[B] Videokundgebung gegen die Expo Kolumbien

Martin 26.10.2009 17:16 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Rund 60 AktivistInnen protestierten gestern mit einer Videokundgebung gegen die Eröffnung der Expo Kolumbien im Berliner Kino Babylon Mitte. Bei der Expo Kolumbien handelt es sich um eine Veranstaltung der kolumbianischen Botschaft, die potentielle deutsche Investoren ansprechen soll. Die Kundgebung machte auf die zunehmende Repression gegen die Landbevölkerung und Gewerkschaften in Kolumbien aufmerksam, zudem wurden die prekären Arbeitsbedingungen der Belegschaft des Babylon Mitte thematisiert.
Dazu aufgerufen hatten KanalB, die FAU Berlin, der AK Internationalismus der IG Metall, das Solidaritätskomitee für den Widerstand in Kolumbien sowie das Breite Bündnis für Kolumbien - Deutschland.

Über Videobeiträge, eine Grußbotschaft des kolumbianischen Gewerkschafters Rodolfo Vecino Avecedo (siehe weiter unten) und Flyer wurden die KinobesucherInnen auf die aktuelle prekäre Situation der Menschenrechte und der Gewerkschaftsfreiheit im selbsternannten „besten Geschäftsland Lateinamerikas“ (Zitat aus dem Ankündigungstext zur Expo Kolumbien) aufmerksam gemacht. Kolumbien ist das Land, in dem in den letzten Jahren weltweit meisten Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern ermordet wurden. Hinter den Morden und der Repression gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter steckt eine große Koalition von Privatwirtschaft, Regierung und Paramilitärs. Dies zeigt sich auch daran, dass bei weit über 90 Prozent der Morde an Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern die Täter straffrei bleiben (vgl. den Bericht von Amnesty International 2009:  http://www.amnesty.de/jahresbericht/2009/kolumbien).

Im Rahmen der aktuellen Regierungsdoktrin „Fortschritt und Entwicklung“ ist eine weitere Expansion der neoliberalen Projekte in Kolumbien geplant. Ganze Landstriche werden gewaltsam entvölkert, um Platz für Plantagen oder Minen zu schaffen, allein im Jahr 2008 wurden in Kolumbien im Rahmen solcher Projekte über 500.000 Menschen vertrieben. Die Industrialisierung schreitet vor allem auf Kosten des Regenwalds voran, der rücksichtslos vernichtet wird. Die Existenz lokaler ländlicher Ökonomien und Lebenswelten ist massiv bedroht. Die Bevölkerung wird vertrieben, ihre natürliche Lebensgrundlage zerstört und das soziale Gefüge zerschlagen.. Diese Entwicklung betrifft vor allem Kleinbauern sowie indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften, die mit ihren gewachsenen Selbstverwaltungsstrukturen und kapitalarmer Wirtschaftsweise vom Regime pauschal als nicht nur unproduktive, sondern auch potentiell subversive Bevölkerungsteile gesehen werden. Insgesamt ist die Lage in Kolumbien katastrophal, 7500 politische Gefangene sitzen in Knästen, tausende Menschen wurden in den letzten Jahren als angebliche Guerrilleros von staatlichen Sicherheitskräften, Polizei, Militär und Paramilitärs ermordet. Zudem leben in Kolumbien 4,7 Millionen Binnenflüchtlinge, mehr als 2 Millionen KolumbianerInnen leben außerhalb des Landes.

Ein Redebeitrag der Basisgewerkschaft FAU Berlin thematisierte schließlich die Situation der Beschäftigten im Babylon Mitte, einem der Veranstaltungsorte der Expo Kolumbien. Die FAU Berlin ist im Betrieb die mitgliederstärkste Gewerkschaft und befindet sich seit Anfang 2009 im Konflikt mit der Geschäftsführung des Kinos. Gewerkschaftssekretär Holger Marcks wies darauf hin, dass die FAU keinesfalls den Konflikt um die Gewerkschaftsfreiheit im Babylon mit der Situation in Kolumbien gleichsetzen wolle. Die gemeinsame Videokundgebung sei das Ergebnis zweier an diesem Tag im Babylon Mitte aufeinander treffender Kämpfe, und biete eine Gelegenheit zur gegenseitigen Solidarisierung.

