"¡NI OLVIDO NI PERDÓN! - Kein Vergessen, Kein Vergeben"

Antifaschistische Jugend Bochum 29.09.2009 17:22 Themen: Antifa
Fast zwei Jahre nach dem Mord an Carlos Palomino fand am 14. bis 22. September 2009 am Madrider Landgericht der Prozess gegen seinen Mörder statt. Im Folgenden möchten wir diesen dokumentieren.
Am 11. November 2007 wurde der 16-jährige Antifaschist Carlos Palomino von dem Berufssoldaten Josué Estebanez de la Hija in Madrid erstochen.

Carlos und seine Freunde waren auf dem Weg zu einer Gegendemonstration gegen den Aufmarsch der rechtsradikalen Partei Democracia Nacional. Als sie in der U-Bahn-Station Legazpi in die U-Bahn einstiegen, begegneten sie Josué Estebanez de la Hija, der sich auf dem Weg zur Nazi-Demonstration befand. Dieser trug einen Pullover der Marke „Three Stroke“, welche bei den spanischen Faschisten sehr beliebt ist. Carlos zeigte mit der Hand auf die Aufschrift und sprach den Nazi darauf an. Josué hatte aber schon bei der Einfahrt in die Metrostation die Antifaschisten auf dem Bahnsteig erkannt und ein Messer gezogen, was er vor den Antifaschisten verbarg. Mit einer kurzen Kampftechnik stach er Carlos auf dessen Ansprache hin ins Herz. Carlos wankte auf die Metroplattform und brach dort zusammen. Erst jetzt realisierten die anderen Antifas was passiert war und versuchten Josué Estebanez de la Hija anzugreifen. Dieser stach weiter mit seinem Messer um sich und verletzte mehrere Personen. Eine davon schwer. Dann floh er aus der U-Bahn. Die Antifaschisten schafften es ihn einzuholen und zu stellen. In diesem Moment kam die Polizei und verhaftete den Mörder.

(Hier sind die Überwachungsaufnahmen aus der U-Bahn zu sehen:
Video largo
 http://www.elpais.com/videos/espana/Huida/grabacion/muerte/video/largo/elpvid/20090510elpepunac_2/Ves/

Video corto
 http://www.elpais.com/videos/espana/murio/Carlos/Palomino/video/corto/elpvid/20090510elpepunac_1/Ves/)

Fast zwei Jahre nach dem Mord in der Metro fand am 14.-22. September 2009 am Madrider Landgericht der Prozess gegen Carlos Mörder statt. Im Folgenden möchten wir diesen dokumentieren.

Am 14. September begann der Prozess. Antifaschisten organisierten im Vorfeld eine große Demonstration im Gedenken an das Carlos. Im Laufe der Woche wurden jeden Tag Kundgebungen abgehalten, die Carlos Familie unterstützen sollten. Am ersten Tag taten 200 Antifas ihren Protest kund.

Im Laufe des Prozesses haben viele Menschen ausgesagt. So wurden neben der Mutter von Carlos, aber auch Anwesende und Freunde von ihm befragt.
Seine Mutter wusste, was Carlos an diesem Tag vorhatte und warnte ihn vorher. Freunde von ihm sagten aus, Carlos sei von Josués Angriff überrascht worden. „Alles ging sehr schnell. Wir riefen zu Carlos, dass er eine Waffe bei sich trug, als wir dann realisiert haben, dass er ihn bereits erstochen hatte.“

Besonders lächerlich erscheint die folgende Aussage von dem Mörder selbst und seinem Anwalt, Enrique Martin. Josué war zum Zeitpunkt des Mordes Berufssoldat im so genannten Ehrenbataillon des Königs, dem „Ejercito de Tierra“. (Es war der Generalissimo Franco, der faschistische Diktator Spaniens, der für die Zeit nach seinem Tod die Einführung die konstitutionelle Monarchie bestimmte. Ohne die Faschisten gäbe es keine Monarchie in Spanien mehr.)

