Dresden: Die Mythen des Vorbereitungskreis 'Keine Versöhnung mit Deutschland'

ra0105 24.10.2009 18:06
Im Antifaschistischen Info Blatt #84 ist eine Replik zu einem Text des 'No Pasaran' - Bündnis (NP) aus der Ausgabe 83 erschienen. Mit der kämpferischen Ansage 'Kein Frieden mit dem Dresden - Mythos' versucht man sich inhaltlich mit der Position von NP auseinandersetzen. Neben einigen nicht von der Hand zu weisenden Argumenten, ist der Grundtenor des Artikels jedoch vor allem Ausdruck der Stürmung einer ideologischen Sackgasse. Die Kritik am Gedenken ist nicht auf der Höhe der Zeit, im Gegenteil, verglichen mit früheren Positionen von 'venceremos' gar eine Rolle rückwärts. Das ist schade...
Unter dem Abschnitt 'Problem verkannt?' wird zu Recht kritisiert, dass im besagten Artikel nicht hinreichend ausgeführt worden ist, dass der Neonaziaufmarsch nicht so einfach vom Himmel gefallen ist, sondern eine Mitursache für die Ausmaße, die er inzwischen gewonnen hat, auch im Verhältnis der Stadt zu ihrem 13. Februar liegt. Wenn es z.B. vorkommt, dass etwa 800 Neonazis in der Lokalpresse unter 'Bürger' subsumiert werden, wie es noch Anfang des Jahrtausend geschah, dann zeigt dies deutlich, dass es da wohl ein Problem gibt.

Wenn man jedoch behauptet, dass NP das Problem verkannt hat, dann muss aber auch der Bündnisaufruf des letzten Jahres ignoriert werden, indem es u.a. hieß: "Es ist kein Zufall, dass Dresden für die Nazis eine große Bedeutung hat: Die politische Anschlussfähigkeit an Teile des bürgerlichen Lagers, das von einem rechten CDU-Landesverband dominierte Klima, ein scheinbar nazifreundliches Ordnungsamt, ein kaum vorhandenes zivilgesellschafliches Engagement und der anfänglich nur schwache antifaschistische Widerstand haben ihn so lange erhalten können."
Stoßrichtung des Artikel von NP war nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem bürgerlichen Dresdner Gedenken, sondern die Betonung der Notwendigkeit eines breiten Bündnis zur Verhinderung des Naziaufmarsches. Die Auseinandersetzung mit dem bürgerlichen Gedenken wird deshalb aber nicht ausfallen, sie wird nur an anderer Stelle stattfinden. Die Saison ist noch jung, es ist davon auszugehen, dass 'NP' da noch entsprechend nachliefern wird. Man kann sicher kritisieren, dass dies bis jetzt noch nicht explizit geschehen ist, jedoch braucht eine fundierte Kritik auch Raum sich zu entwickeln, will man nicht in pure Phrasendrescherei verfallen oder dabei stehen bleiben. Dies ist nämlich bei dem Text des VK ' Keine Versöhnung mit Deutschland' par excellence geschehen.

Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass ein öffentliches Gedenken per se geschichtsrevisionistisch, also geschichtsverfälschend, sei. So hieß es bereits im letzten Jahr daher folgerichtig kurz und knackig 'Gedenken abschaffen' und in diesem Jahr: "Der Hintergrund vor dem die Neonazis ihre Propaganda anbieten, bleibt aber die Erzählung von den Deutschen als Opfer, die auch in ihren bürgerlichen Varianten die Relativierung [gemeint: Verharmlosung A.d.A] der Schuld der Deutschen zum Ziel hat."
Wenn also Nora Goldenbogen, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Dresden sagt:
"Seit vielen Jahren beteiligen wir uns an den Gedenkveranstaltungen der Stadt Dresden oder an den Friedensgebeten der Kirchen." dann ist also in den Augen des VK die jüdische Gemeinde in Dresden Teil des Problems. Auch sie machen mit beim Gedenken, sie sind also Teil des Opfermythos. Denn immerhin gehören sie ja auch zu den Erstunterzeichnern unter dem Aufruf des Geh-Denken Bündnis.

Das mag grotesk klingen, ist jedoch nur die logische Konsequenz in einem Weltbild wo dichotom zwischen Opfern und Täter geschieden wird. Das Täter auch gleichzeitig Opfer sein können - in der Welt des 'VK' unmöglich. 'Deutsche Täter sind keine Opfer!' diese Phrase, dieses Dogma ist Ausgangspunkt aller Überlegungen. Da stört es auch nicht, dass bei einem Volltreffer auf die Gefangenanstalt Mathildenstraße hunderte Antifaschisten, darunter auch zahlreiche Deutsche, den Tod fanden. 'Deutsche Täter sind kein Opfer!' und da spielt keine Rolle, dass eine Tat eine schuldhafte Handlung benötigt. Dresden war oder ist 'deutsch'. Alle die es da getroffen hat, ob Kleinkind oder Antifaschisten 'Deutsche Täter sind keine Opfer!'. Das heißt: Nicht nur, dass man offensichtlich unfähig ist einer Person sowohl den Status des Opfers als auch des Täters zuzugestehen, selbst Menschen die niemals individuelle Schuld auf sich geladen haben konnten, wie etwa Kinder, selbst erklärte Gegner des Nationalsozialismus, alles eine Soße. Volksgemeinschaft at it's best.

Angesichts dieses theoretischen Rahmen kann der Umgang mit dem Gedenken natürlich nicht wundern, so heißt es: "Nur über Mittel der Relativierung, Entkonkretisierung und Entkontextualisierung gelingt die pauschale Verklärung der NS-Bevölkerung, die sich angesichts deren Verstrickungen ins NS-Regime verbieten müsste." Mit 'Relativierung' und 'Entkontextualisierung' ist auch so gleich die eierlegende Wollmilchsau gefunden. Wenn also am Heidefriedhof die Stelen für Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Ravensbrück, Sachsenhausen,Theresienstadt, Coventry, Leningrad, Rotterdam, Warschau, Lidice und Oradur einen Rahmen, man könnte auch sagen Kontext, bilden für die Dresdner Stele, dann ist dies natürlich ein Ausdruck der Relativierung (Verstanden als Verharmlosung). Wenn man an der Frauenkirche gedenkt - völlig unabhängig vom Inhalt der gehaltenen Reden - dann ist dies natürlich eine Entkontextualisierung, denn die Frauenkirche ist ein Symbol der Zerstörung gewesen. In einer solchen Wahrnehmung gefangen, kann der kategoriale Unterschied zwischen Neonazis und Bürgern nicht wahr genommen werden, dass es den Nazis nämlich darum geht mit dem Hinweis auf die Ereignisse in Dresden den Nationalsozialismus zu rehabilitieren, weil die Alliierten auch unschöne Dinge gemacht haben, während die Bürger sowohl die Bombardierung als auch die nationalsozialistische Herrschaft als Katastrophe betrachten und durchaus, dies wird in den Reden immer wieder betont, in der Lage sind einen kausalen Zusammenhang zwischen Beidem herzustellen. Und dies ist nicht nur ein vordergründiger Unterschied, wie der 'VK' glauben machen will.

An der Stelle wo die Bürger sich natürlich als Opfer der Verhältnisse oder Nazis sehen wollen, ist natürlich Einspruch anzumelden. Auschwitz war nur möglich, weil die meisten nichts getan haben, Dresden fand statt, weil nur die militärische Aktion die Barbarei beenden konnte. Die Konsequenz daraus kann aber nicht sein, dass man heute Bürger mit Nazis in einen Topf wirft, sondern dass man an sie appelliert gemeinsam die Nazis aufzuhalten. Dazu gehört auch, dass man anerkennt, dass es in Dresden Opfer gab. Nicht aus einem taktischen Kalkül heraus, sondern weil die Verneinung dieses Umstandes einer Geschichtsfälschung gleichkommt. Doch während man früher wenigstens noch individuelle Trauer akzeptieren konnte ist nun plötzlich auch individuelle Trauer kritisierbar. Dies wird zwar nicht weiter ausgeführt, zeigt aber in welche Richtung der Zug Fahrt aufgenommen hat. Das ist insbesondere deswegen bedauerlich, weil in den letzten Jahren eine wachsende Bereitschaft im bürgerlichen Lager zu konstatieren ist, sich auch aktiv gegen den Naziaufmarsch zu stellen. Die Nivellierung von bürgerlichen und neonazistischen Positionen, so wie dies der VK 'Keine Versöhnung mit Deutschland' betreibt ist dabei alles andere als hilfreich, außerdem wird diese dem Gegenstand der Kritik nicht gerecht.
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Ergänzungen

Aber

Aber-Sagende 25.10.2009 - 11:02
Ohne den Text, auf den du dich da beziehst, verteidigen zu wollen (denn den kenne ich nicht), eine allgemeine Kritik an deiner Kritik:

--Deutsche Täter sind kein Opfer!' und da spielt keine Rolle, dass eine Tat eine schuldhafte Handlung benötigt--

Mit genau diesem Satz beweist du ja, dass du das Argument nicht verstanden hast. Mit Täterschaft ist hier natürlich kein rechtsstaatlicher Begriff gemeint; es ist keine "schuldhafte Handlung" nötig. Eine unterlassene Handlung reicht, und zwar genau die, nichts gegen das Dritte Reich unternommen zu haben.

Vollkommen richtig, dass ist eine normalerweise viel zu grobe Pauschalisierung. Aber es geht ja nicht darum, bei einzelnen Menschen die Schuldfrage zu klären und so dem 3-jährigen oder dem antifaschistischen Bombenopfer Trauer oder irgendeinen Opferstatus zu verwehren. Es geht darum, das Gedenken an die Opfer zu delegitimieren, wobei hier ganz wichtig mit Opfer der staatlich und bürgerlich geprägte Begriff gemeint ist. Also die umgekehrt ebenso pauschalisierende Aufhebung der Einteilung Täter-Opfer, aus der, oh Wunder, eine von Schuld befreite deutsche Nation herauskommt. Das kann nicht richtig sein, oder? Also muss ihnen dieser pauschale Opferstatus strittig gemacht, die Bombardierung deutscher Städte im zweiten Weltkrieg hingegen legitimiert werden, verstehst du?

Deshalb finde ich persönlich deine Kritik eigentlich gar nicht mal schlecht, schließlich beziehst du dich irgendwo auf Humanismus und Mitgefühl, aber vom Ergebnis her halte ich sie für verfehlt.

schön, dass Dresden so langsam auch Wellen

Wellen schlägt... 25.10.2009 - 12:40
ich persönlich habe wenig Lust nach Dresden zu mobilisieren, wenn dort konzeptionell nicht einiges geändert wird. 15 000 Leute, die kein Bock haben auf Naziaufmärsche und was diesesjahr blieb war Frust, da die Ordnungsbehörden ordentlich getrennt und man sich vor allem in der Neustadt mit den Cops ärgern durfte.

Wie die Beispiele aus der Region zeigen (zuletzt Leipzig) gibt es aber dennoch Wege so nen Nasenauflauf zu verhindern. Gute Organisation, transparentes und anschlussfähiges Konzept und Strukturen vor ort, die Verantwortung übernehmen können - und auch wollen...

In diesem Sinne kann ichs nur gutheißen, wenn solangsam die Mobi nach Dresden in Schwung kommt. Ein Teil davon ist die Aktivierungskonferenz im November:

näheres zu finden unter:

 http://www.no-pasaran.mobi

ein anderer Teil ist z.B.: ein TraintheTrainer für Protestaktionen/Workshops im Dezember in Jena:

 http://skillsforaction.twoday.net/stories/5976055/

nur kurz

... 25.10.2009 - 13:02
keine Lust auf alles einzugehen...deshalb nur kurz zum ersten Teil deines Artikels


Warum verkennt no paseran die Ursachen des Naziaufmarsches bzw. blendet sie gern aus:
- ja, das konservative Klima ist ein Grund der zur Ausprägungen des Naziaufmarsches in dem Umfang geführt hat. Allerdings nur einer.
Und wenn mensch den wohl bedeutenderen, nämlich den Mythos um Dresden, der sich eben in all jenen Geschichten und Lügen von Oma und -Opa aus Dresden wiederspiegelt nicht mit nennt, dann ist der Vorwurf die Ursachen des Problems zu verkennen durchaus berechtigt.


