Potsdam - Ein Jahr besetzte datscha

grrzz 04.10.2009 23:30 Themen: Freiräume
Am 26.09.2009 jährte sich das einjährige Bestehen des besetzen Haus „la datscha“ in Potsdam- Babelsberg. Mit mehreren Hundert Gästen, Freunden_Inne und Unterstützer_Innen wurde der erste Geburtstag ausgiebig gefeiert. Dass es zu einer Jahresfeier überhaupt kommen könnte, so weit war zu Beginn der Besetzung gar nicht zu denken, angesichts der Schwierigkeit in heutigen Tagen ein (neu)besetztes Haus zu halten und nicht sofort geräumt zu werden.
Am 26.09.2009 jährte sich das einjährige Bestehen des besetzen Haus „ la datscha“ in Potsdam- Babelsberg. Mit mehreren Hundert Gästen, Freunden_Inne und Unterstützer_Innen wurde der erste Geburtstag ausgiebig gefeiert. Dass es zu einer Jahresfeier überhaupt kommen könnte, so weit war zu Beginn der Besetzung gar nicht zu denken, angesichts der Schwierigkeit in heutigen Tagen ein (neu)besetztes Haus zu halten und nicht sofort geräumt zu werden. Innerhalb eines Jahres hat sich die datscha nun zu einem neuen, aktiven linken Zentrum in Potsdam entwickelt. Eine Entwicklung, die in Potsdam neu und ungewöhnlich ist, ging die Stadt doch gegen die letzten besetzen Häuser ausgesprochen restriktiv und brachial vor. Zum Beispiel bei der Räumung des „Boumanns“ (2000) und der „Breiti“ (2001). War in den Neunziger Jahren Potsdam eine „Hochburg“ der Besetzer_Innen mit Dutzenden Squats über die Jahre, kam es seit den letzten Räumungen nur noch zu einer Besetzung (in der Johannsenstrasse / 2006), die nach einigen Wochen beendet wurde. Ein Grossteil der Projekte konzentrierte sich viel mehr in den letzten Jahren auf eine Verhandlung mit der Stadt um langfristige Verträge. Ergebnis der Verhandlungen sind mehrere Hausprojekte mit einem Pachtvertrag. Andere Projekte kauften ein Haus, z.B. das Projekthaus in Babelsberg.
Doch neben der positiven Entwicklung für die datscha kämpfen andere Haus- und Kulturprojekte seit Monaten um eine Lösung mit der Stadt. So ist vor allem aktuell das „Archiv“ von einer drohenden Schliessung betroffen, wenn es nicht bis zum Jahresende zu einer langfristigen vertraglichen Einigung mit der Stadt und zu einem tragfähigen Konzept zur Sanierung des Hauses kommt. Das „Archiv“ ist das älteste und veranstaltungstechnisch grösste ehemals besetzte Haus in Potsdam.
Zu dem ist der seit über einem Jahr heimatlose „Spartacus“, ein selbst verwalteter club immer noch auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten. Die Verhandlungen mit der Stadt ziehen sich seit Monaten hin. Ein Vorschlag, der wesentliche Bestandteil der Diskussion ist, ist das Projekt „Freiland“. Ein Gelände auf dem mehrere „Jugendkultur“-Initiativen und clubs Platz finden sollen. Durch die Besetzung vor einem Jahr wurde in Potsdam nicht nur eine neue Debatte um linke Freiräume angeschoben, sondern vernetzten sich die Projekte in Potsdam und traten mit zwei grossen Freiraumdemos entschlossen in die Öffentlichkeit. In den nächsten Wochen und Monaten wird sich nun zeigen, ob die Stadt Potsdam gewillt ist beide Projekte, das „Archiv“ und das „Freiland“/ „Spartacus“ zu unterstützen bzw. zu erhalten. Und auch bleibt es natürlich abzuwarten, wie es weiter gehen wird mit der datscha.

Solidarität mit allen bedrohten Haus- und Kulturprojekten in Potsdam und anderswo! Freiräume für alle! Und natürlich bleiben wir alle!!


Einen ausführlicher Pressespiegel zu den Ereignissen in Potsdam seit einem Jahr gibt es hier:  http://ladatscha.blogsport.de/presse/

Eine Erklärung aus der datscha zum einjährigen Bestehen:

Ein Jahr la datscha!

