Russische Märsche In Russland 2009

* aka * 06.11.2009 12:30 Themen: Antifa Weltweit
Am „Tag der Nationalen Einheit“ gingen in circa 15 Städten und in Kiew tausende regierungstreue und radikale Nationalisten in „Russischen Märschen“ auf die Straße. Allein in Moskau gab es mindestens sechs größere Veranstaltungen an denen sich bis zu 30.000 Menschen beteiligten. In den anderen russischen Regionen fanden ebenfalls rechte Kundgebungen und Aufmärsche statt. Antifaschistischen Protest gab es in Moskau und in Petersburg. In Moskau fand eine Kundgebung und Konzert unter dem Motto „Russen gegen den Faschismus“ statt. In Petersburg störten antifaschistische Aktivist_innen die Kundgebung der Nationalisten. In den anderen Städten wurden zumeist Plakate gegen die Russischen Märsche geklebt und Graffitis gesprüht.
Die größte Veranstaltung in Moskau führte die staatsloyale Jugendorganisation „Naschi“ (Unsere) durch. Zu ihrem „Russischen Marsch“, der mit einer Auftaktkundgebung am Bereschkowski Ufer begann kamen circa 10.000 Demonstrant_innen. Bei ihrer Abschlusskundgebung unmittelbar an der Kremlmauer, in der Nähe des Roten Platzes versammelten sich mindestens 20.000 Menschen zu seichtem russischen Pop und staatsbürgerlichem Harmonisierungsgesülze.

Gleichzeitig fand ebenfalls in der Nähe des Roten Platzes, auf dem Platz der Revolution die Veranstaltung der Regierungspartei „Edinaja Rossija“ (Einiges Russland) und ihrer Jugenorganisation „Molodaja Gvardija“ (Junge Garde) statt zu der laut Behörden / Interfax bis zu 9.000 Menschen kamen. Vermutlich schlossen sich die Teilnehmer_innen später der Abschlusskundgebung der „Naschisten“ am Ufer der Moskva an.

Der „Russische Marsch“ der radikalen Nationalisten fand im südöstlichen Moskauer Randbezirk Ljublino statt. 2.000 bis 3.000 radikale Nationalisten versammelten sich. Es beteilgiten sich neben den Organisatoren der „Bewegung gegen Illegale Einwanderung“ (DPNI) und des „Slaviaskij Sojuz“ (Slawische Union) sichtbar weitere prominente radikalnationale Organisationen. Einen großen Block stellten Nazihools von Spartak Moskau, in deren Forum offensiv zum Aufmarsch aufgerufen wurde. Außerdem kam aus dieser Richtung ein Aufruf zur Einheit zwischen der DPNI, der Slawischen Union, die für den „Russischen Marsch“ stehen, und den freien Nationalisten von „Russkij Obraz“ (Die Russische Art), die im Zentrum Moskaus gleichzeitig zum Aufmarsch eine Kundgebung mit mehreren Nazibands organisierte.

Während des „Russischen Marsches“ in Ljublino wurde mehrfach die nationalsozialistische Hackenkreuzfahne gezeigt. Durchaus üblich war das Zeigen des sogenannten Römischen Grußes. Außerdem soll es, wie das Informations- und Analysezentrum SOVA berichtet, am Rand des Aufmarsches zu Übergriffen auf Migrant_innen aus dem Kaukasus gekommen sein. Die Polizei spricht von einem ruhigen Verlauf. Festnahmen gab es nicht. Auch nach dem xenophoben Übergriff hielten sich die Sicherheitsorgane zurück.

Die zweite Veranstaltung militanter Nazis war die Kundgebung und die Konzerte von „Russkij Obraz“ und der Gruppe „Soprotivlenie“ (Widerstand) des rechten Freefightboxers Roman Senzov, der sich allerdings auch an dem „Russischen Marsch“ in Ljublino beteiligt hatte. Zu dieser Veranstaltung kamen zunächst 500 Nazis. Die Zahl sollte sich im Verlaufe der Konzerte allerdings sichtbar erhöhen. Die Neuankömmlinge vom Aufmarsch der DPNI und der Slawischen Union sorgten dafür, daß 2.000 Naziskins, Nazihools, NS Straight Edgers und andere Widerlinge sich sichtlich wohlfühlten.