Noch am Rande...
Weil du hier die jüdische Gemeinde als Agument ins Feld führst, das Gedenken habe doch seine guten, richtigen und keinesfalls kritisierbaren Seiten. -> Die jüdische Gemeinde und Teile der DD-Zivilgesellschaft haben seit Jahren eine inhaltliche Auseinandersetzung geführt, vor der so manche no paseran Freundinnen gern die Augen verschließen. Diese Auseinandersetzung hat sie z.b. zur Erkenntis gebracht, dass kurzfristig zwar der Naziaufmarsch als vorrangiges Problem zu behandeln ist, langfristig aber die Abschaffung des Gedenkens Ziel sein sollte.
Ergo - bitte hört endlich auf das Gedenken retten zu wollen und konzentriert Euch lieber darauf den Naziaufmarsch zu verhindern - ein solches Anbietern in die, die Dresden Mythen weiter verbreiten wollen ist dazu nicht nötig.

Mythos Dresden

lala 25.10.2009 - 14:12
@venceremos: Ich weiß, dass ihr das gern hättet, dass No pasarán keine Inhalte hat und niiiieee was gegen den Mythos Dresden sagt, aber es stimmt nun mal nicht. Schau doch einfach nochmal in den Bündnisaufruf der oben verlinkt ist und siehe da, du findest gleich ganz oben, die Vorgeschichte zu dem im Artikel zitierten Satz, in dem sehr wohl genau an allererster Stelle das gemeint ist, was du behauptest, was fehlen würde.

Ansonsten beschäftigt sich bei No pasarán Dresden eine ganze Rubrik auf der Website explizit damit, die Mythen um Dresden zu dekonstruieren.
 http://dresden1302.noblogs.org/category/material-13.-februar-dresden

Und bittesehr - dies war erst der Anfang. Eine ganz neue Bündniskonstellation, lokal wie überregional braucht selbstverständlich ein klein wenig Zeit für weitere gemeinsame Diskussionen.

Zitat Bündnisaufruf:

Warum Dresden?

Der 13. Februar in Dresden ist bereits unmittelbar nach der Bombardierung zu einem Symbol geworden, welches politisch in alle möglichen Richtungen ausgenutzt wurde. Den Grundstein dafür legte Goebbels' Propaganda-Ministerium mit drastisch nach oben manipulierten Opferzahlen und gefälschten Berichten, die zum Teil bis heute unhinterfragt weiter getragen werden. Seit Jahrzehnten wird weit über Nazikreise hinaus am Mythos Dresden gestrickt. Im Rahmen des Kalten Krieges und in Abgrenzung zur Politik der BRD versuchte auch die DDR, die Bombardierung der Stadt als Argument gegen die Strategien der NATO ins Felde zu führen. Nach der Wiedervereinigung wurde Dresden benutzt, um die deutschen Kriegstoten in den Vordergrund zu rücken. Deutlich wurde dies in den öffentlichen Debatten um den Luftkrieg. In Büchern wie "Der Brand", in denen sprachlich die Luftangriffe auf Deutschland mit der Shoa auf eine Stufe gestellt wurden, wird der Tabubruch im Sinne der TäterInnen-Opfer-Verkehrung inszeniert.

Die Nazis versuchen bis heute, die Geschichte - insbesondere die Shoa - zu relativieren und politisches Kapital aus dem Mythos Dresden zu schlagen. Das zeigen auch ihre alljährlichen Aktivitäten bei der Gedenkveranstaltung auf dem Dresdener Heidefriedhof und der abendliche Naziaufmarsch am 13. Februar. Dabei wird bewusst der Kontakt zu gedenkenden BürgerInnen gesucht, mit der Absicht über das gemeinsame Element der Trauer Anschluss zu finden.