Es gibt viele Gründe ein Haus zu besetzen: Angefangen von fehlendem bezahlbaren Wohnraum, über die Suche nach einem Ort, an dem mensch neue und eigene Ideen probieren und verwirklichen kann abseits gesellschaftlicher Konventionen, bis hin zur Besetzung als eine mögliche Protestform gegen die uns umgebenden herrschenden Verhältnisse.
So war die Besetzung der ehemaligen „Villa Wildwuchs“ am 26. September 2008 zuerst einmal eine Artikulierung von Protest gegen die Politik der Stadt Potsdam im Umgang mit alternativen und autonomen Haus- und Kulturprojekten. Doch über die Idee einer symbolischen Aktion hinaus entwickelte sich in den folgenden Monaten nach der Besetzung die datscha zu einem unabhängigen, neuem Ort; zu einem neuen, linken Zentrum in Potsdam. Dazu beigetragen hat zum einen, dass die datscha bisher von der Stadt Potsdam geduldet wird (wieso, weshalb, warum, darüber lässt sich spekulieren). Zum Anderen gab es von Beginn an großes Interesse vieler Menschen, die mittlerweile die datscha mitgestalten und mit Leben und Ideen fühlen. So entstand ein gut gefüllter Umsonstladen, die Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt „reudigRad“, eine regelmäßige Volxküche und ein Beachvolleyballplatz neben dem Haus. Darüber hinaus gab es großen Bedarf an einem neuen nicht-kommerziellen Veranstaltungsort (gut 50 Veranstaltungen, Konzerte, Partys in einem Jahr). Damit füllen wir als datscha vielleicht unfreiwillig ein Lücke, die durch die Schliessung des Spartacus entstanden ist. Doch die datscha ist und kann kein Ersatz für den Spartacus sein.
Von Anfang an ist es uns ein Anliegen gewesen die Vernetzung mit anderen Hausprojekten in Potsdam zu suchen und gemeinsame Interessen und Anliegen nach Außen zu tragen. Höhepunkte einer gemeinsamen Arbeit waren sicher die „Freiraum“-Demonstrationen im November 2008 und im Juni 2009, sowie die furiose Besetzung der Stadtverordnetenversammlung im November 2008, die für einige Schlagzeilen gesorgt hat. Doch auch über die Stadtgrenzen hinaus kam es zu einer Vernetzung mit ähnlichen Projekten und Initiativen. Und auch in Zukunft ist uns an einer gegenseitigen, solidarischen Unterstützung hier und anderswo gelegen.

Die Datscha ist nicht das Paradieschen.
Die „böse“ Außenwelt fängt schon kurz hinter „unserem Gartenzaun“ wieder an und das bedeutet, ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns mit allen ihren Erscheinungsformen beschäftigen; ob Nazis oder Polizeirepression, ob Parkordnung oder Krise des Kapitalismus. Wir können und wollen den Rest Potsdams und der Welt nicht ignorieren, nur weil wir scheinbar in Ruhe gelassen werden. Auch wenn Ausbeutung und Unterdrückung Normalität sind, heißt das nicht, dass wir das akzeptieren müssen. Deshalb muss es Orte geben, in denen Alternativen diskutiert und ausprobiert werden können. Wenn in einer Stadt das „Geld regiert“ reicht nicht eine datscha um hier Leben zu können. Es muss viele Orte geben, wie die datscha!
Das Motto der Demonstration im November 2008 lautete „Wir bleiben alle“. Das Motto einer Bewegung gegen Umstrukturierung und Vertreibung durch finanzkräftige Investoren sollte heißen „die Stadt sind wir alle“! Die Datscha möchte Teil einer solchen Bewegung sein und durch Inbesitznahme eines städtischen Grundstücks zeigen, das es sehr wohl möglich ist Fakten zu schaffen und mit dafür zu sorgen, dass Orte entstehen, wie wir sie wollen. Damit wir alle, unabhängig vom Einkommen und Interessen, Alter, kulturellem Hintergrund und Hautfarbe, auch in Zukunft noch in Potsdam leben können, wollen wir genauso gegen Neofaschismus, Rassismus etc etc kämpfen, genauso wie gegen Gentrifizierung und ein gelecktes Stadtbild.

Wir bleiben alle!! Für linke und libertäre Freiräume hier und überall!


Einen ausführlicher Pressespiegel gibt es hier:
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen