Bücherwurm goes Antifa

CArA 12.10.2009 18:51 Themen: Antifa
Am Samstag, den 10. Oktober, fand in Coburg eine Demonstration gegen den Nazi-Verlag Nation Europa statt. Aufgrund des schlechten Wetters und der kurzen Mobilisierung ist die Teilnahme von 150 AntifaschistInnen als Erfolg zu werten.
Bücherwurm goes Antifa

Die Zeitschrift „Nation&Europa – Deutsche Monatshefte“ wurde im Jahr 1951 von dem ehemaligen SS-Sturmbannführer Arthur Erhardt und dem ehemaligen SA-Obersturmführer Herbert Böhme gegründet. Sie erscheint monatlich und hat nach Verlagsangaben eine Auflage von 18.000 Exemplaren. Die „Nation Europa Verlag GmbH“ ist Herausgeber dieser Publikation und hat ihren Sitz in der Stadt Coburg. Der Verlag stand noch bis 1996 unter der Leitung des 1995 wegen Volksverhetzung verurteilten Peter Dehoust; inzwischen ist Harald Neubauer Mehrheitseigner. In den Heften werden offen antisemitische, rassistische, nationalistische, faschistische und geschichtsrevisionistische Artikel veröffentlicht. Außerdem ist eine große Anzahl von Publikationen erhältlich, welche das Neonazi-Herz höher schlagen lassen. Durch die pseudointelektuelle Argumentation weg von den plumpen Naziparolen wird die Klientel der „Neuen Rechten“, die bis in die Mitte der Gesellschaft reicht, versorgt. Regelmäßige Autoren sind z. B. der „Führer“ der französischen Front National Jean-Marie Le Pen, Karl Richter, Mitglied des Münchner Stadtrats für die NPD-Tarnorganisation „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ und Filip Dewinter, Fraktionsvorsitzender des Vlaams Belang (Belgien). Aber auch der ehemalige DFB-Präsident und CDU-Mitglied Gerhard Mayer-Vorfelder hat schon für Nation&Europa geschrieben. Durch seine Beziehungen zur gesellschaflichen Mitte ist der Verlag, der in Coburg völlig ungestört das rechtsextreme Gedankengut produzieren kann, besonders gefährlich. Erklärtes Ziel ist die Einigung der Rechten in Deutschland und Europa gegen Feinde wie USA, „Finanzkapital“ und „Islamismus“.



Im Rahmen der Demonstration fand am Vortag ein Informationsvortrag über den neonazistischen Verlag Nation Europa statt. Dieser Vortrag informierte über die Hintergründe der Herausgeber und Autoren (es sind sehr selten weibliche Autorinnen zu finden) und deckte deren extreme rechte Einstellungen sowie Mitgliedschaften und Tätigkeit in Nazi-Organisationen auf. Des weiteren wurde die Ideologie der sogenannten „Neuen Rechten“ analysiert.



Das Ordnungsamt in Coburg hat ähnlich wie bei der Demonstration gegen den Coburger Convent zu Pfingsten ( http://de.indymedia.org/2009/05/252187.shtml) durch schikanöse Auflagen mal wieder die Demonstrationsfreiheit eingeschränkt. So wurde der Anfangspunkt der Demonstration am Spitaltor verboten und auf den Schlossplatz verlegt. Auch wurde das seitliche Mitführen von Transparenten untersagt. Besonders skandalös dabei ist, dass gegen die selben Auflagen zuletzt vor einer Demonstration Ende Mai von den selben OrganisatorInnen erfolgreich geklagt wurde, dies aufgrund fehlender finanzieller Mittel dieses Mal allerdings nicht Möglich war. So mussten die Seitentransparente diesen Samstag von der Demo fern bleiben. Vor der Demonstration selbst wurden massive Vorkontrollen am Bahnhof von der bayrischen Aufstandsbekämpfungseinheit USK durchgeführt. Mangels Gegenständen, die den DemonstrationsteilnehmerInnen abgezogen werden konnten, wurden schnell aus Batterien Wurfgeschosse und aus Halsketten Waffen.

Die Demonstration startete bei leichten Nieselregen am Schlossplatz. Davor wurde nochmal in einen Redebeitrag über den Verlag informiert. Die dunkelbunte Demo unter Beteiligung vieler autonomer AntifaschistInnen, der Apfelfront sowie Einzelpersonen der Linken und der Grünen setzte sich entschlossen und lautstark in Bewegung. Die ersten Reihen waren in Ketten zusammengeschlossen und das kleinstädtische Idyll wurde von Parolen untermalt. Am Ort der Zwischenkundgebung angekommen wurden weitere Redebeiträge über den bürgerlichen (Anti-)Faschismus gehalten; dieses Thema ist in Coburg sehr brisant, da bundesweit wohl einzigartig eine von den Jusos veranstaltete Demonstration gegen den Nation Europa Verlag aufgrund der Anwesenheit von „zu vielen“ AntifaschistInnen kurzerhand abgesagt wurde ( http://de.indymedia.org/2009/07/256666.shtml). Vor dem in der Bahnhofsstraße 25 ansässigen Verlag wurde es nochmal richtig laut. Die USKler schützten das Verlagsgebäude – Deutsche Polizisten schützen die Faschisten – und die Stimmung wurde unter anderen durch einen Böllerwurf noch einmal richtig angeheizt. Die noch immer im Regen laufende Demonstration gelangte durch die Innenstadt zum Ort der Abschlusskundgebung auf den Marktplatz. Dort eingetroffen wurde noch einmal durch Redebeiträge auf den Verlag hingewiesen. Dabei wurden auch die realpolitischen Forderungen der Demonstration nochmals formuliert: die Stadt Coburg solle die Gewerbesteuereinnahmen vom Nation Europa Verlag antifaschistischen Organisationen spenden und sich endlich mit dem Naziproblem in Coburg auseinandersetzen anstatt es totzuschweigen. Des weiteren wurde die Druckerei Patschke in Neustadt aufgefordert, keine Aufträge mehr vom Nation Europa Verlag anzunehmen.

