Berlin - Prozessauftakt gegen Christoph

WBA Antirepressions-AG 21.10.2009 20:01 Themen: Repression
Am 20. Oktober 2009 fand im Landgericht Berlin der Prozess gegen Christoph statt. Während den "Actionweeks" der Kampagne "Wir Bleiben Alle" (WBA) wurde Christoph und drei weitere Personen in der Nähe einer Hausbesetzung und Spontandemonstration am 17. Juni 2009 festgenommen. In der Pettenkoferstrasse in Berlin-Friedrichshain hatte ein VW Passat und einige Strassen weiter ein zweites Auto gebrannt. Am Folgetag wurde Christoph und der mit ihm gemeinsam festgenommene Tim wieder freigelassen. Etwa einen Monat später, am 13. Juli 2009, wurde gegen Christoph dann aufgrund des Autobrands vom 17. Juni 2009 Haftbefehl erlassen und zwei Tage später verhaftet. Seitdem sass Christoph in Untersuchungshaft.
Unter verschärften Sicherheitsbedingungen begann der Prozess gegen Christoph am 20. Oktober 2009 im Saal B 129 im Landgericht Berlin. Die Presseplätze waren gefüllt, vor dem Saaleingang und im Saal wurden Aufnahmen von Zeug_innen, dem Angeklagten und den Prozessbeobachter_innen gemacht. Die etwa 25 Prozessbeobachter_innen mussten durch eine Sicherheitsschleuse, wurden gründlich abgetastet und durften vereinzelt keine Schreibutensilien mit in den Gerichtssaal nehmen. Dem Schöff_innengericht (zwei Richter und zwei Schöff_innen) schien es auch nicht zu stören, als mitten im Prozess ein Medienvertreter einen mitschreibenden Prozessbeobachter bei einem Justizwachtmeister denunzierte.

Die Anklageschrift von Oberstaatsanwalt Thomas Schwarz und Staatsanwältin Pamela Kaminski wurde verlesen. Christoph und der gesondert verfolgte Tim hätten am Abend des 17. Juni 2009 einen VW Passat angezündet. Ein danebenstehendes Auto sei ebenfalls beschädigt worden. An ihrer Kleidung und an weggeworfenen Handschuhen seien Rückstände von Lampenöl gefunden worden, zudem hätten sie sich die beiden während und kurz vor der Festnahme auffällig verhalten.

Als erster Zeuge wurde der gesondert verfolgte Tim gehört. Er verweigerte die Aussage. Der vorsitzende Richter Ralf Fischer akzeptierte das so und Tim konnte gehen. Anschliessend wurden die Durchsuchungsberichte verlesen. Kurz nach dem Autobrand und der ersten Festnahme hatte es in den Wohnungen von Christoph und Tim Durchsuchungen der Polizei unter "Gefahr in Verzug" gegeben. In Christophs Wohnung wurden hierbei etwa 2000 Antifa-Flugblätter gefunden. Und auch in Tims Wohnung fanden die Polizist_innen Poster, die sie auf eine linke Gesinnung des Durchsuchten schliessen liessen.

Nach der Verlesung wurde ein weiterer Zeuge gehört. Dieser hatte den Autobrand gegen 22 Uhr 15 bemerkt und die Polizei (!) gerufen. Er sah am Vorderrad des VW Passat eine etwa 40 cm grosse Flamme. Plötzlich wurden die Flammen grösser und ein zischen war zu hören. Tage später hatte der Zeuge dann noch mit PHK Köhler (LKA 533) telefoniert und seine Beobachtungen nochmals geschildert. Dann sagte die geschädigte Autobesitzerin aus. Den VW Passat hatte sie gebraucht für 8500 Euro gekauft. Einen Tag später habe sie das Auto, was nach dem Brand einen Totalschaden hatte, an einen Ersatzteilehändler verkauft.

