225 Euro Geldstrafe gegen Antimilitaristin

Roland Ionas Bialke 23.10.2009 21:38 Themen: Repression
Gestern, am 22. Oktober 2009, wurde im Berliner Amtsgericht die Antimilitaristin Inge Viett wegen "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" zu einer Geldstrafe von 225 Euro abgeurteilt. Von dem Vorwurf einer angeblichen zweiten Widerstandshandlung und einer versuchten Gefangenenbefreiung wurde die Antimilitaristin hingegen freigesprochen. Hintergrund: Am 20. Juli 2008 demonstrierten etwa 500 Personen gegen ein Bundeswehrgelöbnis, dass erstmals vor dem Reichstag stattfand. Als Sirenen vom Lautsprecherwagen der Demonstration abgespielt werden, stürmen gepanzerte PolizistInnen die Demonstration, erklimmen den Lautsprecherwagen und zerschneiden die Kabel der Lautsprecher. Hierbei schlugen die BeamtInnen auf DemonstrationsteilnehmerInnen ein und wunderten sich dann, dass diese Gewalt nicht unbeantwortet blieb.
Der erste Prozesstag fand schon am 1. Oktober 2009 statt. Siehe:  http://de.indymedia.org/2009/10/262539.shtml - Dort hatte der 37-jährige Gruppenführer der 24. Ehu (4. Einsatzhundertschaft der 2. Berliner Bereitschaftspolizeiabteilung) Engelmann ausgesagt, er werde Widerstand brechen und somit seine gewaltförmige Ideologie offenbart.

Gestern wurde dann POM´in Tina Ludwig (28) als Zeugin gehört. Sie war am 20. Juli 2008 in einem Beweisdokumentationstrupp (BeDo) der 24. Ehu auf der Demonstration. Diese Trupps sind meist zu zweit unterwegs, eineR filmt und eineR passt auf, dass die filmende (abgelenkte) Person nicht angegriffen wird. Ludwig konnte sich nur noch daran erinnern, dass die Leute die sie filmte eingehakt waren und dass Engelmann sich später erkundigte, ob eine bestimmte männliche Person auf dem Video zu sehen ist. Engelmann soll nämlich während seines Einsatzes gehauen worden sein. Danach versuchte er mit anderen Polizisten diese Person festzunehmen, was in der Masse der DemonstrantInnen nicht so richtig gelang.

Der zweite Zeuge des Tages war POM Andreas Heidemann (28 Jahre alt und ebenfalls bei der 24. Ehu). Heidemann konnte sich überhaupt nicht mehr an die Geschehnisse erinnern. Da ein neues Polizeivideo aufgetaucht war, wurde dieses Heidemann vorgespielt. Trotzdem konnte oder wollte sich Heidemann nicht mehr erinnern.

Anschliessend wurde Matthias Schilling (24 Jahre alt und auch Polizist bei der 24. Ehu) als Zeuge gehört. Er konnte sich nur ganz dunkel an eine Gefangenenbefreiung in dieser Demonstration erinnern. Schilling sagte, es wäre ein grosser Bereich gewesen und er wäre mit Heidemann "durch die Masse gegangen". Die beiden hatten den Auftrag bekommen, den Lautsprecher auszuschalten. Aus der Demonstration heraus soll es dann zu einer versuchten Gefangenenbefreiung gekommen sein. Als die Richterin aber konkret nachfragte, meinte Schilling nur noch, dass er nicht mehr genau weiss was passiert ist.

Nach Matthias Schilling wurde der Polizist Karsten Kenser (42 Jahre alt, Gruppenführer bei der 24. Ehu) befragt. Er erinnerte sich, dass Engelmann gegen 20 uhr 30 auf Inge Viett gezeigt habe. Kenser sollte Viett festnehmen, da Engelmann meinte, sie hätte versucht den Gefangenen zu befreien. Darum meinte Kenser, dass er auf Inge Viett zuging und ihre Personalien feststellen wollte. Doch auch nach mehrminütiger Aufforderung sei Inge Viett dieser nicht nachgekommen. Und so habe Kenser sie am Arm festgehalten um sie ins Gewahrsam abzuführen. Dabei soll sich Inge Viett gewehrt und sich "gegen die Laufrichtung gestemmt" haben. Der etwa 1,95 Meter grosse Kenser schien dabei so grosse Angst vor der sichtlich kleineren Festgenommen zu haben, dass er sich den Kollegen Sebastian Hilfer zur Sicherheit zur Ingewahrsamnahme ranholte. Hilfer sagte im Gegenzug zu Kenser aber nicht aus, dass Inge Viett sich versuchte herauszuwinden - Nein, Hilfer meinte, dass Inge Viett sich entgegen jeder physikalischen Regel schwerer gemacht hätte.

