Protest gegen Stadtumstrukturierung (Bln)

MediaSpree plattmachen 06.11.2009 14:09 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Vor einem ziemlich fetten Presseforum eröffnete heute morgen Wowereit, unser aller SPD-Bürgermeister, die sanierte East Side Gallery am ehemaligen Mauerstreifen zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Diese Gelegenheit liessen sich einige Aktivist_innen nicht entgehen, um gegen Stadtumstrukturierung, MediaSpree, steigende Mieten und die unsoziale SPD-PDS-Politik zu demonstrieren.
Alleine der Ort war eine Provokation: direkt vor der O2/Anschutz-Halle, auf dem privatisierten Schiffsanlegergelände, das ebenfalls Anschutz gehört, war ein großes weisses Zelt aufgebaut. Bier und Sekt, Wasser und Wein wurden gereicht. Presse war jede Menge da - auffallend viel auch internationale Presse, die Eröffnung der East Side Gallery wurde offensiv in den Kontext 20 Jahre Mauerfall gestellt.

Zuerst gab es eine recht widerliche Präsentation von Mauer"kunst" als Bekleidung für Menschen, die zumindest dem klassischen Schönheitsideal restlos entsprachen: dünne Frauen auf Stöckelschuhen und kernig-szenige Typen - nicht nur total bescheuert, sondern auch ziemlich langweilig. Dann sollte Wowi kommen -aber zuerst kommt natürlich der Protest.

Mit drei Transparenten wurde die Bühne geentert: "Steigende Mieten stoppen", "Weg mit der Scheiss-Halle" und "Schluß mit Gentrifizierung und Verdrängung". Dass hier auch andere Positionen als das selbstabfeiern der politisch-ökonomisch-kulturellen Elite zu Wort kommen sollte, war allerdings nicht im Sinne der Veranstalter. Diese versuchen sofort, den Aktivist_innen die Transparente zu entreissen, und die Leute von der Bühne zu schubsen - was ihnen aber erst einige Zeit später gelang.

Unter den Besucher_innen dieser prachtvollen Veranstaltung war übrigens auch Klaus-Rüdiger Landowsky - einer der Hauptverantwortlichen für den Berliner Bankenskandal. Seitens der Aktivist_innen blieb diese Tatsache, dass Landowsky schon wieder mit der Elite Sekt schlürft, anstatt sich schämend zu verkriechen oder zu versuchen, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen, natürlich nicht unerwähnt.

Am rabiatesten waren die Veranstalter_innen, insbesondere ein recht kleiner Mann mit Hut, der sich als "Vereinsvorsitzender" präsentierte. Bullentechnisch waren einige Zivis da und zwei recht nette Streifenhörnchen. Personalien wurden nicht kontrolliert. Anscheinend wurde Verstärkung angefordert, Wannen sollten kommen, aber ob da noch was war, wissen wir gerade nicht. Auch die Transparente haben überlebt - insbesondere das "Steigende Mieten stoppen"-Transpi, an dem die Bullen bereits bei der Tempelhof-Demo letzte Woche herumzerrten, hat sich wieder einmal als unverwüstlich erwiesen.
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Ergänzungen

Sekt-Elite?

Zar 06.11.2009 - 18:23
Die Bühne wurde von den "Aktivistinnen" nicht geentert sondern von den Veranstaltern zur Verfügung gestellt! Ca. fünf Minuten wurden die Transparente in die Luft gehalten und die Forderungen verlautet. Nachdem den "Aktivistinnen" ein gewisser Zeitraum zur Verfügung gestellt wurde, da deren Anliegen den Veranstaltern durchaus naheliegen (wie auch dem Großteil der Besucher und Gäste), wurden sie gebeten die Bühne zu verlassen. Im Sinne des Protestes wurde der Forderung natürlich nicht nachgekommen, was durchaus verständlich ist. Dass es daraufhin zur Schupsereien kommt sollte den "Aktivistinnen" klar gewesen sein, wenn denn nicht sogar gewollt. Es gab keine Zivilbullen, nur die Entourage von Wowi, was vielleicht aufs selbe hinausläuft. Keine Wannen und keine Verstärkung! Dazu war die ganze Sache auch viel zu harmlos! Das Publikum bestand übrigens zu 90% aus Künstlern aus der ganzen Welt. Es wäre sicher hilfreicher gewesen friedlich die Bühne zu verlassen und mit den Künstlern in Kontakt zu kommen und den zehn Prozent der Sekt-Elite die Fäden aus der Hand zu nehmen. Zumal die Veranstalter sich auch gegen Bebauungspläne etc... wehren mussten. Nein, da heroisiert man lieber eine harmlose Aktion, bei der sobald man aufgefordert wird zu gehen laut aua ruft! (Ich gehörte zu den Gästen und nicht zu den Veranstaltern!)

