Feldbefreier geht freiwillig in den Knast

Simone Ott 22.09.2009 22:27 Themen: Biopolitik Repression Ökologie
80 UnterstützerInnen begleiteten heute den Anti-Gentech-Aktivisten Christian Pratz zur JVA Kassel, wo er für vierzehn Tage eine Haftstrafe absitzen will.
200 € Strafe hätte er wegen Sachbeschädigung auf einem MON810-Maisfeld zahlen sollen, doch Christian geht es ums Prinzip. Keinen Cent für den Staat, der Biotechnologie-Forschung mit Milliardenbeträgen unterstützt. Stattdessen kostet sein "Aufenthalt" im Knast den Staat jeden Tag über 100 €.

2007 hatte er beim gentechnikfreien Wochenende von Gendreck-weg im Oderbruch (nördlich von Berlin)Maispflanzen unschädlich gemacht und war dafür verurteilt worden. Diese spezielle Maissorte wurde zwar dieses Jahr ganz offiziell vom Landwirtschaftsministerium wegen möglicher schädlicher Umweltauswirkungen verboten, aber das beeindruckte das Gericht nicht.

Christian weiß er was tut: er ist gelernter Landwirt und angehender Agrarwissenschaftler. Er kennt die aktuelle Gentechnik-Szene Deutschlands und weltweit, und kann ihre Scheinargumente gut widerlegen. In den letzten Tagen war wieder in der Presse von einem Verunreinigungsskandal in Leinsamen zu lesen, einer Pflanze, die nirgendwo auf der Welt für den kommerziellen Anbau zugelassen ist. Es wird also wieder einmal offensichtlich, dass die Gentechnikbefürworter ihr Werk nicht unter Kontrolle haben, wie sie es immer wieder behaupten. Und selbst wenn gentechnisch veränderte Pflanzen für Mensch, Tier und Umwelt unschädlich sein sollten, bleibt weiterhin die mangelnde Wahlfreiheit für die KonsumentInnen und die zunehmende Abhängigkeit der LandwirtInnen von Groß-Konzernen bestehen. Christian hat inzwischen schon bei mehreren Feldbefreiungs- und Besetzungsaktionen mitgewirkt, um seinen Protest deutlich zu machen.

In einem bunten Zug mit Geige, Trommeln, Tuba und Gitarre zog die Demonstration einmal um den Kasseler Knast, ohne zu vergessen, diese asoziale Einrichtung zu kritisieren ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/knast.html). Hanna Poddig las aus ihrem neuen Buch "Radikal mutig. Meine Anleitung zum Anderssein" ein Kapitel über die repressive Wirkung von Einknastung und eins über Anti-Gentechnik-Aktionen. Mehrere AktivistInnen ergriffen selbst am Megaphon das Wort. Eine französische Aktivistin berichtete von den Widerstandspraktiken in Frankreich.

Christian freut sich über Post, die ihn in den nächsten 14 Tagen im Knast erreicht:

JVA Kassel 1
Christian Pratz
Theodor-Fliedner-Str. 12
34121 Kassel


Christian Pratz ist nicht der einzige, der für seine Überzeugung verurteilt wird: in Kitzingen (Bayern) laufen gerade mehrere Prozesse gegen Anti-Gentech-AktivistInnen, die letztes Jahr aktiv waren (www.gendreck-weg.de). In Gießen (Hessen) stehen ebenfalls zwei FeldbefreierInnen vor Gericht (www.projektwerkstatt.de/gen/prozess.htm). Und gegen die FeldbefreierInnen von Gatersleben (Sachsen-Anhalt) läuft eine Schadensersatzklage in Magdeburg (www.freiwillige-feldbefreiungen.de).

Der Imker und Gendreck-weg-Mitbegründer Michael Grolm wird morgen nach drei Wochen Beugehaft endlich auf einstweilige Anordnung entlassen. Dazu brauchte es allerdings eine Verfassungsbeschwerde. Das Amtsgericht hielt es für verhältnismäßig, Micha wegen eines fehlenden Offenbarungseides so lange gefangen zu halten, obwohl seine Haftstrafe lediglich zwei Tage betragen würde ( http://de.indymedia.org/2009/09/261635.shtml).

Es ist also offensichtlich, dass die Bandagen im Streit um die Agro-Gentechnik härter werden. Sowohl auf der Seite der Repressionsorgane (die Staatsanwaltschaft fordert mehr als ein halbes Jahr Haft für die Gießener Feldbefreier), als auch auf der Seite der AktivistInnen, die sich nicht mal mehr auf Geldstrafen einlassen wollen...
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Ergänzungen

14 € pro tag?

moeper 23.09.2009 - 00:12
bei 200€ für 14 € pro tag eingeknastet zu werden, ist das nicht ein ziemlich geringer tagessatz?? sonst sind die sätze doch auch höher??

Er geht NICHT FREIWILLIG in den Knast !

Beobachter 23.09.2009 - 00:44
Der mutige Feldbefreier geht NICHT freiwillig in den Knast.
Er wird diesem Staat gezwungen eine Geldstrafe zu zahlen weil er andere Menschen und Umwelt vor irreversiblen Schäden bewahren möchte.
Der Drecksstaat als Büttel des Kapitals zur Umsetzung von Profitmaximierung gegen den Grossteil der Bevölkerung.
Gäbe es diese verschissene Geldstrafe nicht, würde er auch nicht in den Knast gehen.
Er geht nur in den Knast, weil er dazu gezwungen wird. Zwischen Strafen auszuwählen ist keine
Freiwilligkeit sondern Zwang.

Tagessatz

Sabot 25.09.2009 - 01:07
Der Tagessatz richtet sich unter anderem nach dem Einkommen und variiert daher...

weiteres:  http://de.wikipedia.org/wiki/Geldstrafe

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mutige Antirepression — Peter Lustig