Wie tutsi.de die Geschichte umschreibt

Bildkritik 26.09.2009 15:31
(Auch) internet-Medien müssen kritisch gelesen werden.
Piratenpartei-Mitglied (1) tutsi.de berichtet wie folgt über einen symbolischen Angriff auf eine Geschäftsstelle seiner Partei:

„Anschläge auf Piratenpartei: Wie soeben bekannt gegeben wurde, verübten unbekannte Chaoten in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag einen Farbanschlag auf die Bundesgeschäftsstelle der Piratenpartei in Berlin. Mittlerweile ist ein Bekennerschreiben der Täter bei Indymedia veröffentlicht worden, welches der Piratenpartei vorwirft, sich nicht ‚weit genug links’ zu positionieren…
Am heutigen Donnerstag Vormittag verübten Unbekannte zusätzlich einen Angriff auf die Wiki der Piratenpartei, aber die nächsten Tage werden hoffentlich mehr Klarheit darüber bringen, welchen Parteien bzw. Gruppen die Piratenpartei ein solcher Dorn im Auge ist, dass hier mit SA-Methoden versucht wird, den politischen Gegener einzuschüchtern oder mundtot zu machen…

Feiger Anschlag auf Bundesgeschäftsstelle der Piratenpartei

Nachfolgend einige Dokumentationen über den Vandalismus an der Bundesgeschäftsstelle der Piratenpartei in Berlin:

‚…dieses ist nicht die erste Aktion gegen die Piratenpartei. Aus der Pressemitteilung der Piratenpartei geht hervor, dass ‚Polizeiliche Ermittlungen eingeleitet wurden’. Schon vor einigen Tage sind einige Wahlkampfportale der Piratenpartei Opfer von Denial-of-Service-Attacken geworden…’ (gulli.com)“ (2)

Hiernach entsteht der Eindruck, daß es sich um ZWEI Arten von Angriffen handelt: Zum einen aktuell um die Parolen an dem Parteibüro, und zum anderen um die aktuelle und die älteren online-Attacken. Zu den Parolen werden zwei Fotos – dicht nebeneinander montiert - präsentiert:
a) „Gegen Parteien Kapital + Staat“
b) Hammer und Sichel + „Kinderschänder wir kriegen Euch alle.“ (3)

Tatsächlich handelt es sich aber um Parolen, die mit einem Abstand von 12 Tagen entdeckt wurden, wie in dem Wiki der Piraten durchaus zugegeben wird. In den Mediadaten zu Foto 2 heißt es dort:
„Erfassungszeitpunkt 08:10, 12. Sep. 2009“ und „Speicherzeitpunkt 08:10, 12. Sep. 2009“ (4) -

In den Kommentaren bei tutsi.de outen sich die Piraten-UnterstüzerInnen dann als

++ Eigentums- und Bürgerwehr-Fans:

„Was bildet sich dieses Pack einn? Nur weil sich die Piraten nicht mit der Anarchoscheiße dieses undemokratischen Mobs identifizieren gleich gewalttätig werden und sich ganz mutig an anderer Menschen Eigentum vergreifen? Auch wenn ich kein Mitglied oder Wähler der Piratenpartei bin würde ich mich hier für eine Nachtwache einteilen lassen…“

++ als Deutschland-Fans mit Liebe für die starke Hand, die dem Staat im Moment fehle:

„Es scheint inzwischen so zu sein, dass dieser linke Mob bestimmen möchte, welche Autos wo parken, welche Wohnungen saniert werden, welche zugelassene Partei ihre demokratischen Rechte wahrnimmt. […]. Die sog. Protestaktionen werden immer massiver und brutaler (auch bei Demonstrationen)und die Politik schaut zu, verstärkt natürlich gleichzeitig den Kampf gegen Rechts. Aber, wer gröhlt ‚Deutschland verrecke’ oder ‚Nie wieder Deutschland’, gleichzeitig wunderbar von Hartz 4 lebt, ist widerlich.“