Das Babylon, das sich selbst als linkes Kino darstellt und von verschiedenen linken Gruppen für Veranstaltungen genutzt wird, kann sich im Umgang mit den eigenen Beschäftigten nicht an seinem angeblicher Anspruch messen lassen. Hier verbergen sich hinter einer engagiert erscheinenden Fassade prekäre Arbeitsbedingungen, Repression gegen Gewerkschafter, willkürliche Kündigungen und Angriffe auf den Betriebsrat. Nach wie vor weigern sich die Geschäftsführer Kinos, Tobias Hackel und Timothy Grossman, mit der FAU und ihrer Belegschaft über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Stattdessen versuchen sie, der FAU den Arbeitskampf verbieten zu lassen, und verhandeln mit der im Betrieb kaum vertretenen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di über einen Tarifvertrag. Damit werden die Kinoarbeiter_innen und ihre Gewerkschaft schlicht übergangen. Ob die von 75% der Belegschaft des Kinos unterstützten Forderungen der FAU in diesen Verhandlungen berücksichtigt werden, darauf hat die Belegschaft nun keinen Einfluss mehr. Gestützt wird das Babylon außerdem von der Linkspartei im rot-roten Berliner Senat, der es jährlich in sechsstelliger Höhe subventioniert. Die Linkspartei, die des öfteren Veranstaltungen im Babylon durchführt, rühmt sich nun damit, ver.di zum Eingreifen bewegt, und sich damit für die Verbesserung der Lage der Belegschaft eingesetzt zu haben. Auch wenn die Unterzeichnung eines Tarifvertrages mit ver.di den Beschäftigten höhere Löhne einbringen würde, würde das noch nicht das Ende anderer Missstände, wie den autoritären Führungsstil der Geschäftsführung, bedeuten. Angriffe auf den Betriebsrat, eine willkürliche Personalpolitik und die Geschäftspolitik, die sich u.a. in Veranstaltungen wie der Expo Kolumbien zeigt, machen deutlich, dass es im Babylon einer starken und kämpferischen Gewerkschaftsstruktur bedarf.

Im Lauf dieser Woche sind weitere Aktionen und Veranstaltungen zur Expo Kolumbien geplant, siehe auch:  http://de.indymedia.org/2009/10/264214.shtml
Informationen zum Arbeitskampf im Babylon:  http://prekba.blogsport.de

Links:
 http://www.kanalb.org
 http://www.fau.org/berlin
 http://www.menschenrechtsforum.org/?q=node/23
 http://www.nord-sued-netz.de/de/unsere-partner/arbeitskreis-internationalismus-der-ig-metall-verwaltungsstelle-berlin.html

Grußbotschaft von Rodolfo Vecino Avecedo, Sekretät der Erdölarbeitergewerkschaft USO. Er befindet sich derzeit auf einer Rundreise durch Europa und ist momentan in der Schweiz.


Genossinnen und Genossen, ich schicke Euch einen brüderlichen und kämpferischen Gruß von Euren GenossInnen in Kolumbien,

Mit dieser internationalistischen Kundgebung und mit Eurem Engagement zeigt Ihr heute der Welt dass die Solidarität ein Ausdruck der Liebe unter den Angehörigen derselben Klasse ist.
Ihr protestiert gegen die Präsentation der ExpoKolumbien, die der Öffentlichkeit das Bild eines Kolumbien präsentiert, das es nicht gibt. Die Betreiber der ExpoKolumbien bieten unsere Reichtümer zu Schnäppchenpreisen feil. Die Unternehmen aus Kolumbien oder die Europäischen Multis, die Stände auf der ExpoKolumbien haben, sind in vielen Fällen dieselben, die (unter dem Schutz des Völkermörders Alvaro Uribe) in Kolumbien Massaker, Folter und die Vertreibung von Menschenrechtsanwälten, Gewerkschaftern, Aktivisten aus den sozialen Bewegungen und Bauern anordnen.

Viele der Produkte und Reichtümer aus unserem Land, die auf der Messe angeboten werden, sind vollgesogen mit dem Blut eines Volkes, dessen Reichtümer in so wenigen Händen konzentriert sind wie nirgendwo sonst auf der Welt. Gleichzeitig ist die Armut dieses Volkes so groß, dass sie 10 Millionen Menschen umfasst die im absoluten Elend leben (mit einem Einkommen von weniger als einem Dollar am Tag) und weitere 12 Millionen, die arm sind. Das bedeutet dass insgesamt mehr als 50% der Bevölkerung in Armut leben.