Zum Thema TV-Tipp heute Abend im ZDF !

Hamburg macht's vor 06.11.2009 - 20:20
und wie sieht es so in anderen Städten aus?
 http://nionhh.wordpress.com

„Ich finde es äußerst notwendig, dass es eine transparente Stadtplanungspolitik gibt. Die Einwohner müssen ein Vetorecht haben. Wir werden permanent vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Stadt, die jetzt um uns herum wächst, ist eine Stadt, in der wir nicht leben wollen, und da spreche ich für Tausende.“
 http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/883320?inPopup=true

Rohmaterial für einen Beitrag auf Aspekte, heute abend ab 23.30h im ZDF

Denn Wunder kommen nicht per E-Mail

ist ausgefüllt 10.11.2009 - 12:44
"> Und die gerade entfachte Dynamik wird auch nur dann einen
> längerfristigen Wandel erreichen und auf andere Städte mit den
> gleichen Problemen übergreifen können, wenn der Protest sich im
> realen öffentlichenRaumhält. Denn Wunder kommen nicht per E-Mail....


> SZ, 9.11.2009
>
> Kampf um die Stadt
> Bei der Besetzung von Künstlerquartieren geht es um die Zukunft der
> Gesellschaft
>
> Hamburg ist eigentlich eine sehr nüchterne, in protestantischer
> Wirtschaftsethik geerdete Stadt, und dennoch sprechen hier gerade
> viele Menschen von einem Wunder. Zwar ist die unerklärliche
> Wandlung, die damit gemeint ist, politischer und nicht sakraler
> Natur, aber das Erstaunen über die Entwicklung, die sich in der
> Stadt vollzieht, seit rund 200 Künstler im August das Gängeviertel
> besetzt haben, geht ähnlich tief. Bürgerschaft und Senat, Verbände
> und Springermedien beschäftigen sich plötzlich in geradezu
> lutherischem Eifer mit kapitalismuskritischen Positionen. Ein
> Manifest über die Verfehlungen rein gewinnorientierter
> Stadtentwicklung mit dem Titel „Not in our name“, das der Gitarrist
> der Hamburger legendären Hamburg Punkband Die Goldenen Zitronen
> verfasste, lieferte zuletzt die Stichpunkte für eine zweistündige
> Bürgerschaftsdebatte über das politische Selbstverständnis der Stadt.
>
> Allein der Weg dieses Schriftstückes sagt viel über eine rapide
> gewandelte Diskussionskultur aus. Von der Seele geschrieben in
> irgendeiner obskuren Nische des Internets wurde „Not in our name“
> von dem sich gerade bildenden Netzwerk „Recht auf Stadt“
> aufgegriffen, dann von Hamburgs größter Lokalzeitung, dem Hamburger
> Abendblatt, sowie der Zeit nachgedruckt, um schließlich zu einer
> sehr ernsthaften und teilweise selbstkritischen
> Parlamentskontroverse darüber zu führen, wessen Interessen in der
> Stadtentwicklung eigentlich denVorrang haben sollten: die der Bürger
> oder die der Investoren.
>
> Sieht man sich diesen Prozess aber genauer an, so verliert er etwas
> von seiner Heiligkeit. Denn das Wunder von Hamburg, das in der
> Rettung des Gängeviertels vor der Zerstörung durch einen
> holländischen Investor demnächst vermutlich einen ersten konkreten
> Schritt neuer Prioritätenbildung erlebt, beruht doch auf der guten
> alten Organisation von Unbehagen, die manaus der Geschichte
> politischer Bewegungen kennt. Widerstand gegen eine allzu einseitige
> Stadtentwicklung, die zwischen Planern, Investoren und Architekten
> nach den Kriterien von Höchstgebot, Rendite und Ästhetik
> ausgekungelt wird, gibt es in Hamburg nämlich schon lange. Aber die
