Gesichter des Rassimus

Bündnis 'Grenzenloser Widerstand' 13.10.2009 13:48
DIE GRENZE IST ÜBERALL- FIGHT RACISM - GRENZENLOSER WIDERSTAND
lautet das Motto der Antirassistischen Aktionstage in Berlin. Im Rahmen der Vorbereitung zu den Antirassistischen Aktionstagen vom 17. bis 20.10. ist dieser Text entstanden. Er zeigt einige Schlaglichter der Rassismus auf und stellt die inhaltliche Grundlage der Antiratage dar.
Gesichter des Rassismus – Ein kleiner Einblick

Lagerland BRD
In der BRD ist das Unterbringungssystem für Flüchtlinge ein institutionalisiertes rechtliches System von Ausgrenzung und gewollter Herabsetzung des sozialen Lebenstandards. Menschen werden in Lagern, wie in der Motardstraße, untergebracht, um sie zu isolieren. Die meisten Lager in der BRD liegen in kleinen Orten oder im Wald außerhalb von Städten, mit schlechter Verkehrsanbindung.
Flüchtlinge haben keinen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt, weswegen sie auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind. Diese “Hilfe” wird in Form von Sachleistungen ausgegeben. Neben der Zwangsunterbringung in Lagern steht Flüchtlingen meist nur ein Taschengeld von weniger als 40 E zur Verfügung, welches oftmals unbegründet gestrichen wird. Die Bewohner_innen von Lagern sind auf schlechtes Kantinenessen und unzureichende medizinische Versorgung angewiesen.
Lageralltag bedeutet Perspektivlosigkeit und Diskriminierung durch die Ausländer- und Sozialbehörden. Halboffene Lager dienen dazu, Menschen zum Verlassen der BRD zu bewegen und sie in die Illegalität zu treiben. Wer sich wehrt wird oftmals in ein geschlossenes Abschiebegefängnis gebracht bevor es zur Abschiebung kommt.

Bewegungsfreiheit verboten
Das Residenzpflichtgesetz für Flüchtlinge und Asylsuchende im Asylverfahren existiert in der BRD seit 1982. Die BRD ist der einzige Staat weltweit mit einem derartigen Gesetz. Es bedeutet, dass die Menschen, für die es geschaffen wurde, nicht die Grenzen ihres Landkreises verlassen dürfen, sonst begehen sie eine Straftat. Diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit verhindert gezielt das Aufbauen von Kontakten und die Organisierung von Widerstand. Residenzpflicht ist eines von vielen Sondergesetzen für Migrant_innen, die eine systematische rassistische Ausgrenzung bedeuten und nebenbei das Gerede von sogenannter “Ausländerkriminalität” verstärkt, weil jeder Verstoß gegen die Sonderregelungen in vielzitierte Statistiken eingeht.

Recht auf Gesundheit gilt nicht für alle
Wenn illegalisierte Menschen auf medizinische Versorgung angewiesen sind, müssen sie damit rechnen ihren Wohnort und ihre Familie zu verlassen. Wenn sie zu Ärzt_innen gehen und ihre Daten an die Ausländerbehörde weitergegeben werden, droht ihnen die Abschiebung. Die Wahrnehmung des Rechts auf Gesundheitsversorgung bedeutet für sie Repression. Für Asylsuchende werden Sonderegelungen gemacht, um ihre Gesundheitsversorgung so stark wie möglich einzuschränken. Die Entscheidung zu Ärzt_innen zu gehen wird vom jeweiligen Sozialamt getroffen, nicht von den Kranken selbst.

Wer entscheidet für wen wieviel zum Leben nötig ist?
Für Flüchtlinge liegt das offizielle Existenzminimum 30% unter dem für Menschen mit deutschem Pass. Dieser unverständliche Unterschied wird mit dem Asylbewerberleistungsgesetz rechtlich legitimiert. Die beschränkten Leistungen, die Flüchtlinge bekommen, werden in der Regel durch Sachleistungen wie Nahrungsmittelgutscheine, Chipkarten und Kleidercopons erbracht. Die Betroffenen können nicht selbst entscheiden was sie essen, anziehen und kaufen wollen.

