Profit durch Terror - "ExpoKolumbien" (Bln)

Lupe L. 26.10.2009 00:39 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit

Ab heute, Sonntag, den 25.10.09, findet für eine Woche in Berlin die sogenannte „ExpoKolumbien“statt. Ziel der diversen Veranstaltungen ist, um deutsches und internationales Kapital als Investition in Kolumbien zu werben.


Die „ExpoKolumbien“ wirbt damit, dass Kolumbien das Land mit den besten Profitmöglichkeiten in Lateinamerika sei. Nicht erwähnt wird, was hinter diesen Profitmöglichkeiten steht: ein brutaler und massenhafter Terror gegen Gewerkschafter_innen und andere politische und soziale Bewegungen, die umfangreiche Vertreibung von Bewohner_innen, die enge Zusammenarbeit von Regierung, Militärs und Paramilitärs in der ganz großen Koalition für hohe Profite.

Zur aktuellen Menschenrechts-Situation in Kolumbien

Aus dem aktuellen Amnesty-Bericht 2009:
„.. Es kam zu einem Anstieg der Binnenvertreibungen sowie der Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger und Tötungen von Gewerkschaftern. Die Zahl der von den Sicherheitskräften ermordeten Zivilpersonen war immer noch sehr hoch. Paramilitärische Gruppen waren weiterhin aktiv, obwohl die Regierung das Gegenteil behauptete. Die Tötung etlicher Jugendlicher durch die Armee führte zu Entlassungen ranghoher Militärangehöriger und erzwang den Rücktritt des Armeechefs, General Mario Montoya... Im Zeitraum von Juni 2007 bis Juni 2008 wurden mindestens 1492 Zivilisten in dem bewaffneten Konflikt getötet, und 182 Personen fielen dem "Verschwindenlassen" zum Opfer. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 1348 bzw. 119 Personen.“

„... Im Zusammenhang mit den landesweiten Demonstrationen für Landrechte und gegen Menschenrechtsverstöße kam es im Oktober 2008 im Departamento Cauca zu Massenprotesten von Angehörigen indigener Gemeinschaften. Hierbei soll die Bereitschaftspolizei (ESMAD) exzessive Gewalt angewandt haben... Berichten zufolge sind etliche Demonstranten getötet worden. Überall im Land kam es zu Tötungen und Bedrohungen von Sprechern indigener, afro-kolumbianischer sowie Kleinbauerngemeinschaften, von denen sich einige an Kampagnen für Landrechte beteiligt hatten.“

„... Am 16. Dezember 2008 erschossen Angehörige der Armee Edwin Legarda, den Ehemann von Aida Quilqué, Sprecherin einer indigenen Gemeinschaft. Edwin Legarda fuhr gerade im Auto nach Popayán, Hauptstadt des Departamento Cauca, um seine Frau abzuholen, die aus Genf zurückkehrte. Dort hatte sie an einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats zu Kolumbien teilgenommen.“

„... Die Fälle von Vertreibungen stiegen erheblich an, und zwar von 191000 im ersten Halbjahr 2007 auf 270000 im Vergleichszeitraum 2008. Der Süden des Landes war wegen anhaltender Kämpfe zwischen den Sicherheitskräften und Gruppierungen der Paramilitärs und der Guerilla besonders stark in Mitleidenschaft gezogen... Die aufgrund des Konflikts Vertriebenen waren erheblichen Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt, so dass es besonders schwierig für sie war, Zugang zu Gesundheit, Bildung und anderen sozialen Leistungen zu erhalten.“

„... Zwischen Juni 2007 und Juni 2008 wurden mindestens 296 Personen von den Sicherheitskräften extralegal hingerichtet; im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 287. Die Militärgerichtsbarkeit erklärte sich in vielen dieser Fälle für zuständig... Im November erklärte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte während eines Besuchs in Kolumbien, dass staatliche Morde offenbar weit verbreitet seien und systematisch durchgeführt würden.“

