(NL) Squatten illegalisiert? Ein Interview

AK Antifa Aachen 21.10.2009 15:38 Themen: Freiräume Kultur Repression Soziale Kämpfe
(NL) Hausbesetzungen illegalisiert? Ein Interview

Derzeit wird im niederländischen Parlament ein Gesetzesentwurf diskutiert, nach dem die Besetzung von leerstehenden Häusern schon bald illegalisiert werden soll. Aber was heißt das für die radikale Linke dort? Wer ist eigentlich von dem Gesetz sonst noch so betroffen? Und gibt es überhaupt noch Chancen, das Gesetz zu kippen? Wir sprachen mit SquatterInnen aus Utrecht, um mehr über das bevorstehende Kraakverbot zu erfahren.
AK: Zuerst mal eine kurze Verständnisfrage: In den Niederlanden wird ja derzeit diskutiert, Hausbesetzung ab Januar 2010 zu verbieten. In den letzten Tagen erschien auf Indymedia Deutschland ein Artikel, in dem zu lesen war, dass die zweite Kammer das Gesetz bereits beschlossen hat und nun nur noch die erste Kammer ein Veto abgeben könnte, um das Gesetz doch noch zu kippen. Könnt ihr uns kurz erklären, was das bedeutet?

SquatterInnen: Die zweite Kammer kann mit dem deutschen Parlament verglichen werden. Die 150 Abgeordneten werden alle 4 Jahre gewählt und sie machen neue Gesetze. Die Regierung ist also Teil der zweite Kammer, und sie ist eine Koalition von Parteien, wie in Deutschland. Momentan setzt sich die Regierung aus der PvdA (SozialdemokratInnen), CDA (ChristdemokratInnen) und den Christianfundamentalists, der CU zusammen. Jene, die für das Kraakverbot gestimmt haben, setzen sich zusammen aus rechten Arschlöchern (PVV, List Verdonk), christlichen FundamentalistInnen (CU, SGP), Liberalen (VVD) und den christlichen DemokratInnen (CDA).
Die erste Kammer wird in den Provinzen gewählt (ähnlich also wie der Bundesrat) und ist in der Regel weniger von Medien und populistischen Ansichten beeinflusst. Die erste Kammer neigt eher dazu, neue Gesetze aus einem „seriöseren“ Blickwinkel zu betrachten.
Die zweite Kammer denkt sich also neue Gesetze aus, und wenn sie was beschlossen hat, so soll die erste Kammer diesen bitte auch zustimmen. Und so, wie es im Moment aussieht, wird die 1. Kammer auch dieses Gesetz verabschieden. Dann wird Kraaken ab dem ersten Januar illegal sein.


AK: Wie war das mit dem Besetzen denn bisher? War das legal?
SquatterInnen: Es war legal, vorausgesetzt das Haus wurde länger als ein Jahr nicht genutzt.

AK: Und wer besetzt so in den Niederlanden? Also welche Gruppen trifft das Gesetz?
SquatterInnen: Die Squatting-Szene in Holland war schon immer international, was auch bedeutet, dass nun eine Menge Leute, die nicht aus Holland kommen, Schwierigkeiten haben werden, eine Bleibe zu finden. Auch Menschen ohne Papiere sind jetzt gezwungen, auf der Straße zu leben. Außerdem werden Initiativen wie Umsonstläden, Voküs, nicht-kommerzielle Bars und Lokale, Sozialzentren und so weiter aufhören zu bestehen. Auch Treffpunkte für linke AktivistInnen oder Proberäume für Bands werden wegfallen.
Es kann wohl gesagt werden, dass das Kraak-Verbot ganz allgemein die linksradikale Szene in Holland beeinflussen wird.