In der Nähe der Abschlusskundgebung schließlich hielt sich noch der ehemalige Coburger Nazi-Kader Peter Schreiber auf. Dieser war Vorsitzender der rechtsextremen Coburger Runde und begleitete Peter Dehoust bei dessen Volksverhetzungsprozess im April diesen Jahres.

Insgesamt lief die Demonstration reibungslos ab, es kam zu keinen Fest- und Gewahrsamnahmen, auf die Provokation durch das Spalier und die Allgegenwart des USK wurde nicht eingegangen und trotzdem lautstark demonstriert. Im Anschluss an die Demonstration konnte Mensch noch ein Solikonzert im Coburger Jugendzentrum DOMINO besuchen. Über 100 BesucherInnen brachten dort zu leckerer veganer Vokü und Hardcore/Punk den gelungenen antifaschistischen Tag zu Ende. Insgesamt ist dieser Tag als großer Erfolg für die antifaschistische Bewegung in Coburg anzusehen. Es nahmen viel mehr Menschen Teil als auf der Demo der Jusos, was die Mobiliserungsstärke des Coburger Aktionsbündnisses gegen rechtsradikale Aktivitäten (CarA) und die Vorteile außerparlamentarischer Spektren beweist.



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Ergänzungen

Fotoanfragen niemals beantworten

Wiederholte Warnung 13.10.2009 - 15:55
Unbekannte Fotoanfragen immer ignorieren - löschen!

Wiederholte WARNUNG

Alle Anfragen bezüglich Fotos an Emailadressen zu schicken ignorieren - löschen!
Es gilt nicht nur das "Recht am/auf das eigene/n Bild" sondern vor allem der Selbstschutz vor Angriffen, Übergriffen, etc..

Fotos nur dem lokal-regionalen Ermittlungsausschuss oder einer/einem Anwältin/Anwalt aushändigen oder zur (Antifa-)Gruppe Deines Vertrauens bringen, aber nicht über unverschlüsselte Mails oder Instant-Messaging-Programme oder Fileserver laufen lassen und vor allem NICHT an Unbekannte Dritte schicken.

Alle Fotos retuschieren die veröffentlicht und die irgendwo hochgeladen werden. Und am besten auch Alles über Neutralisierungsprogramme (Grafikprogramme z.B. unter Linux) konvertieren, so daß der Kameratyp und das Betriebssystem nachher nicht mehr erkennbar, bzw. identifizierbar sind.

Dankt Euch selbst.
Zum eigenen Schutz.

Leider kann diese Warnung gar nicht oft genug geschrieben, weitergegeben oder ausgesprochen werden. Weitersagen!

Mehr Infos gibt es z.B. bei der Infogruppe Datenschmutz:

 http://datenschmutz.de/cgi-bin/moin.cgi/

Oder direkt bei der Roten Hilfe, usw.:

 http://www.rote-hilfe.de/publikationen/rechtshilfetipps

Und diese Bitte gilt ab und an immer auch mal wieder für die diversen Indymediamoderation-en. Bitte solche Kommentare immer so schnell wie möglich löschen oder durch einen Hinweis auf einen EA ersetzen. Danke.

Denn Alle sollten doch auch so schon lange genug wissen wer so dahinterstecken könnte..., meine Güte.

^.^

Polizeiaufgebot vollkommen im Rahmen

Demokrat 13.10.2009 - 22:29
Kann nicht verstehen, wieso hier über das große Polizeiaufgebot rumgeheult wird.
Es war vollkommen gerechtfertigt. Dass von einzelnen Demonstranten Handfahnen und ähnlich todbringende Mordinstrumente konfisziert wurden, ist ebenso nachvollziehbar.
Auch dass die bis zu 150 Teilnehmer fassende Demonstration von einem ebenso großen Aufgebot an Einsatzkräften begleitet wurde, dient doch lediglich der Prävention von strafbaren Handlungen! Nachdem ein Kame.. äh Kollege des USK bei der Demo gegen den tatsächlich vollkommen und bis zum Endsieg unpolitischen Coburger Convent schwerwiegende Verletzungen erleiden musste, ist dieses Vorgehen wirklich mehr als angemessen. Ansonsten wäre ja zu befürchten, dass die braven Coburger Bürger in ihrem freiheitlich-demokratischen Miteinander nachhaltig gestört werden.
Das folgende Foto dokumentiert Ihnen, liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen, dass wir die linksextremistische Gefahr auch in Coburg mehr als ernst nehmen, und deshalb die im Zug aus Bamberg anreisenden rund 30 gefährlichen und durchaus gewaltbereiten Demonstrationsteilnehmer mit einer ebenso großen Anzahl an Beamten abfingen, um zu verhindern, dass bereits der Bahnhof in Schutt und Asche gelegt wird...

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