Die Situation in Kolumbien ist heute so schlimm wie seit 20 Jahren nicht: die Regierung ist korrupt, permanent werden die Menschenrechte verletzt, es herrscht eine humanitäre Krise, weil mehr als 4 Millionen Kolumbianerinnen und Kolumbianer mit Gewalt vertrieben wurden. Ihnen wurde mit der Zustimmung der Regierung Uribe mehr als 2 Millionen Hektar besten Landes gestohlen und jetzt irren sie im Land umher, in einem Zustand schlimmer als Bettler.
Diese gestohlenen Ländereien sind heute Teil der großen Anpflanzungen von Ölpalmen und Zuckerrohr. Beides wird für die Herstellung von Biotreibstoffen verwendet, die exportiert werden, u.a. nach Deutschland, das 40% der Exporte erhält.
Den Arbeitern in diesen Plantagen werden die arbeitsrechtlichen Mindeststandards aberkannt. Sie haben oft keine Sozialversicherung und wenn sie etwas einfordern, werden sie bedroht. - Alle Sektoren der kolumbianischen Wirtschaft funktionieren auf diese Weise.

70% der Abgeordneten des kolumbianischen Parlaments sind entweder im Gefängnis oder stehen vor Gericht, weil sie angeklagt sind, mit paramilitärischen Gruppen zusammengearbeitet zu haben.

Gegen den Vizepräsidenten Francisco Santos läuft eine Ermittlung wegen der Verdachts er habe paramilitärische Gruppen aufgebaut. Kolumbien ist angeklagt, Staatsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, weil die kolumbianische Armee Zivilpersonen ermordet hat.

Kolumbien ist das Land in dem 60% der aller Morde an Gewerkschaftern weltweit begangen werden. In den letzten 20 Jahren sind 4.000 Gewerkschaftsfunktionäre umgebracht worden, bis heute sind 2.760 dieser Fälle dokumentiert. Im laufenden Jahr 2009 sind bereits 24 Gewerkschafter ermordet worden. In den sieben Jahren der Regierung Uribe wurden mehr als 500 Gewerkschafter ermordet, das sind einer alle drei Tage.

Es gibt heute in Kolumbien multinationale Konzerne, die in der EU gerichtlich verurteilt wurden, weil sie Paramilitärs unterstützt haben, wie Chiquita Brands, die kolumbianische Bananen in Europa verkaufen. Außerdem das Unternehmen Drumond, das Kohle abbaut und Glencore, ein Schweizer Unternehmen, Cargill, ADM Oils, die Fats Noblee and Thorl GmbH, sowie Daabon International die das Öl der Ölpalme nach Europa verkaufen.

In unserem Sektor, dem Erdöl, sind 105 Funktionäre der Erdölarbeitergewerkschafdt USO ermordet worden. 37 Genossen sind entführt worden, zwei wurden verschwunden, mehr als 400 Arbeiter wurden vertrieben, es gab über 100 Attentate, 5 Genossen sind ins Exil nach Europa gezwungen worden. In meinem Fall war die Verfolgung durch den kolumbianischen Staat vielfältig: es wurden Attentate gegen mich verübt, ich musste aus meiner Stadt fliehen, ich war allen Arten von Drohungen ausgesetzt, es gab den Versuch meine Kinder zu entführen. Heute mache ich meine Arbeit als Gewerkschaftsführer mit großer Angst. Wir leisten hier Widerstand und erhalten kämpfend die soziale Bewegung und die Arbeiterbewegung.

Genossinnen und Genossen, danke für Eure Solidarität, die die Zärtlichkeit der Völker ist, Nein zur Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien, lasst uns den Kampf und die Hoffnung globalisieren, Schluß mit den Ermordungen in Kolumbien, gegen die Wiederwahl von Alvaro Uribe Vélez, es lebe ein freies und souveränes Kolumbien.
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Ergänzungen

Proteste auch im Babylon

Telli 26.10.2009 - 19:12
Nach der Auflösung der Kundgebung kam es auch im Babylon selber zu Protesten gegen die Expo Kollumbien. Einige regierungskritische ExilkolumbianerInnen suchten offenbar das Gesprach mit den Gästen des Babylon. Wie schon des Öfteren in letzter Zeit musste die Polizei bemüht werden um kritische Linke aus dem "linken" Kino zu werfen.