AK: Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krise werden noch mehr Menschen nicht genug Geld haben, um sich Wohnungen leisten zu können. Seht ihr da einen Zusammenhang zwischen einer verschärften Repression und steigender Armut? Und wie sieht eigentlich der Wohnungsmarkt in den Niederlanden aus?
SquatterInnen: Ich denke, dass die ansteigende Repression der Tatsache geschuldet ist, dass die Herrschenden immer schon Angst vor der eigenen Bevölkerung hatten. Sie wissen, dass die kapitalistische Gesellschaft, in der wir leben, kurz vor einem Kollaps steht. Um die bestehenden Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten, schüren sie Angst. Angst vor allem Unkonformen und Widerständigen. Dir wird gesagt, dass du dir keine Sorgen machen musst, so lange du nur angepasst bist. BesetzerInnen, Muslima, Menschen ohne Papiere und jene, die das System hinterfragen, seien die, die dieses System bedrohen. Alle anderen können sich sicher fühlen, solang sie ihre beschissenen Medien lesen und ihre verdummenden, platten TV-Shows konsumieren, bis sie irgendwann tot umfallen. Wie die Römer zu sagen pflegten: Gib ihnen Brot und Spiele und sie werden zufrieden sein.
Na, und der Wohnungsmarkt in Holland ist völlig außer Kontrolle geraten. Der Wert eines Hauses hat sich innerhalb weniger Jahre verdreifacht, die Menschen haben oft zwei Jobs gleichzeitig, nur um irgendwie die Miete zu finanzieren. Die Effekte der so genannten ökonomischen Krise verschärfen die Situation noch. Viele sind gezwungen, ihre Häuser zu verkaufen und dann haben sie bis ans Ende ihres Lebens noch nen riesigen Schuldenberg. Sie müssen Jahre warten, um ein Haus mit bezahlbarer Miete zu erhalten. In Utrecht beträgt die Wartezeit für ein Einfamilienhaus sieben Jahre. In Amsterdam sind's sogar zwölf.

AK: Mit welcher Begründung versuchen die PolitikerInnen das Gesetz durchzusetzen?
SquatterInnen: Das wichtigste Argument ist, dass die HausbesetzerInnenszene immer gewalttätiger würde. Es basiert auf einigen Mediengeschichten, und klar insbesondere auf rechten Publikationen, die sich Scheiß-Storys einfallen lassen - von Menschenfallen, Waffen und so weiter. Eigentlich ist es nicht nur das Thema Besetzungen, dass von dieser Art populistischer Politik betroffen ist. Ein großer Teil der zunehmenden Repression in Holland ist den PolitikerInnen geschuldet, die ihr Handeln von Mediengeschichten abhängig machen. Ein anderes Argument, was herangezogen wird, um das Squatten zu verbieten ist, dass ein Gebäude schließlich das Eigentum eines Menschen sei und dass es nicht erlaubt sein könne, das Eigentum anderer anzurühren. Da wird dann so getan, als würde besetzen bedeuten, dass Eigentum anderer zu stehlen!

AK: Wie wird dieser Vorstoß in der niederländischen Öffentlichkeit diskutiert? Stimmt es, dass immer noch die Hoffnung besteht, dass das neue Gesetz in den Städten nicht umgesetzt wird?
SquatterInnen: Es gibt nicht viele Diskussionen darüber in der niederländischen Öffentlichkeit. Die Linke im Parlament betont natürlich die positiven Effekte, die Besetzungen mit sich gebracht haben und meint, dass es ja schon Gesetze gibt, um der „ansteigenden Gewalt“ zu begegnen, dass diese aber nicht umgesetzt würden... Nunja, was kannst du auch mehr von Parteien erwarten, die mit dem kapitalistischen System kuscheln. Auch wenn sie sich selbst SozialistInnen, Grüne Linke, KommunistInnen nennen, es ist immer noch die verdammt gleiche Art von bullshit. Und die Öffentlichkeit in den Niederlanden? Yeah, die besetzt nicht und deshalb ist es auch nicht ihr Problem. Die meisten Großstädte in Holland haben schon gesagt, dass sie dieses Gesetz nicht durchsetzen werden. Aber nicht weil Squatten legal bleiben sollte, sondern weil es zu viele bürokratische Streitereien geben würde und sie hierfür nicht genug Personal hätten.