Besonders erwähnt werden soll hier noch die Situation von Menschen in Kolumbien, d ie gewerkschaftlich aktiv sind. In den letzten Jahren wurden in Kolumbien über 2.000 Gewerkschafter_innen von staatlichen und parastaatlichen Kräften ermordet – im Interesse oder auch im direkten Auftrag der profitierenden Konzerne. Nirgendwo auf der Welt leben Menschen, die sich gewerkschaftlich engagieren, so gefährlich wie in Kolumbien. Und diese Situation hat sich in jüngster Zeit keineswegs verbessert – im Gegenteil. Der Amnesty-Bericht:

„... Im Berichtsjahr war eine Zunahme der Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger und ein Anstieg der Morde an Gewerkschaftern zu verzeichnen,... Mindestens 46 Gewerkschaftsmitglieder wurden im Jahr 2008 getötet, im Vorjahr waren es 39... Am 20. September erschossen zwei Männer auf einem Motorrad in der Gemeinde Bolívar des Departamento Cauca den Kleinbauernsprecher Ever González von der Nichtregierungsorganisation CIMA. Er hatte die öffentliche Aufmerksamkeit auf staatliche Morde in Cauca gelenkt.“

Wirtschaft und soziale Situation in Kolumbien

Während weit über der Hälfte der Bevölkerung Kolumbien in Armut lebt, die Regierung soziale Bewegungen terrorisieren lässt, setzt die Regierung unter Uribe auf Großprojekte. Wichtigste Ausfuhrgüter Kolumbiens sind Erdöl, Steinkohle, Kaffee, Schnittblumen, Bananen. Und genau auf diesem Sektor – Rohstoffe, Agrarindustrie und die dazugehörige Infrastruktur - wird jetzt um internationale Investitionen geworben. Hinzu kommt, dass auch in Kolumbien in den letzten Jahren massiv öffentliche Infrastruktur, etwa die Stromversorgung, privatisiert wurde – zur großen Freude des kolumbianischen und internationalen Kapitals.

Gerade diese Großprojekte im Bereich Bergbau und Agrarindustrie stoßen auf massiven Widerstand der Bevölkerung. Nichtsdestotrotz werden sie mit Gewalt durchgesetzt. Die Berliner Gruppe „Solidarität mit den sozialen und politischen Bewegungen in Kolumben“ schreibt hierzu: „Diese Megaprojekte sind gegenwärtig wichtige Motoren der Gewalt in Kolumbien. Ganze Landstriche werden gewaltsam entvölkert, um Platz zu schaffen für Plantagen oder Minen... Die Industrialisierung schreitet vor allem auf Kosten des Regenwalds voran, der rücksichtslos vernichtet wird. Angestrebt wird ein komplettes Ersetzen lokaler ländlicher Ökonomien und Lebenswelten, durch Vertreibung der Bevölkerung, Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlage, Zerschlagung des sozialen Gefüges und die Ermordung politischer SprecherInnen. Dies trifft vor allem auf Kleinbauern sowie indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften zu, die mit ihren gewachsenen Selbstverwaltungsstrukturen und kapitalarmer Wirtschaftsweise vom Regime pauschal als nicht nur unproduktive, sondern auch potentiell subversive Bevölkerungsteile gesehen werden... Die Großprojekte von Regierung und privatem Kapital lassen sich nur autoritär und mit Zwang durchsetzen. Nicht integrierte ländliche Strukturen sollen zerstört werden. Der Bevölkerung bleibt nur die Flucht oder eine miserable Zukunft in prekären Arbeitsverhältnissen.“

Ein Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien und der EU?

Im Februar 2009 wurden direkte Verhandlungen zwischen Kolumbien und EU über ein Freihandelsabkommen aufgenommen. Die Webseite „Trade und Invest“, die sich über die „konsequente Bekämpfung der Guerilla durch Präsident Uribe“ freut, geht davon aus, dass ein Freihandelsabkommen zwischen EU und Kolumbien kurz vor dem Abschluss steht.

Für kolumbianische Gewerkschafts-Aktivist_innen wäre ein Freihandelsabkommen zwischen EU und Kolumbien eine Katastrophe, die lokale Oligarchie unter Präsident Uribe könnte ein solches Abkommen zu Recht als direkte Belohnung ihrer menschenverachtenden tödlichen Politik gegen Gewerkschaften und soziale Bewegungen verstehen und darstellen.

