Tag seit Jahren verschiebt. Es ist der Versuch sich der Geschichte zu entledigen und ein 'besseres' Deutschland zu konstruieren", kommentiert dies Anna Schneider. In einem verteilten Flugblatt wird betont: "Der 9. November kann niemals ein Grund zum Feiern sein!" Dieser Tag ist "der Beginn des systematisch geplanten und durchstrukturierten Antisemitismus und dem beginnenden Holocaust. Diesem Wahn fielen Millionen Menschen zum Opfer …"
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Ergänzungen

Informationen zu Stolpersteinen in Gera

memorial 10.11.2009 - 10:54
8.4.2009, VVN-BdA Weimar

Stolpersteine in Gera

Am 8. April 2009 wurden in Gera die folgenden Stolpersteine verlegt. Diese stehen nicht nur für die jüdischen Mitbürger sondern auch für ermordete Widerstandskämpfer.

Stolperstein für Emil Löwenstein- Ort: Zschochemstraße 32 (geboren 1884; deportiert ins KZ Buchenwald1938; Vorsitzender der „Israelischen Religionsgemeinde “ in Gera von Oktober 1938 bis Februar 1942, danach Vertrauensmann in der Reichsvereinigung der Juden; März 1942 verhaftet- Deportation ins KZ Auschwitz am 10.Mai 1942). Er steht für ganze Familie (Käthe Löwenstein, geb. Hauptmann- geb. 1898- Deportation ins KZ Auschwitz 1942; Heinz Hermann Löwenstein- geb. 1926- Deportation ins KZ Auschwitz 1942 sowie Heinz Rose, geb. 1909, Deportation ins KZ Buchenwald 1939- gestorben an den Folgen der Haft am 4.März 1939).

Stolperstein für Rudolf Diener- Ort: Sorge 9 (geb. 16.7.1904 in Gera; Gefängnishaft 1934, anschließend KZ Buchenwald bis 1939. Verhaftung Dezember 1940. Erschlagen durch die Gestapo im Geraer Gerichtsgefängnis am 13.3.1941) Er steht für weitere Antifaschisten, die im Gerichtsgefängnis ums Leben gekommen sind, wie Meta Böhnert, Stadtratsmitglied, ermordet am 28.4.1934, Erich Wilke, erschlagen 24.7.1934, Otto Rothe, misshandelt und an den Folgen am 25.4.1934 gestorben, Christian Schmidt ermordet 1.12.1939.

Stolperstein für Ernst Brüg- Ort: Schlossstraße 2 (geb. 26.6.1883- verlor im 1. Weltkrieg sein Gehör, verlor sein Schuhgeschäft 1937 durch Arisierung- seine Verhaftung 1938 erfolgte unter der Leitung des Ortsgruppenleiters Willy Dornheim; Deportiert ins KZ Buchenwald, starb an den Angriffen gegen ihn bei der Winterhilfsaktion der Nazis vor seiner Wohnung und den Folgen der Haft am 7. Dezember1938.) Außer den Kindern Hannelore und Günter ist die gesamte Großfamilie ums Leben gekommen.

Stolperstein Emmy Weber- Ort: Burgstraße 5 (geb. 10.3.1909- Kinderärztin, erhielt Berufsverbot, Freitod am 15.10.1944 nach Mitteilung zur Deportation nach Auschwitz). Steht für Ihre Eltern Waldemar und Elly, die ebenfalls am 15.10.1944 in den Freitod gegangen sind.

Stolperstein für Anna Schalacha- Ort: Museumsplatz/ Eingang Kultur- und Kongresszentrum (geborene Bender am 27.6.1887 in gera- längere Zeit gemeinsam mit ihrer Tochter Edith Schmidt Lorenz unter Gestapo- Aufsicht gestellt. Musste auf Anforderung der Gestapo umziehen, von der Rudolf Farber Straße 1 in die Agnesstraße 4 und später in die Zschochemstraße32. Freitod am 21.7.1942 nach dem ihre Tochter in das KZ Auschwitz deportiert wurde). Steht ebenfalls für ihre Tochter Edith Schmidt Lorenz.

 http://weimar.vvn-bda.de/artikel/2009/20090408.html

Gedenkplatte nach der Schändung

powi 11.11.2009 - 23:05
Nach der Beschädigung wurde die Gedenkplatte notdürftig repariert. (siehe Foto)

