Aachen: 2. Prozesstag gegen Heinrich Boere

AK Kein Vergessen! 03.11.2009 23:26 Themen: Antifa Militarismus
Zweiter Prozesstag im NS-Verbrecherprozess gegen Heinrich Boere in Aachen -- Verteidigung beantragt Einstellung des Verfahrens -- Im Gerichtssaal wurden abermals Neonazis geduldet
Der zweite Prozesstag am 02.11.09 endete mit dem Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens gegen Heinrich Boere. Dabei bezogen sich die Anwälte Boeres, Gordon Christiansen und Matthias Rahmlow, auf das Schengener Abkommen. Durch die vorherige Verurteilung in den Niederlanden könne es in Deutschland nicht erneut zu einer Verurteilung kommen. Weiterhin könne eine Vollstreckung des Urteils aus den Niederlanden nicht umgesetzt werden, argumentierte die Verteidigung und verwies auf ein Urteil vom Europäischen Gerichtshof vom 9.3.2006 in einem Verfahren mit gleichem Prozesssachbestand.
Die Entscheidung zu den Anträgen wurde auf den nächsten Prozesstag vertagt. Als Entscheidungshintergrund verlass Richter Nohl die Urteilsbegründung vom Bijzonder Gerichtshof Amsterdam vom 19.10.1949.

Der Prozesstag begann allerdings erneut mit Anträgen der Verteidigung. Bezugnehmend auf den ersten Prozesstag wurde der Befangenheitsantrag zu Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß ergänzt. Dieser habe in einem Interview im niederländischen Nachrichtenmagazin eenvandaag im Sender NL1 keinen Zweifel an einer Verurteilung des SS-Mörders Boere gelassen und sei damit nicht ergebnisoffen. Ausserdem habe Maaß der Presse nicht-öffentliche Informationen zukommen lassen und pflege ein „kumpelhaftes Verhältnis“ zu den JournalistInnen des Nachrichtensenders. In einem weiteren Antrag stellte die Verteidigung Strafanzeige gegen die
JournalistInnen von eenvandaag, die Boere in seiner Wohnung in Eschweiler besucht hatten und heimlich das Gespräch filmten.
Auf den Befangenheitsantrag antwortete Maaß in
einer Stellungnahme. Er lehnte seinen Rücktritt als leitender Staatsanwalt
ab und rechtfertigte sein Interview im niederländischen Fernsehen mit dem
Recht der Öffentlichkeit auf Information. Zudem betonte Maaß, die Anträge
der Verteidigung seinen schlicht Verzögerungstaktik.
Dieser Einschätzung folgte auch Detlef Hartmann, Anwalt der Nebenklage.
Hartmann stellte fest, dass die Verteidigung bereits den ersten Prozesstag
genutzt habe, um eine Umkehrung von Täter und Opfer vorzunehmen. In diesem
Zusammenhang erinnerte der Anwalt daran, dass Gegenstand dieses Prozesses
die Verbrechen gegen die Menschlichkeit der terroristischen SS seien. Es
dürfe nicht zugelassen werden, dass sich das SS-Mitglied Heinrich Boere
hier als Opfer aufspiele.
Auch der zweite Nebenklageanwalt, Wolfgang Heiermann, schloss sich dieser Einschätzung
an und ergänzte, Strategie der Verteidigung sei es, das Verfahren so lange
herauszuzögern, bis das Interesse der Öffentlichkeit nachlasse.
Das Gericht lehnte nach Beratung den Befangenheitsantrag der Verteidigung ab. Die Staatsanwaltschaft müsse in jedem Verfahren von einem dringenden Tatverdacht ausgehen und darf diese Meinung auch durchaus im Vorhinein vertreten. Er habe jederzeit, auch im Interview mit eenvandaag, eine mögliche Ergebnisänderung zu erkennen gegeben. Ebenso könne der Verdacht nicht bestätigt werden, Maaß habe von den heimlichen Filmaufnahmen gewusst oder es billigend in Kauf genommen.
Im Anschluss wurde die Anklageschrift gegen Heinrich Boere verlesen --
allerdings nicht von Ulrich Maaß, sondern von seinem Stellvertreter Andreas
Brendel.
Der wichtigste Zeuge der Anklage, Jacobus Pedrus Westemann, der am heutigen Prozesstag gehört werden sollte, erschien nicht vor Gericht. Westemann war Mitglied der SS-Division Westland und war 1949 im Zusammenhang mit den Silbertanne-Morden in den Niederlanden verurteilt worden und hatte 13 Jahre seiner Haftstrafe verbüßt. Die Verteidigung beantragte die erneute Vorladung des Zeugen, wenn nötig mit Rechtshilfe durch die niederländischen Behörden. Er sei der wichtigste und einzige Zeuge und müsse daher gehört werden. Westemann hatte in einem Gespräch zu Protokoll gegeben, dass er nicht vor einem deutschen Gericht erscheinen wolle. Er sei „enttäuscht von den Deutschen“ und fühle sich verraten, da nur sie von den Silbertannemorden gewusst haben können.

