Naziaufmarsch in Halle - Resümee

Antifaschistische Gruppen Halle 07.11.2009 19:47 Themen: Antifa
Reibungsloser Ablauf dank Polizei - Resümee Antifaschistischer Gruppen aus Halle zum Naziaufmarsch in Halle-Neustadt am 07.11.
300 Neonazis demonstrierten heute in Neustadt, die Polizei unterband durch ein massives Personalaufgebot und Einschränkungen der Demonstrations- und Bewegungsfreiheit selbst der bürgerlichen GegendemonstrantInnen jegliche Proteste mit Kesseln und Platzverweisen.
An einem Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD, nahmen heute in Halle-Neustadt etwa 300 Nazis vor allem aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen teil.

Trotz massivem Mobilisierungsaufwand erreichten die Nazis damit nicht annähernd die von ihnen im Vorfeld vollmundig angekündigten Teilnehmerzahlen, viele Kameraden zogen wohl den Sangerhäuser Bierkrug dem kampf auf der Straße vor. Somit blieben die Nazis bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hinter ihren eigenen Möglichkeiten zurück, nachdem sie bereits am 17. Juni mit ca. 170 Leuten vergeblich versucht hatten eine Demonstration in Halle durchzuführen. Damals konnten sie aufgrund massiver Proteste nicht 100 Meter ihrer geplanten Route laufen und diskutierten noch Monate später auf ihrem Internetportal über die Anzahl demolierter PKWs.

Sammelpunkt der Nazis war heute der S-Bahnhof Halle-Neustadt, der bereits ab 10 Uhr von der Polizei weiträumig abgesperrt wurde. Die Verlegung des Demonstrationsortes nach Neustadt war Folge der massiven Proteste im Juni. Trotzdem verzögerte sich die Anreise der Nazis auch heute um 30-40 Minuten, da „am frühen Morgen Unbekannte brennende Gegenstände auf die Gleise einer S-Bahn-Strecke geworfen“ hatten (mdr-aktuell).

Die GegendemonstrantInnen trafen sich in der Nähe des S-Bahnhofes. Die Bereitschaftspolizei zeigte sich von Anfang an sehr aggressiv, es wurden Platzverweise erteilt und die Anreisenden massiv kontrolliert. Die Kundgebung, die im Laufe der Zeit auf 500-600 Personen anwuchs, wurde von der Polizei eingekesselt. Es gab stundenlang keine Möglichkeit heraus- oder hereinzukommen. Dadurch bewegten sich nur wenige Gruppen, insgesamt etwa hundert Personen, im weiteren Umfeld der Demonstration. Diese hatten meist keine Chance, diese zu behindern, es kam nur zu einzelnen Störungsversuchen durch GegendemonstrantInnen.

Kritikwürdig ist auch das Verhalten einiger Teile des bürgerlichen Bündnisses, die sich mit großen SPD-Transparenten und dem Innenminister des Landes Holger Hövelmann im Polizeikessel verlustierten. Die Intentionen und die Ideologie einiger „bürgerlicher“ GegendemonstrantInnen schien ein Redner zusammenzufassen, der proklamierte: „Und wir wollen keine Nazis in unserer Stadt die nicht mal von hier kommen (!) aber das Bild unserer Stadt beschmutzen.“ So viel Lokalpatriotismus, der einen echten hallischen Neonazi lieber sieht, als einen sächsischen, ist bezeichnend. Er zeigt, dass hier nicht Antifaschismus auf die Straße getragen wurde, sondern Standortpolitik bürgerlicher Saubermänner, die „ihr 89“ und ihre ostdeutsche Stadt – die wie jede andere deutsche oder ostzonale Stadt auch ohne JN voller Rassisten und Antisemiten ist – nicht von „den Neonazis“ „beschmutzt“ sehen wollen.