Anschliessend beantragte die Staatsanwältin gegen die Antimilitaristin Inge Viett eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen a 20 Euro. Ein Video der RBB-Abendschau habe offensichtlich bewiesen, dass Inge Viett sich gegen die eigene Gewahrsamnahme widersetzt hat. Jedoch sah auch die Staatsanwältin keine versuchte Gefangenenbefreiung und keine zweite Widerstandshandlung in der Demonstration selbst. Auf den Videos sei zu sehen, dass bei der Festnahme der männlichen Person in der Demonstration niemand an dieser Person zog. Auch sei diese Person auch noch nicht unter der Kontrolle der Polizei gewesen. Daher müsste bei diesen Anklagepunkten ein Freispruch erfolgen, so die Staatsanwältin.

Die Verteidigung beantragte hingegen einen Freispruch in allen drei Anklagepunkten. Inge Viett habe bei der versuchten Festnahme der männlichen Person beschwichtigend auf Ihr Umfeld eingewirkt. Dies sei auf dem Video zu sehen. Auch habe sie nicht mit beiden Händen an die festgenommene Person ziehen können, da sie eine Rassel in der Hand hatte. Auch seien mehrere Faustschläge der Polizei gegen DemonstrantInnen auf dem Video zu sehen. Als Inge Viett dann mitgenommen werden sollte, war es die niedrigste Form des Widerstands nicht mitkommen zu wollen, meinte die Verteidigung. Zudem hätten die Polizisten Engelmann und Schubert ein Eigeninteresse an einem Urteil, um diese gewalttätige Polizei-Massnahme zu rechtfertigen zu können. Die Verteidigung führte aus, dass es legitim sei nicht mit der Polizei zu kooperieren.

Das Urteil lautete dann wie folgt: Eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen a 15 Euro gegen Inge Viett wegen einfachen "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte". Eine zweite Widerstandshandlung habe es nicht gegeben und auch eine versuchte Gefangenebefreiung auch nicht. Zu diesen Punkten erhielt Inge Viett einen Freispruch. Die Widserstandshandlung bei ihrer eigenen Festnahme sei durch ein Video belegt. In der anderen Situation wäre aber alles unübersichtlich gewesen, drei Personen hätten an eine männliche Person gezogen, die von der Polizei festgenommen werden sollte aber sich noch nicht unter der Kontrolle der Polizei befand. Inge Viett habe hier mit einer beschwichtigenden Geste auf die umstehenden Personen eingewirkt.

Da die Antimilitaristin Inge Viett Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) und der Bewegung 2. Juni war, hetzte die Presse während und nach dem Prozess gegen sie. Die Bild-Zeitung titelte sogar mit "Inge Viett mit RAF-Symbol", weil die Angeklagte einen rot-schwarz-goldenen Stern-Anhänger um den Hals trug. Auf ihre Vorstrafe wurde im Gerichtssaal jedoch keinen Bezug genommen, da diese schon 1992 verhangen wurde.

Über Inge Viett -  http://de.wikipedia.org/wiki/Inge_Viett

Kommerziell Presseberichte:

 http://www.jungewelt.de/2009/10-23/020.php

 http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article1194653/Geldstrafe-fuer-Ex-Terroristin-Inge-Viett.html

 http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2009_10/urteil_gegen_ex_terroristin.html

 http://www.bz-berlin.de/tatorte/gericht/inge-viett-zu-225-euro-strafe-verurteilt-article621018.html

 http://www.tagesspiegel.de/berlin/Polizei-Justiz-RAF;art126,2930276

 http://www.berlinonline.de/aktuelles/berlin/detail_ddp_2562128470.php

 http://www.bild.de/BILD/news/2009/10/22/ex-raf-terroristin-inge-viett/nur-zu-geldstrafe-verurteilt.html
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