17.09. - Krisendemo in Bremen

Mayday-Bündnis Bremen 21.09.2009 19:42 Themen: Soziale Kämpfe
Rund 350 Leute (Fluktuation eingerechnet) sind am 17. September anlässlich des bundesweiten Aktionstages „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ in Bremen auf die Straße gegangen. Während die Demo nicht sonderlich spektakulär war (und trotzdem nett anzusehen), war die Zusammensetzung des Bündnisses durchaus bemerkenswert. Denn beteiligt waren die Gruppen des Bremer Mayday-Bündnisses genauso wie die GEW, die Partei „Die Linke“ oder die Erwerbslosenausschüsse von ver.di und IG Metall, um nur einige zu nennen (die volle UnterstützterInnenliste findet sich auf www.kapitalismuskrise.org).
Bemerkenswert ist jene Bündnisbreite aus mindestens zwei Gründen gewesen – jedenfalls aus Sicht der Beteiligten: Einerseits weil langfristig kein Weg an der Notwendigkeit vorbei führt, sich innerhalb der Linken wechselseitig in der Entfaltung konkreten Drucks zu unterstützen – ganz gleich wie groß oder klein die grundsätzlichen Differenzen sein mögen. Andererseits war das der Grund, weshalb allenthalben Erleichterung darüber bestand, dass die Kooperation im Vorfeld und während der Demo durchgehend gut geklappt hat. Denn das ist keineswegs selbstverständlich: So gab es etwa anlässlich der Krisendemos am 28. März 2009 in Frankfurt und Berlin unter vielen Gruppen erhebliche Verärgerung darüber, dass die Partei Die Linke mit Gysi und Lafontaine ausgerechnet ihr (gerade in sozialen Bewegungen äußerst umstrittenes) Spitzenpersonal als Hauptredner aufgeboten hatte – erinnert sei nur an die Eierwürfe auf Lafontaine in Frankfurt. Diese Erfahrungen wurden in Bremen gleich zu Beginn des Bündnissprozesses angesprochen – mit dem Ergebnis, dass wir uns für Bremen auf ein Vorgehen verständigt haben, wonach keine der beteiligten Gruppen die jeweils anderen mit nicht-diskutierbaren Entscheidungen konfrontieren möge. Ein weiterer Stolperstein ist bei breiten Bündnissen gemeinhin der gemeinsame Aufruf. Entsprechend muss mensch über den Bremer Aufruf sagen, dass dieser weder inhaltlich noch stilistisch ein Meisterwerk ist – dafür wurde er um so intensiver diskutiert und gemeinsam verabschiedet, was seinerseits ein politischer Wert an sich sein dürfte. Letzteres ist ein wichtiges Stichwort: Dass wir uns in Bremen für eine Demo entschieden haben und nicht für dezentrale Aktionen, war keineswegs zufällig: Denn die allgemeine Einschätzung lautete, dass wir uns (vor dem Hintergrund der zu erwartenden Beteiligung) im Zuge eines dezentralen Aktionskonzeptes bis zur Nicht-Wahrnehmbarkeit zerplittern würden, und zwar entlang der ohnehin eingeschliffenen Trennungslinien. Das aber hätte geheißen, so die eigentliche Befürchtung, dass es gerade nicht zu jenen Verständigungsprozessen gekommen wäre, die wir anlässlich der Notwendigkeit, gemeinsam eine Demo zu planen, tatsächlich gehabt haben.

So viel zum Vorlauf, jetzt zur Demo: Wie schon gesagt, die Demo war kein Brüller. Es waren im Durchschnitt 250 Leute beteiligt, es gab Schilder, selbst beschreibbare Sprechblasen sowie Mayday-Ballons („Her mit dem schönen Leben – für alle, weltweit“), außerdem hat die lokale Presse den Protest im großen und ganzen wohlwollend (wenn auch ein bisschen 'von oben herab') begleitet. Auf der Demo wurden fünf Redebeiträge gehalten: Neben einem Vertreter des Bündnisses hat die Vorstandssprecherin der GEW Bremen gesprochen, die antirassistische Gruppe NoLager Bremen, Peter Erlanson (Betriebsrat und Fraktionschef der Partei Die Linke in der Bremer Bürgerschaft) sowie der Bremer Erwerbslosenverband. Außerdem hat das Mayday-Bündnis vor einer Schlecker-Filiale ein (im Vorlauf der Demo stattgefundenes) Interview mit einer Angestellten von Schlecker vorgetragen – darin ging es vor allem darum, wie prekäre Arbeitsbedingungen im real existierenden (Krisen-)Kapitalismus konkret aussehen. Hintergrund ist, dass die derzeit von Schlecker bundesweit betriebene Umwandlung einzelner Filialen in Schlecker-XL-Märkte für die Beschäftigten mit einer massiven Verschlechterung der Arbeitsbedingungen oder gar Kündigungen einhergeht. Die Demonstration hat sich daher solidarisch mit den von ver.di aktuell gegen Schlecker unter dem Motto „Zeigen Sie Schlecker die rote Karte“ organisierten Protesten erklärt. In diesem Sinne konnten auf der Demo (immerhin) 75 unterschriebene Karten gesammelt werden.

