Eine entscheidende Woche in Honduras

Wladek Flakin 13.10.2009 16:37 Themen: Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Am Samstag Abend in Honduras gab es eine Auszeit im Kampf zwischen dem Putschregime und der Widerstandsbewegung: Das Qualifikationsspiel zwischen Honduras und den USA für die Fussballweltmeisterschaft hielt das kleine zentralamerikanische Land in Atem. Das Ergebnis (3:2 für die USA) kann für die PutschistInnen nichts gutes bedeuten.Das ganze Spiel war eine Propagandaveranstaltung für das Putschregime: der Unternehmer Rafael Ferrari, der zahllose Radio- und Fernsehsender sowie Fastfood-Ketten besitzt, ist einer der wichtigsten UnterstützerInnen des Putsches und gleichzeitig Präsident der Auswahlkommission im nationalen Fussballverein. So gab es während des Spiels massiv Werbung für die de facto-Regierung und für die Wahlen, die sie für den 29. November angesetzt hat. SoldatInnen standen im Stadium und ein Militärhubschrauber kreiste darüber.
Eine entscheidende Woche

Mit dieser Niederlage im Fussball – die zumindest laut manchen AktivistInnen der Widerstandsbewegung einen Schub geben wird – begann eine entscheidende Woche im Konflikt, der mit der Absetzung des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya am 28. Juni begann. Nachdem das Abkommen von San José, unter der Vermittlung des costa-ricanischen Präsidenten Oscar Arias erarbeitet, von den PutschistInnen abgelehnt wurde, startete diese Woche das "Guaymura-Dialog". Der alte indigene Name für Honduras wurde vom Regime gewählt, um zu suggerieren, dass bisherige Lösungsvorschläge aus dem Ausland kamen, während sie eine urhonduranische Lösung anstreben.

Die PutschistInnen versuchen, sich als VerteidigerInnen der kleinen Nation gegen äußere Einmischung zu präsentieren. Noch hat diese Strategie nicht geholfen, ihnen Legitimität in den Augen der Bevölkerung zu verschaffen: Laut einer neuen Umfrage stehen lediglich 17% der HonduranerInnen hinter ihrer Regierung.

Tagelang haben VertreterInnen von Zelaya und dem Putschpräsidenten Roberto Micheletti auf der Grundlage des Abkommens von San José verhandelt. Dieses beinhaltet zwölf Punkte, von denen nur zwei kontrovers sind: Zelaya soll als Präsident wiedereingesetzt werden (was vom Regime strikt abgelehnt wird) aber dafür soll er auf seine Forderung nach der Einberufung einer konstituierenden Versammlung verzichten (was für viele AnhängerInnen von Zelaya nicht in Frage kommt). Zelaya hat eine Frist bis zum 15. Oktober, also diesen Donnerstag, gesetzt, um eine Lösung zu finden. Was danach kommen könnte, ist ungewiss.

In Zelayas dreiköpfigem Verhandlungsteam sitzt neben zwei seiner Minister mit Juan Barahona auch eine Führungsfigur der "Resistencia", also der Widerstandsbewegung. Die bürgerliche Presse, die geschlossen hinter dem Putsch steht, ist über die "Divisionen im zelayistischen Lager" entsetzt. Denn die "Resistencia" hat ihre eigene Ziele, unabhängig von denen von Zelaya: Sie fordern eine konstituierende Versammlung, um die Verfassung von 1982 zu ersetzen, während Zelaya bereits zugestimmt hat, auf diese Forderung zu verzichten, wenn er dafür zurück an die Macht kommen darf.

Streit über Verhandlungen

In der wöchentlichen Versammlung der Widerstandsbewegung am Sonntag in einem Gewerkschaftshaus in Tegucigalpa wurden diese Verhandlungen vor rund 300 AktivistInnen vorgestellt. Für sie ist die Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten nicht verhandelbar: "Ohne die Wiedereinsetzung gibt es keine Wahlen" rief der Gewerkschaftsführer Juan Barahona der Versammlung zu. "Dann wird sich die unabhängige Kandidatur von Carlos H. Reyes zurückziehen, dann werden sich die KandidatInnen von der [linken Partei] UD zurückziehen, dann werden wir die Wahlurnen im ganzen Land verbrennen!"

Rafael Alegría von der BäuerInnenorganisation Via Campesina ergänzte: "Die KandidatInnen trauen sich nicht in die Stadtviertel. Sie haben keine Sticker oder Lautsprecherwagen, nur Wahlplakate – und die sollten wir abmachen."

Doch über die einzelnen Punkte der Verhandlungen gab es auch Unmut. Zum Beispiel hat Zelayas Verhandlungsteam bereits zugestimmt, dass eine Rückkehr Zelayas mit einer Regierung der nationalen Einheit einhergeht, d.h. unter Beteiligung der PutschistInnen. Als Barahona diesen Punkt vorlas, erntete er Buhrufe, aber mit einem Witz konnte er das Publikum zurückgewinnen: "Ich habe ihnen gesagt, ich mache das, wenn ich Militärminister werden darf."

Der schwierigste Punkt ist die konstituierende Versammlung. Barahona versicherte, dass er kein Vertreter von Zelaya sondern von der "Resistencia" sei. "Und wir werden nicht eine Minute lang auf die Forderung nach einer neuen Verfassung verzichten!" Doch auch Barahona würde ein Abkommen, das die Rückkehr Zelayas und den Verzicht auf die Konstituante beinhaltet, unterschreiben – und gleichzeitig würde er öffentlich betonen, dass er als Teil der Widerstandsbewegung weiterhin für die Konstituante kämpfen wird.

Die Perspektiven der Proteste

Die Versammlung, die immer wieder mit Liedern und Parolen wie "Wir haben keine Angst!" unterbrochen wurde, endete mit einer Erklärung vom Internationalen Gewerkschaftsbund, der letzte Woche in Berlin tagte. 170 ArbeiterInnenorganisationen weltweit erklärten sich gegen den Putsch und versprachen, die Widerstandsbewegung zu unterstützen. Diese kämpft weiter und organisierte bereits am Montag früh im Stadtviertel Kennedy den nächsten Protestmarsch.

Leider gibt es keine konkrete Planung für eine Steigerung der Proteste, falls die PutschistInnen bis Donnerstag keine Zugeständnisse machen. Ein Vertreter der Sozialistischen ArbeiterInnenpartei (PST) konnte ganz am Ende der Veranstaltung das Mikrofon an sich reißen und erklären, dass die friedlichen Protestaktionen gut seien, aber keineswegs ausreichen, um den Putsch zu stoppen. "Mit Versammlungen und Parolen werden wir sie nicht stürzen. Nur der Generalstreik kann uns helfen." In diesem Sinne rief er die Gewerkschaften auf, deren Führungen auch die Führung der Widerstandsbewegung darstellen, landesweit Arbeitsniederlegungen zu organisieren.

Manuel Zelaya, der in der brasilianischen Botschaft gefangen ist, geht langsam die Zeit aus, wenn er durch Verhandlungen zurück an die Macht kommen will. Denn der 29. November rückt immer näher. Deswegen ist durchaus möglich, dass er, obwohl er immer wieder zur Gewaltfreiheit aufrief und den Widerstand bremste, plötzlich zu radikaleren Aktionsformen aufruft. Gerade weil die überwiegende Mehrheit der Honduraner weiterhin "Mel" als ihren Präsidenten sehen, könnte das unvorstellbare Folgen haben. Diese Woche wird also wirklich entscheidend sein.

von Wladek Flakin, Tegucigalpa, 10. Oktober 2009 -
unabhängige Jugendorganisation REVOLUTION - www.revolution.de.com


Bilder:
http://www.flickr.com/photos/onesolutionrevolution/sets/72157622565925206/

Eine kürzere Version dieses Artikels erschien in der jW vom 13. Oktober.
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Ergänzungen