Es ist kein Zufall, dass Dresden für die Nazis eine große Bedeutung hat: Die politische Anschlussfähigkeit an Teile des bürgerlichen Lagers (...)

...

ra0105 25.10.2009 - 17:38
@ Aber-sagende Mit genau diesem Satz beweist du ja, dass du das Argument nicht verstanden hast. Mit Täterschaft ist hier natürlich kein rechtsstaatlicher Begriff gemeint; es ist keine "schuldhafte Handlung" nötig. Eine unterlassene Handlung reicht, und zwar genau die, nichts gegen das Dritte Reich unternommen zu haben.

Abgesehen davon, dass wer schuldhaft unterlässt sich strafbar macht, gebe ich dir Recht, dass in dem Artikel die Begriffe Schuld und Täter nicht definiert worden sind. Ohne ins Detail gehen zu wollen, ist hier natürlich eine abstrakte, man könnte sagen moralische Kategorie gemeint. Und der Antifaschist in der Mathildenstraße und das Kleinkind sind hinsichtlich der Verbrechen des NS integer, sowohl strafrechtlich als auch moralisch.
Es geht in der Kritik auch nicht darum, dass die Kategorie Täter / Opfer ein zu grobes Raster ist, die Mehrheit der Dresdner die es bei den Bombenangriffen getroffen hat, waren wohl wenn auch nicht im strafrechtlichen Sinne, aber zumindest im moralischen Sinne schuldig. Doch dennoch können sie Opfer sein, dies schließt sich überhaupt nicht aus.

Also die umgekehrt ebenso pauschalisierende Aufhebung der Einteilung Täter-Opfer, aus der, oh Wunder, eine von Schuld befreite deutsche Nation herauskommt.

Genau hier zeigt sich der Grundirrtum der venceremos-Argumentation. Den Dresdner Opfern zu gedenken, hat nichts aber auch überhaupt nichts mit der Aufhebung der eigenen Schuld zu tun. Zeigt doch mal bitte nur eine Rede vor, die von den Bürgern gehalten worden ist, in der nicht von der deutschen Schuld die Rede war. Es wird vermutlich an keinem Tag im Jahr so oft über Shoa und Angriffskrieg gesprochen als am 13. Februar. Du zeigst ihr ebenfalls den Grundirrtum von venceremos, dass Täter- und Opferkategorie sich gegenseitig ausschließen. Aus diesem Grund, wird dann natürlich die deutsche Nation reingewaschen, wenn sie einen Opferstatus zugesprochen bekommt. Nur ist die Shoa nicht vom Himmel gefallen, bloß weil ein paar Millionen Deutsche im Anschluss des II. WK vertrieben worden sind. Und niemand behauptet so etwas. In all den Jahren wurde nicht ein Beleg für diese These angeführt. Im Gegenteil man ignoriert konsequent den Inhalt der Reden, weil man sich irgendwann mal darauf versteift hat, dass Gedenken per se Geschichtsverfälschung ist. Aus, Bumms und weiter gehts im nächsten Jahr.

Also muss ihnen dieser pauschale Opferstatus strittig gemacht, die Bombardierung deutscher Städte im zweiten Weltkrieg hingegen legitimiert werden, verstehst du?
br> Ja, die Dresdner wurden am 13. Februar pauschal Opfer, der Luftkrieg war im Grundsatz legitim, da er der militärischen Niederschlagung des NS-System diente.
Im Endeffekt läuft es auf eine ganz einfache Frage hinaus: Kann eine Person gleichzeitig Täter und Opfer sein? (Ob moralisch oder strafrechtlich sei mal dahingestellt) Wenn man an dieser Bedingung herumfeilt, ergibt sich der Rest von ganz allein. 'Venceremos' behauptet seit Jahren, dies kann nicht sein. Für sie ist es völlig ausgeschlossen, dass eine Person die ein Ohrfeige bekommen hat und daraufhin den Täter erschießt, gleichzeitig Opfer und Täter sein kann. 'Venceremos' muss entweder die Ohrfeige oder die Erschießung ignorieren. - Agree to disagree.
Und dies hat nichts mit Humanismus oder Mitgefühl zu tun, sondern ist das Ergebnis einer unterschiedlichen Herangehensweise. 'Venceremos' aka Vorbereitungskreis 'Keine Versöhnung mit Deutschland' kann Täter und Opfer eben nur dichotom denken. Für sie bedeutet es, dass das Opfer uneingeschränkt gut, der Täter uneingeschränkt schlecht ist, weil diese Kategorien ausschließlich moralisch gedacht werden und dies schwarz oder weiß. Dazwischen gibt es nichts. Ich halte dies für eine groteske Vereinfachung und Verkürzung.

