Rom - 300.000 für Pressefreiheit

* aka * 03.10.2009 20:37 Themen: Medien Soziale Kämpfe Weltweit
Am heutigen 3. Oktober demonstrierten in Rom unter dem Motto „No All'Informazione al Guinzaglio“ mindestens 300.000 Menschen für die Pressefreiheit und gegen Berlusconis Medienkampagne gegen die kritische Presse. Anlaß war die massive Einflussnahme der italienischen Regierung auf linksliberale und christliche Medienvertreter_innen. Erstere wurden von Berlusconi höchstpersönlich auf Millionen Schadenersatz verklagt. In Berlin fand, wie in anderen europäischen Städten, Solidaritätskundgebungen von Journalist_innen für den Erhalt der Informationsfreiheit statt.
Zur Kundgebung in Berlin kamen circa 50 Menschen. Aufgerufen hatte die Abgeordnete des Europa-Parlaments für die Partito Democratico (PD) Laura Garavini. Außerdem beteiligten sich verschiedene italienische und deutsche Journalist_innen-Verbände. So wurden Solidaritätserklärungen des MediaClub Germania, eines Verbandes italienischsprachiger Journalist_innen in Deutschland, des Berliner Landesverbandes des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) und der Deutschen Journalistenunion (DJU) bei ver.di verlesen. Eine Redner_in der DJU wies nachdrücklich darauf hin, daß die Beschneidung der Presse- und Informationsfreiheit nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland insbesondere durch das neue BKA-Gesetz und andere Überwachungsmaßnahmen gefährdet sind. In diesem Zusammenhang wurde auf die Demonstration „Freiheit statt Angst“ hingewiesen.

Einige italienische Kommunist_innen waren ebenfalls anwesend, was allerdings bei einer großen Anzahl der eher älteren und bürgerlicheren Anwesenden nicht gern gesehen war. Schließlich stecken hinter dem Protest mit den linksliberalen Zeitungen La Repubblica und l'Unità, der größten (weichgespülten) italienischen Gewerkschaft CGIL und der nicht einmal mehr sozialdemokratischen PD keine sozialen Kräfte von denen eine soziale Alternative zu erwarten wäre. Eine soziale Alternative ist nicht erwünscht. Die Unterstützung einer außerparlamentarischen Opposition soll es ebenfalls nicht geben. Viel mehr scheint sich zunehmend eine bürgerliche Revolte des „Anstands“ gegen den als beschämend empfundenen rechtsaußen Ministerpräsidenten zu formieren.

Die Attacken Berlusconis gegen die noch nicht von ihm gleichgeschalteten Medien nehmen seit dem Sommer an Heftigkeit zu. So beschimpfte er die ihm nicht devot zu Füßen liegenden kritischen Journalisten_innen bei rai tre, La Repubblica, l’Unita und neuerdings auch den Direktor der Tageszeitung der Bischofskonferenz Avvenire Dino Buffo als „Schurken“. Er behauptete, obwohl seinem Medienimperium beinah alle Fernsehkanäle und massig Zeitungen gehören, daß es viel zu viele Farabutti (Schurken) in der Politik, der Presse und dem TV geben würde. Deshlab müsse das Parlament abgeschafft und die Presse sowie das Fernsehen staatstragend gleichgeschaltet werden.

Zu der heutigen Großdemonstration rief die Federazione Nazionale Stampa Italiana (FNSI), der italienische Journalistenverband auf. Die Gewerkschaft CGIL organisierte mindestens 300 Züge nach Rom. Mit La Repubblica beteiligte sich eine der meistgelesensten Zeitungen Italiens. Außerdem wehrt sie sich so öffentlichkeitswirksam gegen die massiven politischen und ökonomischen Angriffe auf ihre Redaktion. Außerdem beteiligten sich der kommunistische Kulturverein ARC, die christlichen Aktivist_innen von Articolo 21 und andere Initiativen.

Auf der Großdemonstration sprachen heute einige Prominente politische Dissidenten und oppositionelle Politiker_innen. Der Fokus lag eindeutig auf erfolglosen (sozial-) demokratischen Politiker_innen, etablierten Gewerkschafter_innen und kritischen Kulturschaffenden. Die Sozialisten, wie viele andere, wiesen darauf hin, daß Italien an einem Scheideweg zwischen der Demokratie und der Tyranei stehen würde. Wenn Berlusconi durch kommt, bedeutet dies die Knebelung der freien Presse. Deshalb war es nur folgerichtig Saviano ein Podium zu geben, der sich seit Jahren vor der Mafia verstecken muß. Er wies allerdings in seiner Rede ausdrücklich darauf hin, daß die Macht und die Wahrheit sich auschließen würden.

Die Demonstration in Rom führt den Bildungsprotest der l’Onda mit dem bürgerlichen Widerstand gegen die Beschneidung der Pressefreiheit zusammen. Ein Demonstrationszug von (prekären) Lehrer_innen, der auch am heutigen Samstag für seien Rechte demonstrierte, schloß sich der Großkundgebung gegen Berlusconi an und wurde euphorisch begrüßt.

Die radikale Linke blieb dem Protest weitestgehend fern. Sie wies zurecht darauf hin, daß der Protest gegen die Gleichschaltung der Medien durch Berlusconi zu sehr von der liberalen Presse und der konformistischen Gewerkschaft CGIL dominiert wird. Das zeigt sich vor allem daran, daß der erste Termin zu einem landesweiten Aktionstag für die Freiheit der Presse am 19. September aufgrund des Gedenkens um die in Afghanistan bei einem Bombenanschlag getöteten Soldaten auf Druck von La Repubblica und CGIL verschoben wurde. So bleibt ein bitterer Beigeschmack bei der erfolgreichen Kundgebung in Rom. Der tiefe Riß und das Misstrauen in der linken, sozialen Bewegung in Italien bleibt bestehen.

Weitere Informationen
http://fnsi-libera-informazione.blogspot.com
http://www.cgil.it
http://www.infoaut.org

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Ergänzungen

Bilder

Sammler 03.10.2009 - 21:28
Anbei ein paar Bilder der Proteste aus der heutigen Internetpresse

Demokratie Nach Art Des Mafiapaten

LORA München 92,4 MHz 03.10.2009 - 22:21
Laura Garavini ist eine Abgeordnete im italienischen Parlament. Sie sitzt dort für die italienische Partito Democratico – eine Partei, die aus der früheren Kommunistischen Partei Berlinguers hervorging, die also mit der deutschen Linkspartei vergleichbar ist und eine der einflussreichsten oppositionellen Kräfte in Italien darstellt. Früher war die Abgeordnete Garavini lange in Deutschland in Immigrantenprojekten tätig – deshalb spricht sie ausgezeichnet deutsch – und stand uns am Tag vor dem europaweiten Protest gegen den Mediendiktator und Mafioso im Range des Ministerpräsidenten, den früheren Schlagersänger und heutigen Mädchenverbraucher Silvio Berlusconi zur Verfügung. Dabei fand sie nur kurz Zeit – zwischen Parlamentssitzung und Abflug am römischen Flughafen Fiumicino war sie per Handy für wenige Minuten erreichbar.

Interview:  http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=30079

Partito democratico

bitte nicht!!! 04.10.2009 - 02:11
Den Partito democratico mit der deutschen Partei Die Linke. gleichzusetzen, ist geradezu frevelhaft! Dann eher die SPD zum Pendant nehmen, wenn überhaupt! Wer will, kann ja mal nachsehen, wer sich von italienischer Seite auf europäischer Ebene tatsächlich mit der Linken verbrüdert: Rifondazione Comunista...

lso nichts mit Partito Democratico!

Das, was oben ergänzt wurde ist deshalb schwer irritierend, weil der Autor/die Autorin der selben das sicher weiß, dass es gröbster Unfug ist, den PD mit Die Linke. gleichzusetzen! Hoffentlich war es Naivität...