Doch zurück zu den Knallos im Polizeikordon: Die Nazis zogen insgesamt etwa drei Stunden durch die Plattenbauviertel Halle-Neustadts, gedachten ihrem verstorbenen Guru Rieger und hielten lahme Reden. Nach Abschluss ihrer Demonstration kehrten sie mit S-Bahnen zum Hauptbahnhof zurück und reisten getrennt ab. Mit Sicherheit werden in den nächsten Tagen Berichte über die „siegreiche“ Demonstration durch das hallische „Zentrum“ auftauchen, und der eigene „Erfolg“ wird ebenso sicher in bekannter wahnhafter Realitätsverzerrung als Folge des eigenen „offensiven“ und national-revolutionären Auftretens dargestellt, und nicht als Folge der Anwesenheit von über tausend PolizeibeamtInnen, die doch im Auftrag der – bei den parteienfinanzierten „nationalsocialist black block“-Revoluzzern so verhassten – „Plutokratie“ handelten.

Es ist offensichtlich, dass die Polizeieinsatzleitung in Halle – im Gegensatz zu der in Leipzig vor einigen Wochen – den Nazis durch massive Polizeiunterstützung bei gleichzeitiger Einschränkung des Demonstrationsrechts der GegendemonstrantInnen den „Aufmarscherfolg“ durch die Plattenbauten auf dem Silbertablett serviert hat. Ohne die ungewöhnlich hohe Polizeipräsenz an allen Ecken und Plätzen in Neustadt und in der hallischen Innenstadt und die parteiliche Polizeitaktik wären die Nazis wohl wieder keine hundert Meter weit gekommen.
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Ergänzungen

neue, alte Polizeitaktik

rick 08.11.2009 - 01:12
Wir erleben gerade eine neue Taktik der Polizei, welche in jüngerer Zeit nur auf die Gegenseite angewendet wurde bzw aus dem staatlichen Werkzeugkasten verschwunden schien. Vorkontrollen, Platzverweise, langes Kesseln, Personalfeststellungen und sicherlich folgende Strafbefehle und Ordnungsgelder.

Mir scheint, der "Preis" der Teilnahme an einer Blockade soll hochgetrieben werden, mit dem Ziel ein gemäßigteres und bürgerliches Publikum wieder aus dem Protest zu drängen und autonome Antifaschisten zu erfassen und zu kriminalisieren.

Als nächstes stehen großflächige Demonstrationsverbote auf Grund von Analysen (siehe erster Mai Berlin) oder Gesetzen (Dresden 13. Feb) auf dem Plan.

Die Nazis eignen sich dabei als staatliche Versuchsobjekte. Aber die Freude über eine verbotene oder gekesselte Nasendemo wird nicht lang anhalten. Wir können daran nur ablesen, in welche Richtung die Reise auch für uns gehen wird.

Es gab Zeiten, da wurde das Demonstrationsrecht nachträglich vor Gerichten erstritten (Hamburger Kessel, Brockdorf, BW Gelöbnis...). Die Früchte dieses Erungenschaften aus alten Tagen lassen sich heute in der Praxis immer seltender einfahren. Die Gegenbewegung aus staatlicher Richtung hat Fahrt aufgenommen.

unattraktiv?

adam 08.11.2009 - 14:13
Hier möchte ich noch mal auf den Einwand oder Trost eingehen, daß die Nazis sich einen "unattraktiven" Platz zu demonstrieren aussuchten, also die Magistrale ist DIE HAUPTSTRASSE in einem dicht besiedelten Plattenbaugebiet. Da ist jedes Haus mindestens 7-Geschossig und mit zig Wohneinheiten und auf dieser mehrere Kilometer langen Straße haben die 3 DREI Kundgebungen abhalten können - OHNE jegliche Störung. Die Fenster von Zig Familien waren geöffnet, es war nicht kalt, so war dies kein Problem. Die Beschallung der Nasen recht laut und zudem wohnen dort in Neustadt viele einfache Familien, Arbeiter und Arbeitslose, also genau das Klientel welches denen am leichtesten verfällt. Während der ganzen Zeremonie waren die Gegendemonstranten zwischen 3 leerstehenden Plattenbauten eingepfercht und kamen über Stunden an KEINE Öffentlichkeit ran. Also die Nazis hätten in Halle keine für sie optimalere Route haben können. Was hätte es gebracht für sie, in der Innenstadt, wo in den Häußern nur 4-6 Familien wohnen und die Einwohner teilweise sowieso auf Grund der noch relativ gut situierten Einkommensverhältnisse nix für die Parolen der Nazis übrig haben, demonstriert hätten. Also das Argument der angeblichen Unattraktivität in Neustadt zu demonstrieren, würde ich noch einmal überdenken.

