Rostock vs. St.Pauli | Zeichen der Zeit

dfbdfl 14.10.2009 15:48 Themen: Kultur
Eine inzwischen etwas ältere (politische) Rivalität wirft wieder ihre Schatten vorraus. Anfang November 2009 treffen im hohen Norden erneut die Teams des FC Hansa Rostock und des FC St.Pauli in der Mecklenburgischen Hansestadt aufeinander. Bekannt ist diese Begegnung aus den 90ern als eine Begegnung zwischen Rechten und Linken, aber es ist wiedermal Zeit die Lage in beiden Fanszenen genauer zu Betrachten.
Am 2.November treffen in Rostock wieder das Team des FC Hansa und des Hamburger FC St.Pauli aufeinander. In den 1990er Jahren galt dieses Spiel wie kein anderes, wohl auch wegen der hohen Spielklassen, in denen die Begegnungen stattfanden, als eine höchst politisch aufgeladene Angelegenheit zwischen Rechten und Linken.
In der Fanszene des FC Hansa sammelte sich so in den 90er Jahren mit Rückenwind aus den Vorfällen von Rostock-Lichtenhagen bei den Spielen vor allem gegen St.Pauli viel rechte Klientel, aber auch jenseits dieses Duells war die Anhängerschaft des FC Hansa in diesen Jahren tendenziell bis offen rechts.
Auf der Gegenseite dazu stand der FC St.Pauli, der in unmittelbarer Nähe zu vielen besetzten Häusern in einem von linken dominierten Stadtviertel spielte. Die Anhängerschaft rekrutierte sich so also auch aus Linken und Alternativen, die auf Auswärtsreisen, aber auch in der eigenen Stadt immerwieder wegen ihrer offen links-politischen Gesinnung von rechten Fans anderer Vereine angegriffen und provoziert wurden.
Die Spiele beider Vereine sorgten also in den Neunzigern für jede Menge Brisanz.

Heute, 10 Jahre nach einem der letzten richtig heißen Aufeinandertreffen mit harten Ausschreitungen, sieht die Lage in beiden Szenen nicht ganz so extrem mehr aus oder hat sich im Gegensatz eher normalisiert.

Während die Fans des FC St.Pauli durch die offene Ultragruppe und sich als antirassistisch bekennenden "Ultras St.Pauli" angeführt werden, ist die Szene des Hamburger Vereins nicht mehr ganz so links, wie sie sich nach außen oder gegenüber als rechts bekannten Fanszenen gibt. So geben sich hier in der Fankurve nicht nur Migranten und Autonome die Klinke in die Hand, sondern inzwischen auch so ziemlich jeder besserverdienende Bewohner des "Kiezes", der zu EM und WM auch regelmäßig und gewiss weiß, dass er mit stolzer Brust der deutschen Elf die Treue zu halten hat und sich in diesem Treiben auch willig aufgehen lässt.

Beim FC Hansa kann man ebenfalls eher vom Weg zur Mitte der Gesellschaft sprechen.
Hatten Linke hier in den 90er auch nicht unberechtigt Angst in die heimische Fankurve zu gehen, so machen vor allem in den jüngeren Kreisen der aktiven Fanszene inzwischen etliche Linke und Autonome Antifas einen festen Teil der Anhänger aus.
Rechte dominieren hier längst nicht mehr die Fanszene. Zum Auswärtsspiel in der letzten Saison ermahnten die führenden Personen, allen Voran die Hauptgruppe der Szene, "Suptras", alle, dass rassistische Gesänge zu unterlassen seien und so gab es diese auch nicht. Im Gegenteil, man kann sogar behaupten, dass dies nicht nur aus Bedenken über den guten Ruf, sondern aus voller demokratischer Überzeugung geschah.
Stattdessen glänzte man mit einer sehr ansehnlichen Pyroshow.

Trotz alledem sind die Fronten noch einigermaßen verhärtet. Hatten die "Ultras St.Pauli" zum Hinspiel in Rostock in der Saison 2008/2009 noch darauf hingewiesen, dass sich die Fanszene des FC Hansa politisch zu Teilen erheblich gewandelt hat und mit unter auch mit eigenen Transparenten an linken Demonstrationen beteiligt, mobilisierten sie zum Rückspiel in Hamburg offensiv die autonome Antifa-Szene mit Anündigungen, dass die rechten Rostocker kommen.
Etwas anders lief es in Rostock. Hatten die Gruppen "Fanszene Rostock" oder auch "Suptras" offen aufgerufen, dass man keine rechten Gesänge und Pöbeleien wolle, bekam man die Nazis auch so. So provozierten Rechte während des Hinspiels in Rostock fortlaufend die angereisten St.Pali-Fans.