@...
Weil du hier die jüdische Gemeinde als Agument ins Feld führst, das Gedenken habe doch seine guten, richtigen und keinesfalls kritisierbaren Seiten. -> Die jüdische Gemeinde und Teile der DD-Zivilgesellschaft haben seit Jahren eine inhaltliche Auseinandersetzung geführt, vor der so manche no paseran Freundinnen gern die Augen verschließen. Diese Auseinandersetzung hat sie z.b. zur Erkenntis gebracht, dass kurzfristig zwar der Naziaufmarsch als vorrangiges Problem zu behandeln ist, langfristig aber die Abschaffung des Gedenkens Ziel sein sollte.

Ich wüsste nicht, dass die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde sich dementsprechend geäußert hat. Sollte ich mich irren, wird es wohl ein leichtes sein dies zu widerlegen. Aber interessant, dass jetzt Teile der Zivilgesellschaft (ist hier einzig und allein die Gruppe 'Mythos-Dresden' gemeint?), die bisher am Gedenken teilgenommen haben, angeblich dessen Abschaffung fordern. Im Artikel der AIB war ja davon die Rede, dass auch die bürgerlichen Varianten des Gedenkens eine Verharmlosung der deutschen Schuld als erklärtes Ziel haben - Wie passt das denn zusammen? Beides kann ja wohl nicht gleichzeitig zutreffen...

Lesetip

ra0105-watch 25.10.2009 - 19:16

@ra0105

zu deiner Vermutung, dass der VK "Keine Versoehnung mit Deutschland" nicht zur Kenntnis nimmt, dass im Gedenken inzwischen Deutsche Schuld mit genannt wird, sei auf den Aufruf 2009 (Teil: Gewandelter Geschichtsrevisionismus. Der "Kontext" der Bombardierungen) verwiesen. Zu deiner Behauptung, die Reden würden nicht zur Kenntnis genommen, solltest du den Auswertungstext zum Gedenken 2009 lesen.

@ra0105-watch

ra0105 26.10.2009 - 00:54
Und da steht: Die ausgemachte Versachlichung und Benennung geschichtlicher Zusammenhänge gibt jedoch keinerlei Anlass zur Kritiklosigkeit gegenüber den jährlich in Dresden zelebrierten Gedenkzeremonien. Im Gegenteil - das Gedenken an die Dresdner Bombentoten ist nach wie vor geschichtsrevisionistisch.
Ich gebe zu man ignoriert die Reden nicht. Bleibt aber dennoch, egal was für Reden da geschwungen werden auf den gleichen Standpunkt, was dann letztlich auf ignorieren hinausläuft.
Wo bleibt eigentlich der Beleg dafür, dass die jüdische Gemeinde das Gedenken abschaffen will? Kann jemand gleichzeitig Täter und Opfer sein? Was ist die Kritik an individueller Trauer? Wie kann es sein, dass auch die bürgerlichen Varianten des Gedenkens zum Ziel haben die deutsche Schuld zu leugnen, gleichzeitig aber Teile die Abschaffung des Gedenkens betreiben? Müsste man dann nicht wenigstens einräumen, dass es vielleicht einräumen, dass das bürgerliche Lager gar nicht so homogen geschichtsrevisionistisch ist, wie im AIB-Artikel behauptet? Was ist mit dem Vorwurf der eierlegenden Wollmilchsau, nachdem man je nach Situation dem Gedenken entweder Entkontextualisierung oder Relativierung vorwirft oder am besten gleich alles zu gleich? Fragen über Fragen...

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