[Berlin] Luxuswohnprojekte auf der Kippe?

DJ Tüddel 25.10.2009 19:58 Themen: Soziale Kämpfe
Wenn zur Zeit in Berlin etwas größer gebaut wird, dann sind es Eigentumswohnungen, oft in attraktiven Gegenden der Innenstadt und dann im gehobenen bis luxuriösen Preissegment angesiedelt. Gibt es dafür überhaupt eine genügende Nachfrage? Und welche Bauvorhaben ziehen in der Konkurrenz den Kürzeren?
In den letzten Monaten ist immer wieder diskutiert worden, ob und wie sich die Wirtschaftskrise im Berliner Immobilienmarkt bemerkbar machen würde. Während neue Büroprojekte deutlich zurückgefahren, viele auf Eis gelegt wurden, ging es bei den teuren Wohnungsbauvorhaben erstmal weiter. Dazu passt, dass die Büromieten sinken, die Wohnungsmieten und -preise aber weiter steigen sollen.

Das Beispiel Reichenberger Kiez zeigt dabei die Ambivalenz der Entwicklung: Einerseits scheinen 1A-Lagen wie das Paul-Lincke-Ufer gut zu laufen. Beim teuren Neubauprojekt (Nr. 18) der Haese Wohnbauten GmbH sollen bereits 21 der 23 Wohnungen verkauft sein. Und die kosten immerhin zwischen einer knappen Viertel- und einer guten halben Million Euro. Gleichzeitig schleppen sich die "Carlofts" in der Reichenberger Ecke Liegnitzer Straße dahin - und man kann sich streiten, ob das am Widerstand, den überhöhten Preisen oder der weniger attraktiven Lage liegt. Auch die "X-Berg-Lofts" an der Reichenberger Ecke Glogauer Straße scheinen nicht so gut zu laufen, obwohl die schick modernisierten alten Gewerbeetagen nun schon recht lange auf dem Markt sind.

Eine andere Ecke, in der sich die gehobenen Wohnungsbauprojekte häufen, ist Mitte an der Grenze zum Prenzlauer Berg. Hier ließen die Fehrbelliner Höfe vor einer Weile aufhorchen: Erst, weil sie so offensiv im Luxusbereich angesiedelt waren, dann weil das Projekt abgebrochen wurde. Seitdem klafft ein riesiges Loch im Dreieck zwischen Brunnen-, Fehrbelliner und Veteranenstraße, so groß, dass mensch Angst hat, die Grundmauern der benachbarten Häuser könnten nachgeben und die Häuser dort hinein stürzen.

Als die Fehrbelliner Höfe schon begraben waren, ging es mit den "Kastaniengärten" und dem "Marthashof" in der Schwedter Straße anscheinend recht erfolgreich weiter. Zumindest geben die Entwickler CIC Group und Stofanel sich so und berichten von einem Erfolg nach dem anderen. In Sachen Kastanienengärten sollen 85% der Wohnungen verkauft sein, Stofanel schweigt sich für Marthashof lieber aus.

Ein weiteres Bauprojekt erheblicher Größenordnung sind die "Choriner Höfe" in der Zehdenicker Ecke Choriner Straße. Hier ist der Entwickler Diamona&Harnisch tätig, es geht immerhin um rund 120 Wohnungen im Preisspektrum zwischen 2600 und 5600 Euro pro Quadratmeter. Jetzt meldet der Kiez-Blog "Leute am Teute", dass nur 30% der Wohnungen bereits verkauft seien, obwohl ihre Vermarktung seit nunmehr anderthalb Jahren laufe. Auch vom ersten Bauabschnitt, der bereits begonnen wurde, seien nur 40% der Wohnungen verkauft.

Leute am Teute: K(l)eine Entsorgung der Geschichte
 http://www.leute-am-teute.de/2009/10/23/kleine-entsorgung-der-geschichte/

Diese Zahlen lassen aufhorchen, wurde in der letzten Zeit doch immer wieder berichtet, Banken würde Kredite erst geben, wenn bereits 50-70% der Bauvorhaben ausgelastet und vertraglich gesichert seien. Die Vermutung liegt nahe, dass Diamona&Harnisch einen riskanten Weg gehen und ein Scheitern des Bauvorhabens nicht unwahrscheinlich wäre.

Immerhin gibt es rundherum noch eine Fülle weiterer Bauvorhaben, die im gehobenen oder Luxus-Wohnsegment operieren: Allein drei größere angekündigte Projekte in der Linienstraße zwischen Gormann- und Alter Schönhauser Straße. Dazu zwei weitere zwischen Tor- und Zehdenicker Straße: Die noch nicht in der Vermarktung befindliche Kleine Bremer Höhe und das "TorQuartier". Auch in der Christinenstraße und auf dem Pfefferwerkgelände wurden weitere größere Bauvorhaben angekündigt, die sich eher hochpreisig anhören.

Möglicherweise ist dieses enorme Angebot an teuren Eigentumswohnungen dann doch irgendwann einfach zu viel für die Nachfrage. Die KäuferInnen können sich dann die besten Angebote aussuchen, und wo es einen Haken gibt oder auch ein paar mehr, bleiben die Entwickler auf ihren Plänen oder den angefangenen Bauten sitzen. Vielleicht.

P.S.: Wo ist eigentlich der Themenbereich "Stadtentwicklung" oder "Wohnen", um Berichte damit zu taggen?
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Ergänzungen

Baubranche wenig iddenreich

X 25.10.2009 - 22:12
Die Baubranche in Berlin ist wenig ideenreich. Musste sie wohl auch nicht, wo Jahrzehntelang ihre Handpuppen im Senat Politik machten (der berühmte CDU/SPD-Baufilz der 70er und 80er Jahre, dessen Politk auch die Hausbesetzerbewegung so stark werden liess). Der Mangel an Ideen lässt sich u.a. an den Hypes festmachen, auf den alle Investoren aufspringen. In den frühen 90ern waren es Büro- und Geschäftshäuser, in den späten 90ern Multiplexkinos und Einkaufszentren und seit ein paar Jahren diese Luxuswohnanlagen. Die unfexiblesten Firmen bauen auch dann noch weiter, wenn der Markt längst gesättigt ist. Wird ja eh staatlich subventioniert. Das Ergebnis sind dann die vielen Investruinen.

Skepsis auch in Immobilienbranche

Nachtrager 25.11.2009 - 02:32
"Nirgendwo sonst in Berlin brummt der Neubau von Eigentumswohnungen so wie in den östlichen Berliner Stadtteilen Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Dort sollen einer Studie von BulwienGesa zufolge bis Ende 2011 fast 1.700 neue Einheiten gebaut werden. Das sind 37% mehr, als noch vor einem Jahr in der Pipeline waren. Ob sich diese große Zahl von Wohnungen tatsächlich auch vermarkten lässt, erscheint allerdings fraglich."

Dies schrieb am 22.10. die Immobilienzeitung
 http://www.immobilien-zeitung.de/htm/news.php3?id=34856&rubrik=1

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Geh doch Kacken — Peter