Freiräumedemo-Wittenberg

Björn Kietzmann 24.09.2009 10:13 Themen: Freiräume Repression
Rund dreihundert Menschen protestierten am Samstag den 19.09.09 für ein autonomes Jugendzentrum in Lutherstadt Wittenberg. Der friedliche Protestzug wurde durch ein polizeiliches Großaufgebot begleitet. Ein eingesetzter Beamter wurde von Anwesenden verdächtigt mit verbotenen Ausrüstungsgenständen ausgestattet gewesen zu sein. Trotzdem braucht der Polizist, der einer Magdeburger Hundertschaft angehört, augenscheinlich keine Strafverfolgung zu befürchten. Die Vorort an die leitende Polizeibeamte herangetragenen Beschwerden von anwesenden Journalisten und der Demonstrationsleitung wurden weitgehend nicht nachgegangen.
Ein Demonstrationsteilnehmer machte Journalisten auf die Handschuhe eines Bereitschaftspolizisten aufmerksam. „Ich bin mir 100% sicher das es sich bei diesen Handschuhen um ein Modell handelt, welche eine Stahlschrotfüllung haben“, erklärte der junge Mann. Solche Handschuhe sind bei der Polizei in Sachsen-Anhalt verboten, da Schläge mit diesen schweren Handschuhen massive Verletzungen verursachen. Der daraufhin angesprochene Beamte wiegelte ab “das sind meine Winterhandschuhe“. Sowohl Pressevertreter, als auch Personen der Demonstrationsleitung forderten ranghöhere Polizisten auf den Vorfall zu überprüfen und die Handschuhe in Augenschein zu nehmen. Doch angesprochen Polizeikräfte weigerten sich die Anschuldigungen zu überprüfen. Der Vorort verantwortlichen Polizeiführer sagte auf telefonische Anfrage, dass er sich erst nach dem Ende der Demonstration mit dem Vorfall beschäftigen könne.

Später erklärt die Polizeiführung anwesenden Journalisten das sie den Vorgang nicht nachzugehen wird. „Es ist Absurd das wir die Handschuhe unserer Beamten überprüfen sollen“, erklärte ein Beamter zum jungle world. Als Pressevertreter sich über die nichtverfolg möglicher polizeilicher Verstöße empören raunzt einer der Polizisten: „Werfen sie uns kollektivem Korpsgeist vor?“. Bei „konkreten Tatvorwürfen wenden sie sich bitte direkt mit dem Namen und der Anschrift des Beschuldigten an die Polizeiführung in Dessau“, ergänzte ein anderer Beamter.

In Wittenberg leben derzeit etwa 47.500 Menschen. Seit den 1980iger Jahren schrumpft die Einwohneranzahl der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt. Egal ob im touristischen Stadtzentrum oder in entlegeneren Winkeln hier braucht man nicht lange zu suchen um leerstehende Gebäude zu entdecken. Dennoch bemühen sich der Jugendverein „Kultur mit Sahne“ bereits seit mehr als ein Jahr um öffentliche Räume. Hier wollen die Jugendlichen ein selbstverwaltetes Kulturzentrum etablieren. Konkrete Pläne liegen vor, demnach sind unter anderem Kreativwerkstätten, ein Veranstaltungsraum, eine Fahrradwerkstatt, eine Bibliothek, ein kleiner Kinosaal und ein Hausaufgabenraum geplant.

Als die Verhandlungen zu keinen konkreten Ergebnissen führten besetzten einige Jugendliche im August ein seit drei Jahren leerstehende städtisches Gebäude. Doch Gespräche über die Nutzung des Hauses scheiterten. Nach massivem Repressionsdruck wurde das Haus am 11. Tag der Besetzung verlassen. Neben einer zu erwartenden polizeilichen Räumung drohte Bürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) jegliche Verhandlungen über ein Jugendzentrum zu beenden. „Leicht viel uns diese Entscheidung nicht, viele Tränen sind heute Abend geflossen“, erklärten die Besetzer in einer Stellungnahme nach ihrem „freiwilligem“ Auszug.

Laut dem „Kultur mit Sahne“ besteht zur Zeit eine „gute Verhandlungsbasis“ mit der Stadt. Im Vorfeld der Demonstration seien bereits erste Objekte besichtigt worden. „Auch wenn das Passende noch nicht mit dabei war, sehen wir uns auf einen guten Weg unser aller Traum zu verwirklichen“, heißt es in einer Erklärung des Vereins.

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Der Internet-Versandhändler "cop-shop.de" listet in Katalog den "Schlagschutzhandschuh HATCH® SP100N". Hier heißt es: "Schwarzer Handschuh mit Füllung aus Stahlschrot im Bereich der Fingerknöchel
und Schaumprotektoren auf der Oberhälfte der Finger (nicht am Daumen). Ideal bei Zugriffen und Demoeinsätzen!". Die Abbildung dieser Handschuhe auf der Katalog-Seite 119 - gleicht den Handschuhen des Eingesetzten Beamten.

 http://www.cop-gmbh.de/media/content/downloads/cop_katalog/113-122_Handschuhe.pdf

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Fotos von der Demo:
 http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157622319824057/
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Ergänzungen

immer verlässlich :)

m 24.09.2009 - 11:38
danke für den guten bericht, mal wieder ein riesen lob für dein engagement!

Schön die Aussage eines Beamten bezüglich der Gruppenstruktur innerhalb einer Einsatzhundertschaft. Ist doch leider bekannt dass "Kollegen" um jeden Preis gedeckt werden, siehe Einsatz des SEK bei Squat Tempelhof, siehe Aussageverweigerungen beim Vorfall nach der "Freiheit statt Angst" Demo, siehe "Beweisaufnahme" im Fall Oury Jalloh, siehe Aussagen im Fall Dennis J., und und und...

Solidarität ist unsere Waffe - Klassenkampf statt Alltagskrampf!

Bericht & Bilder auch hier:

afa crew 24.09.2009 - 15:35

teilweise sehr wohl verboten

marcel 24.09.2009 - 21:07
liebe mods warum wurde denn die ergänzung von 16:42 in den Bereich "keine inhaltliche Ergänzung" geschoben?

Die dort dargestellten rechtlichen Hintergründe zu Quarzsand- ebenso wie Stahlschrot-Handschuhen sind durchaus zutreffend und helfen dabei die Relevanz des BKA-Gutachtens zu beurteilen.

Hier ein entsprecher Beleg-Link zur Lage in Berlin:
 http://www.morgenpost.de/berlin/article1138242/Berliner_Polizist_trug_verbotene_Quarzsand_Handschuhe.html

HD: NACHTTANZDEMO

hdlerIn 25.09.2009 - 12:47
heyhey,

am 24. Oktober gibt es eine NACHTTANZDEMO in Heidelberg, für linke selbstverwaltete Zentren in Heidelberg und überall."

NACHTTANZDEMO
Heidelberg Uniplatz
24. okt. 18 Uhr

www.anarres.blogsport.de

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