Uni Halle: Solidaritätsaktion für Wien

Studierender in Halle 28.10.2009 17:35
Am frühen morgen hingen einige Studierende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am Unicampus zwei Transparente auf, um ihre Solidarität mit den Bildungsprotesten an den österreichischen Universitäten zu bekunden.
Außerdem wurden an mehreren Universitätsstandorten in Halle Plakate (siehe unten) aufgehängt und folgende Erklärung, welche auch als Flyer verteilt wurde, abgegeben:

In Wien wird die Uni besetzt und niemanden interessiert's?


Am letzten Dienstag, dem 20.10., besetzten Studierende in Wien die Akademie der bildenden Künste. Nach einer Demonstration am Donnerstag, dem 22.10., wurde in einer spontanen Aktion von über 1000 Studierenden das Audimax der Universität in Wien besetzt. Studierende in anderen österreichischen Städten zogen nach und besetzten ebenfalls Gebäude ihrer Universitäten und halten diese nach wie vor.
In Österreich regen sich massive Proteste gegen den Bologna-Prozess und die damit einhergehende Ökonomisierung der Bildung. Das deutsche Medienecho darauf ist annähernd NULL. Hat mensch Angst das sich auch in Deutschland die 250.000 Studierende regen, welche am 17. Juni auf die Straße gingen? 250.000 Studierende in ganz Deutschland (davon über 3000 hier in Halle), welche gegen die gleichen Entwicklungen protestiert haben wie jetzt in Österreich?
Der Bologna-Prozess ist zwar gescheitert, aber eine Vereinheitlichung wurde geschaffen. Die Vereinheitlichung der universitären Probleme. Die Forderungen der BesetzerInnen in Wien können wir hier ohne große Änderungen unterschreiben. Die Probleme, die in Wien thematisiert werden, sind unsere Probleme. Die Forderungen die in Wien gestellt werden sind unsere Forderungen - und wir müssen dafür sorgen, das diese Forderungen Gehör finden.

Wir erklären unsere Solidarität mit den BesetzerInnen in Österreich!
unibrennt.at

Lasst euch nicht mundtot machen durch den Stress des Bachelor-Systems und werdet aktiv!

Rückseite des Flyers

Was haben wir mit Wien zu tun?
Ein Vergleich der Wiener Forderungen und unserer Situation


1) Bildung statt Ausbildung
Bildung für eine mündige Gesellschaft und nicht bloße Ausbildung nach wirtschaftlicher Verwertbarkeit! Unser Ziel ist die Möglichkeit eines freien, selbstbestimmten Studiums für Alle! Wir wollen keine Verschulung der Studienpläne! Daher fordern wir eine grundlegende Überarbeitung des BA/MA Systems.


Auch in Halle hat die Einführung der BA/MA-Abschlüsse zu einer anderen Art des Studierens geführt: Längst ist man an einen starren Stundenplan gebunden, muss der vorgegebenen Reihenfolge von Prüfungen folgen, egal wie wenig dies den Gegebenheiten entspricht und hat keine Zeit um Veranstaltungen aus „reinem“ Interesse zu besuchen. Am Ende steht man derzeit in der Regel mit einem nicht akkreditierten Bachelor da, kann daher nur erschwert an andere Universitäten wechseln, wenn man überhaupt die hohen Hürden zum Master-Studienplatz überspringt. Ein „Weiter so...“ darf es daher nicht geben!

2) Freier Hochschulzugang
Freie Studienplätze für Alle und Abschaffung der Studiengebühren, auch für nicht-EU-BürgerInnen und Langzeitstudierende. Die Sicherstellung eines angemessenen Lehrangebots und die Qualität der Lehre darf nicht durch Zugangsbeschränkungen erwirkt werden. Freier Hochschulzugang und qualitativ hochwertige Lehre sind kein Widerspruch! Es gibt nicht zu viele Studierende sondern nur zu wenige Studienplätze!


Derzeit befinden wir uns in Halle noch in der beinahe glücklichen Situation keine Studiengebühren für das Erststudium zu haben. Langzeit- und Zweitstudiengebühren reduzieren aber auch hier den Bildungsauftrag der Hochschule zu einer bloßen Berufsausbildung. Gleichzeitig droht die schleichendeEinführung von Studiengebühren für zahlreiche reguläre Master-Studiengänge. Die Hürden zum Hochschulstudium werden höher!

3) Demokratisierung der Universitäten
Unser Ziel ist die demokratische Organisation der Universitäten. Dazu gehört eine Demokratisierung der Verwaltung in einer Form, die ProfessorInnen, Studierende, das wissenschaftliche und das nicht wissenschaftliche Personal gleichberechtigt an der Entscheidungsbildung beteiligt.


