München: Fang den Hut!

R/AM 19.10.2009 00:00 Themen: Antifa
Am 16.10.09 fand eine antifaschistische Kundgebung mit ca. 100 TeilnehmerInnen unter dem Motto „Fang den Hut! Gegen den Burschenschaftskommers in München!“ statt. Diese war in nächster Nähe, etwa 30m vom Haupteingang des Sudetendeutschen Hauses in der Hochstr.8 nähe Rosenheimer Platz, angemeldet worden.
Der Kommers stand unter dem Motto „2000 Jahre Herrmannsschlacht“ und war von dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft (DB)“ organisiert worden. Zu dieser heißt es im Aufruftext: „Die „Deutsche Burschenschaft (DB)“ als Dachverband ist zweifelsohne der äußerst rechte Rand des akademischen Korporationswesens. Nach eigenen Angaben umfasst sie derzeit ca. 15.000 Mitgliedern, die in ungefähr 120 Burschenschaften organisiert sind. Der 1902 aus dem 1881 gegründeten Allgemeinen Deputierten-Convent (ADC) hervorgegangene Verband wurde 1935 freiwillig in den NS-Studentenbund überführt, „weil sie nichts anderes als Nationalsozialisten sein wollten“ und schließlich 1950 neu gegründet.
Die Aktivitäten des Dachverbandes und seiner Mitglieder sind damals wie heute von einem rechten, reaktionären Kurs gekennzeichnet. Dieser zeigt sich z. B. deutlich daran, dass in Mitglieds-verbindungen keine Frauen, Juden, Ausländer, Homosexuelle und Kriegsdienstverweigerer aufgenommen werden dürfen.
Ihre ideologische Basis stützt sich auf einen völkischen Nationalismus. So prangert die DB in geschichtsrevisionistischer Manier regelmäßig die Oder-Neiße-Grenze an. Mitunter werden Forderungen nach einem „Deutschland im Ganzen“ laut, das noch über die völkerrechtlichen Grenzen von 1937 hinausgehen solle: Teile Osteuropas, das sogenannte Sudetenland, Österreich und Südtirol, aber auch französisches sowie belgisches Territorium und vieles andere mehr sind ihrer Auffassung nach „deutsch“. Entsprechend verkündet die DB auf ihrer Homepage: „Die deutsche Burschenschaft sieht das deutsche Vaterland unabhängig von staatlichen Grenzen in einem freien und einigen Europa, welches Osteuropa einschließt.“
Ferner existieren laut der DB grundsätzliche und unabänderliche Unterschiede zwischen „Völkern“. Dem „deutschen Volk“ kommt dabei in burschenschaftlicher Politik eine besondere Rolle zu. So gilt beispielsweise ein in Polen geborener Mensch mit deutschen Eltern als „deutsch“, während ein in Deutschland geborener Mensch türkischer Abstammung als „undeutsch“ angesehen wird und ihm somit die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft verwehrt bleibt.“

Als Festredner des Kommers war Dr. Hans Merkel (CSU), seines Zeichens Ministerialpräsident a.D., angekündigt worden. Dieser fiel in der Vergangenheit durch klar geschichtsrevisionistische und rechtsextreme Äußerungen auf. So hetzte er beispielsweise 2004 in Nürnberg: „Das Innenleben des Reichstags […] wird man in einer Zeit besserer deutscher Charakterverfassung von seinem Bolschewikenschmuck wieder befreien können. Was uns aber bis auf weiteres leider bleiben wird, ist das im Bau befindliche Berliner Holocaustmal.“

