6 Monate Knast für Feldbefreiung

Simone Ott 10.10.2009 00:42 Themen: Biopolitik Repression Ökologie
Am achten Verhandlungstag erging in Gießen das Urteil gegen die beiden Feldbefreier von 2006.
Sechs Monate Knast ohne Bewährung und vier Monate mit Bewährung + 120 Arbeitsstunden kassierten heute die beiden Feldbefreier von Gießen.

Bis zum Schluss war nicht vorauszusagen, wie das Verfahren enden würde. Die beiden Angeklagten und ihre Anwälte verteidigten sich erstklassig. Besonders heute, als einer der Angeklagten einen ausführlichen Vortrag über die Auslegung und Anwendung des Notstandsparagraphen 34 des Strafgesetzbuches hielt.

Doch das alles nützte so gut wie nichts. Der Richter blieb zwar erst unter den von der Staatsanwältin geforderten sechs Monaten für Jörg Bergstedt, weil er ihm seine hehre Motivation gegen die Gentechnik zu gute hielt. Doch dann legte er genau die gleiche Strafe wieder drauf, weil der Angeklagte die bürgerliche Gesellschaft allgemein ablehnt und Herrschaft kritisiert. Ein deutlicheres Indiz für Gesinnungsjustiz kann man wohl kaum liefern. Die mildere Strafe des jüngeren Angeklagten begründete er damit, der habe sich ja nun wieder der bürgerlichen Gesellschaft zugewandt, wie Schuljungen nach der Überwindung der pubertären Phase (sinngemäß) ihre Missetaten einsehen. Diese Begründung war sicher nicht aus dem Plädoyer des Angeklagten herauszuhören, und wie die Bewertung des Älteren eine typisch juristische Frechheit.

Auch die Begründung für die Verurteilung war wie immer sehr phantasievoll: der Richter hielt den Angeklagten zwar ihre gute Absicht, die Gentechnik stoppen zu wollen, zugute, doch hielt er das Mittel der Feldbefreiung nicht für geeignet (§ 34 StGB hebt auf Verhältnsimäßigkeit ab), weil die Gentechnik sowieso schon nicht mehr aufzuhalten sei: "Der Geist ist schon aus der Flasche" und die Gentechnik schon außer Kontrolle, kommentierte Richter Nink. Er sehe die Gentechnik auch als Gefahr an, aber die beiden Angeklagten hätten schon sämtliche Gentechnik-Felder zerstören müssen, um der Gefahr tatsächlich Einhalt zu gebieten, um freigesprochen zu werden...

Die beiden Angeklagten werden in Revision gehen. Das Urteil wird also erst einmal nicht rechtskräftig.

Nach der Urteilsverkündung (ca. 19 Uhr) erkletterte einer der Prozessbeobachter, ein über 70-jähriger emeritierter Agrar-Professor aus Witzenhausen, eine Birke vor dem Gerichtsgebäude und tat von dort per Megaphon seine Missbilligung über das Urteil kund. Er hielt dort bis ca. 24 Uhr aus!


Es ist schon wirklich bemerkenswert, welche wirren Gedankenwendungen Richter auf sich nehmen, um den § 34 nicht für gesellschaftliche Herausforderungen anzuwenden. Wie Jörg Bergstedt in seinem Vortrag darlegte, wurde dieser Paragraph tatsächlich für genau diese Situationen von Rechtsunsicherheit geschaffen, wenn neue gesellschaftliche Situationen auftreten, die noch nicht abschließend durch Gesetze geregelt sind. Doch bisher wurden sie immer nur dafür benutzt Polizisten vor Strafe zu schützen, wenn diese ihre Befugnisse übertraten: Hausdurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl etc.

Auf diese Zusammenhänge ging Bergstedt auch während einer Kundgebung auf dem Gießener Kirchenplatz ein. Weitere Redebeiträge kamen von UnterstützerInnen aus der Umgegend, vom sozialrevolutionären Block Gießen, von attac Wuppertal, aus Witzenhausen und von der BI gegen die Agro-Gentechnik aus Cochem-Zell.

Aus Cochem-Zell kommt noch folgender Fernsehtipp: 10. und 17.10.09, 22.30 Uhr, Bayern alpha. Mehrere Redebeiträge aus Industrie und Politik zur "Grünen Gentechnik".

Ein detaillierterer Bericht folgt.
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Ergänzungen

ganzdeutsche justizpraxis

Richard Albrecht 10.10.2009 - 13:45

Meine Meinung:

1) Herr Bergstedt hätte nicht angeklagt werden dürfen...andere schon.

2) Freilich war das auch juristisch problematische LG-GI-Urteil - sechs Monate o h n e
Bewährung - so absehbar wie dieses Verfahren überflüssig - jetzt geht´s eh in die OLG-
Revision.


Richard Albrecht

Noch ein Artikel

Simone Ott 14.10.2009 - 22:40

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Der hat es doch verdient! — Troll-Lehrer

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