> vielen Bürgerinitiativen gegen einzelne Projekte agierten für sich
> und deshalb erfolglos. Seit einigen Monaten aber beginnen diese
> Gruppen, sich in dem offenen Netzwerk „Recht auf Stadt“ zu
> organisieren – und bemerken dabei erstmals ihre Stärke.
>
> Diese Stärke – und das ist vielleicht das wirklich Moderne an dieser
> Organisationsform – resultiert nicht aus einem einheitlichen
> Programm und parteiförmigen Hierarchien, sondern aus Heterogenität
> und Vernetzung. Bedachte wie verbohrte Linke, kritische Künstler und
> zornige Mieter mit Räumungsbefehl, Schrebergarten- Fans und
> alternative Sozialarbeiter entstammen zwar sehr unterschiedlichen
> Milieus und finden auch nicht immer einen gemeinsamen Jargon.
>
> Aber in der Beobachtung, dass die intensive Neubautätigkeit, die
> nicht nur in der Hamburger Hafencity, sondern auch in der alten
> Stadt und den angrenzenden Quartieren massiven Wandel bringt, ihren
> Lebensraum zunehmend sozial entkernt, sind sich alle Empörer einig.
>
> Das aber ist ein Gefühl, das auch Lokaljournalisten und
> Parlamentarier teilen können, weswegen sie sich plötzlich geradezu
> dankbar dafür zeigen, dass jemand das Recht der Bürger auf ihre
> Stadt so formuliert, dass sie sich die Sache politisch zu eigen
> machen können.Das traditionell stark regierungshörige Hamburger
> Abendblatt verwandelt sich in dieser Debatte endlich in eine Zeitung
> mit Haltung, in der flammende Kommentare gegen die weitere
> Stadtzerstörung durch gesichtslose Neubauten und für den Erhalt der
> Künstlerkolonie Gängeviertel im Hinterhof des Verlagsgebäudes
> stehen. Und die traditionell investorenhörigen CDUPolitiker der
> Stadt empören sich plötzlich über die Erpressermentalitäten von
> Immobilien-Entwicklern, womit sie sich unversehens in einer großen
> Koalition befinden, die über das grün-linke Bildungsbürgertum bis zu
> den Rote-Flora-Aktivisten reicht, die man sonst so gerne als Chaoten
> beschimpft.
>
> Ganz offensichtlich ist die Diskussion über den Wert städtischen
> Lebens so überfallig, dass selbst heißgeliebte Feindbilder sie nicht
> mehr aufhalten können. Wobei es der neuen Allianz sicherlich
> dienlich ist, dass ihr Geist ein konservativer ist, auch, wenn ihre
> Impulsgeber aus der linken Subkultur stammen. Denn das zentrale
> Anliegen von „Recht auf Stadt“ ist Bewahren und Schützen. Von
> denmomentan rund zwanzig Initiativen, die unter dem Motto gemeinsame
> Aktionen planen, geht es eigentlich allen um den Erhalt von etwas.
>
> Das Bernhard-Nocht-Quartier am Hafenrand soll als preiswerter
> Wohnraum mit der typisch bunten und scheddrigen Struktur St. Paulis
> vor Luxussanierung geschützt werden. Die Künstler, die in dem
> leerstehenden ehemaligen Karstadt- Kaufhaus in Altona eine große
> Ateliergemeinschaft gebildet haben, wehren sich gegen den Abriss des
> Gebäudes für einen Ikea-Neubau. Der autonome Stadtteiltreff Centro
> Sociale imSchanzenviertel, Ausgangspunkt und Versammlungsort der
> „Recht auf Stadt“-Zusammenballung, konnte gerade dank breiter
> Unterstützung in der Bevölkerung vor der Schließung bewahrt werden.
> Aber auch Grünzüge, die von einer Fernwärmeleitung des
> Energiekonzerns Vattenfall bedroht sind, oder Straßen im
> Schanzenviertel, die unter dem kommerziellen Erfolg des Quartiers
> ihre Lebensqualität zu verlieren beginnen, stehen auf der Roten
> Liste der aussterbenden Erlebnisarten.
>
> Dass diese Diskussion auch in der Kaufmannsstadt Hamburg nicht ohne
> antikapitalistischen Zungenschlag geführt werden kann, liegt in
> derNatur der Sache. Denn im Querschnitt des Protestes geht es um
> eine Wertediskussion, die persönliche gegen kommerzielle Ansprüche
> zu behaupten versucht. Während das investmentgesteuerte Stadtdesign
> eine global verarmte Sprache aus Läden, Neubauten und Verkehrswegen
> produziert, lieben Menschen immer noch Attribute von Heimat, die
> sich dem Geldwert-Denken entziehen.Kleine Krämer, verfallene
> Nischen, verwunschene Parks, eigensinnige Kneipen, skurrile
> Nachbarschaften, architektonischer Eigensinn oder einfach
> Erinnerungsorte geben einer Stadt ihre Seele, bedürfen aber
> besonderer Obhut, denn sie dienen einer wirtschaftlichen
> Wachstumsideologie höchstens mittelbar.
>
> Natürlich ist dies kein Hamburger Privatproblem. Seit den sechziger
> Jahren hat es überall auf der Welt lokale zornige Bewegungen
> gegeben, die der Zerstörung der Stadt durch monokausale
> Wirtschaftsargumente entgegengetreten sind. Jane Jacobs
> Grundlagentext „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ erschien
> schon 1961. Dort, wo die Bewegungen unterlegen sind, sieht es heute
> aus wie in einer Downtown im amerikanischen Mittelwesten oder der
> Hamburger Innenstadt: öde, langweilig und kalt.
>
> Dort, wo sie Erfolg hatten, strömen die Touristen und freuen sich an
> den Qualitäten einer lebendigen und abwechslungsreichen Stadt. Doch
> das Neue und Zeitgemäße an dieser Protestkultur ist ihre virtuelle
> Schlagkraft.
>
> Organisation und Diskussion verlagern sich –wie bei „Recht auf
> Stadt“ – zu einem entscheidenden Teil ins Internet und führen dazu,
> dass sich die fälligen Denkanstöße viral über den eigentlichen
> Standort hinaus ausbreiten können. Da sind die um sich greifenden
> Besetzungen von Universitätsgebäuden durch unzufriedene Studenten.
> In München haben Künstler nach dem Vorbild der Gängeviertelbesetzung
> die Gebäude auf der Praterinsel besetzt. Da ist aber auch der hohe
> Grad an historischer Recherche und theoretischer Fundierung, den die
> Quellen des Internets den Initativen für ihre Argumente bieten. Und
> so befördern die schnelle Kommunikation und das globale Archiv die
> Ausbreitung des Lokalen ins Grundsätzliche.
>
> Doch auch im digitalen Zeitalter lebt jede soziale Bewegung
> weiterhin von der persönlichen Präsenz. Ohne die Besetzung des
> Gängeviertels, ohne die einnehmende und unideologische
> Verhandlungsbereitschaft sowohl der Künstler wie der beteiligten
> Behörden, ohne die Unterstützung von Prominenten wie dem Maler
> Daniel Richter, dem Regisseur und Musiker Rocko Schamoni, dem
> Regisseur Fatih Akin oder dem Schauspieler Peter Lohmeyer, bliebe
> die politische Vernetzung eine linke Nabelschau.
>
> Und die gerade entfachte Dynamik wird auch nur dann einen
> längerfristigen Wandel erreichen und auf andere Städte mit den
> gleichen Problemen übergreifen können, wenn der Protest sich im
> realen öffentlichenRaumhält. Denn Wunder kommen nicht per E-Mail."

ENDE

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na hallo! — ...

Squat Tempelhof — Landowsky

Auch Harald Schmidt — sagt ja zu Berlin!