Auch bei diesem Prozesstag waren Neonazis und Mitglieder der NPD zugegen. Wie während des ersten Prozesstages provozierten sie
auch heute mit T-Shirts, auf denen Symbole der Nationalsozialisten
abgebildet waren, so die der Division Windhund. Auch heute nahm der
vorsitzende Richter Nohl dies nicht zum Anlass die Neonazis wegen
politischer Willensbekundung des Saales entfernen zu lassen. Als die
Neonazis den Prozess mit Zwischenrufen störten, wurde gegen diese nicht
umgesetzt, was beim ersten Prozesstag ProzessbeobachterInnen angedroht wurde.
Die Neonazis durften heute trotz mehrfacher Unterbrechungen und politischen
Willensbekundungen dem Prozess bis zum Ende beiwohnen und ihre Sympathien
zur SS, ihr Bekenntnis zum Nationalsozialismus ins Gericht tragen. Der Anwalt der Nebenklage betonte in seiner Stellungnahme noch einmal deutlich, dass er es als Zeichen der Zustimmung und Hinweis auf die aktuelle politische Einstellung Boeres werte, dass dieser sich nicht wenigstens durch seine Anwälte von den Sympathiebekundungen und SS-Verherrlichungen der Neonazis distanziert habe. Damit sei Reue ausgeschlossen.




Immer aktuelle Infos unter:  http://akantifaac.blogsport.de/kein-vergessen/

weitere Infos: zum ersten Prozesstag:  http://de.indymedia.org/2009/10/264397.shtml

zu den Hintergründen:  http://de.indymedia.org/2009/09/262272.shtml

zu Boeres Verfassungsbeschwerde:  http://de.indymedia.org/2009/10/264222.shtml

Auch immer interessante Infos gibts beim Journalisten Michael Klarmann  http://klarmann.blogsport.de
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Ergänzungen

Zu den provozierenden Neonazis...

Klar, Mann? 04.11.2009 - 08:43
...wäre dieser Link passender, als der auf meinen Blog generell:

 http://klarmann.blogsport.de/2009/11/03/rechts-vorgetaeuschte-kameradschaft-die-kameradschaft-westwall/

Weitere Berichte

Presse 04.11.2009 - 17:01
Später Prozess gegen den SS-Mann Boere

Kaltblütig erschoss er 1944 drei niederländische Zivilisten, nach dem Krieg lebte er unbehelligt in Deutschland. Nun steht der SS-Veteran Heinrich Boere vor Gericht.
weiter:

Den 3. September 1944 wird Tuin de Groot nie vergessen. Er war elf Jahre alt, als es am frühen Morgen an der Haustür im niederländischen Voorschoten bei Leiden klingelte. Tuins Vater Teunis de Groot öffnete, noch im Schlafanzug. Draußen standen zwei junge Männer in schwarzer Uniform. Einer der SS-Schergen zog eine Pistole aus der rechten Manteltasche, tötete den Fahrradhändler mit zwei, drei Schüssen. Der heute 76-jährige Tuin de Groot erinnert sich bis heute an den "schrecklich süßen Geruch" des Blutes.

weiter:  http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-11/nationalsozialismus-prozess-boere







Antrag auf Einstellung im NS-Prozess gegen Boere
Montag, 02. November 2009, 14:06 Uhr

Aachen (dpa/lnw) - Im NS-Prozess gegen den früheren SS-Mann Heinrich Boere (88) hat die Verteidigung die Einstellung des Verfahrens beantragt. Nach der Verurteilung Boeres durch den Sondergerichtshof Amsterdam 1949 sei ein zweites Strafverfahren nicht zulässig, argumentierte die Verteidigung. Boere soll 1944 als Mitglied des SS-Killerkommandos «Feldmeijer» drei niederländische Zivilisten erschossen haben. Boere habe die vermeintlichen Widerstandskämpfer aus niedrigen Beweggründen heimtückisch getötet, hieß es in der am Montag verlesenen Anklage.