++ Ein bekennender NPD-Wähler bekundet seine Solidarität:

„Herzlich Willkommen PiratInnen in der Welt der linken Gesinnungsdiktatur. Ist bestimmt für euch ein ganz neues, tolles Gefühl, auch zu den Gehassten der Faschisten AnfiFa zu gehören.“

++ Und ein rot=braun-Totalitarismus-Theoretiker äußert sich noch:

„Da sehen wir wieder einmal das alle Extremisten und Anti-Demokraten verachtenswert sind. Links- wie rechtextrem – alles extremistisches Pack.“

Tutsi.de scheint sich mit solchen Kommentaren auf seiner wohl zu fühlen. (5) Schönes Piratenumfeld.


(1)  http://www.tutsi.de/tutsi-seit-gestern-pirat-warum-ich-in-die-piratenpartei-eingetreten-bin/2009/09/11/tutsi-blog-aktuell/

(2)  http://www.tutsi.de/angriffe-auf-piratenpartei-vandalismus-an-der-bundesgeschaeftsstelle-der-piraten/2009/09/24/tutsi-blog-aktuell/

(3) Wie bereits bemerkt wurde passen die Parolen inhaltlich nicht zusammen; die Parolen zu b) sind auch nicht in der Erklärung zu den Parolen zu a) erwähnt ( http://ch.indymedia.org/de/2009/09/71448.shtml;  http://209.85.229.132/search?q=cache:9APIPU3BtbsJ:de.indymedia.org/2009/09/261765.shtml+%22solange+dies+der+fall+ist+geben+wir+keine+ruhe+und+k%C3%A4mpfen+weiterhin+mit+allen+mitteln+auf+allen+ebenen+f%C3%BCr+ein+ende+der+parlamentarischen+demokratie%22&cd=1&hl=en&ct=clnk).

(4)  http://wiki.piratenpartei.de/Datei:BGS_Sachbeschaedigung_120909_1.JPG#filehistory

(5) Nur zu dem dritten Kommentar wird eine halb-kritischer Antwort-Kommentar von tusi.de gemacht: „Ich denke eher, dass hier einige ‚Berufsrevolutionäre’ einfach nur neidisch und angepisst sind, da sich innerhalb kürzester Zeit die Piratenpartei zu einer öffentlich beachteten Partei gemausert hat, die (mit viel Glück) auch zur Bundestagswal eine Chance hat, während MLPD, KPD und der ganze Krempel weiterhin selbst von kleinen Kindern ausgelacht werden…“
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

"Kinderschänder wir kriegen Euch alle“=links?

ich 26.09.2009 - 16:39
Die Parole "Kinderschänder wir kriegen Euch alle“ klingt nicht grade nach Linken. Erinnert doch stark an die "Todesstrafe für Kinderschänder"-Kampagne der NPD von letztem Jahr und das Bild-Zeitungs-Geschmiere, das jedes Mal abgelassen wird, wenn wieder ein Fall von kindermissbrauch und/oder Mord vorkommt.
Und durch Hammer und Sichel wird diese autoritär-populistische Parole auch nicht grade besseroder kommunistischer. "Kinderschänder in den Gulag" ,oder was?

Klarmachen zum Kentern?

Gelesen 26.09.2009 - 19:29
Klarmachen zum Kentern?