OTZ Artikel

umz 12.11.2009 - 08:05
OTZ vom 11.11.2009

Nicht genehmigte Mahnung
Antifa stellt Glasplatte zum Gedenken an Progrom auf und spricht nun von Schändung

Gera (kas). Eine Glasplatte mit angeklebtem Davidstern und dem Schriftzug "9.11.1938" lehnt seit dem Tag des Gedenkens an die Reichspogromnacht an der Löwenskulptur vor dem Stadtmuseum. Aufgestellt hat diese Mahnung die Geraer Antifa. Damit wollte sie Bürger aufrufen, ihre Gedanken niederzuschreiben zu diesem Tag, an dem in ganz Deutschland und auch in Gera jüdische Gotteshäuser geschändet und Juden verhaftet wurden. Doch aus der Idee wurde nichts.

Denn gestern sprach die Antifa von einer Schändung der Installation - die Glasscheibe war angebrochen, der Davidstern zu Boden gefallen. In der Stadtverwaltung kann man diese Auffassung nicht teilen und spricht von Wind- und Wettereinflüssen. Außerdem sei weder die Glasplatte noch eine Gedenkdemonstration der Antifa zur Reichspogromnacht vorgestern genehmigt gewesen. Welche Folgen das hat, war gestern Abend noch nicht klar.

Keine Konsequenzen indes hat die Teilnahme der NPD am Gang der Geschichte am 5. November. Die Polizei sagte gestern, der Zug durch die Innenstadt sei friedlich verlaufen. Zudem könne bei einer Veranstaltung unter freiem Himmel niemand ausgeschlossen werden. Peter Lückmann vom Runden Tisch hatte kritisiert, dass NPD-Mitglieder an dem Gedenken zum Mauerfall teilnehmen durften. Er wolle dies zur nächsten Sitzung des Runden Tisches thematisieren.

Gedenkplatte zur Reichspogromnacht geschändet

Antifa Aktion Gera 12.11.2009 - 08:19
Ordnungsamt äußert keinerlei Bedauern und ist vielmehr über Nichtanmeldung verärgert

Am Jahrestag der Reichspogromnacht erinnerte vergangenen Montag eine in der Innenstadt aufgestellte Glasscheibe mit einem Davidstern und dem Datum 9.11.1938 an den Beginn des systematischen Massenmordes an Jüdinnen und Juden vor 71 Jahren. Nur wenig später waren der Davidstern und die Aufschrift beschädigt.

Zwar konnte die Glasinstallation repariert werden, doch bedrückend bleibt die Zerstörung allemal. Nicht zuletzt, weil das Ordnungsamt gegenüber der Ostthüringer Zeitung (OTZ) kein Wort des Bedauerns verliert, sondern "Wind- und Wettereinflüsse" verantwortlich macht. Auf Fotos ist jedoch zu erkennen, dass die Schrift mit Farbe und der Davidstern auf der Rückseite angebracht waren. Sie müssen demnach abgekratzt und heruntergerissen worden sein. Vielmehr zeigt sich die Behörde über die Nichtanmeldung verärgert. Es "sei weder die Glasplatte noch eine Gedenkdemonstration der Antifa zur Reichspogromnacht vorgestern genehmigt gewesen", ist in der OTZ zu lesen.

"Wenn das Ordnungsamt übereifrig eine Schändung ausschließt, erinnert das an die Losung 'weil nicht sein kann, was nicht sein darf'. Im selben Zug den Mahngang zu den Stolpersteinen in Misskredit zu bringen und die Teilnahme der NPD an der Veranstaltung zum ‚Mauerfall’ zu rechtfertigen ist schlicht skandalös. Diese Äußerungen verhöhnen und kriminalisieren das antifaschistische Gedenken und spielen nicht zuletzt der NPD in die Hände", reagiert Anna Schneider, Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion Gera, darauf. "Zivilgesellschaft und Parteien sind aufgerufen, sich nach diesen Vorkommnissen öffentlich zu positionieren. Auch in Anbetracht der für kommenden Sonntag zu erwartenden Kundgebung von Neonazis anlässlich des Volkstrauertages."

Antifa Aktion Gera, 11.11.2009

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hmpf — urgs

@ urgs — nonation