Quelle:  http://www.bild.de/BILD/regional/koeln/dpa/2009/11/02/antrag-auf-einstellung-im-nsprozess-gegen.html







Ehemaliger SS-Mann vor Gericht
Später Prozess
Von Volker Schmidt

Mord in drei Fällen. Aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch getötet habe Heinrich Boere 1944, heißt es in der Anklage, die am Montag vor dem Landgericht Aachen verlesen wurde. Der heute 88-Jährige Ex-SS-Kämpfer hat die Taten mehrfach in Interviews zugegeben. Er will seine Opfer für Partisanen gegen die deutsche Besatzung gehalten haben, für "Terroristen".

Tuin de Groot hat lange auf diesen Prozess gewartet. Der heute 76-Jährige war elf, als es am frühen Morgen des 3. September 1944 an der Haustür in Voorschoten bei Leiden klingelte. Draußen stand ein junger Mann in SS-Uniform. Er zog eine Pistole aus der rechten Manteltasche, schoss zwei-, dreimal. Tuins Vater Teunis de Groot lag tot in seinem Blut.

Boere, zur Tatzeit 22 Jahre alt, wurde 1945 in den Niederlanden festgenommen, entkam 1947 nach Deutschland und wurde 1949 in Abwesenheit in Amsterdam zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde später in lebenslange Haft umgewandelt - doch Boere musste es nie absitzen.

weiter:  http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/2055679_Ehemaliger-SS-Mann-vor-Gericht-Spaeter-Prozess.html







Opfer-Söhne erbittert über deutsche Justiz
Politik, 03.11.2009, Annika Fischer
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Aachen. Am zweiten Prozesstag gegen SS-Mann Heinrich Boere fordert sein Anwalt die Einstellung des Verfahrens: Sein Mandant sei bereits verurteilt. Die Söhne des Opfers sind sauer: Deutschland sei seiner Verantwortung nicht nachgekommen.

Es wird Zeit: Die ganze Sache ist jetzt 65 Jahre her, der Mann 88 und das erste Urteil auch schon sechs Jahrzehnte alt. „Im Namen der Königin” beschied das niederländische „Bijzonder-Gerecht” 1949, was ja nicht einmal der Angeklagte selbst je bestritten hat: dass der Schuhmacher Heinrich Boere aus Maastricht im Kriegsjahr '44 drei Menschen erschossen hat. Mit einer Waffe, die er stets in der rechten Manteltasche trug und die „allen guten Niederländern verboten war”. Boere aber war kein guter Niederländer, er war in der „Germanischen SS”, er zog aus, Menschen zu töten: den Fahrradhändler Teunis de Groot aus Voorschoten, den Apotheker Bicknese aus Breda, und Frans Willem Kusters in Wassenaar.

So viele Jahre, wenig Zweifel und wieder eine Gerichtsverhandlung, aber sie tun sich immer noch schwer. Am zweiten Tag hat das Aachener Schwurgericht unter den sehr interessierten Augen der niederländischen Öffentlichkeit endlich richtig angefangen mit dem Prozessieren, da wäre nach dem Willen der Verteidiger am besten endgültig Schluss: Nachdem er vergeblich versucht hat, den Staatsanwalt wegen Befangenheit austauschen zu lassen, beantragt Gordon Christiansen die Einstellung des Prozesses. Es gebe doch schon ein Urteil, und „Doppelverfolgung” wegen ein- und derselben Straftat sei nicht rechtens.

weiter:  http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/rhein-ruhr/2009/11/2/news-139354431/detail.html






NS-Verbrecher: Prozesseinstellung beantragt

Aachen - Im Prozess gegen den früheren SS-Mann Heinrich Boere hat die Verteidigung die Einstellung des Verfahrens beantragt, ein Urteil verstieße gegen das Verbot der Doppelbestrafung.

Nach der Verurteilung Boeres 1949 in den Niederlanden sei ein zweites Strafverfahren nicht mehr möglich. Die Befangenheitsanträge gegen Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß lehnte das Gericht unterdessen ab. In der am Montag verlesenen Anklageschrift warf Maaß dem heute 88-Jährigen dreifachen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor.

Der Sohn einer Deutschen und eines Holländers, der 1940 der Waffen-SS beigetreten war, soll im Juli und September 1944 zusammen mit weiteren SS-Männern drei Zivilisten in Breda, Voorschoten und Wassenaar erschossen haben.

weiter:  http://www.kreiszeitung.de/nachrichten/deutschland/einstellung-prozess-gegen-mutmasslichen-ns-verbrecher-beantragt-509469.html

Kleine inhaltliche Ergänzung

AK Kein Vergessen 04.11.2009 - 17:27
Der Zeuge der Anklage heißt Jacobus Pedrus Bestemann, nicht Westemann.