22. September 2009 von Spiegelfechter

Vorbemerkung: Online und Offline sind manchmal zwei komplett verschiedene Welten. Während in der Onlinelandschaft hitzig über das Thema Piratenpartei diskutiert wird, weiß in der realen Welt kaum jemand, der nicht eben IT-affin ist, über was hier überhaupt diskutiert wird. Der Spiegelfechter ist jedoch ein Online-Medium – ein Online-Medium, das soweit, wie es nur irgend möglich ist, selbstreferentielle Netzthemen ausspart und sich mehr der Offline-Politik widmet. Als ich Anfang letzter Woche zum ersten mal über die skandalisierten Interviews führender Piraten-Politiker in der Jungen Freiheit las, wollte ich dieses Thema eigentlich rechts liegen lassen – die Piraten sind eine junge Partei, ihre Spitzen sind keine abgeklärten Profis, Medienberater sind anscheinend nicht vorhanden und es gibt wahrlich relevantere Themen als ein Interview eines Politikers in einem rechtsextremen Blatt, in dem keine anstößigen Aussagen getätigt wurden. Im Laufe der Woche kochte das „Affärchen“ jedoch hoch – die Piraten gingen trotzig in die Vorwärtsverteidigung und einige ihrer Mitglieder und Sympathisanten zeigten in Blogs und Foren einen geradezu pawlowschen Beißreflex, der einem eigentlich piratenfreundlichen Beobachter schwer zu Denken gibt. Wohin wird sich diese noch junge Partei entwickeln? Dies ist mittlerweile mein dritter Artikel zu diesem Thema. Während ich anfangs noch sehr optimistisch war und später – nach der Affäre um Bodo Thiesen – immer noch dosiert zweckoptimistisch kommentierte, sehe ich die Entwicklung der Piraten mittlerweile wesentlich pessimistischer:

Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann?

Jens Seipenbusch und Andreas Popp sind nicht irgendwelche Piraten – Seipenbusch ist Parteivorsitzender, Popp sein Stellvertreter. Da die Piraten beabsichtigen, in den deutschen Bundestag einzuziehen, sind beide Politiker auch Persönlichkeiten des Offline-Lebens, für die kein Welpenschutz für sympathische Online-Faktoten gelten kann. Das Leben eines Politikers ist stressig und im Wahlkampf kann man schon mal einiges übersehen. Seipenbusch ging auf das Angebot, einen Fragebogen für die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit auszufüllen ein, sein Stellvertreter Popp gewährte ihr sogar ein Interview. Sicher kann man darüber diskutieren, ob es sinnvoll oder gar klug ist, der JF ein Interview zu geben. Diskutiert wurde bei den Piraten allerdings erst im Nachhinein. So wurde aus einer naiven Fehlleistung zweier Nachwuchspolitiker ein Offenbarungseid der Offline-Kompetenz der Piratenpartei.

Muß man an jeder Mülltonne schnuppern? Niemand wählt Nazis oder wird einer, weil er sich über deren Ziele täuscht, – das Gegenteil ist der Fall; Nazis sind Nazis, weil sie welche sein wollen. Eine der unangenehmsten deutschen Eigenschaften, das triefende Mitleid mit sich selbst und den eigenen Landsleuten, aber macht aus solchen Irrläufern der Evolution arme Verführte, ihrem Wesen nach gut, nur eben ein bißchen labil etc., ‘Menschen’ jedenfalls, so Heinz Eggert, ‘um die wir kämpfen müssen’. Warum? Das Schicksal von Nazis ist mir komplett gleichgültig; ob sie hungern, frieren, bettnässen, schlecht träumen usw. geht mich nichts an.
Wiglaf Droste – Quelle