Nun sagte die Sprengstoff- und Brandermittlerin Kerstin Krüger (50) vom LKA 533 aus. Sie ist seit 18 Jahren Sprengstoff- und Brandermittlerin beim LKA 533. Krüger sagte aus, das LKA sei eine spezielle Dienststelle des Staatsschutzes die eingerichtet wurde um gegen "terroristische Sachen" zu ermitteln. Dem LKA 533 werden alle Autobrände in Berlin gemeldet und diese Dienststelle entscheidet dann, was eine politische und was keine politische Brandstiftung ist. Ebenso wird in dieser Dienststelle entschieden, was überhaupt eine Brandstiftung gewesen sei, so die Zeugin.

Hier fiel erneut ein sichtlich engagierter Sachverständige auf. Neben einem Sachverständigen für Chemie war auch ein Sachverständiger für Brandspuren im Gerichtssaal - und beide hatten Fragerecht. Der Sachverständige für Brandspuren fragte die LKA-Ermittlerin wie denn untersucht wurde, ob es sich um eine Brandstiftung und nicht etwa um einen brandauslösenden Defekt gehandelt habe. Krüger meinte daraufhin, dass dies nicht untersucht wurde. Die politische Brandstiftung wurde aufgrund der Aussage des Zeugen, der den Brand am Vorderreifen enstehen gesehen haben will, bestimmt. Es sei aber das Auto angehoben worden und unter dem Auto liegender Brandschutt von der Strasse gekratzt um diesen nach Brandbeschleuniger zu untersuchen. Einen spezieller Hund wurde nicht eingesetzt, da durch das verbrannte Benzin aus dem Autotank alles mit Benzinspuren konterminiert gewesen wäre. Als durch die Fragen des Sachverständigen langsam zum Tageslicht kam, dass das LKA 533 überhaupt kein Interesse daran hatte entlastende Beweise zu ermitteln und nichtmal im Ansatz versuchte zu ermitteln, unterbrach Richter Fischer den Sachverständigen. In der Folge versuchte der Richter erfolgreich die Sachverständigen loszuwerden. Der Sachverständige für Brandspuren wurde entlassen, weil angeblich die kommenden Zeug_innen nichts mit den Brand zu tun hatten und der Sachverständige für Chemie wurde nach seiner Aussage, die der Aussage von Krüger folgte, nach hause geschickt.

Krüger gab ergänzend an, dass ein gewisser Herr Schwanenberger (LKA 533) der Ermittlungsführer im Verfahren gegen Christoph ist. Zur Tatzeit hatte Frau Krüger Herr Michalek (LKA 533, bekannt aus dem Prozess gegen Alexandra R.) und einen weiteren Kollegen Bereitschaft. Ein Herr Scholz (LKA 533) sei ihr Chef und würde vom Lagezentrum die Aufträge erhalten und dann an die jeweiligen Kolleg_innen verteilen. Auch gab Krüger an, dass in der Nähe der Festnahme von Christoph und Tim auch noch zwei andere Personen festgenommen wurden. Diesen wurde vom Landeskriminalamt vorgeworfen, sie hätten ein weiteres Auto in der Nähe angezündet.

Der Sachverständige für Chemie sagte aus, dass an den Schuhen, Handschuhen, am Rucksack und an den Einweghandschuhen, die bei Christoph und Tim gefunden wurden bzw. die später durch die Polizei zur Spurensicherung an den Händen angebracht wurden, Spuren von Lampenöl aufwiesen. Lampenöl sei Bestandteil von einigen flüssigen sowie von festen Grillanzündern. Es wurden entsprechende Kohlenwasserstoff-Fraktionen nachgewiesen. Auf Nachfrage der Anwältinnen, ob es sich nicht auch um Paraffin aus Handcremes handeln würde, verneinte der Sachverständige dies. Bei dem als Grillanzünder verwendeten Kohlenwasserstoffe handelt es sich um anders zusammengesetzte Kohlenwasserstoff-Zusammensetzung, die in Handcremes keine Verwendung finden. Jedoch sagte der Sachverständige aus, dass im Brandschutt keine entsprechenden Spuren von Lampenöl gefunden worden sei. Eine Verwendung von Lampenöl halte er für unwahrscheinlich, weil die verbrenndenden Brandbeschleuniger normalerweise nach unten tropfen würden. Da aber Brandschutt von unter dem Auto zur Analyse verwendet wurde, hätten da auch Lampenöl-Spuren sein müssen. Der Zeuge führte aus, dass sich Lampenölspuren leicht übertragen lassen. Wenn jemand anderes damit in der Nähe hantiere oder vor Tagen damit hantiert wurde, dann wären die Spuren immernoch da. Bei Kleidung könnten die Spuren sogar mehrere Wochen vorhanden sein und auch eine Wäsche überstehen.