Das scheint die EU natürlich nicht daran zu hindern, trotzdem, und vielleicht sogar noch dieses Jahr, einen solchen Freihandelsvertrag mit Kolumbien zu unterzeichnen. Statt dessen setzt die EU in ihrem scheinheiligen Interesse daran, Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien zu beenden, auf den „Dialog“ („...that I think we have to do is to continue the dialogue“, so die Antwort der zuständigen Komissarin auf die Frage, ob die Verhandlungen wegen der Menschenrechtssituation in Kolumbien nicht ausgesetzt werden sollten). Natürlich sollen wir uns darüber im Klaren sein, dass der EU in Lateinamerika nicht Menschenrechte, sondern hohe und sichere Profite am Herzen liegen. Dies wurde ja jüngst erst am Beispiel des Putsches in Honduras durch die deutsche Regierungspartei FDP in aller Klarheit deutlich gemacht.

Die Position der deutschen Regierung

Auch das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft ist von Kolumbien als Standort für hohe Profite, vor allem in bestimmten Bereichen, überzeugt. „Gleichzeitig werden im Energiesektor, im Bergbau und in der Verkehrsinfrastruktur Großvorhaben vorangetrieben, die exzellente Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.“ Deutschland ist vom Vorgehen der kolumbianischen Oligarchie absolut überzeugt. Schließlich basiert „die kolumbianische Wirtschaft ...auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen“, und „Wirtschaftsverfassung und Gesetzgebung enthalten zahlreiche soziale Korrektive“ - so zumindest die aktuelle Einschätzung des auswärtigen Amtes. Was liegt da näher, als den mörderischen kolumbianischen Präsidenten Uribe, übrigens auch persönlich mit den Paramilitärs in Kolumbien eng verstrickt, zu hofieren?

Die ExpoKolumbien

Ganz offensichtlich stört sich die ExpoKolumbien nicht an dem massiven Terror, der gegen Gewerkschafter_innen und soziale Bewegungen in Kolumbien ausgeübt wird – im Gegenteil. Dieser Terror schafft schließlich ausgezeichnete Profitmöglichkeiten. Kolumbien ist laut Eigendarstellung der ExpoKolumbien, die sich wiederum auf die Weltbank berufen, derzeit „der beste Standort in Lateinamerika für Investitionen“. Und während Amnesty International von von einer Zunahme der Morde an Gewerktschafter_innen berichtet, gibt es in den Reihen der Kapitalisten allgemeine Begeisterung über die „verbesserte Sicherheitslage“.

Die ExpoKolumbien setzt sich zusammen aus den Bereichen „Wissenschaft“, „Kultur“ und „Wirtschaft“. Im Bereich „Wissenschaft“ gibt es eine Veranstaltung an der FU (siehe unten), den Bereich „Kultur“ können wir als dekorative Folklore verbuchen, wenden wir uns also der Wirtschaft zu.

Hier gibt es vor allem zwei Veranstaltungen. Die eine ist das sogenannte „Wirtschaftsforum Kolumbien - ein attraktiver Markt - Infrastruktur, Gesundheitswesen und Agrarindustrie“ sowie ein „Investitionsforum“. Auf den ersten Blick wird deutlich, dass genau dort, wo gegenwärtig in Kolumbien gegen den Widerstand der Bevölkerung profitträchtige Großprojekte autoritär durchgesetzt werden, um Investitionen geworben wird. Schon heute steht Kolumbien auf der weltweiten Liste der Länder mit den meisten Vertriebenen auf Rang 2 – jeder Euro, der in diese Projekte investitiert wird, trägt zu weiterer Vertreibung bei. Und lassen wir uns nicht täuschen von dem Punkt „Gesundheit“. Es geht hier keineswegs um eine angemessene Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung – schließlich richtet sich das Projekt als Zielgruppe ausschließlich an „deutsche Unternehmer“.

Kapital, dass Blut geleckt hat und Interesse an hohen Profiten in Kolumbien hat, hat schließlich auf der zweiten Veranstaltung, dem „Investitionsforum“, die Möglichkeit, sich genauer beraten zu lassen.

Veranstaltet wird das ganze von der „deutsch-kolumbianischen Industrie- und Handelskammer“ und der „DE International“ - hinter der niemand anderes als die Deutsche Industrie- und Handelskammer steckt – in Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Botschaft.

Sponsoren und „Partner“ der Veranstaltung sind u.a. diverse staatliche Stellen in Kolumbien, die Schnittblumen-Industrie, die Palmöl-Industrie, Air France, der Deutsche Akademische Austauschdienst. Mit dabei ist auch die Freie Universität Berlin („Im bundesweiten Excellenzwettberwerb der Bundesregierung wurde die Freie Universität Berlin zu einer der neuen Excellenzuniversitäten Deutschlands gewählt. Mit ihrem Zukunftskonzept „International Network University“ verfolgt die Universität das Ziel, strategische Forschungskooperationen weltweit auf- und auszubauen und die internationale Zusammenarbeit und den Austausch von Wissenschaftlern zu intensivieren“). Ach ja, und einen haben wir noch vergessen: Die DHL, auch als Deutsche Heeres Logistik bekannt, darf bei so einem Ereignis natürlich nicht fehlen.

Widerstand gegen die ExpoKolumbien

Wo Kapital und Staat hohe und sichere Profite für das deutsche und internationale Kapital feiern, wollen wir nicht fernbleiben. Auch wenn wir nicht ausdrücklich eingeladen sind, werden wir die Gelegenheit wahrnehmen, ausdrücklich daran zu erinnern, auf wessen Kosten hier hohe Profite gemacht werden! Wir werden unüberhörbar deutlich machen, dass den hohen Profiten auf der einen Seite Armut und Ausgrenzung auf der anderen Seite gegenüberstehen, dass diese hohen Profite auf einem massives Repressionssystem, auf Folter, Mord, Vertreibung beruhen.

Bereits am heutigen Sonntag gab es Proteste am Kino Babylon in Mitte, in welchem das kulturelle Rahmenprogramm stattfindet. Bereits im Vorfeld haben die Menschenrechtsorganisation FIAN und die IG Bau darauf hingewiesen, dass die ExpoKolumbien eine Frechheit ist – so ist die „Partnerorganisation“ der ExpoKolumbien, Asocolflores, für massive Verletzungen von Arbeiter_innen-Rechten bekannt. Auch terre des hommes Deutschland, Diakonisches Werk und der kolko e.V. - Menschenrechte für Kolumbien haben eine Pressemitteilung mit scharfer Kritik an dieser Veranstaltung veröffentlicht.

Für folgende Woche ist eine große Kundgebung geplant, und zwar am Mittwoch, den 28.10.09, um 18 Uhr vor der Industrie- und Handelskammer in Mitte (Breite Str. 29), während dort die oben erwähnte Veranstaltung „Wirtschaftsforum Kolumbien - ein attraktiver Markt - Infrastruktur, Gesundheitswesen und Agrarindustrie“ stattfindet.

Desweiteren gibt es zwei Informations- und Diskussionsveranstaltungen mit dem im Exil lebenden studentischen Aktivisten Diego Fernando Marin, und zwar am Donnerstag, den 29.10.09 um 12 Uhr im Roten Café an der FU (Harnackstr. 1a, U-Bhf Thielplatz) und am Freitag, den 30.10.09 um 19 Uhr (Franz-Mehring-Platz 1, Berlin-FHain).

Weitere Termine für den spontanen, kreativen und angemessenen Protest finden sich auf der Webseite der ExpoKolumbien.

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Ergänzungen

Kolumbien im Babylon

Philip Gale 26.10.2009 - 12:09
Besonderes Intresse verdient der Umstand, dass im Kino Babylon Mitte, in dem im Rahmen der Expo Kolumbien Veranstaltungen stattfinden, derzeit ein gewerkschaftlicher Konflikt mit Mitgliedern der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft FAU stattfindet. Es ist daher absolut zu begrüßen, dass die gestrige Protestvideokundgebung eine Zusammenarbeit der verschiedenen Organiisationen Berliner Solidaritätskomitee für den Widerstand in Kolumbien, kanalB, FAU Berlin und Betriebsgruppe Babylon und sogar dem AK Internationalismus in der IG-Metall war. Der Zusammenhang ist klar: Auch wenn die Situation in Kolumbien um einiges verschärfter ist als in Mitteleuropa, ausgebeutet für den Profit wird überall. Hier der Link zum Babylonkonfilikt http://prekba.blogsport.de