Schwarzes Petersburg - 2. Tag

Reisepack 07.11.2009 23:14 Themen: Antifa Freiräume Kultur Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Das anarchistische Festival "Tschorny Pjetrograd" wurde heute mit einer Reihe von Workshops, Theater, Kino und Aktionen fortgesetzt; die Repression hält sich bisher in Grenzen.
Die Squat-Aktion von Freitag Nacht ist wohl doch nicht ganz so unbemerkt geblieben wie wir gedacht hatten; die Bautür, durch die wir in die Hütte eingestiegen waren, ist jetzt jedenfalls zugeschweißt. Eine noch viel schlechtere Nachricht war, dass das Festival mit deutlich weniger Kohle auskommen muss als geplant, da vor ein paar Tagen bei einem Wohnungseinbruch ein Teil der Spendenkasse geklaut wurde.
Der Samstag begann erst mal mit einem Fehlschlag. Die Metrostation Nowatscherkassowskaja war Treffpunkt für eine Aktion, doch als sich dort vormittags ab halb elf Leute sammelten, wurden die Bullen darauf aufmerksam und schlugen zu; drei Leute wurden geschnappt und bis zum Nachmittag auf der Wache festgehalten. Der Rest entkam, aber die Aktion war erst mal verhindert und die Farbeier wanderten wieder in die Schublade.
Ab zwölf Uhr waren in der offiziell so genannten nichtkommerziellen Etage eines Business-Zentrums Workshops angesagt. Diskutiert wurde unter anderem über Formen direkter Aktion und das Verhältnis zwischen dieser, Propaganda und denkbaren revolutionären Perspektiven; über Sicherheit im Umgang mit Computern, Internet und Handys; über Food Not Bombs; über alternative Wirtschaftsformen; und schließlich über Sexismus in der anarchistischen Bewegung. Leider wurde der Zeitrahmen bei jedem Workshop ein bisschen mehr überzogen, so dass der letzte Workshop, der schlicht mit "Anarchosex" überschrieben war, aus Zeitgründen entfallen musste und es Eurer Fantasie überlassen bleibt, was das wohl geworden wäre.
Am Abend wurde im Freien Theater, einem kleinen unabhängigen Kulturzentrum in der Nähe der Uni, eine interessante Inszenierung von Kafkas "Prozess" geboten, ehe es mal wieder ans Squatten ging. Auf dem Weg gingen uns leider zwei Leute verloren, die angeblich in sehr betrunkenem Zustand auf der Straße die Marseillaise gegrölt haben. Zum Glück checkten die Bullen den Zusammenhang mit dem Rest der Meute nicht, so dass wir unbehelligt in ein leerstehendes Haus in der Nähe der Metrostation Petrograd eindringen konnten. Dort war bereits ein schicker Raum mit einer Bar eingerichtet, wo zunächst mal einfach ein bisschen gefeiert wurde; schließlich treffen sich im Schwarzen Petersburg Leute, die sich sonst teils das ganze Jahr nicht sehen. Zum Abschluss wurde noch der neue Film über politische Repression in Russland und das Anarchist Black Cross gezeigt, der auch schon im Westen zu sehen war; auf diesem Weg nochmal vielen Dank allen UnterstützerInnen und SpenderInnen!
Die Bude wurde anschließend wieder ohne Probleme verlassen, wobei noch Materialien für die Nacht verteilt wurden... denn schließlich hat der Tag 24 Stunden, und aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Bericht von gestern: http://de.indymedia.org/2009/11/265018.shtml

Hintergrund, Vorgeschichte und Ankündigung: http://de.indymedia.org/2009/10/262785.shtml

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Ergänzungen

Bildchen von heut nacht

Peter 08.11.2009 - 07:45
zum Beispiel Gasprom baut sich hier einen schicken neuen Buerokomplex hin... deswegen hagelte es heute nacht Proteste gegen Gentrifizierung, was offenbar alles ohne Zwischenfaelle gelang, obwohl die Stadt mit Bullen ziemlich zugeschissen war. Schoenen Gruss auch an unseren verkauften Ex-Kanzler.