Eine lustige Anekdote gab es gleich zu Beginn: Die Einsatzleitung der Polizei schwor den Versammlungsleiter darauf ein, dass die Polizei das Motto „Fang den Hut“ sehr ernst nimmt und dies auf jeden Fall verhindern will. Mit etwa 100 Menschen war die Kundgebung bei nasskaltem Wetter recht gut besucht und laute Musik aus dem Lauti hielt die TeilnehmerInnen bei Laune. Redebeiträge von der veranstaltenden Gruppe R/AM über den Anlass der heutigen Kundgebung sowie über die rechtsextreme Münchner Burschenschaft Danubia, einen von der Infogruppe Rosenheim über burschenschaftliche Inhalte und Abläufe sowie ein Jingle des ASAB_M über Sexismus und Militarismus bildeten den inhaltlichen Teil der Aktion.
Leider ließen sich nur wenige Burschenschaftler blicken, die sich trauten, an den AntifaschistInnen vorbei den direkten Weg zu ihrem Festkommers zu nehmen. Die meisten wurden wohl gleich von der, wie eigentlich immer in München, stark vertretenen Polizei, zu einem Hintereingang umgeleitet. Doch diese wenigen wurden mit Parolen („Lieber ein Abszess am After als ein deutscher Burschenschaftler“), Beschimpfungen und vereinzelten Blockadeversuchen empfangen. Letztere wurden sofort und rabiat von der wie immer in München stark vertretenen Polizei, vor allem dem Unterstützungskommando (USK), unterbunden, die auch bei der kleinsten Regung der TeilnehmerInnen zu filmen anfing.
Zu zwei unschönen Szenen kam es gegen Ende der Kundgebung, als schon ein großer Teil aufgrund der kalten Temperaturen diese verlassen hatten. Das USK hatte wohl noch überschüßiges Aktionsbedürfnis und so versuchte es vollkommen unnötig die restlichen 30 TeilnehmerInnen zu provozieren. Dies hatte zwei Ingewahrsamnahmen zur Folge, die unter fadenscheinigen Gründen (u.a. Weigerung eine Flasche aufzuheben) stattfanden.

In der Nacht von Freitag auf Samstag soll die Glasscheibe der Haupteingangstür des Sudetendeutschen Hauses noch einige größere Risse bekommen haben.

Wir werten die Aktion, die die erste öffentliche der noch jungen Jugendantifagruppe war, als Erfolg. Einerseits die große Teilnehmerzahl, andererseits dass endlich etwas gegen burschenschaftlichen Unsinn unternommen wurde. Die Burschenschaftler müssen den Protest unweigerlich wahrgenommen haben und ihnen wird klar werden, dass wir ab jetzt ihrem Treiben nicht mehr zusehen werden. Beispielsweise finden in München regelmäßig die Bogenhausener Gespräche der Münchner Burschenschaft Danubia, bei denen Geschichtsrevisionisten ein und aus gehen. Dies war also sicherlich nicht die letzte Aktion gegen Burschenschaften in München. Ferner begrüßen wir die direkte Aktion gegen das Sudetendeutsche Haus in der Nacht nach dem Kommers.

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Ergänzungen

fragwürdige parolen

klugscheisser 19.10.2009 - 03:25
Die Parole „Lieber ein Abszess am After als ein deutscher Burschenschaftler“ ist übrigens ein HJ-Spruch

Erfolg?

Zweifler 19.10.2009 - 05:46
Wieviele Burschenschaftler waren denn da und wie groß war das ganze im Allgemeinen, wenn 100 Leute hier schon als Erfolg gewertet werden?

klugscheißen

dann aber richtig 19.10.2009 - 09:55
Gibt es Quellen und Belege zu der Annahme, daß die oben erwähnte Parole der HJ entstammt?

Burschenschaften

franke 19.10.2009 - 10:38
"Die Göttinger Krawalle waren Auseinandersetzungen zwischen Göttinger Verbindungsstudenten und Mitgliedern des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) im Juni 1934, die sich daran entzündeten, dass die Verbindungsstudenten trotz Verbots in der Öffentlichkeit Mützen und Bänder trugen."

 http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttinger_Krawalle

Das die Burschenschaften nicht LINKS sind beweist noch lange nicht das sie RECHTS sind.

@franke

sdfadsf 19.10.2009 - 11:16
es gab vorher im kafe marat eine infoveranstaltung über die müncher burschenschaften
die burschensachft danubia hat zb nach einer rechtsextremen straftat den täter in einem haus der burschenschaft versteckt

die burschenschaften sagen "Deustschland" ist dort "wo die deuscthe Zunge erklingt" und wollen "ein großdeutsches Reich"

wenn das mal nicht "rechts" ist ....

ich wieß nicht wer den vortag im marat gehalten hat aber wenn du im marat mal nachfragst findest du bestimmt wen, der dir den vortrag schicken kann...

 http://kafemarat.blogsport.de/ << Kontaktadresse gibts auf dem blog

@franke

zitat 19.10.2009 - 11:50
deine kritik ist hinfällig wenn du dir den aufruf zur kundgebung durchgelesen hast. dort steht:

"Trotz all dieser Punkte ist es falsch anzunehmen, das Burschenschaften mit nazistischen Organisationen gleichzusetzen sind. Wir wollen nicht das alte Schwarz-Weiß-Schema von Nazi vs. Nicht-Nazi reproduzieren, weil es gar nicht notwendig ist, um die Problematik des Verbindungswesen zu erfassen.
Eines sind die Burschenschaften nämlich alle: nationalistisch. Und das trennt sie weder vom großen Rest der Bundesbürger, noch macht sie das zu unpolitischen Akteuren, sondern vielmehr zu einem Teil der deutschen Normalität, den es gerade auch deswegen anzugehen lohnt. Deshalb wollen wir am 16.10.2009 nicht nur gegen den Burschenschafts Kommers auf die Straße gehen, sondern richten uns vielmehr gegen den rassistischen, nationalistischen und sexistischen Normalzustand in der BRD."

leider wurde auf der r/am-seite was verschoben, so dass der direktlink nicht funktioniert. den aufruf gibts u.a. noch hier:  http://de.indymedia.org/2009/10/262837.shtml

Burschis

Info 19.10.2009 - 12:21
Es waren ca. 200 Burschis auf der Veranstaltung.
Diese kamen durch Hintereingang und die andere Seite der Hochstrasse zur Veranstaltung
angereist.

14:11 Antifa Actionday

gerd rubenbauer 19.10.2009 - 15:32
Und am 14.11 den Naziaufmarsch zum alljährlichen "Heldengedenken" verhindern.

Linksradikale, autonome Antifademo ab 10:30 Uhr georg-freundorfer platz (ubahn haltestelle schwanthalerhöhe, u4/u5)

Infos auf www.actionday.tk

wie wärs mit ner demo hier

ist hase 19.10.2009 - 16:47
hm wie wärs wenn die demo hier fortgesetzt wird?
 http://de.indymedia.org/2009/10/263795.shtml

auf nach erlangen am 30.10.09!

Beweise, Belege,

Dr. Watson 19.10.2009 - 18:22
Textbelege für die Ausgrenzung von Schwulen, Juden und Schwarzen Deutschen im Sinne von Satzungspassagen sind nicht bekannt oder nicht öffentlich. Es gibt allerdings immer wieder öffentliche Hinweise auf informelle Beschlusslagen in Form von entsprechenden Äusserungen von Burschenschaftern dahingehend, dass Schwule, Juden und Schwarze Deutsche in Burschenschaften für "unpassend" befunden würden. Der damalige NPD-Aktivist Jürgen Schwab (inzwischen aus dem Altherrenverband einer Burschenschaft ausgeschlossen, zwei Burschenschaften hat er angehört) etwa plauderte diesbezüglich gerne aus dem Nähkästchen, unter anderem in der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme. Die Ausgrenzung von Lesben, Jüdinnen und schwarzen deutschen Frauen ergeben sich aus der Satzungsgemäßen Beschränkung der Mitgliedschaft auf deutsche Männer.

Ach ja...München!

aam 19.10.2009 - 20:20
Eine weitere Gelegenheit zu zeigen, dass auch in München so richtig blockiert werden kann:

 http://actionday.tk/


Neulich

in München 20.10.2009 - 20:43
Heute war gegen Nachmittag in München ein Stand der Burschenschaft Franco-Bavaria auf dem Professor-Huber-Platz Nahe des U-Bahnaufgangs 'Universität', die laut Terminplan ebenfalls am Kommers teilgenommen hat. 5 Burschen saßen mit einem Kasten Augustiner und Spezi vor einem Stelltisch, über dem ein Schild mit der Aufschrift "Zimmer frei" prankte. Auf Anfrage wurde mir mitgeteilt, daß sie eine Studentenverbindung seien und noch mehrere Zimmer in ihrem Haus zu vermieten hätten - 250,- Euro, auch Frauen, aber eingeschrieben müsse man sein. Angeblich soll der Stand noch die nächsten Tage am selben Platz stehen. Eine kurze Recherche auf der Homepage hat ergeben, daß es sich die Burschenschaft Franco-Bavaria nicht ganz rechts außen steht, aber:

-farbentragende, waffenstudentische Verbindung und Mitglied der Deutschen Burschenschaft

-Ziel: friedliche Verbindung aller Teile des deutschen Volkes im Rahmen eines geeinten Europas ohne trennende Grenzen unter Wahrung seiner kulturellen Besonderheiten

-laut Terminplan: 16.11. Volkstrauertag - Totengedenken im Hofgarten

Pangermanismus in der Ostmark

Helmut Qualtinger 22.10.2009 - 18:47
Immer wieder findet der Grossdeutsche Gedanken Anhänger, vorallem in Wien. Aber wer würde sich nicht mit Kati Witt in einer schönen neuen Welt wieder- oder auch zum erstenmal vereinigen wollen

Sogar das Fegefeuer wird mit ihr noch richtig lauschig.

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