Si tacuisses, philosophus mansisses

Popp distanzierte sich eiligst von sich selbst, gelobte Besserung und gestand dem staunenden Leser, dass er aus allen Wolken gefallen sei, als er im Nachhinein feststellte, dass es sich bei der JF um ein „ziemlich rechtslastiges“ Blatt handele. Man mag Popp naiv nennen, man mag einwenden, dass ein stellvertretender Vorsitzender einer Partei, die in den Bundestag einziehen will, eine bessere Pressearbeit nötig hätte – alles richtig. Man kann allerdings auch einwenden, dass Popps Distanzierung eigentlich unnötig ist, da er im entsprechenden Interview nichts gesagt hat, das auch nur in irgendeiner Form anstößig ist – auch das ist richtig. Man kann darüber diskutieren, ob und wie man mit extremistischen Blättern spricht. Das Problem ist vielmehr Popps offensichtliche Unfähigkeit, Gefahren von rechts als solche wahrzunehmen. Traut man einem Politiker, der noch nicht einmal merkt, dass er vom Leitmedium der rechtsextremen Intelligenzija instrumentalisiert werden soll, zu, auf mögliche Unterwanderungsversuche der Partei von rechts zu reagieren? Wohl kaum – für die Popps dieser Welt tragen Nazis Bomberjacken, haben eine Glatze und sprechen grammatikalisch falsches Deutsch mit sächsischem Dialekt. Wahrscheinlich würde Popp einen Vordenker der „neuen Rechten“ nicht einmal als solchen identifizieren, wenn er vor ihm säße.

Als sei Popps zur Schau getragene Offline-Inkompetenz noch nicht schlimm genug, legte der Piratenkapitän Seipenbusch höchstpersönlich und ohne Not in seinem Blog nach, verharmloste die Junge Freiheit und erklärte sich auch gleich überrascht ob der teils harschen Kritik. Man müsse doch mit Rechten sprechen, um sie „ins demokratische Spektrum zurückzuholen“ und sie zu überzeugen. Hört man Seipenbusch so zu, könnte man denken, er verteidigt eine Teilnahme an einer Teerunde in einem Jugendclub in Brandenburg. Weiß Seipenbusch nicht, wer die Leser der Jungen Freiheit sind, oder will er das lieber nicht wissen?

Die Junge Freiheit gilt als Leitmedium der alten Herren ultrarechter Burschenschaften und der intellektuellen Anhänger der „neuen Rechten“. Von was will Herr Seipenbusch die rechte Intelligenzija denn inhaltlich überzeugen? Von der Gefahr der Internetzensur? Darüber wissen die Sympathisanten der Holocaustrelativierer und Revisionisten schon recht gut bescheid. Ist es Naivität oder Hybris zu denken, ausgerechnet er und sein Kollege Popp könnten ultrarechte Überzeugungstäter überzeugen, zurück ins demokratische Spektrum zu kommen? Um es noch einmal ganz klar und deutlich zu sagen – nicht das Interview in der Jungen Freiheit ist das Problem, sondern die überaus naiven Reaktionen auf die teils bewusst skandalisierenden Artikel, die unter anderem vom Grünen-Mitglied Julia Seeliger publiziert wurden. Wenn Seipenbusch seine Rechtfertigung mit dem Satz „Die Piratenpartei lässt sich jedenfalls nicht instrumentalisieren und instrumentalisiert auch nicht“ beendet, so ist dies beinahe unfreiwillig komisch.

Wadenbeißreflexe

Die Reaktionen einiger Piraten und Piratensymapthisanten gehen jedoch noch weit über die Chuzpe der Parteispitze hinaus. Reflexhaft werden Verteidigungsversuche unternommen, die eigentlich alles nur noch viel schlimmer machen. „Warum dürfe man mit Rechten nicht reden“ wird da immer wieder gefragt, „man müsse diese Ideologie doch mit Argumenten bekämpfen“. Natürlich „darf“ man mit Rechten reden. Genau das machen tausende engagierte Bürger in Deutschland, die in den meist von Gewerkschaften, der SPD, der Grünen und der Linken getragenen lokalen Bündnisse gegen rechts mit rechten oder diesbezüglich gefährdeten Jugendlichen debattieren, freiwillige Arbeit als Streetworker leisten oder Kultur- und Sportevents organisieren. Es ist allerdings etwas vollkommen anderes, sich in der JF der rechten Intelligenzija vorzustellen oder in einer Projektgruppe gegen rechts mit gefährdeten Jugendlichen zu debattieren.