So oder so, es bleibt weiterhin ein aufgeladenes Spiel, bei dem beide Seiten zwar um die mobilisierbaren politischen Potentiale wissen, aber lediglich die Fanszene von St. Pauli es ist, die mit den alten Vorurteilen Krawall-fähige Leute heranziehen möchte.
Positiv dabei bleibt unter anderem zu erwähnen, dass der "Antiberliner", eine von der führenden Berliner Antifagruppe ALB herausgegebene Zeitung, zurecht darauf verweist, dass es zwar eine Begegnung mit Brisanz, aber keineswegs mehr so politisch aufgeladen ist.

Pressemeldung des FC Hansa zu Spiel und Politik am 2.Novermber 2009:
 http://www.fc-hansa.de/index.php?id=154&oid=9836

Antiberliner auf der letzten Seite zu Fussball & Musik:
 http://www.antiberliner.de/antiberliner23.pdf

Blog-Artikel im Vorfeld zur letzten Begegnung in Hamburg:
 http://ericcantona.blogsport.de/2009/03/04/stpauli-vs-rostock-2/

Blog-Artikel im Anschluss an die letzte Begegnung in Hamburg:
 http://amispecial.wordpress.com/2009/03/08/die-90er-haben-angerufen-sie-wollen-ihre-vorurteile-zuruck
 http://ericcantona.blogsport.de/2009/03/07/stpauli-vs-rostock-3/
 http://wieichreichwurde.blogspot.com/2009/03/st-pauli-vs-rostock-usp-hools-autonome.html
 http://subwave.blogsport.de/2009/03/08/coole-rostocker-peinliche-braunhemden/

Blog-Artikel im Anschluss an die letzte Begegnung in Rostock:
 http://besserscheitern.wordpress.com/2008/10/04/hansa-st-pauli-30/
 http://ericcantona.blogsport.de/2009/03/07/stpauli-vs-rostock-3/
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Ergänzungen

Gegendarstellung

Antifa Ultrà 14.10.2009 - 17:35
"So geben sich hier in der Fankurve nicht nur Migranten und Autonome die Klinke in die Hand, sondern inzwischen auch so ziemlich jeder besserverdienende Bewohner des "Kiezes", der zu EM und WM auch regelmäßig und gewiss weiß, dass er mit stolzer Brust der deutschen Elf die Treue zu halten hat und sich in diesem Treiben auch willig aufgehen lässt."

Die besserverdienenden Bewohner des Kiezes, die auch gerne mal mit der deutschen Elf mitfiebern, gab es beim FC Sankt Pauli schon immer. Zeitweise gab es in den 90ern sogar eine sich selbst als Hooligans von Sankt Pauli bezeichnende Gruppe, die eine schwarz-rot-goldene Zaunfahne hatte.

Diesbezüglich hat es sich am Millerntor nun wirklich nicht verschlechtert, sondern ganz im Gegenteil verbessert. Die politischen Aktivitäten der Fanszene, allen voran der Ultrà Sankt Pauli, die weit über das in den 90ern zelebrierte linke Lebensgefühl hinaus geht, trägt langsam Früchte.

"Beim FC Hansa kann man ebenfalls eher vom Weg zur Mitte der Gesellschaft sprechen.
Hatten Linke hier in den 90er auch nicht unberechtigt Angst in die heimische Fankurve zu gehen, so machen vor allem in den jüngeren Kreisen der aktiven Fanszene inzwischen etliche Linke und Autonome Antifas einen festen Teil der Anhänger aus."

Das hat im letzten Jahr mit Sicherheit noch gestimmt. Leider werden die antirassistischen Statements der "etliche(n) Linke(n) und Autonome(n) Antifas" inzwischen von allen anderen Rostocker Ultras als "zu politisch" angesehen. Nicht einmal ihr mit antirassistischen Statements gespicktes Stadionmagazin durften sie mehr verteilen. Aus diesem Grund haben die Linken die Suptras inzwischen verlassen. Eine abermalige Etablierung rechter Fangesänge in der rostocker Kurve wird die Folge sein.

Die Spiele werden deshalb in diesem Jahr politisch noch wesentlich aufgeladener sein, als sie es noch im letzten Jahr waren.

gähn

spielerfrau 14.10.2009 - 17:53
Öch, dat is doch ma echt nen alter Hut.
Wer von Fussball ein bisschen Ahnung hat, ... falsch ausgedrückt. Wer ins Stadion geht und von der "Szene" ein bisschen was mitbekommt, weiß doch worum es bei diesen Spielen geht: Spass. Spass ist natürlich Ansichtssache und wird unterschiedlich definiert, aber unterm Strich denkt doch am Millertor keiner mehr, dass alle beim Hansa-Mob nen NPD-Parteibuch und nen Hitler-Foto in der Tasche haben. Im Gegenteil. Bei Hansa hat sich sehr viel geändert und das verdient aus antifaschistischer Sicht unbedingt Beachtung und viel mehr Hochachtung als die Selbstbeweihräucherung in St. Pauli. Nicht, dass ich die Braun-Weißen in irgendeiner Weise angreifen möchte, aber USP hat es in seiner Szene und mit seinem Verein doch um einiges leichter als Linke bei anderen Vereinen.
Politik ist bei dem Spiel doch nur ein Aufhänger um die eigenen Reihen zu mobilisieren und sich selber bis in die Haarspitzen motivieren zu können. Jedes Spiel, das aus Fan Sicht eine gewisse Brisanz birgt hat doch irgendeinen Stempel.
Statt immer wieder über die St- Pauli Szene zu berichten sollten Kundige anderer Vereine mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Denkt aber immer daran, dass weniger manchmal mehr ist und Einzelpersonen und aktive Gruppen geschützt werden müssen.
Vieles was an rechtsradikalem oder rassistischem Schwachsinn im Stadion verbreitet wird ist unterm Strich eigentlich nur Provokation und asoziales Gehabe. Idioten, die mit Hitlergruss und entsprechendem verbalen Schwachsinn im Stadion auffallen, gehen deswegen noch lange nicht auf Demos oder bedrohen Minderheiten. Die sind in Aachen, aber auch in Nürnberg, Berlin und überall oftmals einfach nur asozial. Sicherlich haben es organisierte Nazis bei vielen Vereinen immer wieder versucht Nachwuchs zu rekrutieren, aber von Erfolg war das doch extrem selten gekrönt, oder? Ohne Zweifel gibt es z.B. in Dortmund, aber auch andernorts eine Nähe zu rein-politisch Motivierten, aber deswegen Fussball und Szenen grundsätzlich zu politisieren halte ich für falsch.
Ich bin politisch beim Fussball und darüber hinaus. Ich weiß aber auch, dass ich damit zu einem sehr kleinen Teil der Leute im Stadion gehöre. Meine antifaschistische Einstellung läßt mich da aber nicht zwischen "Privatleben" und Fussball unterscheiden. Jemand der weniger politisch denkt (ob links oder rechts) kann das sicherlich viel einfacher.

Nicht die HSVler sind Nazis, sondern u.U. die und die Gruppe. Verurteilt man ganze Szenen und am besten den Verein gleich mit fällt man den aktiven Antifaschisten dort derbe in den Rücken!

Allen Antifaschisten in den Fanblöcken viel Kraft. Organisiert Euch und seit wachsam.

Beste Grüße aus Bielefeld.

Migranten bei St. Pauli?

ich 14.10.2009 - 18:17
"So geben sich hier in der Fankurve nicht nur Migranten und Autonome die Klinke in die Hand"

ich halte diese Aussage mal wieder so eine typische Selbstmythoisierung von St. Pauli. Jeder, der öfter am millerntor ist, weiss, das der Anteil von Migranten unter den Fans wirklich verschwindend ist unhd nicht wesentlich höher als bei anderen Vereinen, die in entsprechenden Ligen spielen.
Aus eigener Erfahrung durch einige Stadionbesuchen kann ich sagen, daß beim HSV auch nicht viel weniger Migranten im Publikum sind als bei St. Pauli.
Scheiss Selbstbeweihräucherung.

Indymedia nervt

Sankt Pauli Fan 14.10.2009 - 18:43
Wer sich eine Meinung über die Fanszene am Millerntor machen will, der kommt am Besten mal zum Spiel. Wer sich eine Meinung über Ultrà Sankt Pauli machen will, der kommt am besten mal zum offenen Treffen, oder liest  http://usp.stpaulifans.de/
Indymedia taugt doch nur zum hetzen. Und was MigrantInnen und antirassistische Politik angeht sind die Ultrà Sankt Pauli meines Wissens die Einzigen, die einen Fonds haben, aus dem Eintrittskarten für von Abschiebung bedrohte MigrantInnen bezahlt werden, damit auch die mit uns in der Kurve feiern können.
and "who the fuck is hansa rostock!?"