Die Tatwaffe war sein offizielles Armeemesser. In Spanien ist es verboten, solche Messer auf der Strasse bei sich zu tragen. Auf die Frage, warum er also so eine Waffe zur Demonstration der Francisten mit sich führte, antworteten er und sein Anwalt, dass das Messer „zum Früchte schälen“ gedacht gewesen sei. Der Zynismus der Aussage wurde im Laufe der Vernehmung noch übertroffen: Angeblich wollte sich Josué mit seinen „Freunden treffen“.

Er leugnete den Hitlergruß aus dem Fenster der Bahn nach dem Mord an Carlos, den man deutlich auf dem Beweisvideo der U-Bahnaufnahmen erkennt. Der Höhepunkt seiner Aussage war jedoch die Behauptung, er habe keine rechtsradikale Einstellung. „Ich bin nur Jemand, der sich freut, wenn die spanische Mannschaft beim Fussball gewinnt“, behauptete Josué.

Dass dies nicht so ist, zeigen verschiedene Beweisaufnahmen, auf denen Josué u.a. mit einem stadtbekannten Neonazi posiert und dieser ein Handzeichen der SS zeigt. Der Mörder sagte weiterhin aus, er habe eine panische Angst in der U-Bahn gehabt. „Sie trugen Messer und Schlagringe und drohten mir, mich mehrmals abzustechen“. So eine deutsche Nazisite über die Aussage Josués zu seiner Intention. Er leugnet damit also, dass er Carlos eindeutig wegen seiner antifaschistischen Gesinnung erstach.

Mit dieser Aussage will er den Eindruck erwecken, er hätte aus einem Affekt heraus gehandelt und der Mord basiere auf Notwehr.


Dass Josué nicht so unschuldig ist, wie er tut, konnten zwei Zivilpolizisten am 3. Prozesstag bestätigen. Nachdem er den Mord an Carlos begangen hat und aus dem Zug flüchten konnte, verfolgten ihn dutzende Antifaschisten. Josué kam an den Polizisten vorbei und schrie ihnen zu: „Ayudarme que estos guarros me quieren matar“, was so viel heisst wie „Helft mir, denn diese 'Schweine' wollen mich umbringen“. Der Ausdruck „guarros“ wird im Spanischen oftmals von Neonazis benutzt, um speziell Antifaschisten zu beleidigen. Josué gab in seiner Aussage an, diesen Ausdruck nie in den Mund genommen zu haben, was die Beamten nun widerlegen konnten.

Zudem fand man bei ihm später im Krankenhaus einen Schlagring. „Der Schlagring ist von einem der Antifaschisten aus der U-Bahn, den sich Josué zu eigen machte“, so der Anwalt des Mörders.

Die Polizisten gaben außerdem an, er sei bei seiner Festnahme sehr besonnen gewesen. Seine Behauptung also, er hätte panische Angst gehabt, scheint ebenfalls erlogen zu sein.

Die Aussage der Zivilpolizisten ist vom großen Wert, da die beiden als objektive Zeugen gelten und vorm Gericht besonders glaubwürdig sind.


Am 4. Prozesstag wurden die Autopsieergebnisse vorgestellt. Es wurde noch einmal bestätigt, dass der Messerstich, der 7 cm in Carlos Körper drang, der Grund für seinen Tod war. Da die Wunde des anderen Antifaschisten schnell behandelt werden konnte, konnte dieser die Verletzung überleben. Interessant bei den Ergebnissen war jedoch, dass Josué als psychisch völlig normal identifiziert worden ist. Das heisst, er hat den Mord nicht aufgrund psychischer Deformierungen begangen, sondern aus ideologischen Gründen.

Diese Tatsache erkannte auch die Staatsanwältin Raquel Munoz an. Sie bestätigte das Mordmotiv des „ideologische(n) Hass(es)“ und ergänzte u.a., der Mord sei von der Einsicht motiviert gewesen, dass das Opfer einer Gruppe angehörte, dessen Ideologievorstellungen im Gegensatz zu denen des Täters stehen. Josué habe nicht annähernd versucht, aus der Bahn zu entkommen. Er hätte jeden Augenblick in der Bahn unter Kontrolle gehabt und wäre in Besitz von mehreren Waffen gewesen. Sie fordert die Höchststrafe von 30 Jahren und einem Monat Haft, eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro und ein Berufsverbot in allen öffentlichen Bereichen wegen Fremdenfeindlichkeit.

Enrique Martin, der Anwalt des Nazis, forderte 9 Monate Haft wegen Totschlags und schwerer Körperverletzung, plädiert jedoch im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft auf Freispruch. Er bestreitet jegliche politische Motivation des Täters. Er sei weder militant, noch Aktivist in einer Organisation/Partei des rechten Flügels, sondern einfach nur „unpolitisch“.

Er nannte hingegen die BAF (Brigada Antifascista), der Carlos angehört hatte, als „kriminelle Gang“ und setzte sie gegenüber dem Täter: „Josué hätte niemals Leute wegen ihrer politischer Gesinnung angegriffen“, so der Anwalt. Er sieht in der Mordtat einen klaren Fall von Selbstverteidigung in einer Notwehrsituation, denn der Täter hätte panische Angst zu sterben gehabt.

Mavi, die Mutter von Carlos, fand die Argumente von Martin sehr beschämend. „Enrique steht dem Neonazismus sehr nahe“, bemerkte sie.

Abschließend ergriff der Mörder nochmals das Wort und entschuldigte sich für den Mord an dem 16-jährigen Jungen: "Es tut mir Leid für das was geschehen ist. Ich hatte nie vor jemanden das Leben zu nehmen oder zu verletzen, aber ich war voller Angst und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich konnte nicht ahnen, was das alles für Auswirkungen haben könnte.“So auf jeden Fall nach den Berichten einer deutschen Nazisite,

Mit den Worten „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ schloss die Staatsanwältin die Verhandlung.



Nun bleibt also abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft sich mit ihren Forderungen bei der Richterschaft durchsetzt. Nach dem spanischen Gesetz kann Josué für den Strafbestand maximal 20 Jahre bekommen. Der Anwalt Erlantz Ibarrondo, der die Kläger „Movimiento Contra la Intolerancia“ und die Familie von Carlos vertritt, zeigte sich zuversichtlich, dass der Prozess zu Gunsten seiner Mandanten ausgehen wird. Er betonte nochmal das rechte Motiv des Täters und sagte außerdem: „Noch muss man sagen, dass die Existenz des Videos aus der Metro von entscheidender Bedeutung war.“


Die spanischen Faschisten bemühen sich schon seit Langem in einer Solidaritätskampagne für die Freilassung von Josué Estebanez de la Hija. In den letzten Monaten richteten sie dafür eine mehrsprachige Site ein. Vor allem deutsche Nazis taten sich mit geposteter Solidarität hervor.

War es im Mai noch die site „Syndikat Z“ aus dem europaweiten national-revolutionären Netzwerk von „Zentropa“, die sich solidarisierte, ist es jetzt die Site der „Aktionsfront“ aus Mittelsachsen, die sich hervortut. Die Übernahme der Verteidigungsstrategie des Nazianwalts und der spanischen Falangistenszene ist dabei selbstverständlich.

Dass die sächsischen Nazis sich dieser Thematik annehmen kommt nicht von ungefähr. Zu einem soll da „Syndikat Z“ und Steffen Pohl aus dem antifaschistischen Fokus genommen werden.

Andererseits sind die sächsischen Nazis, wie das „Syndikat Z“ und der „Nationale Widerstand Dortmund“ stark mit den Nazis der „Tschechische Arbeiterpartei“, der „Narodni Opdor“, verbunden und stricken an einer Internationalisierung der nationalrevolutionären Strukturen in Europa.



Wir hoffen, dass Josué Estebanez de la Hija zur Verantwortung gezogen wird und für sein Verbrechen aufkommt.
Wir schicken die größte Solidarität nach Spanien zu den FreundInnen und der Familie von Carlos.

¡NO ESTÁS SOLA!
¡VUESTRAS ASESINATOS NO QUEDARÁN IMPUNES!



Videos von den Prozesstagen:
Tag 1:  http://www.youtube.com/watch?v=FNh7Vcb6ZxU&feature=player_embedded
Tag 2:  http://www.youtube.com/watch?v=j90wO2gdXSo&feature=player_embedded
Tag 3:  http://www.youtube.com/watch?v=LgswklFyAhA&feature=player_embedded
Tag 5:  http://www.youtube.com/watch?v=KTH52o1GDGI&feature=player_embedded

Prozess:
 http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=947
 http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=946
 http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=944
 http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=942  http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=939


Demonstration:
 http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=938

Konzerte:
 http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=936
 http://theplatform.nuevaradio.org/index.php?blog=4&p=948

Film über das Jahr des Kampfes nach Carlos Tod:
 http://madrid.antifa.net/audiovisual/67-video/417-carlos-1-year-without-you-1-year-with-you



Quellen:
 http://www.lahaine.org
 http://madrid.antifa.net
 http://theplatform.nuevaradio.org



Älteres:
Demonstration am 17. November für Carlos in Bochum
 http://de.indymedia.org/2007/11/199671.shtml

Projecto Memoria - Der faschistische Mord an Carlos Yavier Palomino / Madrid
 http://linksunten.indymedia.org/de/node/6622

Videos zum Mord an Carlos Palomino erschienen
 http://de.indymedia.org/2009/05/250170.shtml



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Ergänzungen

bilder und links

rsh 415 30.09.2009 - 00:22
hier bilder von vor einer woche.

es folgt noch ein bericht auf unserem blog. leider noch keine zeit dafür gehabt, wir müssen uns auch erstmal in den blog richtig reinarbeite.

hier ein paar links zu sachen aus madrid. leider hatte ich nichts besseres zum befestigen des zettels zur hand.


solltet ihr mal in madrid sein, schneit einfach bei potencial hardcore rein. gibts nette sachen, tshirts von carlos, noch nettere leute (englisch können nicht viele) und einige infos.

 http://csolatraba.nuevaradio.org/
 http://bafmadrid.blogspot.com/
 http://madrid.antifa.net/
 http://madrid.indymedia.org/
 http://www.nodo50.org/potencialhc/


die bilder, welche unten dem comment angehängt sind und auch auf imageshack in höherer auflösung hochgeladen wurden, gerne verwenden und verlinken, sofern auf unseren blog bzw. diesen indymedia-kommentar verlinkt wird!!



solidarische grüße aus hamburg, rsh 415

 http://roteszenehamburg.blogsport.de/

spanisch

name 30.09.2009 - 11:03
......Der Ausdruck „guarros“ wird im Spanischen oftmals von Neonazis benutzt, um speziell Antifaschisten zu beleidigen.

guarros is im spanischen generell eine beleidigung, aber nicht gerade spezifisch von nazis zu antifas.... naja, ich würd dazu mal sagen, hausaufgaben nicht gemacht, 6, setzen.....
der artikel is eigentlich ganz gut, aber solche behauptungen auf zu stellen ist doch wohl weit hergeholt, erstmal die sprachen lernen würde ich mal sagen....
y no hacer declaraciones estupidas, que os parece chavales....

Nur eine kleine

Korrektur 30.09.2009 - 14:50
Narodni Odpor heisst auf deutsch Nationaler Widerstand und ist eine in Tschechien verbotene Naziorganisation. Die Tschechische Arbeiterpartei DS (Dělnická strana) ist eine rechtsradikale Partei, die sich stark an der NPD orientiert und dieses Jahr knapp einem Vebot entgangen ist.
Hat zwar nicht direkt was mit dem Thema zu tun, war aber halt so nicht korrekt.

und @name:
nur weil dieser Ausdruck im spanischen auch generell eine Beleidigung ist, heisst das nicht, dass er nicht auch "im Spanischen oftmals von Neonazis benutzt [wird], um speziell Antifaschisten zu beleidigen".
Wer lesen kann ist klar im Vorteil.

@ name

autónomo 30.09.2009 - 15:40

dass "guarro" als adjektiv in etwa "schmutzig" bedeutet stimmt.

dass dieser ausdruck von nazis als schimpfwort gegen linke (vgl. "zecke") benutzt wird, stimmt allerdings auch. in diesem zusammenhang (ausgesprochen von einem fluechtenden, berufssoldaten in nazioutfit, der einige minuten vorher einen antifaschisten kaltbluetig abgestochen hat und weitere menschen lebensgefaehrlich verletzt hat) handelt es sich also auf jeden fall um nazivokabular...

el mejor homenaje: ¡continuar la lucha!

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