„Andere Politiker haben doch auch mit der JF gesprochen“ – ja, andere Politiker haben auch Netzsperren beschlossen und Schmiergelder angenommen. Warum sollten sich die Piraten ausgerechnet an schlechten Beispielen ein Vorbild nehmen. Die „anderen Politiker“ verfolgen dabei auch meist ihre eigenen, nicht eben lauteren Interessen. Wenn der antisemitische Unionspolitiker Martin Hohmann oder der „Multi-Kulti-ist-gescheitert-SPDler“ Heinz Buschkowsky der JF ein Interview geben, so gibt es da sehr wohl Schnittmengen. Besonders drollig werden die empörten Piraten, wenn sie darauf verweisen, dass CDU-Politiker wie Jürgen Rüttgers ja ganz offen mit xenophoben Stereotypen spielen. „Natürlich“ mag man diesen Piraten dann entgegenschleudern: „Aber wollt Ihr nicht etwas Besseres sein als die CDU?“. Derlei Beißreflexe sind unter Nerds allerdings leider anscheinend gang und gäbe.

Jenseits der Gesäßgeographie?

Immer wieder wird auch der Verdacht genährt, dass „linke Geister“ die Piraten schädigen wollten, weil sie um ihren Einfluss fürchten. Die „Gutmenschen“ oder „68er-Oberaufpasser“ fürchteten um ihre Meinungshoheit – wahlweise verweist man sogar auf ein „linkes Meinungsmonopol“ in der Presse. Dieser Vorwurf ist an Absurdität natürlich kaum zu überbieten – wo war denn das „linke Meinungsmonopol“ in den letzen Jahren, als eifrig der Sozialstaat demontiert wurde? Der Verdacht liegt nahe, dass die Urheber solcher Vorwürfe entweder selbst rechts oder libertär sind, oder es sich hier um den Aufstand einer relativ apolitischen Generation gegen ihre Eltern handelt. Gegen Kritik von Bloggern verwahren sich einige Piraten übrigens generell – die Blogger seien nämlich lediglich eifersüchtig auf die Piraten. So kann man Meinungsfreiheit natürlich auch betrachten.

Von Seiten der Piraten wird immer wieder vorgebracht, dass es sich bei ihnen um eine Partei jenseits der altbekannten politischen Klassifizierungen handelt. Sie seien weder rechts noch links, nur liberal. Liberal ist jedoch jede Partei, wenn man ihrer Eigenbeschreibung Glauben schenken will. Aber die Piraten haben ja recht – bislang hat man sich in der Partei um unbequeme Positionsbestimmungen herumgedrückt. Noch ist die Partei eine reine Partikularinteressenvertretung, deren Themenspektren eng abgegrenzt sind. Doch die Piraten werden nicht darum herumkommen, bald Stellung zu beziehen. Ihr zentrales Schlagwort ist schließlich „Freiheit“ – und kaum ein anderer Begriff ist derart politisch umstritten, wie der der Freiheit.

Welche Freiheit wollen die Piraten?

Auch wenn die Piraten die Begriffe „links“ und „rechts“ so sehr meiden, wie der Teufel das Weihwasser, so müssen sie Stellung beziehen, was für sie Freiheit ist. Ist Freiheit die Freiheit des Menschen, sich in der Gesellschaft möglichst ungehindert verwirklichen zu können? Dann haben die Piraten einen eher linken Freiheitsbegriff, zu dem untrennbar auch die materielle Sicherheit und die Chancengleichheit zählen. Oder verstehen die Piraten unter Freiheit die Abwesenheit staatlicher Einschränkungen in möglichst vielen gesellschaftlichen und politischen Bereichen? Dann hätten sie einen eher rechten Freiheitsbegriff, der im Endeffekt auf die Legitimation des Sozialdarwinismus und des Wirtschaftsliberalismus hinausläuft. Wollen die Piraten die Steuern für Besserverdiener erhöhen, um Geringverdienern bessere materielle Möglichkeiten zu geben, ihre Freiheit wahrzunehmen, beschneiden sie die Freiheit der Besserverdienenden. Die Freiheit der Einen ist immer auch die Unfreiheit der Anderen.