Im Jahr 2008 wurden täglich 23 Menschen aus der BRD abgeschoben
Diese Zahl beruht auf offiziellen Angaben der Bundesregierung, was bedeutet, dass sie ein Minimum darstellt. Hinzu kommen 12979 Menschen, die 2008 direkt von deutschen Flug- und Schiffshäfen zurückgeschoben wurden. Im Vergleich zu Vorjahren ist die Zahl 2008 geringer, da durch die EU-Migrationspolitik immer weniger Menschen die Grenzen der BRD erreichen können.
Die deutschen Behörden interessieren sich nicht dafür, was mit den Menschen in den Ländern passiert, in die sie abgeschoben werden.


Die Außengrenze der EU verläuft zwischen dem Brandenburger Tor und der Motardstraße
In der Motardstraße ist eines von vielen Lagern in der EU, in denen Migrant_innen leben müssen. Es ist ein kleines Rad im System der europäischen Migrationspolitik und dient der Kontrolle von Migration nach wirtschaftlichen Interessen. Seit 2005 gibt es mit FRONTEX eine Agentur, die die Ziele der EU-Migrationspolitik militärisch umsetzen soll. FRONTEX organisiert die Sicherung der Außengrenzen der EU, überwacht Migrationsbewegungen und ist für Massenabschiebungen verantwortlich.
Kapitalistisches Wirtschaften zerstört weltweit Lebensgrundlagen und immer neue Menschen sind Armut und Hunger ausgesetzt, ökologische Zerstörung trifft vor allem Länder des ”Südens”. Das sind Gründe für die Migration von vielen Menschen und auf der anderen Seite für den Aufbau von FRONTEX.
Am 8.6.09 wurden aus Berlin-Schönefeld 104 Menschen nach Hanoi/Vietnam abgeschoben, einige mussten davor in der Motardstraße leben. Koordiniert wurde diese Massenabschiebung FRONTEX. Die EU-Außengrenzen verlaufen nicht nur am Mittelmeer oder durch Osteuropa, sie verlaufen mitten durch Berlin und viele andere Orte.

Illegalisierung zur Lohnsenkung und Abschreckung
Die Migrationspolitik der EU beinhaltet für viele Menschen den Zwang in die Illegalität zu gehen, da Asylanträge nicht anerkannt werden, Lebensbedingungen und staatliche Repression unerträglich sind und eine Arbeitserlaubnis verweigert wird. Illegalissierung dient nicht nur der Abschreckung und Abschottung, es gibt auch wirtschaftliche Interessen in der EU an illegalisierten Arbeitskräften vor allem im Baugewerbe, bei der Reinigungs- und Feldarbeit. Illegalisierte Menschen haben keinen Zugang zu rechtlicher Vertretung, Gesundheitsversorgung, Bildung, etc., weswegen ihre Löhne extrem niedrig sind und oft gar nicht ausgezahlt werden. Sie müssen unter der ständigen Angst vor Abschiebung leben.

Rassismus ist mehr als per Gesetz diskriminiert zu werden
Alltäglicher Rassismus ist weit verbreitet und im Denken vieler Menschen ganz selbstverständlich. Menschen unterschiedlicher Hautfarbe oder mit unterschiedlichem Aussehen wird ständig vorgeworfen nicht hierher zu gehören und “anders” zu sein. Menschen können sich nicht Zuhause fühlen und müssen ihre Anwesenheit in der BRD rechtfertigen auch wenn sie hier geboren wurden.
Eines der letzten öffentlichen Beispiele von von alltäglichem Rassismus ist die Kriminalisierung, Verfolgung, mediale Hetze und Ausweisung der Roma im letzten Frühling in Berlin.