Die demokratische Verwaltung der Hochschulen gehört zu den Grundprinzipien des Bildungssystems, wie es von allen Seiten immer wieder beschworen wird – und doch sind die Rechte der Studierenden nicht viel mehr als ein Feigenblatt. Nach wie vor verfügen die ProfessorInnen über eine gesetzlich festgelegteMehrheit in Senat und anderen Gremien. Derzeit plant die Landesregierung diese Minimalbeteiligung Weiter einzuschränken: immer mehr Befugnisse sollen auf das Rektorat verlagert werden, während das hochschulpolitische Mandat des Studierendenrats zugleich massiv eingeschränkt werden soll. Wir aber wollen uns dem nicht fügen – mehr, statt weniger Demokratie sollte das Prinzip der Bildungspolitik sein!

4) Ausfinanzierung der Universitäten

Wie in Österreich, sind die Hochschulen auch bei uns chronisch unterfinanziert. So ist die Martin-Luther-Universität derzeit um etwa einhundert Stellen unterfinanziert. Stellen, die gebraucht würden um die Lehre auf einem guten Niveau zu halten. Gleichzeitig orientiert sich die Finanzplanung bislang an der Zahl von weniger als vierzehntausend Studienplätzen – an der MLU studieren jedoch über achtzehntausend KommilitonInnen. Wer es mit der Bildung ernst meint, muss bereit sein, diese zu finanzieren. Die Ausfinanzierung der universitären Aufgaben sollte daher eine Selbstverständlichkeit sein.

5) Das Behindertengleichstellungsgesetz muss an allen österreichischen Universitäten umgesetzt werden, um ein barrierefreies Studieren zu ermöglichen.

Die Barrierefreiheit gehört zu den Selbstverständlichkeiten politischer Sonntagsreden. Und doch ist die Realität nicht selten davon weit entfernt. Die Forderung nach konsequenter Umsetzung eines barrierefreien Zugangs zum Studium ist daher mehr als unterstützenswert.

6) Beendigung der prekären Dienstverhältnisse an den Universitäten

Längst haben sich die Arbeitsbedingungen auch an unseren Hochschulen massiv verschlechtert. Gerade für junge MitarbeiterInnen gehörten halbe oder gar gedrittelte Stellen, sowie Befristungen von häufig nur einem Jahr zum Alltag. Dies Verunmöglicht nicht nur den Aufbau finanzieller Sicherheit, sondern auch dieIdentifikation mit der langfristig angelegten Forschung, Lehre und schließlich der Universität. Die wissenschaftliche Tätigkeit verkommt zum „Job“. Qualität erfordert auch hier eine ausreichende und langfristig orientierte Finanzierung.

7) 50% Frauenquote in allen Bereichen des universitären Personals

Frauen sind an der Universität nach wie vor benachteiligt: Während sie bei den Studierenden bereits eine leichte Mehrheit stellen, sind sie umso weniger vertreten, je höher die universitäre Position ist. Im Bereich der ProfessorInnen bilden sie nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung. Daher kommen wir nichtumhin, Hürden zu erkennen und abzubauen. Eine Frauenquote könnte dabei ein mögliches Instrument sein.

Arbeitskreis Bildungspolitik
des Studierendenrats Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Die kursiv gedruckten Forderungen der Studierenden der Wiener Universität, die derzeit den dortigen Audimax besetzen, wurden leicht gekürzt und wurden folgender Seite entnommen: unsereuni.at/?cat=8(Stand: 25.10.2009, 12 Uhr).
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Ergänzungen

Wien: 50.000 Studenten auf der Straße

SOZIALE-NEWS 31.10.2009 - 15:26
Gestern demonstierten in Österreich zehntausende Studenten für eine bessere Bildungspolitik unter dem Motto "Geld für Bildung statt für Banken und Konzerne". Neben der Großdemo in Wien mit 50.000 Beteiligten gab es auch in anderen Städten kleinere Demonstrationen. Wie in Deutschland sind die staatlichen Unis in Österreich finanziell und personell sehr schlecht ausgestattet.

 http://antifasozialbetrug.siteboard.de/antifasozialbetrug-about3643-15.html

Bildungsstreik 17. November 2009
 http://antifanews.blog.de/2009/10/22/bildungsstreik-17-november-7220704/

News des Tages
 http://antifanews.blog.de/2009/10/30/news-des-tages-7275990/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Weg mit den Hochschulen — Jürgen Schröder