Schliesslich wurde von der Verteidigung beantragt die Untersuchungshaft gegen Christoph aufzuheben. Das Lampenöl, welches nichts mit dem Brand des Autos zu tun hatte, könnte Tage vorher und sonstwie an Christophs Kleidung gekommen sein. Ein Nachweis, dass Christoph irgendwas mit dem Brand zu tun hat, konnte die Staatsanwaltschaft nicht vorbringen. Auch das auffällige Verhalten von Christoph kurz vor und während der Festnahme sei zu erklären. So hätte in der Nähe eine Hausbesetzung und eine Spontandemonstration stattgefunden, bei denen es auch zu Straftaten gekommen sei. Oberstaatsanwalt Schwarz beantragte dagegen, dass Christoph weiter in Haft gehalten werden soll. Bei der Vernehmung des Sachverständigen war er garnicht im Raum, deshalb meinte er fälschlicherweise, dass dieser Ausgesagt hätte, dass Lampenöl auch im Brandschutt gewesen wäre. Nach kurzer Beratung wurde entschieden Christoph aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Christoph seinicht mehr dringend tatverdächtig und ein Urteil sei unwahrscheinlich, so der vorsitzende Richter.

Als letzter Zeuge des Tages wurde der verdeckte Ermittler vom LKA 642 mit der Codiernummer 99100299 vernommen. Dieser war am 17. Juni 2009 mit einen Kollegen in Fridrichshain in ziviler Kleidung unterwegs, um die Hausbesetzung dort zu überwachen. Auch Codiernummer 99100273 war einige Strassen weiter unterwegs und dokumentierte dort "Farbschmierereien". Codiernummer 99100299 gab an, er hätte von Passanten einen Hinweis bekommen, dass in der Pettenkoferstrasse ein Auto brannte und sei dann in der Dolziger Strasse Richtung Pettenkoferstrasse gelaufen. Versetzt hinter ihm sein Kollege. Ihm seien dann zügig zwei Personen entgegengekommen und einer hätte dann einen Einweghandschuh weggeworfen. Er habe die Person festgenommen die den Einweghandschuh weggeworfen habe, der Kollege mit der Codiernummer 99100390 nahm die zweite Person fest. Zuletzt sollte eine weiterer Zeuge gehört werden. Dieser war aber nicht da und so verhängte der Richter ein Ordnungsgeld von 150 Euro.

Der nächste Prozesstag und vermutlich das Urteil wird am 23. Oktober 2009 um 9 Uhr im Raum B 129 des Landgerichts Berlin (Wilsnacker Strasse 4) sein. kommt zahlreich.

Homepage der Christoph-Soligruppe:  http://engarde.blogsport.de

Ausserdem findet am 26. Oktober 2009 ein Prozess gegen einen Aktivisten statt, der während der Actionweeks ein Baumhaus in einem Park baute und ein Transparent aufhing. Der Repressionsapparat meint, das wäre eine Ordnungswidrigkeit. Zeigen Wir Unserem Aktivisten, dass er nicht allein ist!

Prozess wegen dem Aufhängen eines Transparents und dem Bau eines Baumhauses während der Actionweeks:

Amtsgericht Berlin
26. Oktober 2009 um 9 Uhr 45
Raum 3105 - Kirchstrasse 6 (!!!)