Weltweit leisten jeden Tag Millionen Menschen Widerstand
Es gibt viele, die keine Lust haben die verschiedenen Gesichter des Rassismus, von denen einige hier genannt wurden, zu ertragen. Diese Menschen stehen auf und leisten Widerstand in den verschiedensten Formen. Sie wissen, dass die bestehende Gesellschaft veränderbar ist.
Täglich brechen Menschen die Residenzpflicht um sich mit anderen zu treffen, sich zu vernetzen – Menschen versuchen immer weiter über Staatsgrenzen hinweg zu migrieren. FRONTEX und andere “Grenzschützer_innen” bekämpfen sie, aber sie können sie nicht aufhalten – Aktivist_innen in und außerhalb von Lagern demonstrieren gegen die miesen Lebensbedingungen in Lagern, gegen Abschiebung, für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht – Möglichkeiten für medizinische Versorgung für Illegalisierte und Rechtsberatung werden auf die Beine gestellt – Lagerbewohner_innen organisieren Streiks, boykotieren Kantinenessen und 1Euro-Jobs – …

Die antirasisstischen Aktionstage in Berlin sind ein kleiner Teil des weltweiten Widerstandes.
Sie sind ein Zeichen gegen die alltäglichen rassistischen Verhältnisse. An den Aktionstagen soll Raum für Vernetzung und Austausch sein um von einander zu lernen und alltägliche unsichtbare Genzen sichtbar zu machen und zu überwinden.

Für ein globales Recht auf Migration – Lager und Abschiebeknäste dichtmachen!
Rassismus bekämpfen!

Wer will das die Welt so bleibt wie sie ist, der will nicht das sie bleibt!
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Ergänzungen

Programm der Aktionstage

Alex 13.10.2009 - 13:59
Samstag, 17 Oktober:
ab 20 Uhr: Infoveranstaltung über das Aschiebesystem der BRD
ab 22 Uhr: Solikonzert
Hip Hop mit: Anti Alles (Panik Panzer, NMZS); Connexion Musical; Tapete; Sookee
Dazu Filme, Antirassistische Infostände, Vokü und leckere Cocktails.
Ort: Schnarup-Thumby (Scharnweberstr. 38)

Sonntag, 18. Oktober:
Straßenfest auf der Motardstraße von 12 bis 19 Uhr
Das Straßenfest wird ein offener Raum für Austausch und Spaß sein.
Wir akzeptieren die vom Staat gewollte Isolierung der Migrant_innen nicht, deswegen solidarisieren wir uns und kommen zusammen.
Ort: Vor der Motardstraße 110a U-Bahn U7 Paulsternstraße.

Montag, 19. Oktober:
Kundgebung vor der Ausländerbehörde Nöldnerplatz
Kundgebung von 7 bis 14 Uhr
Es werden sich Organisationen vorstellen, die für Migrant_innen
Unterstützung anbieten. Es wird Beratungen und Übersetzungshilfen
geben. Außerdem soll über die Praxis der Ausländerbehörde und den
Umgang von Behörden im Allgemeinen mit Migrant_innen informiert
werden
Ort: Ausländerbehörde Nöldnerplatz, Nöldnerstr. 34-36

Dienstag, 20. Oktober:
Fahrrad Demo
Treffpunkt: 11:00 Uhr vor der Bundesdruckerei, Oranienstraße/Ecke Alte Jakobstraße
Die Fahrraddemo hat sowohl den sich teilweise offen, teilweise strukturell zeigenden rassistischen Konsens in Deutschland zum Thema, wie auch die konkreten alltäglichen Zumutungen im Leben von Flüchtlingen in Deutschland. Dafür wird es eine hoffentlich spaßige Fahrradtour mit „Tour-Guide“, vielfältigen Stopps und verschiedenen Aktionen geben. Kommt alle und vergesst das Fahrrad nicht!

Das erweiterte Programm und viele Übersetzungen gibt es auf der Seite:  http://antiratage.blogsport.de/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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