@Sankt Pauli Fan 14.10.2009 - 18:43

ich nochmal 15.10.2009 - 11:29
"Und was MigrantInnen und antirassistische Politik angeht sind die Ultrà Sankt Pauli meines Wissens die Einzigen, die einen Fonds haben, aus dem Eintrittskarten für von Abschiebung bedrohte MigrantInnen bezahlt werden, damit auch die mit uns in der Kurve feiern können. "
Diese Tatsache mag ja stimmen und ich finde es auch gut, wennn sich USP derart anti-rassistisch engagiert. Nur hat das leider nichts mit meiner Einschätzung zu tun. Ich habe lediglich gesagt das der Anteil von Migranten beim St.Pauli-Publikum im allgemeinen und auch bei USP (glaube ich zumindestens, kann ich aber nicht wirklich einschätzen, da ich Gegengrade stehe) nicht signifikant höher ist als bei anderen Bundesliga-Vereinen (1. und 2.) ist.
Frauen sind z.B. definitiv öfter bei St.Pauli als anderswo. Ich würde schätzen, sie machen einen Dritteldes Publikums aus, in anderen Stadien ein Fünftel.

Rostocker Nazihoolproblem

spaßbremse 15.10.2009 - 14:37
St. Pauli ist nicht linksradikal. Muß es meiner Meinung auch gar nicht. Im Vergleich zu anderen Vereinen kommt es einem dennoch häufig so vor, was wiederum nicht an St. Pauli liegt, sondern am Mainstream der dort herrscht. Ich finde ich gut das die Stimmung am Millerntor diffus links und solidarisch ist. Kampagnen gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus stattfinden. Migrant_innen sind im Fanumfeld übrigens auch bei St. Pauli zu finden. Möglicherweise erkennt ihr aber auch nicht alle Griech_innen und Türk_innen aus der 2. und 3. Generation sofort weil sie nicht euren Klischees entsprechen und z.B. Totenkopf statt Kopftuch tragen. Die Iren, Italiener_innen und Engländer_innen die gerne anreisen könnt ihr allerdings kaum überhört haben wenn ihr wirklich mal da gewesen seid.

Mein Vorschlag:
Wer Rostock so normal findet soll doch einfach mal neutral den Zug zum Spiel nehmen und sich anschließend noch mal äußern. Rassistische und schwulenfeindliche Sprüche, Hitlergrüße und ein Nazimob werden euch erwarten. Aber schon klar, sind alles nur Randerscheinungen und Fußball ist schließlich unpolitisch! Geht ja nur drum Spaß zu haben...

Nazipack aus allen Stadien!

warst du in Rostock?

Heiliger Paul 15.10.2009 - 19:13
Ich glaube nicht, das du letztes Jahr (mit den St.Paulianern) in Rostock warst. Es ging schon gleich los, als wir aus dem Zug gestiegen sind. Wildes Geschimpfe (normal...) und diverse Wurfgeschosse aus Richtung einiger als Rostock-Fan gekleideter.
Später beim Einlass ins Stadion ging ein Wurfgeschoss-Hagel auf uns nieder, wie ich ihn noch nicht erlebt hatte... Ettliche Leute auf Rostocker Seite im Stadion warfen Steine, Flaschen etc... Sie wurden weder von Ordnern noch von der Polizei (Geschweige denn echten Rostock-Fans) daran gehindert.
Ich behaupte nicht, dass das Normalzustand bei Rostock ist, aber es zeigt, dass dort noch viel zu tun ist und gegen Spacken nichts getan wird.
Der Artikel ist ohnehin auf eine Art geschrieben, die meiner Ansicht nach versucht St.Paulianer als gewaltbereit darzustellen und Rostock als die braven Normalos.
Kein Wort von der Rostocker Randale beim Hinspiel, kein Wort von der Rostocker Randale vor und beim Rückspiel...
Klingt für mich nach entweder sehr eingeschränkter Sichtweise, oder neu-rechtem Versuch hier bei Indymedia Scheiße zu verbreiten...

Mein Vorschlag: Artikel von der Startseite...

HANSA ROSTOCK -ST.PAULI

FUSSBALLFANS GEGEN GEWALT UND RASSISMUS 19.10.2009 - 21:34

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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endlich — voran st.pauli

Scheiss uSSp — SchwarzWeißRot

FUSSBALL, darum geht´s — sanktpaulianer

@mods — (((i)))fan

murks — Rönny

Alle gegen HRO — jaja

@Heiliger Paul — warst du in rostock

Lieber bunt statt braun! — Hansa Fan

ich war in Rostock — Heiliger Paul