Ein Wort noch zu den Demo-TeilnehmerInnen: Auffällig war der vergleichsweise hohe Altersdurchschnitt der Demo, was zugleich bedeutet (jedenfalls hierzulande), dass die 'moderaten' Teile des Demobündnisses ihre Leute ungleich besser mobilisiert hatten als die 'radikaleren' Strömungen. Diese Einsicht ist weder neu noch überraschend, vielmehr drückt sich darin (wie zuletzt beim ersten Bremer Umsonstfahrtag:  http://www2.de.indymedia.org/2009/05/250697.shtml) der Umstand aus, dass soziale und betriebliche Auseinandersetzungen (oder klassisch formuliert: Fragen des Klassenkampfes) in der radikalen Linken immer noch auf vergleichsweise schwachen Füßen stehen. Wenn überhaupt wird der Kapitalismus als Ganzes propagandistisch attackiert, was zwar nicht falsch ist, was jedoch langfristig nicht genügen dürfte, will mensch ihn tatsächlich überwinden.

Es bleibt die Frage des „Wie weiter?“. Bislang sind noch keine Entscheidungen gefallen, allerdings waren sich in einer ersten Spontanauswertung nach der Demo die an der Vorbereitung beteiligten Gruppen einig, dass das Bremer Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ auf jeden Fall am Ball bleiben sollte – neue MitstreiterInnen sind also herzlich willkommen!
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Ergänzungen

Paranoia vs Schutzbedürfnis

schutzbedürftige_r paranoiker_in 21.09.2009 - 23:22
Vielleicht weiß der_die Autor_in es auch nicht besser, aber:

Nicht wenige politisch aktive Leute legen aus verschiedensten Gründen (Schutz der Pivatsphäre, Recht am eigenen Bild, Angst vor politischer Verfolgung und Repression, ...) überhauptgarkeinen Wert darauf, für jedermensch auf Fotos als Teilnehmer_innen von linken Demonstationen erkennbar zu sein! Mach gefälligst die Leute auf den Fotos unkenntlich oder frag sie, bevor Du sie ablichtest und ihre Gesichter im Internet zur Schau stellst!
indymedia soll schließlich sowas wie eine Nachrichtenplattform sein, kein Infopool für Staat oder Anti-Antifa!

Geischter

Harniel 22.09.2009 - 09:59
Nein, es wäre NICHT besser, die Gesichter der Abgebildeten unkenntlich zu machen.

Diese Demo sollte bewusst keine vollautonome Szenedemo sein. Sie sollte Austrahlung haben, und offen wirken für Leute, die sich vom Thema betroffen sehen. Auch und gerade dann, wenn sie nicht zur linken Szene gehören.
Deshalb kam es gar nicht in Frage, herumzulaufen wie ein in Stoff eingewickeltes anonymes Paket. Solche Stoffpakete aus Rundum-Transpis sind ja gut für den harten Kern der Szene, aber für alle anderen vollkommen unzugänglich und abschreckend.
Wir wollen dagegen ins Gespräch mit den Menschen kommen. Und dazu ist es wichtig, das Gesicht zu zeigen.

Im übrigen: Es gibt zwar Demos, wo es besser wäre, die Gesichter unkenntlich zu machen, aber diese Demo war keine solche.
Dies war eine 100% legale Demo. Es ist nichts, aber auch rein gar nichts an militanter Aktion gelaufen, und das war auch so geplant. Die Polizeipräsenz war sehr zurückhaltend, die Demo hatte gar nichts von Konfrontation oder Repression. Es gab keine Ermittlungsverfahren, keine Personalienfeststellungen, usw. Repressalien nach dieser Demo sind NICHT zu befürchten.

Schont das eigene Gesicht!

GesichtspflegerIn 23.09.2009 - 09:37
Ist wirklich eine Sauerei, dass sich hier die Autorin rausnimmt, zu bestimmen, ob mensch gern im Internet zu sehen sein will oder nicht.
Die nächste Demo des Bündnisses wird deshalb zumindest schon mal eine Teilnehmerin weniger haben - mich.

Video von der Demo am 17. September

Sönke 24.09.2009 - 09:33
Über die Demo hab ich ein kurzes Video gemacht. Zu finden auf der Website der LINKEN Bremen ( http://www.dielinke-bremen.de) und auf Youtube unter:  http://www.youtube.com/watch?v=sYZ5iJD3ZOA
Sönke

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

MayDay und Krisendemo? — Nein Danke!

//♥// — endofroad

@ Harniel — egal

Krise — Roland Ionas Bialke