Resonanz

S. 26.10.2009 - 19:52
Bei der Videokundgebung waren ca. 30 Leute, aber die Aktion war kurzfristig geplant und dafür war es super. Die Leinwand war vom Babylon aus gut zu sehen und zu hören, und vor allem wurden massiv Flyer von der Aktion, der Kolko und noch einem (Coca-Cola-Kampagne?) verteilt. Die Flyer wurden gut angenommen und haben eigentlich alle KinogängerInnen erreicht. Insofern ist die Aktion sehr sinnvoll gewesen.

Protest gegen kolumbianische Wirtschaftsmesse

amerika21.de 26.10.2009 - 23:15
25.10.2009
Protest gegen kolumbianische Wirtschaftsmesse
Gewerkschafter und Menschenrechtsgruppen demonstrieren vor dem Berliner Kino Babylon
Von M. Daniljuk
amerika21.de

Eröffnung der Expo Kolumbien in Berlin

Berlin. Bei der Eröffnung der Wirtschaftsinitiative ExpoKolumbien protestierten heute in Berlin soziale Organisationen und Menschenrechtsgruppen. Das Wirtschaftsforum verfolgt das Ziel, Kolumbien als "einen attraktiven Markt für Infrastruktur, Gesundheitswesen und Agrarindustrie" zu präsentieren. Mittelständische deutsche Unternehmen sollen als potentielle Investoren über die "günstigen Investitionsbedingungen" informiert werden. Begleitet wird das Wirtschaftsforum von einem Kulturprogramm. So startete heute im Berliner Programmkino Babylon eine Filmreihe zum kolumbianischen Film.

Internationales Tribunal vor der Tür

Vor der Tür protestierten Menschenrechtsgruppen und Gewerkschafter. Es sei nicht akzeptabel, dass ein unabhängiges Kino wie das Babylon eine Werbeveranstaltung für das kolumbianische Regime beherberge. Gewerkschafts- und Bauernvertreter lebten in keinem Land der Welt gefährlicher, betonten die Veranstalter der Protestkundgebung. In den letzten zwei Jahrzehnten seien mehr als 2.000 Gewerkschaftsvertreter oder Betriebsräte ermordet worden, erinnerte der AK Internationalismus in der IG Metall. Erst im vergangenen September wurde Gustavo Gomez, Gewerkschafter und Mitarbeiter des Unternehmens Néstle von Paramilitärs ermordet. Insgesamt seien seit Jahresbeginn 21 Führungsmitglieder der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen umgebracht worden.

Als Konkurrenz zur Eröffnungsveranstaltung zeigten die Demonstranten Filmbeiträge auf einem mitgebrachten Lieferwagen. Gezeigt wurden Ausschnitte eines Menschenrechtstribunals, bei dem Verbrechen transnationaler Konzerne in Kolumbien symbolisch verhandelt und verurteilt wurden. In bewegenden Beiträgen erinnerten kolumbianische Aktivisten an ermordete Freunde und Kollegen. Ausführlich wurden Fälle von Mord, Folter und Entführungen dargestellt. Die Filme waren vom Berliner Videokollektiv Kanal.B in Deutsch untertitelt worden.

Internationale Unternehmen in der Kritik

Auch internationale Unternehmen bedienten sich rechter Todesschwadrone, um ein "positives Insvestitionklima" herzustellen, kritisierte eine Sprecherin der Gewerkschaftsinitiative FAU. Firmen wie Néstle, Coca Cola und Chiquita beauftragten rechte Paramilitärs, um systematischen Druck auf gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter auszuüben. Im Falle von Chiquita ist dies inwischen Gerichtsfest belegt: Der Bananenhersteller finanzierte mit mindestens 1,7 Millionen US-Dollar Massaker, Morde und Vertreibungen insbesondere im Norden von Kolumbien. Gleichzeitig bemühe sich der Konzern mithilfe fragwürdiger "Umweltzertifikate" um ein ökologisches Image.

Neben den Aktivitäten von Néstle, Coca Cola und Chiquita wiesen die Demonstranten vor allem auf die Problematik der so genannten Bio-Treibstoffe hin. Die kolumbianische Regierung unterstütze seit vielen Jahren den Anbau von Palmöl in ihrem Land. Um Anbau-Flächen zu gewinnen, seien insbesondere afro-kolumbianische Gemeinden unter der Deckmantel der Guerilla-Bekämpfung von ihrem Land vertrieben worden. So haben die neu errichteten Monokulturen nicht nur dramatische Folgen für die Umwelt, sondern der Ausbau der auf den Export orientierten Agro-Industrie sei mit schwer wiegenden Menschenrechtsverletzungen verbunden.

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