Dresden: Nachttanzdemo part 2

autonomer Nachttänzer 20.09.2009 10:47 Themen: Freiräume Kultur Repression
+++ Etwa 1000 Menschen waren gestern auf der Nachttanzdemo für mehr Freiräume in Dresden. +++ Im Anschluß wurde die Hechtstraße 7 wieder besetzt. +++
Anlass für die zum zweiten Mal vom AK Freiraum aus dem Dresdner Libertären Netzwerk ausgerichtete Demonstration war konkret die Räumung der Hechtstraße 7 im März diesen Jahres und allgemein die sich verschärfende Situation für Freiräume in Dresden und anderswo. Wie zum Beispiel die Räumung der besetzten Häuser in Erfurt, Wittenberg und Prag.

Nachdem sich seit der ersten Nachttanzdemo im Mai in Dresden noch nicht viel geändert hat und engagierte Menschen, die mit Hausbesitzern und Behörden verhandeln, weitgehend hingehalten werden, versammelten sich gestern Abend auf dem Jorge-Gomondai-Platz in Dresden-Neustadt etwa 900 Menschen aus Dresden und Umland hinter acht Lautsprecherwägen. Die Lautsprecherwägen wurden von verschiedenen Spektren der Dresdner Subkultur organisiert, die sich alle für mehr Freiräume und alternatives Leben in Dresden einsetzen. Durch die dadurch angebotene musikalische Breite von Drum'n'Bass, Minimal, Hardtek, Ska, Reggea, Dancehall bis zu Punkrock, war für so ziemlich jeden was dabei. Viel Zuspruch fand ein stadtbekanntes DJ-Team, die auf dem Hauptlauti des AK Freiraum auflegten.

Am Anfang musste die Demonstration noch etwas warten, da die Polizei zwar auf Vorkontrollen verzichtet hatte, aber darauf bestand, dass erst mal aus der Demonstration alle Glasflaschen verschwinden. Während der Warterei gab es die ersten Festnahmen. Interessant war dabei, was man bei der Polizei in Dresden für Lehren aus dem Vorfall in Berlin auf der Datenschutzdemonstration gezogen hatte. Nachdem eine Person festgenommen wurde, hat man gleich im Anschluss die Person, die das Ganze gefilmt hatte, gleich auch noch mitgenommen.

Nach über einer Stunde hatte sich die Anzahl der Glasflaschen auf der Demonstration auf ein für die Polizei tolerierbares Maß reduziert, und so setzte sich die Demonstration vor allem tanzend in Richtung Äußere Neustadt in Bewegung. Obwohl die Äußere Neustadt für einen Sonnabendabend relativ leer wirkte, da die meisten sich der Demonstration wohl schon von Anfang an angeschlossen hatten, war die Teilnehmerzahl nach Verlassen des Szeneviertels noch um etwa 100 Teilnehmer gewachsen.

Auf dem Weg in Richtung Altstadt fing die Polizei dann an jeder Kreuzung, von der man die Route in Richtung Endpunkt Bahnhof Neustadt hätte abkürzen können, zu quengeln. Die ganze Sache fing an ihnen zu lange zu dauern, woran sie selbst mit Schuld waren, und zu anstrengend wurde. Auf die in der ersten Reihe laufenden, schon deutliche Ermüdungszeichen zeigenden, Beamten wurde jedoch keine Rücksicht genommen und über die Carolabrücke ging es in Richtung Altstadt zur Synagoge, wo eine Zwischenkundgebung stattfand. Hier wurde in Redebeiträgen, die Freiraumsituation in Dresden und in anderen Städten beschrieben und wieso Kapitalismus unter anderem deswegen ein Problem darstellt. Grüße gingen raus an die am selben Tag stattfindende Freiraumdemonstration in Wittenberg.

Weiter ging es über die Brühlsche Terasse, so dass auch noch einige Touristen und andere Besucher der nächtlichen Festivitäten in der Dresdner Altstadt in den Genuß der Nachttanzdemonstration kamen. Am Theaterplatz wurde vom Hauptlauti noch ein obligatorischer, kurzer Redebeitrag der Antifagruppe „¡No pasarán!“ Dresden zum nächsten 13. Februar vorgelesen, bevor es über die Augustusbrücke zurück in Richtung Bahnhof Neustadt ging. Einige vor der Demonstration laufende Polizisten humpelten die letzten Meter mehr, als dass sie liefen, und boten angekommen auf dem Schlesischen Platz vorm Bahnhof ein Bild der Erschöpfung, während der Punkrocklauti die Stimmung bei den Demonstranten und den zahlreich vorhandenen nächtlichen Bahnhofbesuchern mit Klassikern wie „Straßenkampf“ von den Skeptikern hob. Inzwischen war es schon etwa eine Stunde nach Mitternacht und die Demonstration löste sich dann relativ zügig ohne weitere Vorkommnisse auf.