Übrigens dürfte der Auftritt der Naziband „Kolovrat“ (damit ist eine stilisierte Schwarze Sonne gemeint) für einigen Zulauf gesorgt haben. Diese Nazis sind schon seit einigen Jahren nicht mehr aufgetreten. Sie wurden durch rassistische, xenophobe, antisemitische und Anti-Antifa-Songs bekannt. Womöglich legten die Nazihools von Spartak auf dieses Konzert besonderen Wert und bemühten sich deshalb um eine terminliche Absprache zwischen den konkurrierenden Gruppen DPNI und „Russkij Obraz“.

Weitere radikalnationale Veranstaltungen führten der „Evraskij Sojuz Molodjezhi“ (Eurasische Jugendunion), zu der circa 400 Querfrontnazis kamen, nationalistische Student_innen dessen Aufmarsch circa 5.000 Demonstrant_innen versammelte und die rechtspopulistisch xenophobe Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR) mit bis zu 2.000 Teilnehmer_innen durch.

Auch hier, so berichten die Sicherheitsbehörden, gab es keine Festnahmen oder Störungen. Grundsätzlich soll es über den ganzen 4. November in Moskau ruhig gewesen sein. Umso erstaunlicher ist, daß dennoch circa vier Dutzend Antifaschist_innen für beinah drei Stunden von der Polizei festgehalten wurden. Sie kamen von der antifaschistischen Kundgebung „Russen gegen Faschismus“, an der sich am Vormittag mindestens 600 Menschen aus verschiedenen Spektren beteiligten.

Zu dem Bündnis und dem nationalistischen Motto gab es im Vorfeld der Verantaltung Kritik von Anarchist_innen, die auf dem Portal Libertärer Kommunist_innen avtonom ( http://avtonom.org) veröffentlicht wurde. Mit der Erklärung „Antifaschismus hat keine Nationalität“ wurde dem zum Teil patriotischen und nationale antifaschistischem Diskurs in Russland eine klare antinationale Position entgegengesetzt.

Weitere antifaschistische Interventionen gab es in Petersburg. Einige Aktivist_innen entrollten während der Kundgebung der radikalen Nationalisten ein Transparent mit der Aufschrift „Nationalimus auf den Müll“ und skandierten „Nazis töten – Behörden verschleiern“. Trotz der unmittelbaren Angriffe durch Nazis konnten die Antifaschist_innen für einige Minuten den nationalistischem Dünnschiß ihre Kritik entgegensetzen. Die vier mutigen Tranpihalter_innen wurden festgenommen. Die anderen Aktivist_innen flohen, konnten den Kundgebungsort allerdings dennoch antifaschistisch verschönern.

Weitere Russische Märsche gab es in Barnaul (Altai-Kreis), in Volgograd, mit bis zu 400 Teilnehmer_innen. In Izhewsk versammelten sich erstmals circa 100 Nationalisten. In Kirov versammelte die DPNI circa 250 rechte Demonstrant_innen. In Kirov waren es lediglich 50 radikale Nationalisten. In Krasnojarsk kamen höchtens 200. In Nizhnij Novgorod zogen bis zu 200 Demonstrant_innen durch die Stadt. In Großnovgorod beteiligten sich um die 100 Menschen. In Novosibirsk waren circa 500 radikale Nationalisten auf dem lokalen „Russischen Marsch“. In Tula stellten zumeist Naziskins den größten Block der bis zu 400 Demonstrant_innen. In Kaliningrad, der russischen Enklave im Baltikum, versammten sich 50 radikale Nationalisten. In Kiew zogen einige Hundert Monarchisten und fundamentalistische Orthodoxe bewaffnet mit Ikonen, Portraits des seliggesprochenen Zaren Nikolaus II und imperialen Standarten durch die Stadt.