Homepage der WBA-Kampagne:  http://wba.blogsport.de
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Ergänzungen

Artikel der Christoph-Soligruppe

Wir Bleiben Alle 21.10.2009 - 20:13
Weiterer Artikel vom Prozeß:

Christoph ist draußen -  http://de.indymedia.org/2009/10/263851.shtml

Polizeiüberwachung

Daggett Doofus Biber 21.10.2009 - 20:31
Im Artikel wurde vergessen, dass die Prozessbeobachter_innen von der Polizei mit zwei nicht als Polizeifahrzeuge zu erkennenden Autos observiert wurden. Vor dem Eingang der Sicherheitsschleuse stand zudem noch ein Halbgruppenkraftwagen der Polizei bereit. Der szenekundige und in ziviler Kleidung agierende Sven Radis tauchte ebenso im Gerichtssaal auf.

denunziant vom BERLINER KURIER

AK kritische öffentlichkeit 23.10.2009 - 03:02
bei politischen prozessen gehört es ein stück weit schon zur normalität, wenn vertreter der öffentichkeit durch die justiz daran gehindert werden, das prozessgeschehen zu dokumentieren. so wird prozessbeobachtern z.b. häufig untersagt, zettel und stifte zu verhandlungen mit zu nehmen, obwohl dies in den meisten fällen kein bestandteil etwaiger sicherheitsverfügungen ist. das ist willkür ohne jede rechtsgrundlage! hingegen eher die ausnahme ist es, wenn die öffentlichkeit nicht von der justiz, sondern durch inhaber eines presseausweises behindert wird. so fiel in diesem zusammenhang beim prozessauftakt gegen christoph t. ein reporter des BERLINER KURIER besonders negativ auf. (auf die journalistischen leistung der rechten hetzpostille gehen wir an dieser stelle nicht weiter ein.) nachdem er schon zu prozessbeginn christoph massiv mit seiner kamera bedrängte, schwang er sich letztendlich dazu auf, den menschen im zuschauerraum das mitschreiben verbieten zu wollen. dies garnierte er mit der drohung, sie andernfalls bei den justizwachtmeistern zu denunzieren. nachdem ihm unmissverständlich klar gemacht wurde, dass man sich durch solche drohungen nicht einschüchtern lassen würde, verließ er fluchtartig den saal; nicht ohne zuvor noch die anwesenden wachtmeister in kenntnis zu setzen. ein reporter, der den öffentlichen auftrag des pressegesetzes, nachrichten zu beschaffen und zu verbreiten (§3(3)), derart interpretiert, dass er glaubt, es stünde ihm wiederum zu, die öffentlicheit von einer unmittelbaren und selbstständigen informationsbeschaffung bzw. verbreitung abzuhalten, hat sich disqualifiziert. nicht nur menschen, die dem bürgerlichen recht ohnehin skeptisch gegenüber stehen, sollten zukünftig zweimal überlegen, ob sie diese person gewähren lassen, wenn sie, sich auf "pressefreiheit" berufend, tätig wird.

für mehr hausverbote! BZ, BILD, KURIER und andere hetzer raus!

Ausführlicher Bericht

mettwurst 23.10.2009 - 18:22

Prozess wegen Tempelhofbesetzung

Welt-online 23.10.2009 - 23:09
Vier Monate nach der versuchten Besetzung des stillgelegten Flughafens Berlin-Tempelhof hat am Mittwoch der Prozess gegen einen mutmaßlichen Randalierer begonnen. Vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten gestand der 29-jährige Mann, im Tumult reflexartig eine Plastikflasche auf einen Polizisten geworfen zu haben. Dem Angeklagten wird schwerer Landfriedensbruch und versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Hunderte von Polizisten hatten die Besetzung des Airports verhindert. Bei den zum Teil gewaltsamen Ausschreitungen wurden rund hundert Personen festgenommen. Die Kosten des Polizeieinsatzes gingen in die Millionen.

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Ey Sachsen Paule, — Zecki

iiiiiieeeeh.... — pfuibäh

Ist er — Hund

MICHA heisst der gute Mann — Micha Hasser