AK: Wenn nun also wirklich das Gesetz beschlossen werden sollte: Was bedeutet das für bestehende besetzte Häuser? Uns was für Folgen hat das für Euch und für die politische Infrastruktur in den Niederlanden?
SquatterInnen: Ich denke nicht, dass alle besetzten Häuser sofort geräumt werden, wohl aber nach der nächsten Wahl. Wie es gerade aussieht, wird die PVV etwa ein drittel der Stimmen erhalten und sie ist eine typische law and order Partei...
Für mich persönlich wird das wahrscheinlich bedeuten, in den Knast zu wandern. Ich werd niemals aufhören zu besetzen. So lange wie diese kapitalistische Gesellschaft existiert, werde ich kämpfen. Und Squatten ist für mich eines der Mittel, dieses System zu bekämpfen.
Für die politische Szene wird es wahrscheinlich einen kleinen Rückschlag bedeuten. Es gibt zum Glück auch noch andere Orte wo wir uns treffen und Aktionen planen können. Zum Beispiel das ACU in Utrecht, das Onderbroek in Nijmegen und das OCCII in Amsterdam. Das sind alles legalisierte Squats.

AK: Und was für Aktionen plant ihr für die nahe Zukunft, um das Gesetz doch noch zu kippen? Können AktivistInnen aus Deutschland euch irgendwie unterstützen?
SquatterInnen: Ich hab ja eben schon erklärt, was für eine Bedeutung der Friedfertigkeit zukommt. Nach dem ersten Januar muss auf jeden Fall was passieren.
Und klar könnt ihr uns unterstützen. Da ist die Solidemo in Berlin, oder mensch trifft sich am 24. Oktober auf der Demo in Utrecht. Die Demo beginnt um 13.00 Uhr auf dem Mariaplaats. Aber die wichtigste Form der Solidarität ist wohl, niemals aufzuhören, dieses System zu bekämpfen!!!

AK: Noch ein Schlusswort von euch?
SquatterInnen: Kraken is verzet! kraken gaat door!



mehr Infos dazu gibt es auf folgenden Internetseiten und bei nl.indymedia.orf

 http://www.indymedia.nl/nl/2009/10/62229.shtml

 http://www.indymedia.nl/nl/2009/09/61931.shtml

 http://www.woonstrijd.nl/

 http://kraken.wonen.ws/
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Ergänzungen

Infos zur Demo

Squat the world 21.10.2009 - 15:55
Infos zur Demo in Utrecht am Samstag dem 24.10 finden sich hier:

 http://www.indymedia.nl/nl/2009/09/61931.shtml

die Leute dort freuen sich sehr über Unterstützung


kraken gaat door!

Solidemo in Berlin

Communism! 21.10.2009 - 19:15
Mit der Solidemo ist vermutlich die "Schwarzer Kanal Verteidigen!"-Demo gemeint, die am 24.10., also kommenden Samstag im Rahmen der "Queer And Rebel Days" ( http://queersandwagen.blogsport.de/) stattfinden wird.
Treffpunkt ist um 13h am S-Bhf Warschauer Straße.

Wagenplatz Besetzung für Schwarzer Kanal

Stay Queer 23.10.2009 - 22:58

Transparent im Berliner Tiergarten

G.Else 23.10.2009 - 22:59

More Solidarity Demonstrations

GMT 23.10.2009 - 23:17
Upcoming are a nationwide demonstration on Saturday, October 24th and decentralized action days from October 30th until November 1st.

Just Klick:  http://www.indymedia.org/de/2009/10/930398.shtml

Live-Twitter

Tweety 24.10.2009 - 15:49

Erste Bilder aus Utrecht

Kleurrijke optocht vóór kraken 24.10.2009 - 15:51

Live Radio

DJ 24.10.2009 - 15:53

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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SOlidemo Berlin? — nachfragender

Deutschsprachige Übersetzung des Aufrufs — der niederländischen Aktivist_Innen