Der „Russische Marsch“ in Vladivostok wurde aufgrund innerrechter Auseinandersetzungen abgesagt. Die drei Dutzend Naziskins wurden nach Hause geschickt. In Krasnodar kamen circa 60 Nationalisten die allerdings unverrichteter Dinge abziehen mussten, weil der Anmelder festgenommen wurde. In Samara fiel der Aufmarsch ebenfalls ins Wasser.

Antifaschistischer Protest in diesen Städten beschänkte sich darauf, die Bevölkerung an der Route über die Organisatoren der „Russischen Märsche“ und seinen Charakter mit Plakaten und Graffitis zu informieren.

Weitere Informationen in russischer Sprache

Informations- und Analysezentrum SOVA  http://xeno.sova-center.ru
Russisches Indymedia  http://ru.indymedia.org
Indymedia Piter  http://piter.indymedia.org
Antifa Russia  http://community.livejournal.com/ru_antifa
Blog der Antifa Russland  http://www.antifa.ru
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... 06.11.2009 - 12:42
In Russland sind selbst die vermeintlichen "Antifaschisten" Nationailsten, wie sowas zusammen passt?

wie [passt] sowas zusammen (passt)?

Aufmerksam 06.11.2009 - 18:55
Selbst in der deutschen Linken ist seit ewigkeiten der Faschismusbegriff eine Hülle für das Böse. Differenzen zwischen Nazismus, Faschismus und in ganz schlimmen Fällen zum Kapitalismus bürgerlicher Spielart kennt der durchschnittsantifa für gewöhnlich nicht mal im Ansatz. Ebenso hat man es bei einem großen Teil der Bevölkerung. Die grauen Wölfe (die antisemitische und fremdenfeindliche rechte mit aktzent auf der Turkkultur) z.B. sehen sich auch gegen den Faschismus gerichtet. Dieser ist für sie etwas ethnisches, weil sie sich nur ethnisch Denken. Faschismus ist dort ein völlig inhaltsloser und rein personifikativer Begriff. Die deutschen waren Faschisten ergo ist es etwas deutsches (das was den türken ihre sprache und ihre kultur wegnehmen möchte). Etwas ähnliches tritt in Russland auf. "Russen gegen Faschismus" ist vor allem eine Ethnie gegen Faschismus. Das resultiert zum einem in der Beherbergung der Sowjettradition. Man übernahm einfach alles was lieb und teuer war. Was früher unter sowjetischem Banner geschwungen wurde, wird heute unter russischem geschwungen. Die Kontinuität ist ungebrochen. Nichts an Russland, auch nicht die Sowjetunion, kann schlimm gewesen sein. Alles ist glorreich. Und somit haben die Russen den Faschismus geschlagen. Ergo, kann russisch gar nicht faschistisch sein.
Das diese Begriffe bereits unter Sowjetzeiten so handiert wurden, wie überall auf der Welt und auch bis heute in der deutschen Linken, zeigt auch warum man mit dem dritten Reich anscheinend den Faschismus und nicht den Nazismus verbindet (was so ist als würde ich mit einem gelben gummibärchen das rote verbinden). Die Sowjetunion hat sich dagegen Kontrastiert. Der Faschismus war die äußerste Aggression des Bürgertums gegen die Arbeiter. Da hatte sowas wie Antisemitismus gar keine Rolle. Auch heute noch gehört das in Teilen der Linken eher zu einem Staatsprogramm, welches versucht von inneren Problemen abzulenken (Gegnstandpunkt, ...ums Ganze...) und kann nicht das konstitutive Moment einer Ideologie sein. Dumm nur das diese Leute gleichzeitig nur dann nicht müde werden gegen totalitarismustheorien aufzbegehren, wenn es um vergleiche zwischen faschismus (also deutschland....) und sowjetunion geht. Wobei zwischen frühen Faschismus und der Sowjetunion noch viel mehr gemeinsamkeiten bestehen als zwischen nazismus und faschismus... wie auch immer. Wenn man sich den Gegenstand angeguckt hätte, dann wäre man gar nicht darauf gegekommen sich darüber zu wundern, das das tickett antifaschistisch jemals als bloßes etwas getaugt hat.