Köln: Interview zur Freiraumdemo

Rasender Reporter 01.10.2009 00:25 Themen: Freiräume Kultur Soziale Kämpfe
Seit neun Monaten existiert die Freiraumkampagne "Pyranha - für ein autonomes Zentrum" in Köln. Nach zahlreichen Aktionen im öffentlichen Raum und einer Wochenendbesetzung lädt die Gruppe nun zu einer Demo unter dem Motto "Her mit dem autonomen Zentrum" ein, die am 17.10. in Köln stattfindet.
Ein rasender Reporter hat einen Aktivisten der Gruppe interviewt.
RR: In den letzten Wochen hat mensch wenig von euch gehört. Was war los?

Pyranha: Wir haben uns nach der Wochenendbesetzung in der Moselstraße erst einmal um Repressionsfolgen kümmern müssen. Über 30 Menschen haben Anzeigen von der Polizei bekommen. Und dann haben wir das Programm für den Herbst organisiert. Wir machen eine Filmreihe zum Thema verkürzte Kapitalismuskritik, eine Vortragsreihe zu Grundlagen linker und linksradikaler Politik und eine Demo im Oktober.

RR: Kannst du mehr zu den Veranstaltungen sagen?

Pyranha: In der Filmreihe werden vier Filme gezeigt, die sich mit dem Kapitalismus beschäftigen, und die alle vier sehr unterschiedliche Aussagen treffen. Das reicht von offenem Antisemitismus bis hin zu ökologischem Reformismus. Wir wollen uns die Filme gemeinsam anschauen und erarbeiten, was daran jeweils problematisch ist und was nicht. Die Vortragsreihe soll allen Menschen die Möglichkeit geben, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die in linken Diskursen immer wieder als selbstverständlich vorausgesetzt werden, die es aber oft gar nicht sind. Das sind Themen wie Kapitalismus, Staat oder Sexismus.

RR: Und was macht ihr für eine Demo?

Pyranha: Die Demo wird vom Kölner Dom nach Kalk gehen. Wir machen diesmal keine Tanzdemo, sondern wollen stärker darauf achten, unsere politischen Inhalte nach außen zu tragen. Zwischendurch wirds natürlich trotzdem auch laute Musik geben... Die Demo geht dann fließend in einen Aktionstag in Kalk über, das Autonome Veedelfest. Da wird es auf der Straße und in verschiedene Locations Konzerte, Vokü, Vorträge und hoffentlich vieles mehr geben.

RR: Hoffentlich?

Pyranha: Wir stellen uns das so vor: Wir von Pyranha organisieren die Demo und werden zum Aktionstag auch ein, zwei Sachen beitragen. Der Rest soll aber von den anderen Gruppen, die ein AZ nutzen wollen, organisiert werden. Wir haben auch schon ein paar Zusagen, aber eben noch nicht genug.

RR: Warum macht ihr das denn in Kalk?

Pyranha: In Kalk war bis Ende letzten Jahres die Schnapsfabrik, deren Schließung ja auch zur Gründung von Pyranha geführt hat. Und es gibt in Kalk viele leerstehende Häuser und Hallen. Wir bekommen mittlerweile auch Signale aus der Politik, dass sie ein AZ in Kalk unterstützen würden. Im rechtsrheinischen Köln ist das kulturelle Defizit nochmal deutlich stärker ausgeprägt als im Rest der Stadt. Außerdem passiert in Kalk gerade total viel, der Stadtteil macht eine deutliche Wandlung durch und wir hoffen, darauf positiv einwirken zu können.

RR: Stichwort Gentrification?

Pyranha: In kaum einem anderen Stadtteil in Köln wird die Gentrification derzeit so stark voran getrieben wie in Kalk. Es wird versucht, Hightech-Forschung und Dienstleistungen anzusiedeln und gleichzeitig entstehen riesige Einkaufs- und Erlebniszentren. Das neue Polizeipräsidium steht auch in Kalk, ebenso wie Ordnungsamt und Ausländerbehörde. Das sind alles keine Sachen, von denen die Kalker Bevölkerung besonders profitiert. Wir wollen eine erlebbare Alternative dazu schaffen, einen Ort, der sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, und Möglichkeiten der Einflussnahme und Gestaltung aufzeigen.

RR: Da habt ihr euch ja ganz schön was vorgenommen.

Pyranha: Ja, verdammt. Und es geht ja noch um viel mehr: Das AZ soll ein Raum für politische Organisation und selbstorganisierte Kunst und Kultur sein, es soll unkommerziell arbeiten und allen die Möglichkeit zur Beteiligung bieten. Es soll offen sein, aber keinen Platz für Rassismus, Sexismus, Homophobie und andere Scheiße bieten. Das ist alles mit vielen Auseinandersetzungen verbunden, die oft anstrengend sind. Vieles, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist es in dieser Gesellschaft nunmal überhaupt nicht, und wir werden Kapitalismus, Nationalismus und Patriarchat auch durch ein AZ nicht entfliehen können - aber das wollen wir auch gar nicht. Wir wollen die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und mit uns selbst - und dafür kann ein Autonomes Zentrum eine Plattform bieten.

RR: Vielen Dank für dieses Interview!





Demo „Her mit dem Autonomen Zentrum“

17.10., 12 Uhr, Roncalliplatz (am Kölner Dom) - danach Autonomes Veedelfest in Kalk
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Ergänzungen

AZ vs Industrie

franke 01.10.2009 - 15:40
"Es wird versucht, Hightech-Forschung und Dienstleistungen anzusiedeln und gleichzeitig entstehen riesige Einkaufs- und Erlebniszentren. Das neue Polizeipräsidium steht auch in Kalk, ebenso wie Ordnungsamt und Ausländerbehörde. Das sind alles keine Sachen, von denen die Kalker Bevölkerung besonders profitiert."

Inwiefern würde die Bevölkerung eher von einen Alternativen Zentrum profitieren?

24. okt demo heidelberg

grunx 02.10.2009 - 01:39
Nicht vergessen: am 24. Oktober findet in Heidelberg die Nachttanzdemo für linke selbstverwaltete Zentren statt. Anschließend gibt es noch eine Soliparty im Teufel...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

@franke — aom

Warum — Lautsprecher

@aom — franke

@franke — aom

riot — leider

gggrrrrrrmmmpppffff @aom — verrückter uffe

Squat the world — LiZ