Freiheit ist eine leere Hülse, in die man so ziemlich jeden Inhalt packen kann. Die rechtsextreme österreichische FPÖ trägt die Freiheit in ihren Namen, ebenso wie die wirtschaftsliberale FDP und auch die rechtsextreme Zeitung Junge Freiheit. Freiheit wollen sie auf ihre Art alle – Freiheit für die Starken in der Gesellschaft, die sich vor einem „sozialistischen Umverteilungsstaat“ fürchten, Freiheit für die Rechten, wieder offen den Holocaust zu relativieren oder Geschichtsrevisionismus zu betreiben. Besonders weit gehen hier die Libertären, die vor allem in den USA ihren Pakt mit den Ultrarechten geschlossen haben und vor allem in der Zielgruppe der Piraten auch sehr beliebt sind – man denke nur an den Hype um Ron Paul im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen.

Steht die Piratenpartei letztlich doch eher links (in der Tradition der zuletzt auch mit dem Mittel der Guillotine gleichmacherischen Französischen Revolution zusammen mit deren Ausgeburten Kommunismus und Nationalsozialismus sowie im Hintern des heutigen Ja-Sager- und Gleichschritts-Establishments und des zu ihren Gunsten umverteilenden dosenpfandverordnenden, mülltrennenden, internetzensierenden und glühbirnenverbietenden Nanny-Staates) oder doch eher rechts (auf der Seite der Inkorrekten, der kantigen Selbstversorger und -denker sowie der ausgebeuteten Nettosteuerzahler und Werteproduzenten)?
André F. Lichtschlag auf Eigentümlich frei

Die Piraten sollten sich nach den Bundestagswahlen schleunigst um eine Positionsbestimmung bemühen. Vielleicht ohne es zu merken, werden sie bereits von libertären und rechten Strömungen instrumentalisiert. Nicht nur die Junge Freiheit hat ihre Freude an den Freiheitskämpfern, auch die Libertären finden Gefallen an einer jungen Partei, die noch formbar ist und als „liberales oder konservatives Statement gegen das linke Establishment“ in Position gebracht werden kann.

Vor allem die Rechten haben gute Erfahrungen darin, Gruppen zu unterwandern, die sich als Gegenkultur zum Establishment verstehen. So wurden zunächst die Skinheads, eine eigentlich eher der Arbeiterbewegung zugerechnete Subkultur, umgepolt und auch beim Unterwandern der Gothic-, der Rocker- oder der New Folk-Szene haben die Rechten bereits Erfolge erzielt, ähnlich verhält es sich mit den Verschwörungstheoretikern. Die Wenigsten dieser Unterwanderten sehen sich dabei selbst als Opfer einer rechten Unterwanderung an – es gibt weder rechts noch links, nur richtig und falsch, so deren Bekenntnis, dass man auch von einigen Piratensympathisanten hört.

Die Ziele der Piraten sind löblich und richtig. Die Piraten sind wichtig, kein Frage. Nur werden sie die Frage nach ihrer Positionierung bald beantworten müssen. Noch können sie ihre Sympathisanten und Wähler aus allen Lagern ruhigstellen, in dem sie sich diesbezüglich verweigern. Dieser Welpenschutz ist allerdings bald abgelaufen. Nach den Wahlen wird die Partei allerdings viel Zeit haben, um sich zu positionieren. Sicher werden sie einige Wähler, die tendenziell eher rechts oder auch links zuzuordnen sind, durch ihre Positionsbestimmung verlieren. Andere Wähler, die heute Angst haben, die Katze im Sack zu kaufen, könnten sie allerdings gewinnen – egal, wie die Entscheidung ausfällt. Sowohl eine rechts-libertäre, als auch eine links-liberale Partei haben einen Platz im Parteienspektrum. Wenn sie allerdings versuchen, ihren Schlingerkurs weiterzuverfolgen, werden die Piraten bald nur noch eine Splitterpartei ohne gestalterische Möglichkeiten sein. Starke Piraten wären allerdings wichtig – nur durch den Druck auf die Wählerstimmen lassen sich die etablierten Parteien überzeugen, das Thema Bürgerrechte ernst zu nehmen. Ob die Piraten dereinst wählbar werden, hängt jedoch von ihrer Positionierung ab.

Jens Berger

 http://www.spiegelfechter.com/wordpress/834/klarmachen-zum-kentern

Kampagne von rechts gegen Piratenpartei

Anarchist 26.09.2009 - 19:40
Ob diese Kampagne gegen die Piratenpartei nun von Jusos/JU oder aus dem Hause Schäuble stammt ist vollkommen wurscht, sie kommt auf jeden Fall nicht von Anarchisten. Die Imitation der linken/anarchistischen Sprache ist nicht perfekt gelungen. Problem: neben dem Versuch der Spaltung von linker/anarchistischer Bewegung auf der einen Seite und Bürgerrechtsbewegung gegen den aufkommenden Faschismus auf der anderen Seite schadet diese Schmutzkampagne auch und besonders der Linken, die nun als intolerante Hetzer ohne Hirn wahrgenommen wird. Tatsächlich läuft diese ntipiratenkampagne völlig ohne richtige Argumente ab. Vorwürfe sind im Wesentlichen Lügen oder Verdrehungen. Für mich als jemand der den Parlamentarismus eigentlich ablehnt ein Grund, dieses mal doch realpolitisch aktiv zu werden und wählen zu gehen. Piraten natürlich - schon aus Solidarität aber auch aus eigenem Interesse: ich hab einfach keine Lust auf Bundeswehr im Innern und Internetzensur und Bullen mit Maschinenpistolen an jeder Ecke.

Noch ein paar nette Videos für heute abend zum anschauen:
 http://www.youtube.com/watch?v=H3eC2IsmUJg&feature
 http://www.youtube.com/watch?v=Z7VBvlf80fA&feature
 http://www.youtube.com/watch?v=z9-1kx3S4kk&feature


Ansonsten:  http://polit-bash.org/index.php?p=bottom

Richtigstellung

Richtigsteller 26.09.2009 - 20:19
Was Bildkritik über den Eindruck der Anschläge behauptet, ist nicht wahr: auf  http://wiki.piratenpartei.de/2009-09-24_-_Vandalismus_an_Geschäftsstelle_in_Berlin sind unter den Bilddokumentationen klar die Daten vermerkt. Desweiteren halten die Piraten die Füsse wesentlich stiller als es Linke tun würden, wenn bei ihnen sowas passieren würde. Der Artikel ist absolut substanzlos und es wird nicht klar, was das Problem oder wo die News sind.

scheißaktion

moeper 26.09.2009 - 21:01
die vollidiotInnen, die ein piratenparteibüro mit linken 0815 parolen beschmieren, sollen sich einfach nur die frage stellen, warum sie nicht die parteibüros von grüne/cud/spd/fdp smashen

die piraten stehen derzeit NICHT für angriffskriege, internetzensur, polizeistaat, sozialabau und rassismus, aber besagte parteien tuen es.

der anteil an idiotInnen innerhalb der linken, war leider schon immer in den großstädten besonders groß

bedauerlich und dumm

 http://www.gulli.com/news/piratenpartei-anschlag-auf-2009-09-24/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 9 Kommentare an

Der rechts-links-Gegensatz ist nicht überholt — Gegen Junge und neoliberale Freiheit

si zacuisses indeed — tagmata

schlicht - aber wahr — Dein Name

Nur mal zu Erinnerung — Erinnerer

@ Erinnerer — anarchistischer freak

Keine Lust auf dieses Niveau — anarchistischer freak