Friedberg: 500 Demonstranten blockieren

Infopost 08.11.2009 - 18:11
Rund 500 Demonstranten haben am Sonnabend im hessischen Friedberg einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD blockiert. Etwa 100 Rechtsextreme hätten deswegen bis zum Nachmittag an ihrem Treffpunkt am Rande der Innenstadt ausgeharrt, sagte ein Polizeisprecher dem EPD. Die Polizei sei mit mehreren Hundertschaften im Einsatz. Die Beamten setzten auf Deeskalation und führten Gespräche mit beiden Gruppen.

Allerdings habe die Polizei die Räumung der Straße angedroht und nehme Personalien der Gegendemonstranten auf. Zu der Demonstration hatte das Bündnis „Wetterau gegen Nazis“ aufgerufen, an dem sich etwa 80 Gruppen, Initiativen, Vereine, Parteien, Kirchen und Einzelpersonen beteiligen.

Am Morgen hatten sich rund 300 Menschen in der evangelischen Stadtkirche versammelt. In einer Gedenkminute gedachten sie der Opfer des Nationalsozialismus. Die Gegendemonstration sei gemeinsam getragen von Politik, Handel, Sport und Gesellschaft „in einer Breite, wie wir das noch nicht erlebt haben“, sagte Friedbergs Bürgermeister Michael Keller (SPD). Er bezeichnete es als „eklatantes Versagen der Politik“, dass die „NPD noch nicht verboten ist“. Es sei ein Hohn, wenn eine Partei „Bürgerrechte für sich einklagen kann, die zum Ziel hat, Bürgerrechte abzuschaffen“. Anschließend zogen die Teilnehmer in einem Gedenkspaziergang zu Orten jüdischen Lebens und des Widerstands durch Friedberg.

Die NPD hatte bereits am 1. August versucht, in Friedberg zu demonstrieren. Damals stoppten rund 1.200 Gegendemonstranten den NPD-Aufmarsch schon am Bahnhof. Rund 400 Menschen protestierten zudem am Samstag im sachsen-anhaltischen Halle gegen einen Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Nachwuchsorganisation der rechtsextremen NPD. Bei den verschiedenen Demonstrationen in Halle-Neustadt seien bis zum Nachmittag „keine nennenswerten Störungen“ zu verzeichnen gewesen, teilte eine Polizeisprecherin nach der Abschlusskundgebung der „Initiative Zivilcourage“ mit. Der Aufmarsch der Neonazis mit 220 bis 250 Teilnehmern wurde nach Beendigung der Proteste fortgesetzt.

zermürbend

süße anarcha 08.11.2009 - 18:44
ja, sicher bringen sich diverse hardcore-antideutsche immer wieder durch eine fülle an publikationen und veranstaltungen in den öffentlichen diskurs. doch wer einmal durch die gemeinten postillen blättert, stellt schnell fest, dass hallesche antifaschistinnen keine homogene masse darstellen; sich im gegenteil ermüdende, spaltende debatte liefern. wer hier also den schluss zieht, eine nazidemo in halle nicht verhindern zu wollen, weil die hiesige antifa-"szene" angeblich so einseitig strukturiert ist, denkt in starken stereotypen und sollte sich generell fragen, ob es in gewissen situationen nicht einfach sinnvoller ist, gemeinsam vertretenen ansichten gegenüber rhetorischen ausfällen den vortritt zu geben.

was aus meiner sicht wirklich fatal bezüglich der demo war:

1) der gegendemo-kundgebungsplatz war richtig beschissen. keine öffentlichkeit und leicht durch die polizei zu kontrollieren.
2) die beschränkung auf nur eine gegenkundgebung. total bescheuert keine weiteren um den startpunkt der nazidemo zu organisieren, um auf verschiedene routen der nazis reagieren zu können.
3) die auflösung der gegenkundgebung um circa 13 uhr. eine der dämlichsten aktionen, die ich jemals erlebt habe. stunden vor schluss der nazidemo einen genehmigten versammlungsraum aufzugeben, mit der begründung, dass im moment in keine sinnvolle richtung gelaufen werden kann, ist einfach dumm. noch dazu die dgb-trottel, die was von einem zeichen gegen rechts und keinem meter den faschisten faselten, während die nazihorde gemütlich durch die stadt lief. richtig fies wirds in anbetracht der tatsache, dass die nazis später genau über(!) den mittlerweile menschenleeren platz der gegenveranstaltung trottelten.
4) viel zu wenige gegendemonstrantinnen in anbetracht der weiträumigkeit des demoareals. vor allem wenige bürgerinnen, meines erachtens auch zu wenige antifagruppen.
5) unglaubliche bullenpräsenz. die konnten es sich sogar erlauben einzelne gegendemonstrantinnen und nazis mit mehreren leuten zu eskortieren und riegelten die nazidemo insbesondere zu beginn weiträumig ab. zudem waren sie sehr rabiat. es kam zwar zu keinen prügelexzessen (zumindest habe ich keine gesehen), doch die waren in anbetracht der kaum vorhanden gegenwehr auch überflüssig.
6) anscheinend enormes desinteresse der lokalen bevölkerung neustadts. der konsumtempel neben dem nazitreffpunkt war gut besucht und viele konsumentinnen liefen gemütlich durch die nazidemo.

tja, da ging nicht viel. und es bleibt die erkenntnis, dass sich in neustadt offensichtlich nach wie vor nazis unbehelligt und unkritisiert breit machen können. und dass es im rest der stadt kaum jemanden zu stören scheint. zumindest im vergleich zum 17.juni 09 ein jammerspiel.

Bullenanzahl

Taktiker 08.11.2009 - 20:00
Am gleichen Abend steuerte ein hallenser Bulle in eine Kneipe in der ich mich gerade aufhielt und erzählte was von "unerwartet frühem Feierabend", die "rechten hätten bis 20 Uhr angemeldet und nun war schon 16 Uhr alles vorbei!
Trottel! Was verwertbares hat er doch noch gesagt!

Es waren insgesammt 1641 Beamte an diesem Einsatz beteiligt. BFEs' aus Magdeburg und Göttingen.

Antifagruppen die vor Ort leben und auch mobilisieren haben die Verantwortung auch was verwertbares als Handlungsgrundlage (auch) für militante Antifaschisten vorzuberiten.
Bündnisdemo- OK! Aber nur! Das ist nicht nur dünn, sondern bescheuert!

Eine einzige Kundgbung, kein vermittelter Alternativplan ausserhalb des "lustigen Bürgerbündnisgeschmuses!

Die aufrufenden antifaschistischen Gruppen haben fast alles falsch gemacht was aus unserer antifaschistischen Praxis als "Lehre" für solche "Events" bezeichnet werden kann!

Ich widerspreche deutlich, das dort in Neustadt nichts möglich gewesen währe! Als dei Nazis liefen, war "nur" eine massive Absicherumg am direkten Demorand. Die "Raumsicherung" durch mobile Bullentransporter und Vorkontrollen war aber nict so effektiv das nicht immer wieder "Leute" direkt bis an die nazidemo rankamen. Viele liefen auch paralel zur nazidemo hinter den Blöcken ungestört mit, um in der nächsten Strasse die Nazis anzuschreien.
Nur waren das leider sehr wenig organisierte Antifas!!!
Bspw. Dort hätte auch Militanz platz gehabt.
Das lief vielfach auch an anderen Orten die auch Neubaublock dominiert waren!
Da muss mann halt sich mal was einfallen lassen was auf die Situation passt!!!

Aber nicht nur die OrganisatorInnen der Gegenproteste haben versagt, obwohl das in eklatantem kausalen Zusammenhang steht, sondern auch die wenigen Antifas die es darauf gehabt hätten, aus der schlechten Vorbereitung und der Schwierigen Situation noch was zu machen.
Polizeikessel hin oder her, ich(und einige andere) habes es auch geschaft da raus zu kommen! Manche waren noch schlauer und haben den Braten gerochen und erst gar nicht den Kundgebungsplatz betreten, der dann zum kessel wurde!
Mehrfach sind wir bis an die Strecke und direkt neben die Nazidemo gekommen. Es war also möglich! Nur viele, auch Leute mit aktionistischem Potential, haben sich einfach demotivuieren lassen! Und haben dann abgekackt!

Angehörige einer halleschen antideutschen Antifaguppe möchte ich nur meine Eindrücke zu Ihnen und ihrem Auftreten vor Ort mitteilen.
Das steht eine Anzahl an der Kreuzung (Auftaktort der Nazis) und schwatzten gemütlich und rauchten eine. So sehr versonnen in ihre Gespräche musste ich ihnen erst mal bescheid sagen das die Nazis gerade losgegangen sind! Sorry! Aber das ist eine bezeichende Momentaufnahme über die die Nazis sicher feiern werden, aber eine bittere Realität die zu allem, was auch ich über diesen Teil der "Vorbereitenden Gruppen" weiss, leider gut passt!

Das Fazit muss sein - Die örtlichen Gruppen müssen sich "strecken- und zwar gewaltig" und ander AntifaschistInnen dürfen sich offensichtlich nicht auf diese allein verlassen!

Ich bin ja schliesslich auch nicht wegen der "Antideutschen Gruppen" (Bäh... pui,pui,pui) da hin gefahren, sondern um gegen die Nazis zu kämpfen! Das ist mir zwar auch nicht so optimal gelungen, aber offensichtlich partiell viel besser als vielen anderen denen das auch möglich gewesen währe.

Damit das klar ist! Ich sehe mich selbst auch von der von mir artikulierten Kritik angesprochen, obwohl ich (zum Glück) kein Hallenser bin!

Also hier mein Scheiß...

abc 08.11.2009 - 22:54
Unter dem Link ganz unten finden sich zahlreiche Fotos der Demo.

Schon in anderen entlegenen Teilen Deutschlands habe ich die gleiche Erfahrung gemacht wie gestern in Halle. Es gibt bürgerlichen Gegenaktionen, meist lange vor Beginn der Nazidemo und selbst wenn diese dann vorbei sind, bevor die Nazidemo überhaupt losgeht, scheint es, als wären viele eher daran interessiert wieder zurück nach Hause zu gehen, als alle Versuche zu starten, irgendwie an die Nazidemo zu gelangen.

Als zweckmäßig hat sich für mich heraus gestellt, nicht zu den bürgerlichen Aktionen zu gehen, nicht weil ich sie nicht für wichtig halte - gerade für ältere Gegendemonstranten - sondern weil ich denke, dass man damit Nazidemos nicht aufhalten kann. Meist ist es jedoch so, dass die Antifa, statt ihre Kräfte in das Aufhalten der Nazidemo zu stecken, sie lieber in Parolen am hinteren Ende einer DGB-Demo verpulvert. Das ist witzig, denn damit erreicht man gleichsam, dass wegen der Abschreckung noch weniger "Bürgerliche" zu einer bürgerlichen Demo kommen und keine Kräfte für Sitzblockaden o.ä. vorhanden sind. Anstatt also um 9 oder so am Neustadt-Centrum zu stehen, um die Jungs (und die paar hässlichen Mädels) "gebührend" zu empfangen oder wenigstens in der Nähe zu bleiben, um Aktionsspielraum zu haben, rennt die Antifa irgendwo durch die Gegend um sich am Ende einkesseln zu lassen.

Dabei ist es gar nicht so schwer, wie hier überall geschrieben wird, eine Demo in einem Plattenbaugebiet aufzuhalten. Der genannte Nachteil ist nämlich gleichzeitig Vorteil - die engen Straßen eignen sich grandios für Sitzblockaden und über Hinterhöfe kommt man dezentral an die Demo heran. Außerdem fuhren die ganze Zeit über die Straßenbahnen an der Demo vorbei, wie auch auf Bildern zu erkennen ist, das heißt einsteigen und früher ankommen. Dabei war die Demo nämlich auch gar nicht so gut abgesichert. Da kenne ich vor Allem aus Neubrandenburg Schlimmeres. Bereits vor Beginn der Demos sind da alle Querstraßen (ebenfalls Platte) abgeriegelt. Die Polizei hat dort nach 2 frühzeitig beendeten Demos aufgrund von Sitzblockaden (u.a. 1. Mai 2007) sehr dazugelernt. In Halle schienen mir die Polizisten zeitweise etwas verwirrt, die meisten kamen wohl auch nicht von dort.