Im Anschluß wurde von einigen Freiraumaktivisten noch die Hechtstraße 7 wieder besetzt, die dann gegen 5:30 Uhr wieder geräumt wurde. Zwei Aktivisten, die sich mit Rohren an die Wand gekettet hatten, wurden vorrübergehend in Gewahrsam genommen, sind inzwischen aber wieder auf freiem Fuß.

Die Demonstration hat deutlich gezeigt, dass es in Dresden durchaus ein großes Interesse an Freiräumen und alternativem Leben gibt und man nicht gewillt ist, von den Behörden weiter verschaukelt und herumgeschubst zu werden.
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Ergänzungen

presse

dorte 20.09.2009 - 13:11

Polizei löst „Hausbesetzung“ in Dresden auf

Dresden - Beamte der Bundes- und Landespolizei haben am frühen Sonntagmorgen in der Hechtstraße in der Dresdener Neustadt eine vermeintliche Hausbesetzung aufgelöst. Um 5.30 Uhr räumten die Polizisten ein leerstehende Gebäude und erteilten einigen Aktivisten Platzverweise, teilten die Organisatoren der Veranstaltung, die „Freunde und Besetzer_innen der Hechtstraße 7“, am Sonntag mit.

Aus Sicht der Polizei hatte es sich bei dem Menschenauflauf nicht um eine Hausbesetzung sondern lediglich um eine „große Ansammlung von Personen in und vor einem Haus“ gehandelt. Das Gebäude war bereits im März von den Aktivisten besetzt worden. (dpa)

Respekt

discomiezi for politics 20.09.2009 - 13:31
Ich fand das Durchhaltevermögen der Leute echt großartig. Schon 20.30 Uhr fingen die Leute an den ersten Lautis zu tanzen an, und das ging dann so bis fast um 1 Uhr... Jedesmal wenn die Bullen ihre Verzögerungstaktik einsetzten dachte ich schon, jetzt gehen bestimmt schon einige: Das fing am Albertplatz an, erst mit dem Flaschensammeln, dann mit den zwei Festnahmen, die große Diskussionen auslösten. Dann an der Bautzner/Rothenburger, wo die Kern-Äußere-Neustadt verlassen wurde, dann nochmal Rothenburger/Glacisstraße, jedesmal stoppten die Bullen längere Zeit und es gingen Leute... Und jedesmal kamen sie einfach nur vom Pinkeln zurück. Zum bloßen Feiern hätten es die Leute definitiv gemütlicher haben können! Einige Autos wurden geschoben, und ein Soundsystem zog sogar einen Handwagen. Die DJ-Teams selbst waren auch keine Unbekannten, da waren viele zu sehen, die sonst auf allen möglichen politischen Solipartys auflegen, und ihr entsprechendes Publikum war natürlich auch da.

Bei der Kundgebung an der Synagoge wurde dann gesagt, dass die Redebeiträge am Hauptlauti gehalten werden - und promt strömte die Masse hin! Es war gut nochmal an alle aktuellen BesetzerInnen-Kämpfe zu erinnern, z.B. auch an die Tatsache, dass bei der Räumung des Milada in Prag Nazis beteiligt waren! Auch die Musikauswahl beim Punkrocklauti war die ganze Zeit deutlich politisch und das haben auch die ganzen Leute und Touristen mitgekriegt, die in der Altstadt an der Brühlschen Terasse bei irgendwelchen Buden rumhingen. Hier war auch der Redebeitrag von No pasarán passend, und die Leuten haben zwar gefeiert, aber sehr wohl noch gecheckt, worum es da ging und haben ordentlich gebuht als die 7.000 Nazis etc. erwähnt wurden. Ab da wurde es spätestens langsam anstrengend die ganze Zeit zu stehen/laufen/tanzen. Doch noch immer blieb die große Masse beisammen, bis zum Schluß!

Und das dann hinterher noch Leute in die Hecht 7 einziehen und sich dort die Nacht um die Ohren schlagen und sich z.T. vor der Räumung anketten... das zeugt doch von politischer Kraft, die in Dresden geradezu erfrischend wirkt!

Bock auf mehr Inhalt?

freiraum-freak 20.09.2009 - 17:19
Wer Lust hat sich weiter über Freiräume, Stadtentwicklung und die rechtlichen Aspekte von verschiedenen Aktionsformen zu informieren, sei auf den Infotag am 4.10. ab 17 Uhr im AZ Conni (Rudolf-Leonhard-Straße 39) verwiesen. Dort wird es außerdem auch Infomaterial und einen Open-Space für Diskussionsrunden geben.

Fotos

C&P 21.09.2009 - 12:44
Bildergalerie der sächsichen Zeitung:
 http://www.sz-online.de/_tools/galerie/fotos.asp?artikel=2266393

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Jaja, die bösen Feiernden — Mensch Meier

10% — .

nachtanzdemo in heidelberg — jo voll cool

Gelungene Veranstaltung — Querdenker

@kritik — LoisandClark

an alle "ausgeschlossenen" — dresdener...

@dresdener... — "Ausgeschlossener"