Am Ende bin ich mit meiner Strategie besser gefahren, einfach zum Versammlungsort der Nazis zu fahren und dort zu warten. Alleine und unauffällig gekleidet fragt einem kein Polizist nach einem Presseausweis. So konnte ich wie einige andere "Journalisten" den ganzen Demozug begleiten. Leider komm ich nich aus Halle und konnte somit niemanden Bescheid geben in welche Richtung sich der Demozug bewegt, aber gerade deshalb wäre es auch in Zukunft wichtig, eine oder zwei Personen zum Kundgebungsort gehen zu lassen, allerdings nur Leute, die auch mal die Schnauze halten können und nicht die ganze Zeit "Nazis raus" brüllen.

Naja, ob Antideutsch oder Antiimp, ich denke ihr habt alle 'nen Schaden, eure Meinung auf eine begrenzte Defintion herunterzubrechen, anstatt euren Denkprozess ständig neu zu hinterfragen. Nichtsdestotrotz lag das Problem wohl kaum da, ich sehe die Gründe, wie bereits erläutert eher woanders. Das zeigen mir die Erfahrungen in Neubrandenburg, Güstrow, Stralsund aber auch am 1. Mai in Köpenick. Die Suppe wird leider immer heißer gekocht als gegessen und am Ende haben sich glaub ich viele davon beflügeln lassen, dass es schon mal in grauer Vorzeit eine Nazidemo in Halle geben sollte, die man hatte verhindern können. Da hat der Erfolg wohl auch ein Bisschen arrogant gemacht. Naja, Ende Gelände. ich wünsche den Hallensern viel Spaß mit ihren ANs, die sind ja auch gut im Sticker kleben, hab ich dort des Öfteren schon gesehen.

Hier endlich der Link an alle die bis hier mitgelesen haben:

 http://www.flickr.com/photos/confuse_them

Ergänzungen zur Situation

Hallenser Antifa 08.11.2009 - 22:58
die vorgebrachte kritik ist, zumindest dort wo sie versucht sich auf die situation zu beziehen und nicht irgendwelche leute zu dissen, natürlich berechtigt.
es gibt aber einige details, die für die bewertung nicht ganz unwichtig sind. ich würde hier mal versuchen einige davon zu benennen:

- die bullen und natürlich auch die nazis haben bis zum enden der demo die route geheim gehalten (offensichtlich gab es dazu auch absprachen untereinander)
- daurch war eine strategische planung dazu wann wo welcher platz besetzt werden könnte oder wo die nazis angreifbar sein könnten bis zuletzt nicht möglich
- die situation in neustadt war völlig unübersichtlich und unkalkulierbar, in den letzten 20 jahren hat es in halle immer gut geklappt, die nazis in ihre schranken zu weisen, weil sie immer versucht haben in der halleschen altstadt zu marschieren
- die taktik der bullen war von anfang an, die route der nazis weiträumig abzusperren, dass dort einzelne leute durchkommen ist auch nichts ungewöhnliches,nützt aber nichts, weil von denen keine sinnvollen aktionen möglich sind
- es gab verschiedene versuche die nazis schon auf dem weg aufzuhalten, aber auch die haben nicht so funktioniert wie sie sollten
-es kamen also ziemlich viele ungünstige faktoren zusammen
-natürlich ist es zu kritisieren, dass die plätze der gegendemo scheiße waren, aber es gab anmeldungen auf der vermuteten und dann auch realen route der nazis nur haben die die bullen nicht zugelassen, sicher hätte dagegen geklagt werden müssen
- und das verlassen auf die bündnissleute hat in früheren fällen gut geklappt, weil es bisher immer möglich war rundherum aktiv zu werden, wer am 17.juni in halle war hat das eindrucksvoll sehen können
- ja und natürlich war es ein fehler die gegendemo so zeitig abzusagen
-trotzdem müssen die örtlichen gruppen sich sehr genau gedanken machen wie sie die nervenden ereignisse von gestern auswerten, aber sie werden es tun
- und natürlich muß nochmal klar gesagt werden, dass die nazis gestern keinen meter gelaufen wären, wenn die bullen ihnen nicht mit weit über 1000 leuten im einsatz den weg bereitet hätten
- und natürlich werden es nazis in zukunft in halle genauso schwer haben wie bisher ihren müll öffentlich zu verbreiten

so natürlich gibt es noch weitere punkte ,aber fürs erste reicht es bis hier.

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